Thema
4. Jg., Heft 2
Februar 2000

Gabriele Pütz

Die Lausitz als Idee einer Landschaft

Romantisches Naturideal - ästhetische Vermittlung:
Die romantische Lausitz in den Köpfen der Landschaftsgestalter

Anmerkungen zur Bedeutung des Ästhetischen in der Landschaftsarchitektur und Schlußfolgerungen für eine Internationale Bauausstellung der Niederlausitz im Namen Fürst Pücklers

„Landschaft denken" lautet die erste Hälfte des Kongressthemas. Also wollen wir mit dem Denken beginnen – anhand von Anmerkungen zur Bedeutung des Ästhetischen in der Landschaftsarchitektur am Beispiel der IBA Fürst-Pückler-Land in der Niederlausitz.

Wenn ich an die Lausitz denke, muss ich von Berlin aus gesehen spreeaufwärts denken, gegen den Strom.

„Gegen den Strom" – und zwar im übertragenen Sinne – muss auch derjenige denken, der sich die heute herbe Lausitz als liebliche Erholungslandschaft der Zukunft mit Seen, Sonne, Strand und Wäldern vorzustellen versucht.

Und eben dazu, zum „Landschaft denken", haben wir uns hier ja versammelt.

Doch ist es überhaupt sinnvoll, die Lausitz der Zukunft als liebliche Erholungslandschaft zu denken?

Welche Ideen einer Landschaft, Ideen der Planer, der Politik, der Bevölkerung, verbergen sich hinter den Ideen für die zukünftige Lausitz-Landschaft?

 1. Die Lausitz denken - Bilder einer Landschaft

Gegenwärtige Betrachtungen schätzen die landschaftlichen und ästhetischen Qualitäten der Lausitz zumeist gering ein.

Braunkohleabbau, Halden und Tagebau, problematischer Wasserhaushalt, geringste Bevölkerungsdichte, Abwanderung, Arbeitslosigkeit, Werteverfall und Bedeutungsverlust einer ganzen Region. Diese und andere soziale, ökonomische und ökologische Strukturen prägen ein Landschaftsbild, und zwar in doppelter Weise.

Einerseits indem die Landschaft durch die Eingriffe des Menschen ganz konkret verändert wird. – Jedes Gebiet sieht nach dem Abbau von Braunkohle anders aus als vorher.

Und andererseits, indem diese veränderte Landschaft in der Vorstellung zugleich zum Bild, zum Synonym für den gesamten Prozess der Veränderung einer Region wird. Ein Tagebaurestloch wird mit dem Veränderungsprozess und den damit verbundenen Emotionen assoziiert. Das Tagebaurestloch steht in den Köpfen für: ökologischer Raubbau, Schmerz, Angst, Verlust an Bedeutung, Untergang einer Wirtschaftsstruktur, Verlust von Arbeitsplätzen usw.

Reagiert wird auf diese Situationswahrnehmung (auf das Landschaftsbild) mittels neuer, gleichwohl im kollektiven Gedächnis der Gesellschaft eingeprägter Landschaftsbilder. Zumeist mit solchen, in denen der Mensch mit der Natur scheinbar im Einklang steht. Neue Entwicklungspotentiale (z. B. der Tourismus) werden an diesen Wandel des Landschaftsbildes geknüpft.

Dieser Wandel als Voraussetzung für Entwicklung ist unüblich, aber typisch für die Niederlausitz.

Gewöhnlich setzen Tourismuskonzepte aus der Feder von Landschafts- oder Tourismusplanern nicht auf einen vollständigen Wandel des Landschaftsbildes, sondern auf die Stärkung sogenannter „endogener Potentiale".

D. h. Naherholungs- und Tourismuskonzepte bauen auf die vorhandenen naturräumlichen Qualitäten auf. Sie empfehlen eine Stärkung der Eigenarten, die für den jeweiligen Ort typisch, aber an anderer Stelle so nicht zu finden sind.

Es gibt aber auch die Entwicklungstendenz, ganz neue „Erlebniswelten" für Tourismus und Erholung zu schaffen. Diese haben zumeist mit dem vorhanden Landschaftsbild wenig zu tun, ja sollen sich sogar möglichst von diesem unterscheiden.

Phantasiewelten, Phantasielandschaften. Beispiele: Disney-World Paris, Phantasialand bei Köln, Vogelpark Walsrode oder der Center Park als Tropensimulation in der Lüneburger Heide.

