Thema
5. Jg. Heft 2
Dezember 2000

 

Der Architekt ist tot! -
Es lebe die Architektin! Es lebe der Architekt!

Alexander
Barabanov


(Yekaterinburg,
Russland)
Neue Ansätze bei der allgemeinen und professionellen Architektur- und Kunstausbildung
  1. Die allgemein-kulturelle Bildung in Architektur und Kunst als Bedingung für eine harmonische Entwicklung der materiellen und geistigen Kultur der Gesellschaft
    Die Anerkennung der Architektur als Medium und als Raumordnung setzt die Notwendigkeit einer allgemein-kulturellen Bildung der Gesellschaft in Architektur und Kunst voraus, d.h. in der Gesellschaft sollte es sowohl hochqualifizierte Profis von Architekten, Designern und Künstlern geben, als auch Auftraggeber, die sich in Architektur, Design und bildenden Künsten auskennen.
  2. Bildung als Idealmodell für die Praxis der Zukunft
    Die Bildungssysteme, einschließlich Schule und Hochschule, müssen zukunftsorientiert sein. Dabei soll der Inhalt einer allgemein-kulturellen Bildung in Architektur und Kunst nicht so sehr in den Zügen der entstandenen sozialen Praxis und der Architektur- und Kunstkompetenz liegen, sondern vielmehr in den sozialen Eigenschaften der Menschen und der Umwelt von Morgen.
  3. Von der Weltanschauung der Ausführenden zur Weltanschauung der Kreativen
    Es werden verschiedene Modelle von Weltanschauungstypen in Abhängigkeit von den Akzenten in der Ausbildung und den Fachrichtungen gegeben. Werden die zu Tage getretenen Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten in den Lehrplänen der Schulen und Hochschulen, in den Berufsausbildungsstandards und -programmen berücksichtigt, wird es in der Lehre möglich sein, den Schritt von der Ausbildung Ausführender hin zur Formung kreativer Persönlichkeiten zu tun, für die Bürger der Gesellschaft der Zukunft, die Bürger des 21. Jahrhunderts und des dritten Jahrtausends.
  4. Architektur- und Kunstsemiotik als ein Hauptweg zur Perfektionierung der Fertigkeiten von Architekten und Künstlern
    Die Architektur- und Kunstsemiotik ist eine synthetische Wissenschaft, die in den Bereich der Künste und der Linguistik, der Psychologie, der Rhetorik, der visuellen Kommunikation, der Symbolik der Kunstsprache der Form und der visuellen Poesie vordringt. Um der eigentlichen künstlerisch-bildlichen, ausdrucksstarken Architektursprache bewusst zu werden und diese herauszubilden, wird der Architekt der Zukunft zumindest die Grundlagen dieser Wissenschaft beherrschen müssen; nur so wird Architektur wirklich zur Kunst.

Alexander
Buryak

(Kharkov, Ukraine)

