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Die bauenden, den öffentlichen Raum prägenden Disziplinen Architektur
und Landschaftsarchitektur unterliegen in der deutschen Tages- und
Wochenpresse unterschiedlichen Präsentationsprinzipien. Sie sind verschieden
im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert und korrespondieren auf
unterschiedliche Weise mit der Logik des medialen Systems. Architekturkritik
hat im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition und genießt eine
gesicherte gesellschaftliche Stellung. In den Feuilletons wird regelmäßig
und vorrangig überregional berichtet. Den Charakter der Artikel über
Landschaftsarchitektur kann man hingegen mit drei Worten umreißen: knapp,
selten, trivial. Die nahe liegende Erklärung, der Berufsstand sei klein und
das Bauvolumen ebenso, greift zu kurz.
Folgendes ist zu beobachten und soll in diesem Beitrag diskutiert werden,
wobei ein wenig pauschalisiert werden muss, um Tendenzen erkennbar zu
machen:
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Die
Berichterstattung über Architektur erfolgt mit Fokussierung auf die
Stararchitektur und aus der Expertenperspektive. Sie vernachlässigt die
Alltags- und Gebrauchstauglichkeit des Gebauten und wird zudem von den
großen Büros instrumentalisiert.
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Die
Berichterstattung über Landschaftsarchitektur erfolgt in den
Wahrnehmungskategorien von Laien. Sie verharrt in der Feststellung des
Offensichtlichen und reflektiert nur selten die Intentionen des Entwurfs
sowie semantische, symbolische und historische Bezüge.
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Die Kluft
zwischen Laienvorstellung und State of the Art bleibt damit bei beiden
unangetastet: Die Presse manifestiert die Expertenperspektive für die
Architektur, die Laienperspektive für die Landschaftsarchitektur.
-
Dadurch entstehen
parallele Wahrnehmungswelten. Während sich die medial vermittelte
Architektur von der alltäglichen Umwelt abgespalten hat, entfernt sich
der gebaute Freiraum mehr und mehr vom Bild gestalteter Natur in den
Köpfen der Menschen, das nach wie vor dem Ideal des Englischen
Landschaftsgartens verhaftet ist.
Neben den Mechanismen und Botschaften der
Berichterstattung interessieren hier auch die verbleibenden Möglichkeiten
wirklicher Kritik. Will man den Anspruch der Kritik als Institution einer
demokratischen Gesellschaft nicht aufgeben und ist man tatsächlich an der
Herstellung eines Diskurses interessiert, dann braucht man dafür die
Publikumsmedien. In der Fachpresse ist Kritik aufgrund vieler Abhängigkeiten
nur eingeschränkt möglich, zudem kann die Gestalt des öffentlichen Raumes
nicht nur eine Angelegenheit der planenden Professionen sein. Gerade
Landschaftsarchitektur ist in der Regel Bestandteil des öffentlichen oder
halböffentlichen Raumes und damit für jeden uneingeschränkt zugänglich. Es
handelt sich um Orte, „an denen sich – im Prinzip – das Volk versammelt. Das
ist vom symbolischen Gehalt her politisch und strukturell hoch besetzt.
Daher wird es hier ernst mit dem Kontrollrecht der Öffentlichkeit, denn es
ist ihr Aufenthaltsraum.“ (Eisel 1997, 31, Hervorhebung im Original).
Die Öffentlichkeit wird sowohl erreicht als auch repräsentiert durch die
Publikumsmedien.
Es gibt einige gemeinsame Voraussetzungen der medialen Präsenz von
Architektur und Landschaftsarchitektur:
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Beide sind nicht eindeutig einem Ressort der Tagespresse zuordenbar.
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Es gibt bei beiden keine bildungsmäßig kanonisierten Kriterien, die von
einem breiten Publikum nachvollzogen werden können.
-
Beide verfügen nicht über populäre und einflussreiche Kritiker wie
beispielsweise die Literatur.