Zur Herstellung künstlicher Landschaften werden derzeit verstärkt Gebäude errichtet, und zwar primär nicht zu Bildungszwecken sondern zu Unterhaltungszwecken, also zur Erholung. Beispiele: Regenwaldhaus der Expo Hannover, Biosphäre Potsdam, aber auch in kleinerem Maßstab die Spaßbäder. Im internationalen Maßstab stehen z. B. künstliche Skihallen in Japan für diese Entwicklung.

Das Bild der Landschaft ist bei der Standortsuche für diese Projekte nicht von primärer Bedeutung, sondern die Ansiedlung richtet sich nach ökonomischen Aspekten, Grundstückspreis und Verfügbarkeit, Einzugsgebiet und Erreichbarkeit in Form eines Autobahnanschlusses.

In der Niederlausitz scheint - von außen betrachtet - das Vertrauen in das Vorhandene nicht sehr ausgeprägt.

Wunschvorstellung der Niederlausitzer ist explizit eine neue Landschaft, und zwar eine, die für Erholung und Tourismus attraktiv ist. Die also auch zu einer neuen ökonomischen Basis für die Region werden soll. Und es geht um neue Landschaftselemente und Landmarken wie die Rennstrecke Lausitzring, die Seeufer oder eine Luftschiffhalle, die Attraktionen der Niederlausitz werden sollen.

„Das Eigene und das Fremde" hatte Karl Ganser mit der IBA Emscher Park - allerdings in einem anderen Kontext - zum Thema gemacht. Hier in der Lausitz ist auch vieles eigene fremd geblieben - weil nicht als eigenes akzeptiert. Dazu gehören vor allem die sichtbaren Spuren des Braunkohleabbaus. Dazu werden aber mittelfristig auch die neuen Landschaften gehören müssen.

Man sucht in der Niederlausitz nicht nach Heimat, sondern nach etwas Neuem – nach der Landschaft der Zukunft eben. Entsprechend futuristisch sehen viele der ersten Skizzen für die neuen Landschaften aus, geprägt durch einen Futurismus des 20. Jahrhunderts. Und zugleich geprägt durch ein Landschaftsideal, das im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt und im 20. Jahrhundert zum Denkmal, zum Wert im Kollektiven Gedächtnis wurde. Ein Widerspruch?

 

2. „Landschaft als ästhetische Kategorie"

Wie kommt man zu den Bildern der zukünftigen Landschaft? Woher holt man diese Bilder? Anknüpfungspunkte bietet das ästhetische Repertoire aufgeklärter Gesellschaften. Besonders gern werden Vorbilder aus der Romantik gewählt.

Denn die Wahrnehmung von Landschaft als schönes Bild einer räumlich-konkreten Situation ist prinzipiell an die ästhetische Kategorie gebunden.

Wenn wir Landschaft betrachten, fällen wir ein ästhetisches Urteil, und zwar darüber, ob wir die Landschaft als schön oder als erhaben empfinden. Ästhetik ist in der aufgeklärten Gesellschaft ein Verstehensmedium der Wirklichkeit, ein Interpretationsprinzip. Ein Urteil, und zwar ein Geschmacksurteil, wie Immanuel Kant es in der „Kritik der Urteilskraft" beschreibt.

Ästhetisch betrachtete Landschaft ist eine Idee. Und zwar die Idee von konkreter Natur als dem Menschen gegenüberstehendes und ihn umgebendes räumliches Bild und zugleich als lebendiges „Werden und Vergehen".

Und diese Idee wird uns im Geschmacksurteil ästhetisch vermittelt, über ein Gefühl der Lust, Lust am Schönen, Lust am Erhabenen. Dies ist der Grund, warum wir stehenbleiben und den Blick in die Landschaft genießen.

Das hört sich zunächst selbstverständlich an, war es jedoch nicht immer.

Dies zeigt ein kurzer Rückblick in die Geschichte der Entstehung des Landschaftsbegriffs und seiner Ästhetisierung:

Das mittelhochdeutsche ‚lantscaft‘ steht im Mittelalter noch für die Einheit von Mensch (Bauer), Natur (das von den Bauern bearbeitete Land) und Herrscher (Burgherr), also für die Burg, die Bevölkerung und ihr Umfeld – eine geographisch-soziologische Kategorie. (Über allem steht im Christentum der Gott, der diese Einheit erschaffen hat. )

Landschaft als ästhetische Kategorie entsteht erst mit der Landschaftsmalerei, mit der perspektivischen Darstellung meist des landwirtschaftlichen Arbeitens. Die ästhetische Betrachtung ist zunächst ausschließlich auf das Gemälde bezogen. Diese Betrachtung schulte den neuen Blick auf die reale Landschaft.