Der Architekt ist tot? - Das kann ich nicht mehr hören

Der Beginn des zu Ende gehenden Jahrhunderts war von eschatologischen Stimmungen durchdrungen. Das 20. Jahrhundert hat Poesie und Roman, Malerei und Theater, Liebe und Familie, Privateigentum und Staat zu Grabe getragen. Mit dem Bauhaus wurde die Kunstgeschichte abgeschafft, und zum Ende des Jahrhunderts hätte nicht viel gefehlt und auch die Weltgeschichte hätte ihren Abgesang gehabt. Die Architektur blieb davon nicht verschont. Das Ganze nennt sich Modernismus, und man hat langsam genug davon.
Bereits über 100 Jahre lang, seit Sullivans Abkehr von der Architektur zu Gunsten der Technik, sind die Modernisten die Leichengräber der Architektur und demzufolge des Architekten. Die Architektur hingegen, dieses störrische Wesen, lässt sich weder abschaffen, noch in anderen Tätigkeitsbereichen auflösen, so "modern" und technisch hoch gerüstet diese auch sein mögen.
Die Kunst der Architektur hat die technologische Herausforderung des Jahrhunderts gemeistert. Das Beispiel von Pietro Luiggi Nervi ist eine brillante Ausnahme in der Geschichte geblieben, das die allgemeine Regel bestätigt: jegliche Windung in der Entwicklungsspirale der Technologie wird durch die Architekturästhetik erfolgreich assimiliert. Im 20. Jahrhundert geschah das nicht nur mit den Technologien der Bauproduktion - Metall, Stahlbeton, vollvorgefertigte Konstruktionen -, sondern auch mit den Transport- und Informationstechnologien.
So wie Protheus hat die Architektur im 20. Jahrhundert verschiedene Gestalten angenommen, sie war hin und her geworfen zwischen der ästhetischen Utopie des Art Nouveau, der Mystik der Gläsernen Kette und dem konstruktivistischen Pathos der sozialen Umgestaltung, zwischen dem Bauhaus-Revolutionismus, dem Konservatismus der "Architektur der Gemeinschaften" und der ätzenden Ironie des Postmodernismus. Bei Vielen hat das die Illusion erzeugt, dass die Architektur ihres eigenen Inhaltes verlustig gegangen ist. Dem ist aber ganz und gar nicht so.
Der Autor stimmt mit der Auffassung von Karl Solger überein, der die Natur der Architektur mit der Verbreitung des Göttlichen in einer profanen Welt verband: "Diese Kunst ist bestrebt, jenen ein Heim mit einem ganz besonderen Aussehen zu geben, die es nicht benötigen ... Die höchste und allgemeinste Bestimmung der Architektur ... besteht in der Errichtung eines Tempels zu Ehren Gottes." Ich denke, dieser idealistische Gesichtspunkt ist auch überaus praktisch. Eine derart verstandene Architektur lässt sich offenbar weder beseitigen, noch in Zweifel ziehen. Einmal entstanden, bleibt sie eine der fundamentalen Institutionen, die die Gesellschaft als solche ausmachen.

Ulrich
Conrads

(Berlin)

 

Keine Ausbildung ohne Vorbildung

Die Idee und Überzeugung des Autors ist, dass heute eine nachhaltige Architekturausbildung eines mindestens einjährigen Vorlaufes bedarf, der BASISLEHRE genannt werden sollte. Zu Beginn des Studiums sollten Studienanfänger um nichts herumkommen, um später, beim Bauentwurf richtig zuordnen zu können.
Ein großer Stellenwert wird dem Verhalten in sozialen Situationen eingeräumt.
Zur Basislehre gehören Unterweisungen über die Hauptzüge der Kulturgeschichte und ein stetes Training der Sensibilität für Materialien, Oberflächen und Farben. Es geht nicht in erster Linie um den Erwerb von Kenntnissen, sondern um Erkennen. Das hat mit der Kunst der Hermeneutik zu tun.
Ein Schlussexamen in der Basislehre könnte ein Übergangsexamen zur Architektur sein, ohne Noten, vorstellbar als Disput zwischen den Studierenden, die von den Lehrkräften zu einer kleinen Gruppe zusammen gewürfelt werden und spontan über ein Thema debattieren. Die Basislehre endet also mit der Zulassung zum eigentlichen Architekturstudium.
Der Autor plädiert dafür, nicht weitere Professoren auf Lebenszeit in der Basislehre einzusetzen. Gebraucht werden "Stadtindianer mittlerer Statur und neugierigen Herzens".

Christian
Gänshirt


(Cottbus)

 

Entwerfen und Forschen - Architektur und die Idee der Universität

Ein Architekt, der das Wesen seines Berufs im Entwerfen und Bauen sieht, versucht die gedankliche Einordnung seiner wissenschaftlichen Arbeit. Das Fachgebiet Architektur ist erst seit wenigen Jahren als vollwertige Fakultät an der Universität vertreten, im Verhältnis zur Geschichte dieser Institution ein Novum, dessen Bedeutung weder von den Architekten noch von der Universität bislang ausgelotet wurde. Der seit Beginn der Neuzeit von Künstlern und Architekten immer wieder erhobene Anspruch, als Gelehrte und Wissenschaftler zu gelten ist nun anerkannt. Bislang können Architekten ihrem neuen Status jedoch nur wenig abgewinnen. Sie begegnen der Idee wissenschaftlicher Forschung mit Skepsis, zumal ein dem Entwerfen adäquater Wissenschaftsbegriff noch längst nicht etabliert ist. Was können wissenschaftlich arbeitende Architekten zur universitas beitragen? Wie sind das Entwerfen und Forschen, das Bauen und Lehren zu integrieren? Welcher Stellenwert kann den einzelnen Tätigkeitsbereichen zugemessen werden?

