Thema 1. Jg., Heft 1
Oktober 1996

Bernhard Kerber

Kunstraum und Lebensraum



Bild 1: Belon, 1906
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"Une statue ne doit pas etre posée en un socle. Le sculpteur c'est différent" ist eine Rodin-Karikatur von 1900 betitelt(1).

Bild 2: Manzoni, Piero: Magil Basis
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Konsequent lautet die Inschrift auf Piero Manzonis "Magischem Sockel"(2), welcher nicht die Plastik ohne Sockel, sondern den Sockel ohne Plastik artikuliert, "Staher du er Kunst". Als "Base per scultura vivente" erhebt sie die Realität zum Kunstwerk, indem sie im Sinne der späteren Concept-Art in einem dezisionistischen Akt die Wirklichkeit aus ihrem Lebenszusammenhang mittels Aufsockelung in auratische Isolation überführt und zum interessenlosen Anschauen auffordert. An die Stelle der Skulptur kann eine beliebige Person auf den Sockel treten, ja es genügt, einen solchen Realitätstausch nur gedanklich zu vollziehen. Weil ohne belastende Semantik, kennzeichnet seine Inschrift die Tätigkeit des nicht mehr stilisierenden Künstlers als nominalistischen Akt. Thema ist nicht die formale Verwandlung, sondern die Deklaration der Transsubstantiation durch das Zertifikat.

Bild 3: Ulrichs, Timm: 1. lebendes Kunstwerk
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Sonderfälle solcher "Selbstaustellungen als lebendes Kunstwerk" realisierten Ben Vautier (3) und in seiner "Identitätskunst" Timm Ulrichs(4). Das Verfahren zielt weniger auf die Thematisierung des Mediums Plastik, als in der Gleichsetzung von Künstler und Skulptur, d.h. von Produzent und Produkt, auf autokratische Setzung der Welt und Egalisierung von Kunst=Leben=Künstler.
Timm Ulrichs betont, er habe sich vom Gestus, von der Lebenshaltung her, als Dadaist gefühlt und "nachdem ich diese Theorien begriffen hatte, schien es mir nun notwendig, daß man sie zu einem Endpunkt führt und nicht nur den Flaschentrockner ausstellt, sondern sich selbst ausstellt."

Es erhebt sich die Frage, ob der fehlende Sockel nicht als Annäherung der Kunstrealität an die Lebenswirklichkeit interpretiert werden muß.

Bild 4: Rodin: Die Bürger von Calais, Bronze, 1886-87
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Rodin hatte zeitweise die Absicht, seine "Bürger von Calais" ebenerdig aufzustellen, um dem Publikum Gelegenheit zu geben, in das Herz des Vorgangs einzudringen, wie bei den ebenerdigen Gruppen der Grablegung in den Kirchen". Doch gelang es ihm nicht, diese appellative Absicht durch Unmittelbarkeit ganz zu verwirklichen. "Die Konvention hatte es nicht zugelassen. Ich wollte gar kein Postament für meine Gestalten. Ich hatte den Wunsch, sie sollten vor dem Rathaus der alten Stadt stehen, eingelassen in das Pflaster des Platzes, ganz als wären sie eben im Begriff, zum Feldlager der Engländer aufzubrechen. Sie hätten sie so, unsere Brüder, in das tägliche Leben der Stadt aufgenommen gesehen. Passanten, die sie berührten, hätten die Empfindung gehabt, wie das Geschehnis der Vergangenheit wieder auflebte in ihrer Mitte(...) Sie haben mir ein scheußliches Postament aufgezwungen, das mein Werk entstellt und um seine Wirkung bringt."(5)

Vielleicht ist Rodins Idee ebenerdiger Aufstellung der "Bürger von Calais" auch durch das zeitgenössische Wachsfigurenkabinett(6) beeinflußt, dessen superstitiösen Einschlag Julius von Schlosser in seiner brillianten Herleitung aus Totenkult, Votivgaben, Politik, anatomischen Präparat und Automatenkunst betont. Denn ähnlich wie die Fotografie auf die Malerei, so wirkt das Wachsfigurenkabinett als konkurrierendes Medium zurück auf die Entwicklung der Skulptur im 19. Jahrhundert. Und so hat schon die zeitgenössische Kritik diese Verbindung gesehen, als Edgar Degas 1881 seine, mit einem echten, farbigen Tutu und einer Perücke bekleidete Wachsfigur der "Kleinen Tänzerin" in einem Glaskasten aufstellte.