Die ästhetische Betrachtung von realer Landschaft ist erstmals in der Geschichte durch Petrarcas Beschreibung seiner Besteigung des Mont Ventoux belegt. Petrarca steigt auf den Berg nur mit dem Ziel, die Landschaft als schöne ohne einen weiteren Zweck anzuschauen. Und er beschreibt seine Überwältigung angesichts der Erhabenheit des Anblicks. Er beschreibt sein ästhetisches Urteil der Landschaft.
Bergbauern oder Naturvölker wundern sich zum Teil heute noch darüber, wieso Menschen nur einfach so, zur Erbauung und zur ästhetischen Erfahrung, auf einen Berg steigen.

Historisch gesehen setzt die Möglichkeit, Landschaft ästhetisch zu betrachten, die Aufhebung der (mittelalterlichen) Einheit von Mensch und Natur (Schöpfung) voraus. Mit der Aufklärung (einem Säkularisationsprozess) tritt der Mensch aus der ihn einschließenden Natur heraus, nimmt sich selbstbewußt als Subjekt wahr, und die ihn umgebende Landschaft als Objekt seiner Wahrnehmung, seines Urteilens und schließlich seiner Gestaltung.

Damit wird die Natur per Definition zu dem, was dem Menschen nun als Objekt gegenübersteht, zu dem, was nicht Mensch ist, eben zu dem Anderen, was sich aber erkenntnistheoretisch nicht genauer bestimmen läßt, also zu dem Unbestimmten.

Diese Auflösung der Einheit von Mensch und Natur schafft erst die Voraussetzung, das der aufgeklärte Mensch, das Subjekt Mensch, diese Trennung als Verlust einer Einheit empfinden kann. Das Sehnen nach der Einheit Mensch – Natur setzt also die Trennung voraus. In diesem Sinne reagiert die Romantik auf die Aufklärung.

Wenn wir nun an die Landschaft der Niederlausitz denken, an die neue, ist bei vielen – gerade beim Anblick der „Zerstörten Landschaft" - dieses romantische Landschaftsverständnis, die Hoffnung auf „Heilung der Landschaft", auf „Versöhnung zwischen Mensch und Natur" spürbar.

 

3. Das romantische Naturideal - ein Kulturideal

Wir können nicht zurück zur Natur ausserhalb unserer Kultur, das ist allen klar. Deshalb ist es um so wichtiger zu begreifen, dass auch unsere Ideen von Natur und Landschaft kulturelle Ideen sind, entstanden im Kontext unseres vernunftbestimmten Weltverständnisses.

Heute lassen sich drei Betrachtungsebenen von Natur unterscheiden:

Abstrakte Natur in Form von Naturgesetzen

Konkrete Natur als gesellschaftlich angeeignete, als funktionale, immer auch als eine ökonomische Perspektive
Aus dieser Perspektive betrachtet sind kleinbäuerliche Landwirtschaft und Braunkohleabbau nur zwei unterschiedliche Formen der Aneignung bzw. Veränderung der Natur durch den Menschen, seiner Arbeit – auf dieser Betrachtungsebene ist die eine nicht besser als die andere Nutzung.

Natur als ästhetisches Bild
Diese dritte Form der Definition von Natur als Bild einer Landschaft ist im Gegensatz zu den beiden anderen Definitionen offen, da sie auf das vage, nicht eindeutige, d. h. nicht objektive ästhetische Geschmacksurteil, das auf Schönheit und Erhabenheit bezogen ist, rekurriert.

Zugleich vermittelt die Natur als das Andere, als Gegenüber von Mensch und Gesellschaft, als ästhetisch angeschaute Landschaft auch ethische und moralische Werte, deren Bedeutung seit der Romantik mit einer Bedrohung der Landschaft assoziiert wird.