Alena
Gella

(Kharkov, Ukraine)

Kreativer Lehrworkshop an der TU Kharkov

Die ukrainische Architekturschule transportiert noch immer die Prinzipien des sowjetischen Bildungswesens der achtziger Jahre. Heute noch bestehen aus Trägheit und Tradition im Bereich des post-sowjetischen Bildungswesens die gedanklichen Stereotype fort, die sich im Laufe der langen sowjetischen Geschichte herausgebildet haben.
Mitte der achtziger Jahre wurde an der TU Kharkov einer der ersten Versuche zur Transformation einer professionellen Architekturausbildung unternommen. Die pädagogischen Prinzipien und Ergebnisse dieses Experiments lagen der Ausbildungsmethodik in den Anfangsphasen der Architekturausbildung zu Grunde. Im Zuge der Umgestaltung der Ausbildung in den höheren Studienjahren wurde 1996 am Lehrstuhl Grundlagen der Architektur ein kreativer Lehrworkshop für angewandte Forschung und Architektur, sowie für Vorentwürfe gegründet, bei dem Methoden zur Anwendung kommen, die bereits in den achtziger Jahren von sowjetischen Underground-Intellektuellen entwickelt wurden.
Im Beitrag werden die Symposien zur Erarbeitung von Entwicklungskonzeptionen für Kleinstadtzentren im Kharkover Gebiet (Lyubotin, Dergachi), sowie Mezhdurechensk (Russische Föderation) beschrieben. An den Projektseminaren nahmen Studierende und Lehrkräfte der Architektur-Fakultät der TU Kharkov, Mitarbeiter der Stadtverwaltungen, Vertreter der Öffentlichkeit, sowie Experten des Internationalen Instituts für Urbanistik und Regionalentwicklung teil.

Valentin
Gorozhankin

(Kharkov, Ukraine)

Entwurfskonzeption und Architekturschule

Im Bereich des Architekturprofessionalismus realisiert das Institut für Entwerfen die produktive Funktion; das Wissenschaftsinstitut erfüllt die Funktion der Reproduktion, und das Institut für Ausbildung organisiert den Strukturbereich. Die Ausbildung nimmt die Entwurfsproduktivität in paradigmatischen Beziehungen wahr. Der paradigmatisch basierende Entwurfsansatz stellt ein methodologisches Phänomen der Architekturschule dar. Insbesondere das "urbane Milieu" ist solch ein Phänomen. Der Hauptbegriff des Milieu-Ansatzes ist die Situation.

 

Achim
Hahn
(Bernburg)
Architektur im Fokus des kulturellen Regulationssystems

Christian Norberg-Schulz hat mit seiner vor gut 30 Jahren auf deutsch erschienenen umfangreichen Studie "Intentions in Architecture" den Versuch unternommen, die menschlichen Wahrnehmungs- und Symbolisierungsleistungen zur Grundlage der Auseinandersetzung mit Architektur zu machen. Damit wurde die Architekturtheorie davon entlastet, ein Bauwerk nach der Botschaft des Architekten zu befragen zu Gunsten eines Verständnisses von psychologisch und soziologisch belehrter Umweltwahrnehmung und Umwelterfahrung. Es geht uns heute genauer darum, Architektur in ein Umweltverständnis zu integrieren, das auf der Beachtung und Erfassung der Wechselwirkung zwischen sozialen und ökologischen Aspekten beruht. Deren jeweilige Ausprägung nenne ich "kulturelles Regulationssystem". Wir stehen vor der Aufgabe, wie es uns gelingen kann, unser Wissen über und das Machen von Architektur in den übergreifenden Zusammenhang eines Verständnisses von einer kulturellen Umwelt einzuordnen. Darunter verstehe ich den Ausgleich zwischen den menschlich-sozialen Zielen und Zwecken auf der einen Seite und die Anpassung an die jeweilige Umweltsituation auf der anderen Seite. Ein pädagogisches Ziel (etwa einer Architekturlehre) wäre schließlich die Ausbildung von menschlichen Fähigkeiten und Kompetenzen, diesen Ausgleich zu beherrschen. Ich spreche absichtlich von kultureller Umwelt, weil es immer nur um unser jeweiliges Wissen von Umwelt gehen kann, also unseren Interpretationen und Beschreibungen, nicht um eine Umwelt schlechthin, die sich unmittelbar dem Menschen offenbaren könnte. Es geht also auch um gewisse "Regeln", die wir lernen sollten zu handhaben, um mit den Herausforderungen unserer Umwelt fertig zu werden. Zu diesen Kompetenzen, die uns zu Gewohnheiten werden sollten, zähle ich an erster Stelle die "integrierte Kreativität", das Wechselspiel von schöpferischer Vorstellungskraft und selbstkritischer Kontrolle der vorgeschlagenen Lösungen.

