Thema
4. Jg., Heft 2
Februar 2000

Jens Wodzak

Von ’’Löchern’’ , ’’Käse’’ und dem ersten Versuch die potentiellen Inhalte der IBA-Fürst-Pückler-Land auszuloten.

Anlässlich der Beobachtung des Symposiums ’’A new cultural Landscape’’ zur (Gründung der IBA Fürst-Pückler-Land) lassen sich meiner Meinung nach mehrere Positionen kennzeichnen.

1.) Seitens der Initiatoren: Die Projektion und das Spiel mit verschiedenen Bildern zur ‘’IBA von Unten’’, welche Volksnähe suggerieren möchte in Wirklichkeit aber im Ansatz noch sehr unsicher ist in der Formulierung dessen was ’’von Unten’’ und ’’Volksnähe’’ aktuell bedeuten.

2.) Seitens der Architekten und Planer: Versuch einer Transplantation der Konzeptionen und Vorgehensweisen der IBA-Emscherpark- auf eine völlig neue Situation der IBA Fürst-Pückler-Land. Sowohl in der Sache als auch in der Art und Weise des konkreten Vorgehens.

3.) Seitens der Theoretiker: Der Versuch alle zu moderieren, und dabei wiederholt darauf hinzuweisen, das eine Rückkopplung mit Theoretikern zu jedem Zeitpunkt des Prozesses IBA Fürst-Pückler-Land empfehlenswert, ja notwendig ist.

4.) Seitens der Entwickler und Geldgeber:

Erstens: Der Wunsch nach frühzeitiger Definition von Grundbesitz zum Zwecke der Wert- und Spekulationskontrolle im Sinne einer ’’bezahlbaren IBA Fürst-Pückler-Land’’.

Zweitens : Die Darstellung von aktuellen Geldflüssen ins Land zum Zwecke der Erhaltung des Status Quo der Tagebaugebiete und Anlagen. Möglicherweise die vage Aussicht einer Funktionalisierung/Teilumwidmung dieser ständigen Mittelflüsse für gestalterische Massnahmen rundum die ohnehin nötigen Massnahmen zur Sicherung der Halden und Gruben.

Drittens: Die deutliche Mahnung an die Theoretiker, die Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Verbänden nur ja an einem Tisch zu halten, um einen im Sinne von Politikern und Investoren, positiven Verlauf der Entwicklung der Region überhaupt erst möglich zu machen. Mit der Absicht, eine Konsensfähigkeit um fast jeden Preis schnell herzustellen, damit die Gestalter ihre Bilder, die Politiker ihre volksnahe Politik und die Investoren ihre Geschäfte beginnen können.

Als Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen zum Thema war dieser erste Teil der Debatte doch ein herrlicher Einblick in die diversivizierte denkerische und politische Landschaft unseres Landes. Die Zaghaftigkeit/Vorsichtigkeit mit der in Cottbus am Abend in den Round-Table-Gesprächen zusammengefunden wurde, war anregend genug Widerspruch einzulegen und einmal mehr Nachzufragen.

Kann es denn sein, dass die IBA-Emscherpark südlich des Ruhrgebietes mit ihrer guten mitteleuropäischen Einbindung und Infrastruktur so ohne jede Diskussion Pate steht für ein IBA-Fürst-Pückler-Land in völlig anderer geographischer , politischer und sozialer Lage ? Eine Autostunde südlich von Berlin quasi zwischen den Städten Berlin und Dresden, in naher Lage zu polnischen Bergbaugebieten mit ähnlicher inhaltlicher Thematik. Nimmt man die Aussagen der Verantwortlichen Gründer IBA Fürst-Pückler-Land ernst, so sollen die partizipatorischen Modelle der IBA-Emscherpark-Entwicklung minimal, und maximal sogar gestalterische Anleihen (Ferropolis wird inhaltlich ähnlich dem Landschaftspark Duisburg Nord) an die ’’alte ’’IBA Emscherpark durchaus praktikable Handlungsanweisungen im Land der Lausitz abgeben. Die Images sind vielfältig und doch so bekannt.