Aufgrund dieser relativen Offenheit im ästhetischen Urteil, verbunden mit der „Nichtdefinition" von Natur als dem Anderen, dem Unbestimmten, dem Menschen gegenüberstehenden, bietet sich die ästhetisch angeschaute Natur in Form von Landschaft als „Projektionsfläche" von Sinn an, als Vision, als Spiegel von Ganzheit, als Ausdruck des Kosmos, und damit als Vision von der harmonischen Einheit von Mensch und Natur. Dieses Bild ist gesellschaftlich determiniert. Denn wie bereits erläutert gibt es seit der Aufklärung die Einheit von Mensch und Natur nicht mehr. Die schöne (romantische) Landschaft erscheint uns als Bild dieser Ganzheit. Wir erzeugen den Sinn, den wir im Bild der Landschaft wahrnehmen, mittels unserer Einbildungkraft selbst.

Das Bild der Landschaft, das jeweils für diesen Sinn steht, hat sich im Laufe der gesellschaftlichen Veränderungen ebenfalls geändert.

Im Absolutismus war der König der gottgleiche Herrscher. Er gibt allem was ist einen Sinn. Ein Zeichen der allmächtigen Herrschaft ist die Beherrschung der Natur, die in der Gartenkunst des Barock zum Ausdruck gebracht wird. Die geometrischen und ornamentalen Formen sind zentralistisch und achsial auf das Schloß ausgerichtet und verweisen somit auf die göttliche Macht des absolutistischen Herrschers. Das Bild der schönen (gezähmten) Natur ist der Barockgarten, der auf die sinngebende Instanz, den Absolutisten, verweist.

Mit der Aufklärung wird die Natur selbst zum Ausdruck des Ganzen, des göttlichen. Die optimal eingerichtet Natur wird zur sinngebenden Instanz. Der Mensch versteht sich selbst als oberstes „Naturwesen" und damit perfektester Ausdruck der Schöpfung. Um dies unter Beweis zu stellen, baut der Mensch die Natur nach, optimiert die Natur, um dadurch die Einheit von Mensch und Natur im Bild darzustellen. Dies kommt in der Gestaltung von Landschaftsparks zum Ausdruck. Der Landschaftspark erzeugt ein Bild scheinbarer Harmonie von Mensch und Natur. Der Mensch, der den Landschaftspark gestaltet, schafft, so die legitimierende Argumentation, mittels dieses harmonischen Bildes den Beweis, dass der Mensch oberstes Naturwesen ist und die Natur sinngebende Instanz.

Diese völlig unterschiedlichen Bilder von schöner gestalteter Natur – Barockgarten und Landschaftspark – verweisen jeweils auf die sinngebende Instanz. Ihre gesellschaftliche Funktion des Verweises auf Sinn bleibt gleich, doch die Art des Verweises, und damit die Art des Bildes der jeweils als schön verstandenen Parkanlage, ändert sich entsprechend der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Es wird deutlich, dass die Sinnfrage, die Suche nach der verlorenen Einheit von Mensch und Natur, nicht losgelöst vom Menschen existiert, sondern gesellschaftlich vermittelt ist.

 

4. Der ästhetische Zirkel

Reflektiert man jedoch die gesellschaftliche Konstitution der Sinnebene im Landschaftsbild nicht, entsteht die Annahme, dass man nicht nur das Bild einer romantischen Landschaft erzeugt, sondern eine konkrete Einheit von Mensch und Natur herstellen zu können glaubt.

Es entsteht die Illusion, dass durch die Erzeugung, das Bauen einer romantischen Landschaft mit Wäldern, Seen und Wiesen auch die ökonomischen Probleme, die sich aus der konkreten Aneignung von Landschaft durch Arbeit ergeben, gelöst wären.

Die ästhetisch angeschaute Romantiknatur wird in diesem Fall nicht als gesellschaftliches Produkt begriffen, das Naturverständnis nicht als Ausdruck bzw. Abbild der gesellschaftlichen Situation der jeweiligen Epoche gedeutet.

Die fehlende Reflektion der Natur als Produkt eines gesellschaftlich konstituierten, ästhetisch-romantischen Blicks bedeutet aber in ihrer Konsequenz, dass die Argumentation zirkulär wird: schöne Landschaft trägt „heile" Gesellschaft und eine „heile" Gesellschaft, in der Mensch und Natur im Einklang leben, führt zu schöner Landschaft.

Die schöne, harmonische Natur wird zum Hoffnungsträger. Jedoch nur dadurch, dass die zirkuläre Argumentation die romantische Natur als immer Seiende und Wahre erscheinen läßt, ist die Vorstellung einer an sich heilen Natur aufrecht zu halten und als Scheinlösung zu propagieren.

