Zum Interpretieren von Architektur
Theorie des Interpretierens
12. Jg., Heft 2, Dezember 2008
   
Mercurius/Hermes
aus: Giordano Bruno: de imaginum compositione, Frankfurt 1591 (liber II, Kap VI, S. 240)



Konzeption und Redaktion,
Kuratoren:

  Eduard Heinrich Führ, Robert J. Miller

Organisation,
Lektorat und Layout:

  Ehrengard Heinzig

   


Editorial




Die Bestimmung des Architektonischen als Gegenstand der Interpretation
Matthias A. Amann   Werk ohne Nutzung
Sabine Ammon   Interpretieren, Verstehen, Wissen –
Zur Kognitivität der Architektur
Stefan Hajek   "Wehe! Dieses wird jenes töten."
Alban Janson   Turn! Turn! Turn!
Zum architektonischen Bild
Roland Lippuner   Objekte und Stellen –
Eine systemtheoretische Interpretation von Raum und Architektur
Stefan Meißner   Architektur – Diskurs – Interpretation
Robert J. Miller   Architektur ist das, was in einem Hurrikan davongeweht wird
   

Interpretation des Interpretierens
Martin Düchs   thin and thick conceptions of morality – Eine moralphilosophische Debatte als Analogie für die Architektur und ihre Interpretation
Thomas Hackenfort
& Stefan Hochstadt
  Architektur, die ich meine –
Wie architektonische Wirklichkeit durch Interpretation konstruiert wird
David Kolb   Öffentliche Entblößung: Architektur und Interpretation
Anna Valentine Ullrich   Medienwirkungen:
Rezeption zwischen Architektur, Sprache und Bild
   

Interpretationstheorien
Burkhard Biella   Architektur im Kontext
Hermeneutische Anmerkungen zum Interpretieren von Architektur
Nathaniel Coleman   Flüchtige Interpretationen
Monika Grubbauer   Zur Interpretation von Architektur: Fotografische Bilder von Architektur und die visuelle Vermitteltheit architektonischen Wissens
Lex Hermans   Die Regeln der Rhetorik als Handbuch für das Lesen von Architektur
Rixt Hoekstra   Bei der Übersetzung verloren gegangen? Tafuri in Deutschland, Tafuri über Deutschland: Eine Geschichte der Rezeption
Jonna M. Krarup   Interpretation als Werk
Maria Lorena Lehman   Interpretation und Evolution: Ein Szenario
Sandra Lippert-Vieira   Wege zu einer Rezeptionsästhetik in der Architektur: Das implizite Leben der gebauten Umwelt
Klaus Rheidt   Das Rätsel der Riesenquader
Oliver Schmidtke   Soziologische Architekturinterpretation mit Hilfe der Methode der Objektiven Hermeneutik – Exemplarische Gebäudeanalyse des Wohnhauses für F. C. Robie, Architekt: Frank Lloyd Wright 1906-09 in Chicago, USA
Jörg Schnier   Das Schweigen der Häuser
M. Reza Shirazi   ‚Genius loci’, Phänomenologie von außen
Irina Solovyova
& Upali Nanda
  Verkörperte Intuition
Ulrike Tillmann   Die Wohnhochhäuser „Romeo und Julia“ von Hans Scharoun
   

Zur Abgrenzung der Interpretation
Myriam Blais   Verständnis und Interpretation:
Das Werk der Architektur als Bild und Repräsentation
Markus Breitschmid   Zwischen Objekt und Kultur
   

Analyse versus Interpretation
Harald Deinsberger   Wohnbau-Interpretation oder Wohnbau-Analyse – Widerspruch oder sinnvolle Ergänzung ... und wo bleibt die Wohnbau-Theorie dabei?
Nassir Zarrin-Panah   Konstruktion eines Gebäudes durch Interpretation

 
abstracts:
   


Die Bestimmung des Architektonischen als Gegenstand der Interpretation
   
 
___Matthias A. Amann
Dresden
 
Werk ohne Nutzung

Ungenutzte Gebäude als Werke der Architektur zu interpretieren, konfrontiert den Interpreten, wenn er nicht die Perspektive des Historikers einnimmt, mit einem Problem. Seit Vitruv muss ein Werk der Architektur einer Nutzung bestimmt sein, sie ist notwendige Bedingung. Die einem Gebäude zugedachte Nutzung findet vermittels konventioneller Kriterien, die einem historischen und lebenspraktischen Erfahrungsschatz entlehnt sind, Eingang in das Werk. Muster menschlichen Handelns werden dabei in ein Verhältnis zu räumlich-geometrischen Mustern gesetzt.
Genau genommen lässt sich eine vorgesehene Nutzung aber nicht aufgrund geometrischer Tatsachen bewerten, wie es im Fall einer konventionellen Werkinterpretation geschähe. Denn signifikante Abweichungen von bewährten Modellen – originelle Lösungen also – würden lediglich zu mehr oder weniger kalkulierten Mutmaßungen bezüglich der Nutzung führen. Nutzung gibt es nur in der Verlaufsform des Präsens, in der Zukunft existiert sie ausschließlich als Potenzialität. Die einzige Möglichkeit, zu qualifizierten Aussagen über die Nutzung eines Gebäudes zu kommen, die nicht historisch sind, ist, es zu nutzen.
Das Paradox der Werkinterpretation eines architektonischen Werkes ‚ohne Nutzung’ kann vermutlich nur mithilfe eines übergeordneten Kontexts verdeckter Nutzungen, die das ‚ungenutzte’ Gebäude als Werk der Architektur qualifizieren, aufgelöst werden.