Yekaterina
Koneva

(Yekaterinburg,
Russland)

Sinnbildendes Architekturverständnis

Durch die Aufnahme sinnbildender Botschaften aus jeder Entwicklungsphase summiert der zu erlebende Inhalt des Gesellschaftsbewusstseins eine besondere paradigmatische Gesamtheit aus einzelnen semantischen Elementen bei einer relativ geordneten Freiheit der Sinnbildung.
Durch ihren Kontakt mit der rauhen Prosa des Lebens wird die Poesie der Schönheit einer architektonischen Form zu einem originellen Harnisch der kulturellen Bedeutung einer künstlich übergestülpten Hülle, die die sinnbildende Struktur schrittweise von der Ebene des natürlichen Seins auf die Ebene der sozio-kulturellen Realität transformiert. Die Zeit selbst ist in der Materie der Architektur und in der Raumordnung verkörpert, indem sie den Mythos der Realität hervorbringt, der wiederum der Welt das Bild dieser Realität vor Augen hält, dargestellt als gezähmtes Wesen von Architektur und Kunst insgesamt, als fixierte Gestalt der Seele der Gesellschaft.
Eine harmonische Kombination sämtlicher alternativer Bestandteile, Mechanismen und Disziplinen, die den Architekturprozess ausmachen, der ideale natürliche Formen in ideale anthropomorphe Formen umsetzt, die die Schönheit der Natur und das ideelle kreative Erleben in sich vereinen mit allen nur denkbaren Wegen der gedanklichen Daseinserkenntnis der Gesellschaft und insgesamt mit den kulturellen Erfahrungen der Menschheit, ermöglichen die Herausbildung neuer sinnbildender Plattformen für die künftige Entwicklung der Architekturrealität.

Oxana
Makhneva

(Yekaterinburg,
Russland)

Das Problem der kreativen Intuition unter dem Aspekt der Semiotik und eine mögliche Korrektur des Ausbildungsprozesses

In dieser Arbeit haben wir nicht die Absicht, die kreative Intuition in den Bereich des Bewusstseins zu transformieren. Das Recht des Architekten auf freie Kreativität ist unantastbar; wir können allerdings das Ergebnis eines kreativen Prozesses mit Hilfe von Informationen über das Objekt der Kreativität vorhersehen. Wir schlagen vor, eine Informationsbasis für die Wissenschaft der Architektur zu entwickeln und diese Basis mit den Methoden der Semiotik der Architektur zu aktivieren. Eine Datenbank stellt eine Gesamtheit historischer Fakten dar. Die historischen Fakten liefern unterschiedliche Informationen über den Raum. Die Semiotik berücksichtigt die Zeichennatur des Raumes. Die Semiotik schafft eine universelle Formel, die eine Abfrage der Datenbank ist. Der Inhalt der Antwort bestimmt die architektonische Qualität des Objektes und die Struktur der Konzeption. Die Semiotik erzeugt die architektonische Konzeption. Die Antwort der Datenbank bildet das denotative Gerüst der Konzeption und die Nuancen der konnotativen Bedeutungen mit Hilfe der entsprechenden Informationen. Der Architekt bekommt Informationen über die Qualität des Objektes, und die Quantität der möglichen Konzeptionen und Projektlösungen wird reduziert. Die Möglichkeit der Prognostizierung der Wahrnehmung verhält sich umgekehrt proportional zur Anzahl der Projektvarianten. Die Datenbank und der semiotische Schlüssel sind ein Apparat der Architekturkonzeption. Vorgeschlagen wird die Einführung der Methodik eines Informationsservices der Architekturwissenschaft in die Lehre, um die Architektenausbildung zu verbessern.