-
Beide sind keine Güter des Kulturkonsums. Während Theater-, Film-,
Musik- und Buchkritiken ein unmittelbares Informationsbedürfnis
befriedigen, spielt die Architekturberichterstattung diese Rolle für die
ganz überwiegende Zahl der Leser nicht. Eine Ausnahme bilden potenzielle
Bauherren. Artikel über Landschaftsarchitektur informieren hingegen
häufig über ein neues Freizeit- und Erholungsangebot.
-
Der geeignete Zeitpunkt des Berichtens, wenn das Objekt also schon
einige Zeit in Benutzung ist, widerspricht dem Aktualitätsprinzip der
Medien.
Wohlwollendes
Desinteresse: Berichterstattung über Landschaftsarchitektur
Mit folgenden Sätzen begann ein Artikel im Tagesspiegel über den
Spreebogenpark: „‘Sehr zweckmäßig’ sagt der Berliner Bernhard Langer, der
den Park mit Bekannten aus Hannover besucht. Es ist kein Kompliment. Ratlos
blicken er und seine Gäste über die Wiesen und auf die rostfarbenen
Stahlwände, die das Gelände wie zwei Mauern durchtrennen. ‘Das ist nicht
gelungen’ sagt Langer. Er und seine Bekannten sind enttäuscht.“ (v. Lessen
2005). Ratlosigkeit herrscht auch beim Autor, dessen Artikel aus drei
weiteren Passantenmeinungen und Zitaten einer Presseerklärung der
Senatsverwaltung besteht. Ein Foto mit einem gähnenden Mann vor einer
Cortenstahlwand komplettiert den Bericht. Damit weist dieser gleich fünf
häufige Merkmale von Artikeln über Landschaftsarchitektur auf:
verständnisloses Reagieren auf zeitgenössische Gestaltungen, Darstellung in
den Wahrnehmungskategorien von Laien, fehlende Information über die
Intentionen des Entwurfs, keine Nennung des Landschaftsarchitekten sowie
unprofessionelle Bebilderung. Doch der Reihe nach:
1) Die Basis
medialer Reflexion ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Profession.
Landschaftsarchitekten prägen maßgeblich die städtische Umwelt und schaffen
Orte von hoher Anziehungskraft. Parks, Gärten und Plätze erfreuen sich bei
allen Bevölkerungsgruppen einer großen Beliebtheit. Der Berufsstand der
Landschaftsarchitekten aber ist unbekannt oder mit nebulösen und
antiquierten Vorstellungen verbunden. Platzgestaltungen werden den
Architekten zugeschrieben, Parkanlagen den Gärtnern. Während der Einzelne
und die Gesellschaft dem Grün eine hohe Wertschätzung entgegenbringen, ist
ihr Verhältnis zum dazugehörigen Berufsstand von Unwissenheit und
Nichtbeachtung geprägt. Dies gilt auch für die Mehrzahl der Bauherren. Statt
ein Gebäude und seine Außenanlagen qualitativ gleichwertig auszustatten,
wird als erstes das Budget für die Landschaftsarchitektur gekürzt oder
gestrichen, wenn das Geld ausgeht.
2) Die mediale
Darstellung ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Wahrnehmung.
Landschaftsarchitektur ist in keiner Tageszeitung, schon gar nicht in der
überregionalen Presse, Gegenstand regelmäßiger Berichterstattung. Artikel
erscheinen vorwiegend im Lokalteil. Sie gehören mehrheitlich den
nachrichtlichen Texten an, sind vor allem Meldung und Bericht, seltener
Reportage und nur vereinzelt Rezension. Kritik wird in der Regel nicht vom
Autor vorgebracht, sondern als Meinung von Anwohnern oder Passanten
referiert. Die Darstellung entspricht den Wahrnehmungsgewohnheiten und
-kategorien von Laien, also der überwiegenden Mehrzahl der Leser
– ein
Vorteil gerade im Vergleich zur Architektur
–, doch sie geht eben auch nicht
darüber hinaus. Sie beschränkt sich auf die Beschreibung einer Anlage,
stellt in der Regel keine gartenkunstgeschichtlichen Bezüge her und
erläutert oft nicht einmal die Intensionen des Entwurfs. Übermittelt wird
nicht die Botschaft „Gartenkunst“, sondern „Begrünung“.
