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2. Jg., Heft 1 Mai 1997 |
Modernität der ArchitekturEine kritische Würdigung |
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Gottfried
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Pruitt-
Igoe, die Dritte.
Vor 25 Jahre wurden in
Saint- Louis die ersten drei Blocks des Wohnungskomplexes Pruitt- Igoe gesprengt. Der
Versuch, die marode amerikanische Stadt mit einfachen Rezepten zu sanieren, endete in
einem Desaster. |
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WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE ANMERKUNGEN |
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Erhard John(Leipzig) |
Modern - Moderne -
Architektur und Kunst. Zu Begriffen, Beziehungen und Problemen Jedes Nachdenken über moderne Architektur und deren Position im
Spannungsfeld von Kunst und Wirklichkeit sowie über Beziehungen von Architektur und
"Moderne" haben es - philosophisch gesehen - einerseits mit komplizierten
Sachverhalten in der Realität, andererseits mit Differenzen in Begriffsbildungen und
sprachlichen Bezeichnungen zu tun. |
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THEORETISCHE POSITIONEN |
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Hans-Jürgen
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Die
kulturhistorische Betrachtung der modernen Architektur als Beitrag zur Selbstaufklärung
der Moderne Für den Kulturhistoriker erscheint die zunehmende Komplexität der vom Menschen hervorgebrachten Gegenstände und Sachverhalte als ein wesentliches Charakteristikum der Moderne. Die moderne Architektur hingegen ist gerade durch eine radikale Reduktion von Komplexität gekennzeichnet: Die Baukörper werden auf geometrische Grundfiguren zurückgeführt, Ornamente verbannt, gleichartige Bauelemente in Serie verwandt; die konstruktiven Elemente werden bewußt betont. Diese selbst werden durch den Übergang vom handwerklichen zum industriellen Bauen bestimmt. Die Komplexitätsreduktion betrifft auch den konstruktiven Bereich selbst, insofern die multifunktionale Verknüpfung der Baugruppen (wie z.B. beim vormodernen Fachwerkbau typisch) durch deren monofunktionalen Bezug abgelöst wurde. Dies alles provoziert die Frage, wieso es auf diesem einen Gebiet modener Kultur zu einer derart abweichenden Tendenz kommt. Diese Frage kommt
in der herkömmlichen Perspektive kaum auf: Die Moderne wird allenthalben als kulturelle
Formation betrachtet, die weithin durch die Herrschaft von Rationalität und
Funktionalität gekennzeichnet sei. Dies bestimme auch die Moderne in der Architektur und
drücke sich auf radikale Weise in den Bauwerken und Entwürfen der klassischen Moderne,
etwa im Bauhaus, bei den Konstruktivisten etc. aus. Eine derartige Erklärungsweise bleibt
freilich innerhalb der Grenzen des Selbstbildes, das die Moderne von sich besitzt. |
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Claus Dreyer(Detmold) |
Zur
Ästhetik der architektonischen Moderne nach der Postmoderne Lange wurde die architektonische Moderne nach dem Diktum der Funktionalismuskritik einseitig verurteilt (Adorno, Mitscherlich) oder, unter anderen Vorzeichen, als sinnliche Erscheinung sozialer Utopien oder konstruktiver Phantasien einseitig gefeiert ( Gideon, Joedicke). Erst nach dem Durchgang durch die Postmoderne kann man die "klassische" architektonische Moderne als eine umfassende ästhetische Bewegung wahrnehmen, die sich z.B. als "Internationaler Stil" in den zwanziger Jahren verbreitet. Die Ästhetik der Moderne erscheint jetzt als eine formale Ästhetik, die geprägt wird, z.B. durch - die demonstrative Gestik der abstrakten (kubischen)
Formen; Vernachlässigt wird eine inhaltliche Ästhetik, die in der
Postmoderne wiederbelebt wird, z.B. durch Die Ästhetik der klassischen Moderne wird in der Postmoderne vorausgesetzt und um die o.a. Phänomeme erweitert. Damit wird der Kunstcharakter von Architektur wiedergewonnen, gegen den die klassische Moderne sich zu wehren versucht hatte (ohne ihn allerdings ganz abstreifen zu können oder zu wollen). Gegenwärtig droht dieser Kunstcharakter der Architektur in einen vordergründigen Ästhetizismus umzuschlagen, gegen den die zurückgenommene Ästhetik der klassischen Moderne als Korrektiv gehalten wird (z.B. als "Neue Einfachheit" bei Lampugnani). Daraus resultiert die Annahme einer unhintergehbaren "Dialektik von Moderne und Postmoderne", die eine gründliche Klärung und Weiterentwicklung der architektonischen Ästhetik bewirken kann. |
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Svetozar
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Der Avantgardismus als Phänomen des 20. Jahrhunderts"Die Revolution der Avantgarde" zu Beginn des 20. Jahrhunderts
befreite das Schöpfertum von den festen Regeln und brachte eine Reihe neuer Richtungen
hervor, die in der Gesamtheit das Phänomen des Avantgardismus prägen. |
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KONKRETE KONZEPTE |
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Gerd Kähler(Hamburg) |
Die
Massenwohnung in den zwanziger Jahren. Wohnung und Moderne.