Artikel in Deutsch




___Sabine Ammon
Berlin
 
Interpretieren, Verstehen, Wissen – Zur Kognitivität der Architektur

Mein Thema war die Einbildungskraft, Imagination oder Phantasie. Sie gehört zu den menschlichen Grundvermögen. Wie sie innerhalb der Architekturtheorie fruchtbar gemacht werden kann, dies habe ich eher als eine Aufgabe zu formulieren versucht, als es schon zeigen können. Bei der uns heute geläufigen Rede vom „Entwerfen in Bildern“ scheint es mir angebracht, diese Frage zunächst hinsichtlich ihrer angemessenen Tiefe und Fruchtbarkeit zu stellen, um sie gleich richtig in den Blick zu nehmen. Karsten Harries ist diesen Weg gegangen. Die Architekturtheorie ist seit den Tagen des Vitruv weiterhin angewiesen auf die großen und bleibenden Erkenntnisse der Philosophie, der Ethik, der Ästhetik und der Metaphysik.

Artikel in Deutsch



___Stefan Hajek
Au am Inn
 
"Wehe! Dieses wird jenes töten."

Dieser Satz aus Victor Hugos „Der Glöckner von Notre-Dame“ ist dabei Leitgedanke der Überlegungen.
„Dieses“ – die Buchdruckerkunst – steht für den Verlust der Kontrolle über Inhalt und Interpretationshoheit. Das Gebäude verliert seine Funktion als Buch der Menschheit und damit eine Interpretationsebene. Dieser Verlust verändert die Interpretation der Architektur und die Architektur an sich.
Der Beitrag versucht zu analysieren, was der Akt des „Interpretierens“ an sich bedeutet, und was die Interpretation eines Objektes beim Objekt verursacht. Interpretation wird dabei als Vorgang zur Nutzbarmachung von Information verstanden, wobei jede denkbare Interpretation als zulässige Interpretation eines Interpretationsraumes behandelt wird.
Was passiert nun, wenn das Objekt interpretiert wird? Wie verändert sich der „Interpretationsraum“, der alle denkbaren Interpretationen umfasst, und wie verändert sich die Beziehung zwischen Objekt und Interpretation?
Diese Fragestellungen werden als wesentlich für das Interpretieren angesehen und bilden die Grundlage des hier skizzierten Beitrages.

Artikel in Deutsch

 



___Alban Janson
Karlsruhe
 
Turn! Turn! Turn!
Zum architektonischen Bild

Für kulturelle Phänomene werden in den Kulturwissenschaften unter der Bezeichnung cultural turn unterschiedliche Interpretationsrahmen verwendet. Je nach eingeschlagener Richtung (turn) lässt sich auch Architektur verschieden interpretieren. Ist insbesondere das Bildparadigma geeignet, Architektur angemessen zu erklären? Bilder sind keine Architektur. Aber man kann Bauwerk und Stadt alternativ als Architektur oder aber als Bild betrachten. Um Bauwerk und Stadt als Architektur und gleichermaßen als Bild aufzufassen, braucht man einen architektonischen Bildbegriff. Er wird hier – gestützt auf Beobachtungen von Graf Karlfried von Dürckheim – hergeleitet aus dem Zusammenwirken der persönlichen Raumsphäre mit gegenständlichen Raumeigenschaften struktureller und gestischer Art. Im Unterschied zu anderen Bildern repräsentiert das „architektonische Bild“ keine andere Wirklichkeit, sondern ist Artikulation der aktuellen Realität; es ist ein szenisches Bild. Abschließend wird gefragt, in welchem Verhältnis das „architektonische Bild“ zur sonstigen Art von Bildern in der Architektur steht.

Artikel in Deutsch



___Roland Lippuner
Jena
 

Objekte und Stellen –
Eine systemtheoretische Interpretation von Raum und Architektur

Die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Interpretation von Architektur zielt für gewöhnlich auf die alltagsweltliche Nutzung und die soziale Aneignung von gebauter Umwelt ab. Demgegenüber versucht dieser Beitrag, Architektur auf der Basis der Systemtheorie Luhmanns als soziales System zu beschreiben. Die programmierte Produktion von gebauter Umwelt (Architektur) soll unter systemtheoretischen Vorzeichen als Prozessieren von Beobachtungen (Unterscheidungen und Bezeichnungen) begriffen werden. Im Anschluss daran wird nach dem Bezugsproblem, dem funktionsspezifischen Medium sowie den Formbildungen gefragt, die die Architektur durch ihre Beobachtungen produziert.

Artikel in Deutsch



___Stefan Meißner
Dresden
 
Architektur – Diskurs – Interpretation

Will man Architektur interpretieren, so muss zunächst gewusst werden, was Architektur ist. Im folgenden Aufsatz wird die These vertreten, dass Architektur überhaupt nicht ohne den sie (mit-)beschreibenden Kommentar zu verstehen ist, denn unsere Vorstellung von Architektur wird durch Texte, Modelle, Fotografien und Filme über diese Architektur – und nicht nur durch deren „reale“ Anschauung – konstituiert. Architektur speist sich immer auch aus den gesellschaftlichen Diskursen. Dieses Eingewobensein versucht die Diskursanalyse zu rekonstruieren. Insofern kann eine diskursanalytisch geschulte Architekturinterpretation v.a. etwas zu dem je spezifischen, historischen Wissen sagen, dass sowohl das Bauen, als auch die Wahrnehmung von Architektur ermöglicht.

Artikel in Deutsch



___Robert J. Miller
Charleston, SC
 
Architektur ist das, was in einem Hurrikan davongeweht wird

Die Interpretation von Architektur hängt davon ab, was wir mit Interpretation meinen und was für uns Architektur ist. In diesem Beitrag wird der Standpunkt vertreten, dass Architektur nicht als autonomes physisches Wesen existiert, dessen Bedeutung Gegenstand der Interpretation unterschiedlich qualifizierter Interpreten ist. Genauer gesagt, wird behauptet, dass Architektur ein nicht-physisches (aber nicht ganz intellektuelles) Konstrukt ist; dass dieses Konstrukt aktiviert werden muss, um entstehen zu können; und dass es mehr und minder korrekte Aktivierungen gibt, deren Bedeutung und Tiefe eine Funktion der Striktheit des Konstrukts sind, während die Kompetenz des Interpreten die Interpretation bedingt.
Meine These wird als Gedankenexperiment vorgebracht, das auf einer logischen Folge von Fragen beruht und aus den Gedanken von John Dewey, Antonio Gramsci, Raymond Williams und Marco Frascari schöpft. Mit kurzen Zitaten der Renaissance- und Barocktheorie wird die These historisch situiert. Abschließend wird Umberto Ecos semiotisches Zeichensystem adaptiert, um damit über eine präzisere Methode zur Artikulation der Gedanken zu verfügen.