Die Berichterstattung wird damit weder der Funktion einer Geschmacks- und
Meinungsbildung bei Laien gerecht noch ist sie ein Beitrag zu einer
theoretischen Debatte.
Was damit auch ausbleibt, ist ein Interpretations- und
Bedeutungsbildungsprozess, wie ihn der Architekturhistoriker Juan Pablo
Bonta beschrieben hat: der „Weg von der Blindheit über die vorkanonischen
Reaktionen, die kanonische Interpretation, über die Anerkennung und
Verbreitung bis zu Stille und Vergessen“ (Bonta 1982, 203). Der Kreis
schließt sich, so Bonta, nicht in jedem Fall, er könne bei jedem der
Schritte unterbrochen werden. „Oft gelingt es nicht einmal, der Blindheit
entgegenzuwirken. In anderen Fällen bleibt es bei vorkanonischen
Reaktionen.“ (ebd.) Bei diesem Bedeutungsbildungsprozess spielt die
Wechselwirkung zwischen dem Autor eines Entwurfs und dem Interpreten eine
zentrale Rolle. So werfen Bontas Ausführungen ein Licht auf das, was in der
Landschaftsarchitektur in der Regel ausbleibt: eine Interpretation und die
Konstituierung als Kunst, was, wie Arthur Danto darlegt, eng aneinander
gebunden ist (vgl. Danto 1991, 208). Die Tagespresse verharrt im Zustand
vorkanonischer Reaktionen. In der Fachpresse wird eine kanonische
Interpretation sowie Anerkennung und Verbreitung oft erreicht, doch der
Interpretation des Entwurfsarchitekten mehrheitlich ebenso nahe geblieben
wie in der Tagespresse.
3) Gesellschaftliche
Wahrnehmung und mediale Reflexion sind das Resultat der Außenwirkung der
Profession im Verlauf des 20. Jahrhunderts.
Häufige Wechsel des Selbstverständnisses, ein daraus resultierendes unstetes
Erscheinungsbild nach außen sowie verschiedenste Berufsbezeichnungen
determinieren das Fremdbild der Landschaftsarchitektur.
Die Profession Landschaftsarchitektur ist deutlich jünger als die
Architektur. Erst um 1900 etablierte sich in Deutschland der Berufsstand
privat tätiger Gartenarchitekten. Mit der Schaffung „sozialen Grüns“ als
planerische Antwort auf die Probleme der durch die Industrialisierung
gewachsenen Städte entstand die kommunale Freiraumplanung.
Eine akademische Ausbildung existiert seit 1929.
Getragen von den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen vollzog sich im 20.
Jahrhundert mit beinahe jeder zweiten Dekade ein erheblicher Wandel der
vorrangigen Arbeitsfelder und des kollektiven Selbstverständnisses. Die
30/40er Jahre sowie die 70/80er Jahre markieren Brüche, die auch als
„Verwissenschaftlichungs- und Politisierungsschübe“ bezeichnet werden können
(Hard 1991, 17). Landschaftsarchitektur in Deutschland wandelte sich im Zuge
einer Instrumentalisierung im Nationalsozialismus sowie unter den Einflüssen
des Funktionalismus der 60er und der Ökologiebewegung der 70/80er Jahre von
einem Medium der Raum- und Gebrauchskunst und Repräsentation zu einem Medium
der Umweltplanung und Grünversorgung. Es erfolgte ein Wechsel von Phasen mit
starker gestalterischer Ausrichtung und hoher Präsenz im öffentlichen Raum
und Phasen der planerischen Ausrichtung mit den Merkmalen
Verwissenschaftlichung, Marginalisierung des Gestalterischen und
Verschwinden aus dem öffentlichen Bewusstsein. Erst in den 90er Jahren
gewann die Landschaftsarchitektur als gestaltende und urbanistische
Disziplin wieder an Kraft, ohne dass dies jedoch angemessen reflektiert
worden wäre.