 

5. Lausitz-Romantik - ein Beispiel für den ästhetischen Zirkelschluss?

Wenn uns die romantische Landschaft als harmonische erscheint, ist sie das konkret noch lange nicht. Es handelt sich nur um ein gesellschaftlich gewünschtes Bild.

Es bedeutet nicht, dass es uns, wenn wir das Bild bauen, auf der ökonomischen Ebene besser geht.

Wir haben dann zwar ein Bild einer schönen Landschaft im konkreten Raum umgesetzt. Zunächst ändert dies noch nichts an der ökonomischen Situation der Menschen vor Ort. Das gebaute Bild lenkt sogar von der ökonomischen Situation ab, da das gebaute romantische Bild zumeist nicht der aktuellen gesellschaftlichen Aneignungsform von Landschaft entspricht.

Es sei denn, wir machen das Bild zu dieser, also zu einer gesellschaftlich angeeigneten, ökonomisch genutzten Landschaft, indem wir das Bild vermarkten, was der Intention einer Tourismusnutzung entspricht.

Dabei wird der Blick auf die gesellschaftliche Realität der landschaftlichen Aneignung jedoch gerade verstellt. Es besteht die Gefahr, dass das Bild mit der Realität verwechselt wird, also die diffuse Hoffnung, dass das Bild, wenn es denn gebaut ist, die Probleme schon lösen wird. Und dies erinnert uns an die eingangs erwähnten Phantasiewelten z. B. einer World Disney Corporation.

Wenn wir uns für den Bau solcher Phantasiewelten entscheiden, dann sollten diese zuvor einer strengen ökonomischen Rentabilitätsprüfung unterzogen werden.

Oder man sollte allein aufgrund der Umsetzung des Bildes nicht auf die Lösung der strukturellen Probleme hoffen.

Zumal die romantischen, also die auf Versöhnung zwischen Mensch und Natur ausgerichteten Landschaftsbilder zumeist nicht den Bildern entsprechen, die sich aus der konkreten Aneignung der Natur (Ausbeutung) durch den Menschen in der jeweils aktuellen gesellschaftlichen Situation ergeben. Dieses Phänomen wurde eingangs am Beispiel der Lausitz erläutert.

Die der real angeeigneten Natur gegenübergestellten ästhetischen Landschaftsvisionen beziehen sich zumeist auf Aneignungsformen, die gerade aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen verschwinden.

Typisches Beispiel ist das Bild einer kleinbäuerlich genutzten Landschaft, mit Feldern, Wiesen, Weiden, Brachen, Wäldern, Hecken und Gewässern. Im Rahmen der immer stärker voran schreitenden Rationalisierung der Landwirtschaft sind solche vielfältigen Strukturen heute kaum noch zu finden.

Dies zeigt den strukturell konservativen Ansatz, der im Verweis auf die verlorengegangene Einheit, also im romantischen Landschaftsbild impliziert ist.

Meine Prognose: Zur Zeit träumen wir angesichts der Dimension der Tagebaue und Tagebaurestlöcher von lieblicher Landschaft mit Wasser, Wald, Wiese. Doch je mehr die Tagebaurestlöcher verloren gehen, um so größer wird das Bemühen werden, sie als Bilder des Vergehenden erhalten zu wollen.

Zusammenfassend kann man sagen: Ökonomische Probleme, Aneignungsprobleme der Landschaft lassen sich nicht nur über schöne Bilder lösen.

Allerdings können schöne Bilder Auslöser für Visionen sein, die dann zu ökonomischen Anreizen führen. Aber auch nur dann, wenn sie den ökonomischen Bedingungen des Marktes entsprechen. Diese Ebene der Betrachtung kann durch schöne Bilder nicht ersetzt werden.

In der Niederlausitz haben wir eine Phase der industriell-ökonomisch dominierten Aneignung von Natur gerade hinter uns. Dort beginnt, bei allen romantischen Gefühlen, nun die nächste Phase – eine neue Landschaftsökonomie mit neuen Bildern.

 

6. Die Bezüge - Fürst Pücklers Landschaftsideal

Die Gartenkunst der Romantik – der Landschaftsgarten - erlangte im 18. Jahrhundert ihre herausragende gesellschaftliche Bedeutung. So auch die Parkanlagen Branitz und Bad Muskau des Fürsten Pückler.