Artikel in Englisch





Interpretation des Interpretierens
   
 
___Martin Düchs
München
 
thin and thick conceptions of morality
Eine moralphilosophische Debatte als Analogie für die Architektur und ihre Interpretation

In der Philosophie gibt es eine traditionsreiche Debatte über thick and thin conceptions of morality. Erstere behaupten auf der sprachlichen Ebene eine Untrennbarkeit von Tatsachen und Werten, letztere bauen auf dieser Trennung ihre Philosophie auf. Auf der Ebene der Axiologie berufen sich thin conceptions häufig auf einen zentralen Wert oder eine Wertehierarchie, während thick conceptions flexible und vielgestaltige Axiologien vertreten.
Für die Interpretation von Architektur könnte eine Analyse dieser Diskussion in mehrfacher Hinsicht lohnend sein:
Auf der sprachanalytischen Ebene, indem untersucht wird, ob die normale Vorgehensweise einer Interpretation in den Hochglanzarchitekturblättern, die in der Tradition der thin conceptions architektonische Tatsachen ohne implizite moralische und ästhetische Urteile beschreibt und dann zu einem Urteil kommt, überhaupt sinnvoll ist. Oder ob eine bewusste thick conception in der sprachlichen Auseinandersetzung eine Alternative wäre.
Auf der inhaltlichen Ebene soll geklärt werden, ob die philosophische Diskussion auch auf das Architekturverständnis des Interpreten übertragen werden kann.
In einem weiteren Schritt soll ein Blick darauf geworfen werden, ob sich die Unterscheidung von thick and thin architectural concepts auch für die Analyse der Architektur-Sprache eines bauenden Architekten eignen könnte.

Artikel in Deutsch



___Thomas Hackenfort
& Stefan Hochstadt
Dortmund
 

Architektur, die ich meine – Wie architektonische Wirklichkeit durch Interpretation konstruiert wird

Die Untersuchung der Architektur auf ihren semantischen Gehalt und die anschließende Vermittlung und Erklärung der gewonnenen Erkenntnisse beginnt nicht erst mit ihrer Rezipierbarkeit, sondern spätestens mit der Selektion dessen, was für interpretationswürdig und vermittlungsfähig gehalten wird. Die dafür notwendige Zuschreibung architektonischer Realität als Wertmaßstab sui generis gerät dadurch zum eigentlichen Deutungsakt, der konstituierender Ausgangspunkt dessen wird, was als Architektur aufzufassen ist.
Dabei ist die Thematisierungsfunktion weit bedeutender als die inhaltliche Auseinandersetzung mit den architektonischen Deutungsmöglichkeiten. Dafür sprechen die Vielfalt der verschiedenen Kommunikationsorgane – Fachzeitschriften, Publikumszeitschriften, Feuilletons, Reisemagazine – mit ihren jeweils eigenen Zielgruppen und ihren darauf zugeschnittenen Präferenz- und Wertesystemen, der semantische Holismus in der Architektur („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“) sowie das Fehlen eines fundamentalen architektonischen Zeichenvorrats.
Neben der Konventionalisierung der Architektur sind gleichwohl teilgesellschaftliche Codes und Symbole existent, die als Ausdifferenzierungsbemühungen durch Interpretationsangebote stets kollektiv (nach-)verhandelt werden. Vor diesem Hintergrund hat es eine Architektur-Hermeneutik schwer, deren Absicht es ist, „supra-diastratisch“ zu argumentieren.
Herausgestellt werden soll somit der funktional-systemische Aspekt der Architekturinterpretation, der erheblich darin besteht, in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen Architektur nicht nur zu beschreiben, sondern zunächst einmal etwas erst zur Architektur zu erklären – Gleiches dabei einschließend, Andersartiges ausschließend.

Artikel in Deutsch



___David Kolb
Eugene, Oregon
 
Öffentliche Entblößung: Architektur und Interpretation

Die Architektur steht unverkennbar sichtbar für die Gemeinschaft, dennoch pflegt die Architektur eine auffällige Resistenz zur Interpretation. Viele Interpretationstheorien betrachten Bauwerke nach einem Schema von passivem Text und aktiven Interpreten, aber das Bauwerk und sein Kontext sind nicht definitiv und passiv, sie erwarten eine generelle Kategorisierung durch aktive Subjekte oder Gemeinschaften, die ihrerseits bereits total definitiv sind. Sowohl Bauwerke als auch Interpreten wirken gegenseitig aufeinander ein innerhalb öffentlicher Entblößungen und kausaler Zwänge. Interpretationen sollen Interesse wecken innerhalb der Bedeutungsdimensionen, die weder durch den Architekten noch durch den Interpreten kontrolliert werden können.

Artikel in Englisch

 



 
___Anna V. Ullrich
Aachen
 

Medienwirkungen:
Rezeption zwischen Architektur, Sprache und Bild

Wie rezipieren wir Architektur im wissenschaftlichen Kontext oder im Alltag? Neben körperlich-räumlichen Aneignungen nähern wir uns Architekturen in erster Linie in Formaten sprachlicher und visueller Darstellung. Diese verschiedenen Interpretationsverfahren werden im Beitrag als mediale Praktiken beschrieben, um auf diese Weise ihre bedeutungserzeugenden und welterschaffenden Funktionen herauszustellen. Architektur ist in ihrer Rezeption und auch Produktion immer schon in mediale Verknüpfungen eingebunden. Interpretieren erscheint hierbei als Handlung der Rezipienten, die in performativen Akten Bedeutungen und somit Lesarten von Architektur konstituieren.
Ziel der Ausführungen ist eine medientheoretische und performanzorientierte Rekonzeptualisierung architektonischen Interpretierens zwischen Gebrauch und Lektüre.