Landschaftsarchitekten agieren zudem generell unter Bedingungen, die kein
guter Nährboden für die Entfaltung künstlerischer Handschriften (und damit
feuilletonistischen Interesses) sind: Seit der Etablierung des Berufstandes
zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeiten sie zunehmend und von den 50er
Jahren an vorrangig für die Allgemeinheit im Auftrag der öffentlichen Hand.
Das bedeutet ein Unterworfensein unter demokratische Entscheidungsprozesse
und das Erfordernis einer Mehrheitsfähigkeit.
Trotz der Kammerbezeichnung „Landschaftsarchitekt“ ist die Palette der
Berufsbezeichnungen groß. Dies ist vor allem den unterschiedlichen Titeln
der Studiengänge sowie Abgrenzungsgebaren innerhalb der Profession
geschuldet. Gebräuchlich sind Gartenarchitekt, Gartendesigner,
Gartengestalter (von den Nationalsozialisten erzwungene, auch heute noch
verwendete Bezeichnung, vgl. Gröning, Wolschke-Bulmahn 1995, 41),
Landespfleger, Landschaftsplaner, Landschaftsarchitekt, Grünplaner.
Journalisten benutzen oft die Begriffe Gärtner, Gartenkünstler,
Landschaftsgestalter und Architekt.
4) Das Klischee
„grün = schön“ hält Landschaftsarchitektur in der Indifferenz allgemeiner
Akzeptanz gefangen.
Die Wahrnehmung von Landschaftsarchitektur ist eng an das gesellschaftliche
Naturverhältnis gekoppelt. Der Anerkennung der Notwendigkeit einer Debatte,
ja dem kritischen Hinterfragen des gebauten Freiraums überhaupt wirkt das
positive Klischee „grün = schön“ entgegen, der Lust am Neuen in der
Landschaftsarchitektur ihre Rezeption als „Natur“ und die Vielfalt der
Konnotationen, die damit verbunden sind.
Für den Städter ist Natur eine mit Hoffnungen und Illusionen aufgeladene
gesellschaftliche Gegenwelt. Naturerleben wird verbunden mit einem
Entspannungs- und Erholungsbedürfnis, es zielt auf ein „wohliges Gefallen“.
Dieses Gefallen und Beurteilen von Landschaften, Parks und Gärten bewegt
sich in einem „relativ breiten, unstrittigen, überaus wohlmeinendem
‚Geschmackskorridor’, insbesondere was die ‚Archiv- und Alltagsbestände’ der
Landschafts- und Gartenarchitektur anbetrifft. Sie sind (annähernd schicht-
und milieuübergreifend) konventionalisiert und im Kulturbewusstsein fest
verankert: Grün, ein Stück Natur, welcher Art auch immer, ist zunächst und
zumindest mal eher ‚schön’ als ‚hässlich’ und wird in der verstädterten
Gesellschaft durchweg wohlgefällig als „schön grün“ zur Kenntnis genommen,
was in erster Linie auch ein Reflex der Knappheit von Grün und Natur ist und
seiner Jahrhunderte währenden Wert- und Bedeutungsaufladung durch die
Kunst.“ (Tessin 2006, 10). Wohlgestaltete Natur und auch Wildnis befriedigen
Bedürfnisse, die in einer technisierten, fragmentierten und natürlichen
Prozessen entfremdeten Lebensumwelt zu kurz kommen.
Das Grünideal des Laien ist nach wie vor das des Englischen
Landschaftsgartens (vgl. u. a. Böhme 2002, 197). Im Landschaftsgartenstil,
„der über 200 Jahre hinweg aus der Feudalschicht über das Bürgertum bis
hinein in die Massengesellschaft via kommunaler Freiraumplanung gleichsam
sozialstrukturell heruntergereicht wurde“ (Tessin 2006, 10), wird die
Dichotomie von Kunst und Natur aufgehoben, beide erscheinen in Harmonie.