Bild 5: Degas, Edgar: Grande danseuse habillée, Bronze
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Die ursprünglich als Akt konzipierte Wachsfigur stand auf einer Gipsplatte, die nach 1920 angefertigten Bronzegüsse wurden auf hölzerne Basen montiert, welche die Bretter veranschaulichen sollen. Joris Karl Huysmans betont die Figur "semble prête à quitter son socle"(7). Die Rezensenten unterstreichen "réalisme" und "naturalisme", aber sie spotten auch: "Des horizons nouveaux semblent s'ouvrir pour les costumiers".
Degas unterläuft Ovids Pygmalionproblem, die Belebung der Statue, gegen die Goethe polemisiert: " Hätte Pygmalion seine Statue begehren können, so wäre er ein Pfuscher gewesen, unfähig, eine Gestalt hervorzubringen, die verdient hätte, als Kunstwerk oder Naturwerk geschätzt zu werden"(8). Daumier hat dies unübertroffen karikiert(9).

Bild 6: Daumier, H.: Pygmalion
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Obwohl er - Rodins Bürger von Calais antizipierend - empfahl, Skulpturen auf niedrige Plinthen zu stellen, so daß sie scheinbar zwischen den Menschen gehen, hat Schopenhauer von einem idealistischen Standpunkt aus den farbigen Naturalismus der Keroplastik scharf kritisiert(10): "Was jedoch macht, daß ein Bild uns leichter zur Auffassung einer (platonischen) Idee bringt als ein wirkliches, wodurch das Bild der Idee nähersteht als die Wirklichkeit, ist im allgemeinen dieses: daß das Kunstwerk das schon durch ein Subjekt hindurchgegangene Objekt ist (...) Näher aber betrachtet, beruht die Sache darauf, daß das Werk der bildenden Kunst nicht, wie die Wirklichkeit, uns das zeigt, was nur einmal da ist und nie wieder, nämlich die Verbindung dieser Materie mit dieser Form (...) sondern daß es uns die Form allein zeigt, welche schon (...) die Idee selbst wäre. Das Bild leitet uns mithin sogleich vom Individuum weg auf die bloße Form. Schon dieses Absondern der Form von der Materie bringt solche der Idee um vieles näher (...).Darum gehört nun diese Absonderung, diese Trennung der Form von der Materie, zum Charakter des ästhetischen Kunstwerks; eben weil dessen Zweck ist, uns zur Erkenntnis einer platonischen Idee zu bringen. Es ist also dem Kunstwerk wesentlich, daß die Form allein ohne die Materie zu geben, und zwar dies offenbar und augenfällig zu tun.
Hier liegt nun eigentlich der Grund, warum Wachsfiguren keinen ästhetischen Eindruck machen und daher keine Kunstwerke (im ästhetischen Sinn) sind, obgleich sie, wenn gut gemacht, hundertmal mehr Täuschung hervorbringen, als das beste Bild oder Statue es vermag, und daher, wenn täuschende Nachahmung des Wirklichen der Zweck der Kunst wäre, den ersten Rang einnehmen müßten. Sie scheinen nämlich nicht die bloße Form, sondern mit ihr auch die Materie zu geben; daher die Täuschung, daß man die Sache selbst vor sich habe, zu Wege bringen. Statt daß also das wahre Kunstwerk uns von dem, welches nur ein Mal und nie wieder da ist, d.i. dem Individuum, hinleitet zu dem, was stets und unendliche Male, in unendlichem Vielem da ist, der bloßen Form oder Idee, gibt das Wachsbild uns scheinbar das Individuum selbst, als das, was nur einmal und nie wieder da ist, jedoch ohne das, was einer solchen vorübergehenden Existenz Wert verleiht, ohne das Leben".
Grund für den Abbruch, welchen der Anspruch auf Lebenswirklichkeit erfährt, ist der in der Problemstellung des Wachsfigurenkabinetts schon mißglückte Versuch der Egalisierung von Bildzeit und Betrachterzeit, ja überhaupt die Vereinigung von Bild- und Betrachterrealität, die Aufhebung der ästhetischen Grenze, um an Authentizität zu gewinnen. Weil die Differenz zwischen Bildvergangenheit und Betrachtergegenwart das Peinliche des Pseudos im Wachsfigurenkabinett immer artikuliert, hat man z.B. neuerdings im Musée Grévin in Paris versucht, das Präsens ins Imperfekt zu verwandeln, indem man die Innendekoration des Betrachterrraumes der historisierenden Ausstattung des Wachsbildes anglich. Der die Bildwirklichkeit hermetisch abschließende Rahmen wird aufgehoben, innerbildliche Zeit und Betrachterzeit werden in eins gesetzt und damit die bisherige Bühnenwirklichkeit in Gegenwart oder Vergangenheit transponiert. Die Selbstidentität des Betrachters wird gefährdet, er wird sich somit entfremdet. Die suggerierte Augenzeugenschaft unter Aufhebung des historischen Abstandes mag das Appellative dieser Phänomene stärken, drängt aber in gleichem Masse kritische Reflexionen zurück. Umgekehrt will Madame Tussauds "Wintergarten" die Vergangenheit dem Präsens annähern.