Artikel in Deutsch





Interpretationstheorien

   
 
___Burkhard Biella
Duisburg
 
Architektur im Kontext – Hermeneutische Anmerkungen
zum Interpretieren von Architektur

Interpretation von Architektur ist – wie jede Interpretation von Zeichen – stets sprachlich vermittelt. Der fundamentale, gleichursprünglich Kommunikation konstituierende wie selber schon kommunikativ vermittelte Zugang zur Welt ereignet sich im Denken und Sprechen. Als sinnstiftendes Konstitutivum der Interpretation lässt sich Individualität geltend machen, so dass auch Architektur individuell Sinn zugeschrieben wird von jedem, der mit ihr – sei’s betrachtend, sei’s nutzend oder wohnend – konfrontiert ist, das heißt sie wird interpretiert sowohl durch den Bauenden als auch durch den Nutzer bzw. Rezipienten. Interpretation macht Architektur fragwürdig in dem Sinne, dass ihr Fragen gestellt werden. Mit der Frage aber setzt die Erörterung an – und auch die Kritik. Und Architektur beruht selber auf Interpretation, denn der Architekt geht als Denkender und Wahrnehmender samt seiner Interpretationen von Um- und Mitwelt – entwerfend (interpretierend) – in den Plan ein. Architektur macht immer eine Aussage über die Interpretationen des Architekten, die über die verschiedenen Bezüge des Architekten zu seiner Welt, wie er sie versteht, sich vermitteln: zunächst materiale Bezüge zu den Baustoffen, die verwendet werden, zur Landschaft, Stadt, Straße, Baustelle, zum Klima, Bezüge, die ihrerseits wiederum verwoben sind in ein Geflecht von Beziehungen formaler bzw. idealer Art wie Ideologie, Ästhetik, Politik, Religion usw. Alle diese Bezüge können ihrerseits in Interpretationen der Rezipienten bzw. Nutzer zugänglich und neu gedeutet werden.

Artikel in Deutsch

 



___Nathaniel Coleman
Newcastle upon Tyne
 
Flüchtige Interpretationen

Die Interpretation von Architektur ist eine besonders schwierige Anstrengung. Ein Überblick über die Vielzahl an Methoden, um Bauwerke zu begreifen, offenbart gerade, wie wenig Erfolg versprechend jede einzelne davon selbst ist. So wird beispielsweise jede Methode, die entweder versucht, die Bedeutung ein für allemal einzugrenzen oder festzuschreiben, oder von einem festen Punkt der Rezeption abhängig ist, von begrenztem Nutzen sein, um Perspektiven für die Bedeutung, Erfahrung oder das Machen von Architektur zu eröffnen. Als Korrektiv wird in diesem Beitrag die Aussicht auf Interpretationsmodi untersucht, die dynamisch und multidimensional genug sind, um als Gradmesser zu dienen, mit dem die Architektur sowohl einen Wandel herbeiführen kann, als auch durch ihn beeinflusst wird: entsprechend den Umständen bewegt sich die Bedeutung kontinuierlich durch die Zeit.
Dennoch deutet das Fortdauern bestimmter Werke über die Zeit – in der Vorstellung, als Untersuchungsobjekte, Nutzen oder Wert innerhalb einer Kultur – darauf hin, dass einige interpretierbare Aspekte der Architektur stabil genug sind, um zu bestehen, während die anderen flexibel genug sein müssen, um durch Veränderung geformt zu werden.
Der Autor befasst sich mit Ruskins Theorien der Architekturinterpretation aus dessen Schrift „Die sieben Leuchter der Baukunst“.

Artikel in Englisch



___Monika Grubbauer
Hamburg
 
Zur Interpretation von Architektur:
Fotografische Bilder von Architektur
und die visuelle Vermitteltheit architektonischen Wissens

Auch Architektur ist heute stärker visuell vermittelt als noch vor zwanzig Jahren, das heißt dass architektonische Objekte finden als Motive visueller Kommunikation mehr Verwendung und werden breiter rezipiert. Ausgehend davon untersucht mein Beitrag, welche Relevanz alltägliche fotografische „Gebrauchsbilder“ von Architektur, wie sie in Massenmedien für Berichterstattung, Werbung und visuelle Gestaltung eingesetzt werden, für die Interpretation von Architektur haben. Mein Argument ist, dass auch diese, im Architekturdiskurs wenig beachteten „Gebrauchsbilder“ dazu beitragen, Aushandlungsprozesse über das gesellschaftliche Verständnis von Architektur mit zu prägen. Anhand der Diskussion von Bildbeispielen zeige ich, wie Architektur für unterschiedliche Muster visueller Repräsentation eingesetzt wird und welche zentrale Bedeutung dabei Strategien visueller Typisierung zukommt. Die Macht von Bildern besteht m. E. also insbesondere darin, „typische“ Darstellungen architektonischer Objekte zu prägen und damit das gesellschaftliche Verständnis von Gebäudetypen zu beeinflussen. Für die Interpretation von Architektur heißt dies, dass architektonisches Wissen über Bilder nicht nur vermittelt, sondern mit konstruiert wird und dass der Blick auf die Logiken der Produktion und Wahrnehmung fotografischer Bilder im Kontext der Massenmedien notwendig ist, um diese Prozesse zu verstehen. 