Zeitgenössische Landschaftsarchitektur nimmt gelegentlich auf diesen Stil
Bezug, in der Regel reflektiert sie jedoch das gegenwärtige
Mensch-Natur-Verhältnis oder inszeniert Landschaft als Artefakt. Da hierüber
jedoch so wenig kommuniziert wird, spaltet sich die gebaute Umwelt mehr und
mehr ab vom Bild gestalteter Natur in den Köpfen der Menschen.
5)
Landschaftsarchitektur widerspricht der Logik des medialen Systems.
Das
geringe Interesse der Medien erklärt sich selbstverständlich auch aus deren
eigenen Mechanismen heraus:
-
Ein zeit- und raumgebundener Gegenstand wie die Landschaftsarchitektur
widerspricht dem Presse beherrschenden Nachrichtenwert „Aktualität“.
-
Durch das fehlende Star-System in der Landschaftsarchitektur können die
für das Medieninteresse wichtigen Nachrichtenwerte „Personalisierung“
und „Prominenz“ nicht bedient werden.
-
Aufgrund des allgemein geringen Interesses bleibt eine
Internationalisierung der Berichterstattung aus. Damit entfallen die
Synergieeffekte von Renommierprojekten.
-
Landschaftsarchitekturen sind selten spektakulär und in der Regel
weniger komplex sowie kostenintensiv als Hochbauten. Eine vergleichbare
Aufmerksamkeit einer Vielzahl von Akteuren aufgrund ökonomischer
Interessen bleibt aus.
-
Die so genannten Gatekeeper – Redakteure und Journalisten – werden von
den Büros unzureichend angesprochen.
-
Landschaftsarchitektur gehört nicht zum etablierten Kanon der
Medienthemen. Deshalb gibt es keine Redakteure, die für eine
kontinuierliche Berichterstattung sorgen würden.
Wirkungsüberlegung vs. Wahrheitsüberlegung: Berichterstattung über
Architektur
„Kometeneinschlag im Hühnerhof“ – so titelte Hanno Rauterberg in der ZEIT
und diskutierte Rem Koolhaas’ Casa da Musica in Porto ambivalent (Rauterberg
2005). Aufmerksamkeit war seinem Artikel sicher – und damit auch dem
Projekt. Dabei blieb er einer der wenigen, die das Konzerthaus kritisch
rezensierten. Das Gros der Schreiber bejubelte den Bau und saß damit auch
der geschickten Medienlenkung des Architekten auf. Wie stellt sich die
Vermittlungspraxis von Architekturthemen in der Publikumspresse dar?
1) Architekturkritik befindet sich im festen Zugriff der PR.
Bei Aufsätzen über Architekturkritik ist eine Verlagerung festzustellen:
Wurde bis vor wenigen Jahren noch die Wirkungslosigkeit der Kritik beklagt
und immer wieder nach allgemein gültigen Kriterien für Rezensionen gesucht,
so steht heute die Einflussnahme der Büros auf die Berichterstattung im
Mittelpunkt. Seit die Aufmerksamkeitsproduktion professionell betrieben
wird, ist die Basis für Kritik schmaler geworden und die Bedeutungskontrolle
durch im Selbstmarketing versierte Architekten spielt eine zunehmende Rolle.
Die Rahmenbedingungen der Kritik werden ausgeschaltet, indem der Zugang zu
Bildmaterial und Plänen reglementiert und die eigene Interpretation gleich
mitgeliefert wird. Architekturberichterstattung ist verkommen zur
„wohlfeilen Akquisition mit anderen Mitteln“ (Strodthoff 1995, 280),
bedeutet „überregionales Loben spektakulärer Unikate“ (Moewes 1998, 259) und
ist zur „Hofberichterstattung potenter wie präpotenter Starbüros degeneriert
und zahnlos geworden“ (Conrads 2003, 263).