James
McQuillan

(Cambridge)

 

Zwischen Zitadelle und Labyrinth: die Zukunft des Architekturberufes

Die Zitadelle ist ein uraltes Symbol intellektueller Kraft, das mit Vorstellungen von Selbstbeobachtung und sogar Geheimnisse in Bezug auf Herz oder Seele (Sein) zu tun hat, während das Labyrinth prozessuale Lebensaspekte wie Entstehung, Wachsen und Erlösung (Werden) bedeutet.
Unter den derzeitigen Bedingungen haben diese Symbole eine Deformation und Abwertung erfahren, obwohl sie nach wie vor als starke Aspekte der Kontinuität in unserer Architekturwelt der Spannungen zwischen Professionalismus und Kunst relevant sind. Die Burg überdauert in den statischen Dogmen professioneller und praktischer Standards, während das Labyrinth oder der Irrgarten in Begriffen rationalistischer Reduktion doppeldeutig ist und aus dem eisernen Käfig (Weber) heraus führt, hin zu einem planlosen "neutralen" Entwurf unbestimmter Elemente und Systeme.
In welcher Weise beeinflussen gegenwärtige Strömungen der Deprofessionalisierung die Rolle des Architekten? Kann der Berufsstand seine Referenzbegriffe erweitern, um zum Berufsstand von "gelebtem Raum" zu werden, nach dem schon Viele gesucht haben, der aber heute immer noch so schwer fassbar in der Architekturproduktion ist?

Peter R.
Proudfoot

(Sydney)

 

Strukturalismus, Phänomenologie und Hermeneutik in der Architekturausbildung

Dieser Beitrag diskutiert den Hintergrund der Architekturausbildung im Direktstudium, die aktuellen Lehrthemen, die Wandlung der Funktionen von Architekturbüros, Theorien der Architekturausbildung und Vorstellungen verschiedener Architekturschulen mit der Absicht, eine überzeugende Studiengangsstruktur für die Zukunft zu erreichen. Das reicht über die Gedanken und relevanten philosophischen Kritiken von Glassie (Strukturalismus); Winckelmann, Hegel, Norburg-Schultz (Phänomenologie); Gadamer, Heidegger, Schon, Perez-Gomez (Hermeneutik) und Simon (Die Wissenschaften des Künstlichen). Der Beitrag stellt eine Dialektik her, die die Herausbildung einer pädagogischen Struktur und eines Curriculums mit Bezug zu theoretischem Wissen, Entwurfslehre und Architekturpraxis ermöglicht.

Maxim
Puchkov

(Yekaterinburg,
Russland)

Architekt im Hypertext des Raumes - auf der Suche nach Strategien

Dieser Beitrag befasst sich mit dem Problem der komfortablen Autonomie des Lebens der Menschen im architektonischen Raum einer post-industriellen Stadt. Historisch hat sich der Charakter der Beziehungen des Menschen zum Raum verändert: von der Transformation des natürlichen Raumes zu den Entwicklungsphasen des Raumes einer virtuellen Welt, wo neue Möglichkeiten für die Herstellung kommunikativer Beziehungen bereits heute die Struktur des physischen Raumes sprengen, indem sie ihn zur Virtualität werden lassen und aus der realen Architekturlandschaft einer Stadt ein Netzwerk von Knotenpunkten und deren Verknüpfungen machen. Dieses Bild entspricht der Struktur des Cyber-Raumes des World Wide Web. Eine moderne Stadt kann nicht als räumlicher Kalendertext interpretiert werden, sondern als Hypertext - als System einer vielschichtigen nichtlinearen Organisation eines textualen Raumes, indem sie über die Fähigkeit zur Selbstentwicklung verfügt. Welche Rollen und Funktionen kommen dem Architekten in dieser Funktion zu: wie kann er seiner Aufgabe zur Sicherstellung einer komfortablen Existenz des Menschen in einem verdichteten, instabilen und überbevölkerten Raum nachkommen, ohne sich weder in den Bereich technologischer Utopien zurück zu begeben, noch in eine Nostalgie der Neoklassik zu verfallen?

