Thema
4. Jg., Heft 2
Februar 2000

Jürgen Peters

Landschaftsentwicklung: Von Machern und Planern

Seit der Frühgeschichte der Menschheit ist die Landschaftsentwicklung ein Prozeß in der sich natürliche und kulturelle Prozesse wechselseitig durchdringen.

Die Besiedlung und Bewirtschaftung der Landschaft vollzog sich in den Anfängen nicht planmäßig, sondern, auf der Basis von Alltagserfahrungen, unter konstitutiver Wahrung naturräumlicher Gegebenheiten. Ein Beispiel ist die frühe Entwicklung der ´Communicationswege´, welche die ländlichen Siedlungen miteinander verbanden. Sie entwickelten sich aus Wildtriften, weil man die Erfahrungen der Herdentiere in einem zunächst unbekannte Gelände zu nutzen wußte (eine Strategie, die auch in den Anfängen der Besiedelung Amerikas angewandt wurde). Die anfänglichen Erdwege wurden mit der Entwicklung der Verkehrsmittel zunächst als Knüppeldämme , später als Feldsteinwege mit den in der Landschaft verfügbaren Materialien ausgebaut. Der bewährte Trassenverlauf wurde in der Regel nicht mehr verlassen. Im ursprünglichen Sinne ländliche Wege zeichnen sich noch heute dadurch aus, daß sie nicht als Gerade Quell- und Zielort verbinden, sondern eingebettet in die Topographie Schwingungen vollziehen.

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Abb. 1 ländlicher Ortsverbindungsweg in der Uckermark

 

Seit der Renaissance, mehr noch im Barock kam ein neuer Agiens der Landschaftsentwicklung hinzu: die ästhetisierende Gestaltung von Landschaft zunächst durch den Adel, später durch die sich emanzipierende Bürgerschaft.

Die Ausdehnung des Gartens auf die ´freie Landschaft´ nach den Prinzipien des englischen Landschaftsgartens gipfelte in der Idee der ´ornamented farm´, stieß hier aber auch an ihre Grenzen. Die Idee der ästhetisierenden Gestaltung von Agrarlandschaften konnte sich - mit wenigen Ausnahme, wie dem Dessauer Gartenreich oder der Potsdamer Feldflur, weder in Deutschland noch in England durchsetzen.
Die, dem Zeitgeist entsprechende Negierung orthogonaler Formen führte zu einem Grundkonflikt zwischen Idee und Praxis, der seinen Ursprung darin hatte, daß die "Landwirtschaft sich sozusagen der geraden Linie verschrieben hatte, die Gerade aber nicht mehr in Mode war" (Clifford 1981, 302).
Die größte Breitenwirkung erzielte die Landesverschönerung des 19. Jahrhunderts durch die auf lokaler Ebene gegründeten Landesverschönerungsvereine. Deren Aktivitäten erschöpften sich allerdings weitgehend in der Pflanzung von Alleen und Hecken. Weitreichendere landschaftsgestalterische Impulse unter Einbeziehung der Flurformen gingen von ihnen nicht aus.

Man könnte die Reihe fortsetzen: auch die engagierte Nachkriegsgeneration der Landschaftsarchitekten um Pniower (DDR), oder Mattern (BRD) scheiterte in ihren Bemühungen um eine ganzheitliche Landschaftsgestaltung an den ´Machern´, die im Gewand der ´Melioration´ (DDR) und ´Flurbereinigung´ (BRD) eindimensionale Ziele durchgesetzt haben.

Dieses von Unverständnis geprägte Verhältnis zwischen Planern und Machern hat sich bis heute nicht verbessert. Es ist allerdings weitaus komplizierter geworden, weil es im Lager der Macher zu einer erheblichen Diversifikation der Akteure gekommen ist.

Zu den Landwirten haben sich die Häuslebauer, Kleingärtner und die Fachingenieure gesellt. Es mag auf den ersten Blick überraschen, die Ingenieure nicht auf der Planer-, sondern auf der Macherseite zu sehen. Tatsächlich werden klassische Fachingenieurarbeiten, wie der Straßenbau nicht mehr ganzheitlich, unter Bewahrung landschaftlicher Zusammenhänge geplant, sondern sie werden monofunktionell nach verkehrlichen Aspekten gebaut. Die Landschaft wird im Begleitplan abgehandelt.

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Photo Bundesstraße 167 bei Altfriedland (Märkisch-Oderland)

 

Der Anspruch, den noch Lenné in der Mitte des 19. Jahrhunderts am Beispiel der Eisenbahntrasse Berlin-Templin verfolgte, das Bauwerk in die Landschaft zu integrieren, ist heute weitgehend verloren gegangen. Nicht zuletzt, aus diesem Mangel an planerisch-ganzheitlichem Denken in der täglichen Baupraxis, hat sich ein restriktives nachgeschaltetes Instrumentarium in Form der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Eingriffsregelung entwickeln müssen.

Lenné hat sich nicht um Partizipation scheren müssen. Vor dem Hintergrund omnipotenter Machtstrukturen konnte er –als verlängerter Arm des Königs – seine Ideen ohne wesentliche Abstriche durchsetzen. Planung in einer demokratischen Gesellschaft muß sich durch Bürgerbeteiligung legitimieren. Die formalisierte Beteiligungsprozesse nach BauGB oder nach Fachplanungsrecht werden als lustlose Pflichtübung wahrgenommen. Einen Verständigungsprozess zwischen Planern, Machern (neudeutsch: ´Akteuren´) und ´Betroffenen´ hat diese Form der Beteiligung nicht in Gang gesetzt. Da Planung zunehmend verrechtlicht und somit komplizierter geworden ist, ist die Kluft zwischen den Planern und Bürgern weiter gewachsen.

Planung wird vom Bürger als restriktives Instrument wahrgenommen: als Behinderung der freien Selbstentfaltung. Die heutigen Macher orientieren sich weder an planerischen Konzepten noch an der Landschaft als Ganzem. Man hat den Eindruck sie bauen und gärtnern, um den Planern eins auszuwischen. Größer könnte der Kontrast kaum sein: Hier die städtebaulich-landschaftsplanerischen Wettbewerbsergebnisse –nur selten umgesetzt- die den Großen Wurf im Auge haben und jedes Detail der verbindenden Idee unterzuordnen bestrebt sind, dort die Heerschar der Wochenendwerker, die mit dem was das Angebot des Baumarktes hergibt, effektiv an dem Dorf- und Landschaftsbild von morgen ´basteln´.

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Abb. 3 Eigenheim in Woggersin (Mecklenburg-Vorpommern)

 

Planung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem Anspruch :

  • einerseits etwas ´Geschlossenes´ hervorzubringen: Der Branitzer Park ist in diesem Sinne vollkommen, ebenso das brandenburgische Gutsdorf (Einheitlich in der Vielfalt der einzelnen Elemente);
  • und dem Anspruch, eine soziale Aneignung der Wohn- und Lebensumwelt des Menschen zu ermöglichen, was ´Offenheit´ voraussetzt.


In der Zusammenführung dieser beiden widersprüchlichen Anforderungen ergibt sich die Forderung nach einem ´Rahmen´, der durch die planerische Gestaltung der Umwelt gesetzt wird, der aber soziale Aneigungsprozesse nicht nur zuläßt, sondern fördert.

Ein historisches Vorbild für diese Vision wurde als Beitrag der IBA ´Fürst-Pückler-Land´ ausgewählt: die Gartenstadt ´Marga´.

Lit.: Clifford, Derek: 1966: Geschichte der Gartenkunst. Prestel-Verlag, München

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