2) Architektur bedient die Prominenz- und Bildfixierung des medialen
Systems.
Architekturberichterstattung ist auf die internationale Stararchitektur, die
„Sonntagsarchitektur“, fixiert. Das Misslungene wird nicht diskutiert, auch
und gerade nicht das Misslungene der Stars, und läge es im Detail.
Architektur interessiert als Ereignis. Sie versteht es, eine mediale Aura zu
erschaffen, sie liefert Inszenierung und Identität, fungiert im Dienste von
Werbung, Marketing, Kommunikation und Imagebildung (vgl. Bergilez 2004, 28).
Dies gelingt ihr in erster Linie über „Gesichter“, in zweiter Linie über
Bilder. Förderlich ist dabei das Objekthafte der Architektur und eine daraus
resultierende leichte Abbildbarkeit. Jean-Didier Bergilez spricht von einer
„Architektur des Bildes“, einer „derealisierten“ Architektur, die nicht mehr
anhand ihrer Realisierung wahrgenommen und gedeutet wird, sondern anhand von
Bildern und Diskursen. Schon Entwürfe können zu Medienereignissen werden,
wie es beispielsweise Peter Eisenmans Projektvarianten des Denkmals für die
ermordeten Juden Europas demonstriert haben. Bei der Debatte über das
Denkmal griff auch der Nachrichtenfaktor „Kontinuität“: Langfristig
eingeführte Themen, Diskurse oder lange Entscheidungsprozesse halten das
Interesse der Medien aufrecht. Unter Umständen ist ein Werk bereits
konstituiert, bevor es gebaut ist, wie zum Beispiel die Elbphilharmonie von
Herzog & de Meuron in der Hamburger HafenCity.
Die Kopplung von bekanntem „Gesicht“ und einprägsamem Bild führt zu medialer
Aufmerksamkeit; garantiert ist sie bei großen Gesten, einem starken
narrativen Moment, Auffälligkeit, Provokation, Ironisierung, Normbruch,
Überraschung oder auch „gesteigerter Achtsamkeit“, wie es Georg Franck in
Bezug auf die Schweizer Architektur formuliert hat (Franck 2001, 231).
Bedient wird hier der Nachrichtenfaktor „Intensität“ – eine bestimmte
Aufmerksamkeitsschwelle muss überwunden werden, um mediales Interesse zu
wecken. Dies gelingt auch bei Bauskandalen. Sie erfahren Beachtung nicht
aufgrund ihrer gesellschaftlichen Relevanz, sondern vor allem wegen ihres
Negativismus („Only bad news are good news“).
3) Ökonomische Zwänge seitens der Autoren führen die Unabhängigkeit der
Berichterstattung ad absurdum.
Die Unabhängigkeit des Kritikers ist Geschichte. Dieter Hoffmann-Axthelm
spricht von einer „Zerstäubung der Kritik“ in verschiedene Formen des
Schreibens, Abbildens und Publizierens (vgl. Hoffmann-Axthelm 1998, 52). Es
gibt nur wenige Kritiker im alten Sinne eines unabhängigen bürgerlichen
Subjekts, Autoren, die finanziell abgesichert sind. Redakteure von
Fachzeitschriften stehen unter dem Druck, ihre Abonnenten zu halten. Bei
Kritik droht Klage oder die Verweigerung von Auskunft und Bildmaterial. Auch
Redakteure von Publikumszeitschriften sind an Verkaufszahlen gebunden.