Andrei
Rayevski

(Yekaterinburg, Russland)

Architektur - Kompetenzbereich oder Professionsbereich

In der heutigen Zeit ist eine kardinale Veränderung der Prinzipien der Welterschaffung zu beobachten: die Religion wird in eine synthetische Matrix übertragen, wobei sie der Freiheit der Auswahl unterworfen ist, und der Mensch tritt vollkommen in einen Grenzbereich seiner Existenz ein - in die von Anfang an synthetische Sphäre der Kognition. Die einzige Existenzform, die ohne Ursprung, ohne Religion und ohne Vergangenheit möglich ist, ist die rationale Struktur. Deshalb ist das Sein rational strukturiert. In diesem System gibt es keinen Platz für den Architekten an sich; sein Kompentenzbereich reduziert sich auf Berufsfelder, die der Architektur nahe sind. Um das semantische Informationspotential des Daseinsraumes abzufedern, reichen Kunsthistoriker oder Design-Ingenieure aus. Der Rest ist Sache des Systems - global und rational.
Heutzutage muss sich ein Architekt, ein Künstler oder ein Poet den Kräften der Masse zuwenden, wenn er Wirkung erzielen will; das ist die Bedingung des Systems. Demzufolge ist jegliches kreatives Schaffen seinem Wesen nach kreatives Schaffen der Massen. Um den verloren gegangenen Status der Architektur zurück zu gewinnen, müssen neue Kreativitätsfelder unter den Bedingungen des neuen Systems eines neuen Daseinsraumes gefunden werden. So etwas ist die semantische Modellierung auf der Basis einer statistischen Textanalyse der rationalen Gesellschaftsstruktur und der semiotischen Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Formbildung.

Yelena
Remizova

(Kharkov, Ukraine)

Ausbildung zu künstlerischer Kreativität als evolutionärer Prozess

Gegenstand der Analyse werden die verschiedenen Erscheinungsformen der künstlerischen Kreativität. Im Mittelpunkt stehen dabei Techniken und Methodiken der Kompositionstätigkeit und der eigentliche Prozess der Erschaffung eines Kunstwerkes.
Es wird vorgeschlagen, den Akzent bei der Ausbildung künftiger Spezialisten auf die Herausbildung eines Systems von künstlerischem, auf Selbstentwicklung gerichtetem Denken zu verlagern. Die Strategie für die Strukturierung eines neuen Studienganges zur Kompositionsausbildung basiert auf den theoretisch-methodologischen Grundlagen und der historisch-genetischen Methode der Erschließung der Vergangenheitserfahrungen des Architekturberufes.
Die Ausbildung von Architekten zu kompositorischer Meisterschaft wird realisiert durch die Aneignung der historischen Haupttypen des kompositorischen Denkens und der Bildung eines zeitgemäßen Systems künstlerischer Begriffe und Vorstellungen.
Gezeigt wird die Übereinstimmung der verschiedenen Begriffe und Vorstellungen von Komposition mit den unterschiedlichen Ansätzen, Methoden und Mitteln der Kompositionsarbeit.

Sebastian
Sage

(Stuttgart)

Ist die Architektenausbildung tot?

Wieso besteht für ein Studienfach ein numerus clausus, in dem nur die Hälfte der Absolventen den studierten Beruf später ausüben?
Während Architekten sich in ganz anderen Berufen lebenstüchtig bewähren, etablieren sich Andere im Tätigkeitsfeld der Architekten als Projektsteuerer, etc.
Berufsbild im Wandel
Für welche Rolle soll das Studium ausbilden? Soll das Studium überhaupt ausbilden? Soll nicht eher Bildung im Vordergrund stehen? Liegt die Attraktivität des Architekturstudiums nicht gerade darin, dass ein klassisches entwurfsbestimmtes Architekturstudium eine der besten zur Zeit verfügbaren Ausbildungen zum Autodidakten mit speziellen Fertigkeiten der visuellen und verbalen Darstellung ist?
Zwei Strategien stehen zur Wahl.
Auf kurzfristige Anforderungen an Verfügbarkeit von Arbeitskraft mit technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen Mindeststandards reagiert die Einführung verkürzter Studiengänge unter dem Stichwort Bachelor.
Umgekehrt halten Länder wie die USA, Großbritannien, Frankreich u.a. an einer sehr langen stark bildungsbetonten Architektenausbildung ohne engen Praxisbezug und ohne Spezialisierung fest. Diese Länder stellen die Architektenausbildung explizit in den Dienst einer Exportoffensive auf dem Gebiet der Architekturdienstleistung.
Vergleich unter Berücksichtigung von:
- Mindeststandards der Architektenausbildung nach UIA 1999,
- Architektenrichtlinie EU,
- Studienreformkommission Architektur 1985, Grundlage des bestehenden Dipl.-Ing.
- Gruppeninteressen.
Forderungen an die Novellierung Hochschulrahmengesetz 2001:
- Erhaltung des Dipl.-Ing.
- Masterstudiengang als Aufbaustudium auch für Dipl.-Ing.-Absolventen