Artikel in Deutsch

 



___Lex Hermans
Leiden
 
Die Regeln der Rhetorik
als Handbuch für das Lesen von Architektur

Von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war die Rhetorik das Rückgrat der Bildung. Die in der Antike von Aristoteles analysierten und von Cicero und Quintilian aufgestellten Regeln für überzeugendes Sprechen wurden in der gesamten frühen Moderne in der westlichen Welt gelehrt. Überdies wurden diese Regeln als Redekunst an andere Disziplinen angepasst, wie Malerei, Bildhauerkunst und natürlich Architektur.
Die Rhetorik forderte von den Bauwerken, dass sie den Status und den Charakter des Bauherrn, Eigentümers oder Nutzers ausdrücken. Über die Jahrhunderte hinweg haben die Theoretiker eine immer raffiniertere Syntax und ein Vokabular architektonischer Ausdrücke entwickelt, das die Architektur im 18. Jahrhundert zu einer ‚architecture parlante’ werden ließ.
Das Sprechen als ein Akt der Kommunikation setzt ein Auditorium voraus, zu dem gesprochen wird; es nimmt zudem an, dass das Auditorium versteht, was gesagt wird. In der frühen Moderne war das der Fall. Die Betrachter setzten die gleichen rhetorischen Fertigkeiten ein, um ein Gebäude zu interpretieren, wie der Architekt, der es entworfen hat. Damals war die Rhetorik das wichtigste Werkzeug für die Interpretation.
 

Artikel in Englisch

 



___Rixt Hoekstra
Innsbruck
 
Bei der Übersetzung verloren gegangen? Tafuri in Deutschland, Tafuri über Deutschland: Eine Geschichte der Rezeption

Dieser Beitrag befasst sich mit der Vorstellung, dass die Interpretation von Architektur ihre eigene Geschichte hat. Diese Geschichte besteht aus Denkern und Konzeptionen, die über die Zeit hindurch die Art und Weise beeinflusst haben, wie wir Architektur wahrnehmen. So zum Beispiel dachte man einst, dass Architektur ein ästhetisches Objekt sei, das lediglich einer élite of conaisseurs bekannt war, während man heutzutage dazu neigt, die Architektur als ein Kommunikationsmittel anzusehen, das von sehr vielen Menschen geschätzt wird. Durch die Fokussierung auf die Geschichte der Interpretation können wir zur intellektuellen Geschichte der Disziplin beitragen, einer Geschichte, die eher auf Subjekten beruht als auf Objekten. Die Objektivität der Kenntnisse über die Architektur beruht dabei nicht ausschließlich auf dem Objekt, sondern ist auch eine Konsequenz des wissenschaftlichen Diskurses innerhalb der Disziplin. Die Architekturinterpretation ist offen aufgebaut, wobei bestimmte Kriterien, Parameter usw. angewendet werden; ebenso ist sie aber auch das Ergebnis einer Rekonstruktion.
In diesem Rahmen befasst sich der Beitrag mit der Position des italienischen Architekten und Historikers Manfredo Tafuri (geboren 1935 in Rom, gestorben 1994 in Venedig). Obwohl Tafuris Werk in Deutschland nicht so sehr bekannt ist, gehörte er im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu den dominantesten Denkern der Architektur und der Gesellschaft. Tafuri war sowohl einflussreich als auch kontrovers, sein Leben lang erntete er sowohl uneingeschränktes Lob als auch scharfe Kritik. Tafuri zeichnet verantwortlich für einen vollkommen überarbeiteten Standard, wie die Architekturgeschichte geschrieben werden könnte. Die Autorin vertritt die These, dass Tafuri in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einen fundamentalen Wandel herbeigeführt hat, wie Architektur wahrgenommen wird und was über Architektur gedacht wird; dieser Wandel hat den nach ihm kommenden Diskurs nachhaltig beeinflusst. Für Tafuri war die Architektur keine Erfolgsstory mehr, die von Helden geschrieben wird, und genau so wenig ging es mehr um isolierte Denkmäler und ästhetische Objekte. Sein Leben lang hat Tafuri aktiv nach neuen Methoden und neuen Einblicken als Basis für das Verständnis von Architektur gesucht. Die Autorin des Beitrages beschreibt diese methodologische Reise, die von der marxistischen Ideologiekritik über die Mikrogeschichte der Les Annales bis hin zur Geschichte der Mentalität ging. Schließlich betrachtete Tafuri die Architektur als eine ‚Technik der Kontrolle’ der physischen Umwelt und als ein Kraftelement in einem Gebiet, in dem auch andere Kraftelemente wirken. Die Architektur wird zur Geschichte der Kräfte und Mächte, die unsere gebaute Umwelt formen. Es ist sicher interessant, mit dem Einfluss zu schließen, den Tafuri auf den Architekturdiskurs hatte, der nach ihm kam.

Artikel in Englisch



___Jonna M. Krarup
Kopenhagen
 
Interpretation als Werk

Mit diesem Beitrag will die Autorin die Beziehungen zwischen der ästhetischen Wahrnehmung und der Interpretation der heutigen Architekturlandschaft ansprechen und diskutieren.
Sie versucht das, indem sie eine fächerübergreifende Perspektive setzt, die die Themen aus der Sicht der modernen Kunstszene und ästhetischer Theorien betrachtet, und indem sie diese auf Beobachtungen in der modernen Landschaftsarchitektur bezieht.
Die Autorin setzt die Prämisse, dass die Untersuchung des Verhältnisses zwischen den Modi der ästhetischen Wahrnehmung und den Beispielen in zeitgenössischen Kunstinstallationen uns ermöglichen wird, die Charakteristika des modernen Designs in der Landschaftsarchitektur besser zu verstehen; hiermit wird die Frage angesprochen, wie die Interpretation entwickelt werden kann.
Eine weitere Prämisse ist, dass dem Zusammenspiel zwischen den verschiedenen sensorischen Erfahrungen sowohl materieller als auch nichtmaterieller Aspekte eine Schlüsselfunktion zukommt, und dass es dieses Zusammenspiel ist, das das Individuum durch einen intellektuellen Prozess zu einer objektiven Realität, einer Interpretation, zusammenträgt.