Eine Heilung der ’’Wunden’’ in der Lausitz scheint demnach möglich mit Gartenzwergen und Jägerzäunen für das Volk und eben ’’von Unten’’.
 Und deshalb sind es auch diese frühen Bilder, die mir fragwürdig erscheinen. Wohin haben denn die Verantwortlichen Ihren Blick geworfen? Gibt es die Vorbilder eines Potentials zur IBA-Fürstpückler-Land denn nur im eigenen Vorgarten oder bestenfalls Nahe der Emscher.
Wo sind die europäischen Beiträge/Fragen/Entwürfe/Bilder in der Debatte um eine über die Region hinnausweisende IBA Fürst-Pückler-Land?

Kann es sein, das die jüngeren Entwicklungen der Landschaftarchitektur in Holland (Rotterdam/Amsterdam/Delft ) und Spanien (Barcelona) zu weit weg sind für die Bürger der Lausitz?

In einer Zeit, in der gigantische Infrastrukturbauten entlang der BAB 3 zwischen Frankfurt und Köln für die neuen Hochgeschwindigkeitszüge ein Landschaftbild transformieren, welches nach Abschluss der Arbeiten Europa förmlich inhaliert haben wird, klingt die Devise einer ’’IBA von Unten’’ im Fürst-Pückler-Land geradezu bodenständig naiv, weltfremd und fast antiquiert. Dabei war diese Landschaft einmal historisch gesehen schon viel Näher an der aktuellen Landschaftsdebatte dran als aktuell diskutiert wurde.
In der Zeit der gewaltigen Materietransformation (Kohle-Verbrennung-Elektrizität) etwa, die zur Versorgung Berlins von der späten Moderne bis in die 80iger Jahre notwendig war, hatte die Landschaft der Lausitz lediglich infrastrukturelle Bedeutung.

Warum kann eine Debatte um die Infrastrukturentwicklung in der Region heute keine bedeutende Rolle mehr erlangen? Möchte man diesen aktuellen Tatbestand einer Landschaft etwa verdrängen und für immer als kurzfristigen Irrtum der Geschichte vergessen machen? Passen die Wunschbilder nach Arbeitsplätzen, Badeseen, Tourismus, und letzlich Rendite und Profit nicht zusammen mit einem neuen europäischen Anliegen an Dispositionsfähigkeit von Arbeitskräften, Mobilität zur individuellen Freizeitgestaltung, Dispersionsfähigkeit von Arbeit und Leben im allgemeinen und einem hohem Anspuch an Gestaltung dieser zunächst banalen Realitäten der Autobahnen , Fernstrassen und Bahntrassen, der Leitplanke und des Rastplatzes.
Und die Begriffe und Bilder sind doch in Ansätzen schon alle in den letzten Jahren gebaut und damit vorgeführt worden. Von West8 in Rotterdam eine Platzgestaltung ’’für die Bürger’’, in Barcelona öffentliche Platzgestaltungen und die Gestaltung des peripheren Autobahnringes zur Olympiade ‘93/94. Diese Projekte weisen eine Gestaltung ’’von Unten’’ auf, die eben nicht durch Jägerzäune und Gartenzwerge immer mehr Privatbesitz im öffentlichen und halböffentlichen Raum markiert und dadurch das Dogma des ’’kleinbürgerlichen Lebens’’ stabilisiert, sondern durch offenere Gestaltungsmuster jedem Benutzer die Betrachtungsweise ’’freistellt’’ also anbietet. Klischees werden in den Projekten unser europäischen Nachbarn nicht penetrant wiederholt und sinnlos addiert sondern transformiert. Markierungen, Licht, unterschiedliche Funktionen, Geschichte, Gegenwart und Zukunft werden auf angenehm einfache/leichte Weise thematisiert , ohne sich ausgelatschter Klischees zu bedienen und ohne geschichtsglättende Wirkung. Warum fällt uns Deutschen das offenbar so schwer?

 

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