Jörg
Schnier

(Dresden)

Das As im Ärmel des Architekten

Kein Architekt kann heute noch Experte in allen architekturrelevanten Fachgebieten sein.
Die besonderen Fähigkeiten, die ihn von allen anderen am Bau Beteiligten unterscheiden, liegen vor allem auf dem Gebiet der Ästhetik. In diesem Sinne ist das Entwerfen die charakteristische Tätigkeit des Architekten.
Dennoch beschränkt sich das Wissen über das Entwerfen fast ausschließlich auf eigene Erfahrungen, während seine theoretischen Grundlagen in der Regel vernachlässigt werden.
Dieser Artikel propagiert die Wichtigkeit der Entwurfstheorie als einer Schlüsselqualifikation für das Weiterbestehen des Architektenstandes.

Valeri
Yovlev

(Yekaterinburg,
Russland)

Die Flexibilität des Ausbildungsprozesses moderner Architekten

Die Verbesserung der Architektenausbildung ist in Vielem bedingt durch die Veränderung des professionellen Bewusstseins. Letzteres äußert sich in einem neuen Verhältnis von Plänen und Bewusstseinsebenen, in der Fokuserweiterung des Bewusstseins und in einem neuen Selbstbewusstsein. Ausdruck dessen in der Praxis ist eine Veränderung der Hauptkategorien des professionellen Denkens und der Formenkonzeption.
Die Flexibilität des Prozesses der Architektenausbildung ist determiniert durch die Dynamik der Wechselwirkung zweier Entwicklungslinien: der sozio-professionellen, die mit äußeren Faktoren verbunden ist (Auftrag der Gesellschaft, aktuelle Forderungen der Praxis, Erweiterung des Informationsbereiches) und der ausbildungsprofessionellen, die die innere Logik der Entwicklung reflektiert (akademische Basis der Ausbildung, Schultraditionen).
Die Besonderheiten dieses Prozesses im heutigen Russland gehen insoweit einher mit einem beschleunigten Vorrücken in der sozio-professionellen Linie, wobei eine stabile Entwicklung eine aktive Gegenwirkung voraussetzt (d.h. seitens der ausbildungsprofessionellen Linie). Letztere zeigt sich in der dominierenden Methodologie (z.B. Prinzip des Milieu-Intuitivismus und des ökologisch-psychologischen Ansatzes, Methode der Kompositionsmodellierung in der Architekturschule des Ural).

Die abgedruckten Texte sind für die nächsten 6 Monate Diskursangebote. Anmerkungen, Anregungen und Kritiken durch Leser können den Autoren der jeweiligen Texte oder der Redaktion per e-mail zugeschickt werden. Die Texte werden dann gegebenenfalls in den 6 Monaten von den Autoren überarbeitet. Am Ende des Diskurszeitraums wird der Artikel dann eingefroren, ist aber weiter zugänglich.

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(Wolkenkuckucksheim,Cloud-Cuckoo-Land,vozdushnyi zamok >/theoriederarchitektur/Wolke/)
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image38.gif (1579 Byte) Heft 1/96: Architektur im Zwischenreich von Kunst und Alltag
(auch als Buch im Waxmann Verlag erschienen: ISBN 3-89325-585-0)
Heft 1/97: Modernität der Architektur. Eine kritische Würdigung

Heft 2/97: Architektur - Sprache
(auch als Buch im Waxmann Verlag erschienen: ISBN 3-89325-652-0)
Heft 1/98: Architektonik und Ästhetik künstlicher Welten
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Bau und Wohnung - Eine Auseinandersetzung mit Heideggers Aufsatz 'Bauen Wohnen Denken' (1951)
Heft 1/99: Entwerfen -  Kreativität und Materialisation
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