Darüber hinaus folgen sie ihren „Erwartungserwartungen“, ihren Vorstellungen
dessen, was das Publikum lesen will. Der freie Architekturkritiker wiederum
ist abhängig von Zubroten wie Auftragstexten, ist also zugleich
Auftragnehmer der Büros, und ebenfalls abhängig von der Zuarbeit von
Information. Kritiker, so schreibt Rauterberg, haben heute die Rolle des
Hybriden: "Mal rezensieren sie Ausstellungen, dann wieder richten sie diese
aus; mal besuchen sie eine Galerie als Abgesandte der veröffentlichten
Meinung, dann mimen sie dort den Vernissagenredner, bezahlt vom Galeristen;
mal beraten sie Sammler und Museen, dann schreiben sie über diese; mal sind
sie Freund des Künstlers, mal sein Kritiker. Längst ist das Unreine zum
Leitbild geworden. Künstler treten auf als Kritiker, Kritiker treten auf als
Kuratoren, Kuratoren treten auf als Künstler, Künstler treten auf als
Kuratoren. Ein jeder kann auch ein anderer sein.“ (Rauterberg 2004, 40) Der
Kritiker verfängt sich im „Gestrüpp der Abhängigkeiten“. Dabei ist der Ort
des Erscheinens der Kritik, das Feuilleton, mit einer Tradition und damit
auch einer Erwartung seitens der Leser verknüpft: Er impliziert das
kritische Hinterfragen durch eine unabhängige Person und das Prüfen des
Gebauten im Sinne einer Treuhänderschaft für die Allgemeinheit.
4) Eine Vielzahl von Akteuren will den Mehrwert medialer Aufmerksamkeit
abschöpfen und nimmt dafür eine verzerrte Darstellung in Kauf.
Beim Schreiben von Kritiken steht die Wirkungsüberlegung der
Wahrheitsüberlegung entgegen, so hat es Joachim Kaiser in einem Interview
mit Marcel Reich-Ranicki formuliert (Reich-Ranicki 2002, 64). Dabei hatte er
vor allem die pädagogische Wirkung von Kritik vor Augen. Heute dagegen
spielt das ökonomische Kalkül eine entscheidende Rolle, und ginge es auch
„nur“ um die Ökonomie der Aufmerksamkeit, wie sie Georg Franck eindrücklich
beschrieben hat (Franck 1998). Verschiedene Akteure sind an wohlwollender
Berichterstattung und am Mehrwert der Aufmerksamkeit interessiert: das
Architekturbüro, die Institution bzw. das Unternehmen, für die das Gebäude
errichtet wurde, manchmal auch die Stadt, in der es steht. Nicht zuletzt
soll die Rezension ihr Licht auf den Autor werfen - bei einer so
leitfigurenorientierten Disziplin wie der Architektur eine übermächtige
Versuchung. Dem Autor fehlt, kommt er selbst aus der Architektenszene,
häufig die nötige Distanz zur Architektur, zum besprochenen Werk, zum
dahinter stehenden (Star-)Büro.
Dem Wunsch nach positiver Besprechung kommt der Nachrichtenfaktor Aktualität
entgegen. Die Medien verlangen nach Ereignissen, nach Anlässen, und nichts
bietet sich dafür besser an als Einweihungen. „Wenn die Spuren der
Gebäudeherstellung soeben verwischt wurden und die Nutzer ihre Spuren noch
nicht hinterlassen haben“ (Erlhoff 1997, 81 f.), befinden sich Bauten in
ihrem besten Zustand. Es liegen noch keine Gebrauchserfahrungen vor, die
möglicherweise das Bild trüben könnten; gleichzeitig wird so von vornherein
einer der Hauptaspekte von Architektur ausgeklammert.
Bilanz
Die wesentlichen Unterschiede in der medialen Widerspiegelung von
Architektur und Landschaftsarchitektur liegen in Folgendem:
-
In der Perspektive: Bei der Architektur dominiert die Experten-,
bei der Landschaftsarchitektur die Laienperspektive.
-
In der Zielgruppe: Bei der Architektur ist es der einschlägig
vorgebildete und architekturinteressierte Leser; bei der
Landschaftsarchitektur der potentielle Nutzer.
-
Im dominierenden Ressort:
Bei der Architektur ist es „das feine Ghetto des Feuilletons“ (Marquardt
1996, 1326) neben Lokalem, Immobilien und Wirtschaftsteil; bei der
Landschaftsarchitektur das Lokale neben Feuilleton, Reise und Literatur.