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Hans
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Die
ökologische Wende in der Stadtplanung
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KRITIK DER KRITIK DER MODERNE |
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Olaf Weber(Weimar) |
Die 815.
Moderne. Nieder mit dem Beschleunigungsgesetz! Die These von der zweiten Moderne (Heinrich Klotz) widerlegt den Epochenanspruch der Postmoderne und zugleich den phänomenologischen Ansatz der zeitgenössischen Architekturtheorie. Jencks hatte den Termin für den "endgültigen und vollständigen" Tod der modernen Architektur schon auf das Jahr 1972 festgelegt. Nun erleben wir ihre Auferstehung als "Zweite Moderne". Wie das Sterbedatum scheint auch der Geburtstermin nicht zu stimmen, denn der Eklektizismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte bereits viele Elemente der industriellen Ästhetik, deren Grundmuster bis heute gelten, also Postmoderne, Dekonstruktivismus und 815. Moderne einschliessen. Die Beschleunigung und Amplitudisierung der ästhetischen Prozesse vermodet immer mehr die Architektur. Die Moderne ist die Epoche der Moden: Alles ist entweder altmodisch oder neumodisch. Die aktuellen Beschleunigungsgesetze des Staates verflachen in einem unbekannten Maße die Anforderungsstruktur des Entwurfes. Bauen wird immer mehr ein anonymes Ereignis, wobei die Abstraktheit der Beziehung aller am Bau Beteiligten der abstrakten Formensprache der "Zweiten Moderne" entspricht, in der sich die Gestaltungsprinzipien des Industriezeitalters noch einmal exzessiv entfalten. Konkrete Architektur wäre eine Architektur der Nähe, eine Utopie. |
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Ulrich
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Feindbild ModerneIm aktuellen Diskurs zur Architektur-
und Planungsgeschichte in Deutschland verstärkt sich die Tendenz, Konzepte und
Realisationen des Neuen Bauens nach den Maßstäben postmoderner Geschichtsrevision zu be-
und entsprechend abzuwerten.Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob sich die Autoren selbst
diesem Argumentationszusammenhang zurechnen oder nicht; auch die Grenzen zwischen
feuilletonistischer Saloppheit und wissenschaftlicher Seriosität verschieben sich. Folge
ist u. a., daß die Aussagen in bezug auf die Intentionen der Verfasser
(Stadtvorstellungen, Menschenbilder)um so viel aussagekräftiger werden, wie sie in bezug
auf die Moderne an erklärerischem Wert verlieren. An drei Themenbereichen der Beziehung
von Walter Gropius zum frühen "Werkbund", zum Begriff des "Modernen"
im Nationalsozialismus und zum Städtebau der "klassischen"- und
Nachkriegsmoderne in Berlin wird diese Verschiebung von Sachaussagen zu
moralisch-axiomatischen "Beurteilungen" dargestellt. |
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KRITIK DER MODERNE |
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Alberto
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Moderne Architektur, Abstraktion und das poetische VorstellungsvermögenDas Erzeugen einer architektonischen Ordnung kann nicht mehr einfach Mimesis eines Kosmos sein. Der Kosmos als die große Kette des Seins" ist für immer dahin; wir sind dazu verdammt, in der Abwesenheit von Göttern zu leben. Die Komposition" architektonischer Elemente oder Fragmente mit den damit vermuteten absoluten semantischen Inhalten ist somit eine trügerische Darstellungsform geworden. Eine Architekur, die den Anspruch hat, unsere kulturelle Krise zu überwinden, muß nach wie vor in erster Linie zu Projekten führen, die implizit in Frage stellen, daß aus wirklichen Konstruktionen wirkliche Gebäude" werden. Um dem unausrottbaren symbolischen Status von Architektur zu genügen, müssen sich diese Projekte zudem als Mimesis von Geschichte darstellen, einer Geschichte, deren Funktion genau darin besteht, Möglichkeiten für die Zukunft zu eröffnen. Bedeutungsvolle zeitgenössische Architektur darf sich nicht auf die Ordnung der Natur" beziehen, die letztlich dem Menschen fremd bleiben wird, sondern auf die Ordnung in der Geschichte, einer Ordnung, die ungefragt in dem evident wird, was die Menschheit schon vollbracht hat, was man wirklich wissen kann. |
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Die abgedruckten Texte sind für die
nächsten 6 Monate Diskursangebote. Anmerkungen, Anregungen und Kritiken durch Leser
können zu den jeweiligen Texten geäußert werden. Die Texte werden dann gegebenenfalls
in den 6 Monaten von den Autoren überarbeitet. Am Ende des Diskurszeitraums wird der
Artikel dann eingefroren, ist aber weiter zugänglich. Die Redaktion behält sich alle Rechte, einschließlich der Übersetzung und
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vozdushnyj zamok, Cloud-Cuckoo-Land >/theoriederarchitektur/Wolke/<) ist gestattet, sofern die Redaktion
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Heft 1/96: Architektur im Zwischenreich von Kunst und Alltag | ||