Artikel in Englisch



___Maria Lorena Lehman
Medford, Mass.
 
Interpretation und Evolution: Ein Szenario

Da sich die Architektur zu komplexen Adaptationssystemen entwickelt, werden Form und Funktion vergänglicher und weniger offensichtlich, während sich die Schönheit neu definiert und somit schwerer fassbar für die Interpretation wird. Zudem hat diese Architektur ein Nervensystem mit einem Gedächtnis, das ihr beim Lernen hilft, indem mit jeder Interaktion adaptiert wird, um die nächste noch zu übertreffen. Und durch das Dokumentieren der Anpassungsinteraktionen verleiht sie so dem Architekten und den Bewohnern Stimme. Bezogen auf das Gemeinsame, wird dieses Dokumentieren der Interaktionen zum Schlüssel für die Interpretation der adaptiven Architektur.
Mit einem Input von Gemeinsamem erlangen die Kritiker Zutritt hinter die Kulissen bei flüchtigen Architekturereignissen. Sensory Design stellt fest, dass „ein Ereignis in der Regel weitaus reicher an Nuancen ist als die Sprache, die benutzt wird, um es zu beschreiben“ (Malnar, Joy Monice and Frank Vodvarka. Sensory Design. Minneapolis: University of Minnesota Press, 2004). Daher brauchen die Kritiker eine kollektive Intelligenz, um die architektonische Bedeutung freizusetzen, die in ihrer Verhaltensstruktur verborgen ist.
Kollektive Weisheit hilft bei der Interpretation der Gesamtwirkung eines Bauwerkes auf die architektonische Evolution sowie politischer, erzieherischer und anderer kultureller Einflüsse. Darüber hinaus hilft das Kollektive bei der der Einschätzung, wie gut eine adaptive Architektur während der Zeit lernt, indem sie ihre frühere Bedeutung und ihr künftiges Potenzial zum Vorschein bringt. Effektiv liegen die Mittel zur Interpretation adaptiver Architektur im Kollektiven, wobei Kritikern und Architekten erlaubt wird, ihre Auffassung zu revidieren, indem sie Interpretation und ultimativen Ausdruck hervorbringen und damit künftige Arbeiten beeinflussen.
 

Artikel in Englisch



___Sandra
Lippert-Vieira

Stuttgart / Cottbus
 
Wege zu einer Rezeptionsästhetik in der Architektur:
Das implizite Leben der gebauten Umwelt

Architekten entwerfen in einem bestimmten Kontext bestimmte Werke für ein bestimmtes Publikum. Je nach Interessenlage werden Gebäude autor-, kontext-, werk- oder rezipientenorientiert analysiert. Überzeugt davon, dass literarische Werke bzw. Kunstwerke sich erst im Akt der Rezeption vollenden und mitunter erst hier einen Sinn bekommen, haben Literatur- und später Kunstwissenschaftler die Methode der Rezeptionsästhetik entwickelt. Sie analysieren die Rolle des Lesers/Betrachters in einem Text/Bild und stellen die Bedeutungen fest, die sich dabei entfalten können. Ausgehend von diesen beiden Ansätzen und aufbauend auf Ralf-Peter Seippels erstem Versuch, eine rezeptionsästhetische Methode für die Architektur zu artikulieren, wird im folgenden Text versucht, einen respektiven Ansatz für die Interpretation von Architektur zu entwickeln. Dabei wird Architektur nicht im Sinne Ralf-Peter Seippels als optisch-harmonische Gestalt, sondern mit Achim Hahn als Lebens-Mittel verstanden. Die bisherige Ermittlung der bloßen Betrachterfunktion im Werk erweist sich dabei als unzulänglich. In der Architektur ist nicht allein der Betrachter faktisch, optisch und gedanklich miteinbezogen. Als Lebens-Mittel impliziert Architektur Leben. Sie hat ihren Gebrauch im Vollzug des Lebens. Es liegt daher nahe, eine Methode herauszuarbeiten, die es erlaubt, das implizite Leben in einem Werk theoretisch aufzufassen und damit einen Bezugsrahmen herzustellen, innerhalb dessen es möglich ist, individuelle architektonische Verhaltensweisen anderen Menschen zu kommunizieren. 

Artikel in Deutsch



___Klaus Rheidt
Cottbus
 
Das Rätsel der Riesenquader

Der überwiegende Teil der Bautätigkeit findet heute ‚im Bestand’ statt. Wer Architekt wird und in den historisch gewachsenen Baubestand verändernd eingreift, soll dies verantwortungsvoll tun. Er soll sich analysierend, kritisch und verständnisvoll mit den Werken seiner Vorgänger auseinandersetzen. Jede Baufuge, jeder Wechsel im Steinformat, jede Richtungsänderung einer Bauflucht kann ein Hinweis auf Umbauten, Planungs- und Nutzungsänderungen sein und Informationen über die Planer und Bauherren preisgeben, die oftmals erst die historische Überlieferung zu verstehen helfen. Die Methoden der Bauforschung haben sich trotz immenser Fortschritte in der Messtechnik nicht verändert: am Anfang steht die detailgetreue Dokumentation des Objektes mit konventionellen oder modernen, automatisch scannenden Verfahren. Doch alle Messtechnik ersetzt nicht den geschulten Blick des historisch forschenden Architekten – des Bauforschers, der das Bauwerk durch seine Beobachtungen und Interpretationen zur Geschichtsquelle macht. 

Artikel in Deutsch



___Oliver Schmidtke
Frankfurt am Main
 
Soziologische Architekturinterpretation mit Hilfe der Methode der Objektiven Hermeneutik – Exemplarische Gebäudeanalyse des Wohnhauses für F. C. Robie, Architekt: Frank Lloyd Wright 1906-09 in Chicago, USA

Die Objektive Hermeneutik ist von Ulrich Oevermann im Zuge der soziologischen Ausdeutung verschrifteter Tonbandprotokolle von Interviews und von familialen Interaktionen entwickelt worden. Sie hat also ihren Ausgangspunkt zunächst in der soziologischen Hermeneutik sprachlicher Ausdrucksgestalten. Diese Methode der Interpretation geht von einem weiten Textbegriff aus, bei dem auch nicht-sprachliche Protokolle von Praxis als Ausdruck von Sinnstrukturen ausgedeutet werden können. Das Verfahren hat sich bei verschrifteten Interviews, Kunstwerken, Protokollen, edierten Texten bewährt. Die Interpretation mit Hilfe der Methode der objektiven Hermeneutik erfolgt als Sequenzanalyse. In dem Beitrag erfolgt zunächst eine kurze methodische Skizze der Prinzipien der Sequenzanalyse, und es wird die Frage behandelt, wie sich das Interpretationsverfahren auf den Gegenstand Architektur anwenden lässt. Anhand des gut dokumentierten Beispiels des Robie-House wird schließlich exemplarisch herausgearbeitet, welche Chancen die Methode der Objektiven Hermeneutik für die Architektursoziologie bietet. 