-
In der Autorenschaft: Bei der Architektur handelt es sich um
spezialisierte Redakteure oder freie Schreiber mit zumeist
kunstgeschichtlichem oder architektonischem Ausbildungshintergrund; bei
der Landschaftsarchitektur um Redakteure, in der Regel also Laien, die
aber (vermeintlich) unabhängig sind.
-
Im Ortsbezug: Bei der Architektur gibt es in der Regel keinen Bezug
zum Herausgeberort der Zeitung, berichtet wird vielmehr überregional, in
der Regel international; bei der Landschaftsarchitektur ist eine lokale,
mindestens regionale Gebundenheit gegeben, besprochen werden fast
ausschließlich in Deutschland realisierte Projekte.
-
Im Alltagsbezug: Er fehlt bei der Architektur zumeist, das besprochene
Bauwerk ist der Erfahrung des Rezipienten enthoben, folgerichtig wird
auch die Gebrauchsfähigkeit vernachlässigt; bei der
Landschaftsarchitektur ist der Alltagsbezug meist gegeben.
-
Im Auswahlprinzip: Bei der Architektur erfolgt eine konsonante
Berichterstattung, d. h. die Medien orientieren sich aneinander und
überregionale Zeitungen berichten zum selben Zeitpunkt über das gleiche
neue Bauwerk; bei der Landschaftsarchitektur unterliegt die
Berichterstattung dem Zufallsprinzip bzw. ist an ein Ereignis oder eine
PR-Initiative geknüpft.
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In der Bedeutung des Zeitpunkts der Berichterstattung:
Bei der Architektur bedeutet Fertigstellung, dass es sich um den besten
Zustand handelt. Im Sinne der Kritik ist er zu spät, weil alles schon
„gelaufen“ ist oder aber zu früh, weil das Bauwerk noch gar nicht in
Benutzung ist. Bei der Landschaftsarchitektur bedeutet „Fertigstellung“,
dass die Entwicklung einer Außenanlage gerade beginnt. Die beabsichtigte
Wirkung wird erst nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten erreicht. Das
„erwachsene“ Objekt sowie unterschiedliche Zustände im Lauf der
Jahreszeiten, in der Regel ein wichtiger Bestandteil der
Gestaltungsidee, können nicht wiedergegeben werden.
-
Im typischen Muster der Berichterstattung:
Bei der Architektur wird ein Einzelgebäude und vorwiegend dessen
ästhetische Dimension aus der Sicht von Architekten betrachtet, bei der
Landschaftsarchitektur eine Anlage beschrieben und aus der Sicht des
„Unbefangenen“, des Passanten, Anwohners oder Autors, kommentiert.
-
In der Bebilderung: Bei der Architektur handelt es sich um
„Neutronenbombenfotos“ (so Petr Kratochvil beim Bauhaus-Kolloquium in
Weimar, April 2003) von Profifotografen; bei der Landschaftsarchitektur
entweder um Amateuraufnahmen der Büros oder Fotos von Pressefotografen.
Eine einprägsame Bildhaftigkeit fehlt bei Landschaftsprojekten oft,
daher erscheinen ausschnitthafte oder perspektivisch verkürzte
Ansichten, in der Regel aber mit Personen.
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In der Verhinderung eines Diskurses:
Bei der Architektur steht diesem der PR-Druck der Büros und die
Befangenheit der Autoren entgegen, bei der Landschaftsarchitektur die
Seltenheit und Simplifizierung der Berichterstattung.
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Im Eigenbeitrag der Professionen:
Die Architekturszene ist starorientiert und ruft damit eine äquivalente
Medienrezeption selbst hervor; bei der Landschaftsarchitektur ist das
Gegenteil der Fall: Es fehlt an „Gesichtern“, publizierten Meinungen und
Entwurfshaltungen. Beide eint wiederum, dass im Studium eher auf den
Entwurf hin ausgebildet wird als auf Verbalisierung, Diskurs und
theoretische Reflexion.
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