Bis heute beziehen sich viele Landschaftsarchitekten auf das Bild der romantischen Landschaft.

Viele suchen bis heute nach neuen Bildern, die die Versöhnung zwischen Mensch und Natur widerspiegeln sollen.

Dies ist ein rückwärts gewandter Ansatz, da er auf eine ehemalige (also verlorene) Einheit von Mensch und Natur rekurriert. Er wendet sich mit aufklärerischen Mitteln (also unter Anwendung von Vernunft), gegen die Aufklärung und ist damit strukturell konservativ.

Trotzdem gelang es im 18. Jahrhundert, mittels dieses harmonischen Bildes fortschrittliche Landschaften und Reformgesellschaften zu initiieren. Ein Beispiel dafür ist das Wörlitzer Gartenreich des Fürsten Franz von Anhalt Dessau, oder auch die Parkanlagen von Fürst Pückler.

Dies war nur möglich, indem die Fürsten die gesellschaftliche Konstitution des Verweises auf die Einheit von Mensch und Natur in den Landschaftsbildern ihrer Parkanlagen nicht nur rückwärts auf eine verlorene Einheit von Mensch und Natur ausrichteten, sondern auch progressiv als Hoffnung auf eine bessere Welt interpretierten. Wichtig war, dass diese gesellschaftlichen Visionen – über Landschaft ästhetisch vermittelt - eine Einheit bildeten mit ökonomischen Veränderungen durch Reformen in der Landwirtschaft. Es ging also um ein optimales Zusammenspiel von ökonomischen Veränderungen (Modernisierung) und landschaftlicher Vision.

Die konkrete Ausbeutung von Natur (und der Menschen) wurde natürlich nicht abgeschafft, auch wenn das Bild dies suggeriert. Sie wurde statt dessen optimiert. Aber mit dieser Optimierung der Wirtschaft war die Vision einer gesellschaftlichen Entwicklung verbunden, die auf Humanismus ausgerichtet war.

Dieser Ansatz könnte auch – auf die Gegenwart übertragen – Vorbild für das heutige Fürst Pückler Land sein.

 

7. Die Romantik-Perspektive

Alle hier dargestellten Überlegungen zeigen keine Lösung auf, sondern verweisen auf Bedingungen des Möglichen.

Zugespitzt: wer eine romantische „Renaturierung" der Niederlausitz anstrebt, hat das Vertrauen in den Kulturauftrag verloren, der unsere Ideen von Landschaft trägt.

Wer umgekehrt Landschaft als Kulturgut begreift, muss Landschaftsbilder wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen zugleich reflektieren, und zwar vergangene, gegenwärtige und zukünftige.

 

8. Hilft die Kunst aus diesem Dilemma?

Sicherlich wird die Kunst zur Legitimation der IBA Fürst Pückler Land hinzugezogen werden. Dies ist nicht nur aufgrund der gegenwärtigen Wiederentdeckung von „Natur" und „Garten" als Aufgabe der Künstler wahrscheinlich.

Vor allem eine Erwartung knüpft sich an die Strategie, den Kulturauftrag Landschaftsgestaltung zur Aufgabe der Künste zu erklären: Kunstwerke entsprechen exakt dem Symbolcharakter, dem Programme und Ziele in einer Warenwelt- und mediengewöhnten Gesellschaft entsprechen müssen. Die Lausitz als Kunstwerk ist dabei ein gangbarer, wenn auch praktisch schwieriger Weg, denn auch in diesem Zusammenhang bedürfen die ökonomischen Erwartungen bzw. Konsequenzen, die mit der Erklärung zum Kunstwerk oft verbunden sind, einer realistischen Prüfung.

Was kann, was soll Kunst erreichen?

Zugleich ist es eine Chance, das Thema IBA Fürst-Pückler-Land und damit die Niederlausitz zum Experimentierfeld für Kunst zu machen. Der Kulturauftrag der Landschaftsgestaltung wäre damit intendiert, die Frage der gesellschaftlichen Zukunft der Region sollte mit dieser Aufgabe, im Sinne der künstlerischen Freiheit zur Kulturnatur, offensiv eröffnet werden.

Und Adornos Sinnen über das „ästhetische Wozu" wird zum Sammelpunkt aller planenden, bauenden, schaffenden und entwerfenden Disziplinen.

 

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