Artikel in Deutsch



___Jörg Schnier
Buffalo, New York
 
Das Schweigen der Häuser

Eine Annäherung an architekturinhärente Aspekte der Bauproduktion, Vermarktung und Wahrnehmung sowie ihre Wirkung auf die Interpretierbarkeit von – und den öffentlichen Diskurs über – Architektur. 

Artikel in Deutsch



___M. Reza Shirazi
Cottbus
 
‚Genius loci’, Phänomenologie von außen

‚Genius loci’ ist ursprünglich ein antiker römischer Glaube. Christian Norberg-Schulz hat ihn hingegen als Grundlage für seine ‚Phänomenologie’ verwendet. Für ihn spielt der ‚Genius loci’ auf den besonderen Charakter eines bestimmten Ortes an. Um den ‚Genius’ eines Ortes einzufangen, bedarf es einer Identifikation mit diesem. Zudem ist Norberg-Schulz im Wesentlichen Heideggerianer. Er bezieht sich auf Heideggers phänomenologische Ideen, verleiht ihnen architektonische Bedeutung und verwendet sie, um eine Art ‚Phänomenologie der Architektur’ zu etablieren.
In meinem Beitrag möchte ich eine Einführung zu diesem Verständnis des ‚Genius loci’ vorstellen und mich auf die ‚Phänomenologie der Architektur’ konzentrieren. Ich beziehe mich auf Heideggers Gedanken, um aufzuzeigen, dass die Art, auf die er Heidegger versteht, und die Art, auf die er Bauwerke analysiert, mit einigen Mängeln behaftet sind, was zu einer partiellen Phänomenologie führt, das heißt zu einer ‚Phänomenologie von außen’. 

Artikel in Englisch



___Irina Solovyova
& Upali Nanda
San Antonio, Texas
 
Verkörperte Intuition

In diesem Beitrag stellen wir einen Gesichtspunkt vor, der die Architektur als intuitive Interpretation unserer räumlichen Erfahrungen erklärt. Wir betrachten die Konzeption der Intuition, der sinnlichen und emotionalen Wahrnehmung des Raumes, die zur „Verkörperung“ (hier im Sinne, dass Körper und Denken eins sind) der räumlichen Erfahrungen führen, und kommen auf den Terminus der „verkörperten Intuition“ zurück. Verkörperte Intuition kann man als Empfänglichkeit definieren, die sich im Prozess der Wahrnehmung des Raumes herausgebildet hat. Die sinnliche und emotionale Erkenntnis des Raumes und der räumlichen Konzeptionen, die in eine materielle Form gehüllte Empfänglichkeit – das ist es, was ein Architekturobjekt sinnvoll macht und es einfach von einem Gebäude unterscheidet. Unser Argument beruht auf einer Theorie, die erklärt, wie unsere körperlichen Erfahrungen und die Wahrnehmung zu einem Stoff für die Projektierung durch die Transformation der verkörperten Erfahrungen in ein Symbol und danach in neue Erfahrungen oder in ein neues Objekt werden. Ohne eine ähnliche verkörperte Empfänglichkeit wird die intuitive Interpretation sinnlos und schwach, und das Architekturobjekt wird zu einer simplen Simulation.

Artikel in Englisch
Artikel in Russisch



___Ulrike Tillmann
Zürich
 
Die Wohnhochhäuser „Romeo und Julia“ von Hans Scharoun

Die Autorin versucht das Interpretieren von Architektur als Dialog unter Entwerfenden zu betrachten, dies soll am Beispiel einer Forschungstätigkeit zu den Stuttgarter Wohnhochhäusern „Romeo und Julia“ von Hans Scharoun aufgezeigt werden.
Was will wer verstehen, d.h. wer richtet welche entscheidende Fragestellung an das Werk und in welcher Absicht. Im Nachvollzug des entwerferischen Prozesses können die Fragestellung des Entwerfenden und die Fragestellung des Rezipienten in einen Dialog treten. Der Rezipient tritt mit dem Interesse eines Entwerfenden auf.
Diese dialogische Reflexion geschieht zwischen zwei ungleichen Partnern, bei denen der eine, der Rezipient, ein gemeinsames Interesse unterstellt- seine Fragestellung, die er im Werk des Entwerfenden thematisiert findet, dieser wiederum „diskutiert“ mit seinen Zeichnungen und schriftlichen Überlieferungen. Die zeitliche Distanz zum Werk verlangt, den historischen, Einfluss nehmenden Werkkontext mit hinzuzuziehen. Aber auch darin richtet sich das Interesse vor allem auf andere entwerferische Beiträge, das heißt Fragestellungen, die das Werk prägten.

Artikel in Deutsch





Zur Abgrenzung der Interpretation
   
 
___Myriam Blais
Québec
 

Verständnis und Interpretation:
Das Werk der Architektur als Bild und Repräsentation

Dem Philosophen Hans-Georg Gadamer zufolge (Wahrheit und Methode) ist Verständnis auf die Gegenwart applizierte Bedeutung; Verständnis ist ein Leitfaden zur Interpretation. In einer solchen Wissenstheorie haben Kunstwerke, einschließlich Werke der Architektur, einen privilegierten Status als Verkörperung und Träger der Wahrheit, da sie neue Welten eröffnen. Gadamer deutet an, dass architektonische Werke in realen und berührbaren „Bildern“ ihre essentielle Aufgabe der Repräsentation erfüllen, das heißt, aufs Neue zu präsentieren und unser Verständnis und unsere Erfahrung idealer Situationen zu verbessern. Dieser Beitrag plädiert für die Relevanz des Denkens, Bauens, Angebots und Verständnisses von Werken der Architektur „als“ und „durch“ Bilder, als Mittel zur Vereinbarung der unterschiedlichen Interpretationstraditionen in der Architektur, um folglich einen echten Geist des Ortes zu erschaffen. Das geht insbesondere aus den Entwürfen von Philibert de l’Orme (1510-1570) and Gottfried Semper (1803-1879) hervor, deren repräsentative Pracht deutlich macht, was von unserer Disziplin erwartet werden kann. 

Artikel in Englisch



___Markus Breitschmid
Blacksburg, Virginia
 
Zwischen Objekt und Kultur

Die Abhandlung befragt zuerst die Gültigkeit und den Anwendungsbereich der „direkten Erfahrung”, die von Verfechtern, die sich gegen Interpretationen in der Architektur aussprechen, vertreten wird. Während die Abhandlung die Anwendung von Interpretationen in der Architektur verteidigt und diese als Grundcharakteristik der ästhetischen Mentalität des modernen humanistischen Menschen versteht, befragt die Arbeit die Gültigkeit, alles menschliche Verstehen als Interpretation zu erklären, wie dies in jüngeren hermeneutischen Theorien verfochten wird. Die Arbeit nimmt eine Mittelposition der Architekturinterpretation zwischen „was es ist” (das Gebäude als Objekt) und „was es aussagt” (das Gebäude als kommunikativer-kultureller Bedeutungsträger) ein. Die Abhandlung spricht sich an der Seite von Nietzsche, Heidegger und Wittgenstein für eine funktionale Differenzierung zwischen einem relativ fixierten Verständnis, auf der einen Seite, und Interpretationen, welche dieses vorgängige Verständnis revidieren, auf der anderen Seite, aus. Im letzten Teil argumentiert die Abhandlung, dass jüngere postmoderne hermeneutische Theorien, indem diese alles Verständnis bzw. alle Interpretationen als in Linguistik basierend verstehen, die Mittel grob limitieren, wie Architektur verstanden werden kann. Es wird argumentiert, dass nicht-diskursives Verständnis, welches nicht auf expliziter Interpretation basiert, einen „kulturellen” bedeutungsgebenden Boden hergibt, welcher nachfolgender Interpretation erst ihre Bedeutung gibt.  

Artikel in Englisch

 





Analyse versus Interpretation

   
 
___Harald Deinsberger
Graz
 
Wohnbau-Interpretation oder Wohnbau-Analyse:
Widerspruch oder sinnvolle Ergänzung
... und wo bleibt die Wohnbau-Theorie dabei?

Eine Wohnbauanalyse im wissenschaftlichen Sinn hätte die Aufgabe, faktisches Wissen über ein Wohnbauobjekt zu eruieren und die Ergebnisse in überprüfbarer Form zu präsentieren. Und welchen Zweck hätte eine Wohnbau-Interpretation? Gemäß ihrer ursprünglichen Vermittler-Funktion läge dieser darin, die aus der wissenschaftlichen Analyse gewonnenen Fakten zu „übersetzen", d. h. zugänglich zu machen. Womit deutlich wird, dass erst eine Kombination beider ein praktikables und verständliches Instrumentarium ergeben kann.
Da der Wohnbau von allen Bauaufgaben am stärksten und am direktesten mit dem menschlichen Wesen verknüpft ist, muss auch eine Analyse, die an den Kern der Wohnbauaufgabe gelangen soll, eine ganzheitlich humanwissenschaftliche Ausrichtung aufweisen; das bedeutet, ein Wohngebäude nicht bloß als solitäres Bau- oder Designobjekt zu betrachten, sondern stets im Gesamtkontext, in Verbindung zum jeweiligen Wohnumfeld und vor allem zum Menschen selbst, also das „Gesamtsystem" Mensch-Wohnung-Umfeld samt internen wie externen Wechselwirkungen und Zusammenhängen zu berücksichtigen.
Doch wie kann eine solche Methodik der Wohnbauanalyse aussehen? Welche Kriterien und Parameter lassen sich definieren? Und wie vermittelt / interpretiert man die Ergebnisse einer solchen Wohnbauanalyse?

Artikel in Deutsch



___Nassir Zarrin-Panah
Wien
 
Konstruktion eines Gebäudes durch Interpretation

Einige Architekten wie Adolf Loos haben die Architektur vom Reich der Kunst ausgeschlossen, wobei sie die „Funktion“ als charakteristisches Merkmal der Architektur im Vergleich zu anderen bildenden Künsten betonen. Von diesem nicht-künstlerischen Gesichtspunkt aus kann so argumentiert werden, dass die Bewertung architektonischen Werke stark nutzer-orientiert ist, da das Gebäude unabhängig von seinen Benutzerinnen und Benutzern nicht existieren könnte und jede gute Architektur durch ihre so genannten „Bewohner“ individuell identifiziert werden sollte. Daher werden sich die Kriterien der Architekturbeurteilung auf die Rezipienten und Nutzer eines Werkes beziehen, und „Funktion“ wird das wichtigste konstituierende Element der Architektur sein, das die Bedeutung des Werkes generiert. Gebrauchsanalyse erfasst die Essenz eines architektonischen Werkes in seiner Materialität, wie optimal die utilitaristischen "Bedürfnisse" der Nutzerinnen und Nutzer befriedigt werden und koppelt die herkömmliche Bedeutung zu Gebäuden. In diesem Sinne wird Architektur eine kohärente Einheit, in der jedes Element perfekt ist. Aber können wir ein Gebäude mit Bezug auf seine Funktionalität voll und ganz verstehen, und von seinen materiellen Eigenschaften zu einer korrekten Interpretation kommen? Sollte sich der Architekt mit seinem Werk immer auf die Intentionen seiner Klienten einstellen? Könnte Architektur nicht in Bezug auf neuere Interpretationen offen bleiben?

Artikel in Englisch

 





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