Bild 7: Madame Tussaud: A. Hitchcock und A. Christie, London
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"In einer weißen Phantasiearchitektur sind zwischen exotischen Gewächsen die Bildnisse bekannter Zeitgenossen aufgestellt(...) Hier kann sich der Betrachter frei zwischen den Figuren bewegen, die ihre Sockel verloren haben und nun unmittelbar neben ihm stehen, in Sesseln sitzen oder an Brüstungen lehnen. Betrachter- und Figurenraum sind identisch. Allerdings wirkt die exotische Umgebung bis zu einem gewissen Grade verfremdet, sie schafft Niemandsland, in dem die Begegnung mit der Wachsplastik möglich ist"(11). Der Zuschauer bewegt sich im Tableau, er spielt mit, er gibt zeitweise seine Identität auf. In dieser panoramaartigen(12) Aufstellung gelingt ihm am vollkommensten die Synthese der drei klassischen Einheiten des Ortes, der Zeit und der Handlung. Doch ist ein kritischer Punkt die Konfrontation der durch Eigenbewegung unmittelbar präsenten und quasi doppelgängerischen Betrachterbilder in Spiegeln, die an sich nur der Raumerweiterung dienen sollen, mit den statischen und damit ins Imperfekt gerückten Wachsfiguren.

Bild 8: Wachsfigurenkabinett zu Hanson
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Die Trivialität des Wachsfigurenkabinetts, welches zur Erzielung von Trompe l'oeils auf den Sockel verzichtet und auf jene Elemente der Wirklichkeit zurückgreift, die wie Kostüm und echte Haare den Abklatsch beschwören, wird von Duane Hanson und John d'Andrea usurpiert.

Bild 9: Hanson, Duane: Bowery Derelicts
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Bild 10: de Andrea, John: Self portrait with sculpture, 1980
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Über neuere Arbeiten äußert sich Kim Wauson(13): "In the past, De Andrea had positioned his works on a common piece of furniture (...) He came to realise that presenting the works in this format made them appear too familiar to the viewer, being seen not as sculptural objects, but everyday encounters. In his most recent work, the figures have been placed on white pedestals, which serve to elevate the works to a loftier, less personal and more formalised position. By employing the use to pedestals, the artist has not lost a sense of intimacy between the audience and sculpture, but has achieved the effect of having the work perceived on a more serious level". Wauson fragt nicht nach der Bedeutung des weißen Anstrichs. Das Weiß ist als Intensivierung der Autonomie stiftenden Funktion des Sockels zu sehen, eine Buntfarbe würde den Sockel nicht verfremdeter, vielmehr naturalistischer, nur ihren Darstellungswert artikulierender "Skulptur" zuordnen, seine autonomiestiftende Funktion unterlaufen, ja diese Unmittelbarkeit unterstreichen. Außer Kraft gesetzt ist jene Forderung von Theodor Lipps(14): "Die plastische Darstellung einer Gestalt fordert die Mitdarstellung des Bodens für die dargestellte Gestalt `in einem Gusse', also in jedem Falle im gleichen Material".
Diesem Naturalismus hat sich auch John de Andrea zugewandt. Zumindest in seinen frühen Arbeiten erstrebte De Andrea - im Gegensatz zu Hanson - einen Idealismus der Figur. "I consciously sought well-proportioned figures for long time"(15). Der Gegenstand, der sich dank seines penetranten Naturalismus der Strukturerfassung entzieht, gerät hingegen in eine pygmalionhafte Nähe zum Kitsch, woraus ihn auch die gegen Tabus und gesellschaftliche Mißstände gerichtete Aggressivität nicht retten kann. Der Agitation, die durch Wiederholung indizieren möchte, fehlt jene konstruktive Dimension, welche die Realität interpretierend übersteigen könnte, statt hinter ihr zurückzubleiben, in dem sie auf Emotionen emotional reagiert. Ein Vergleich von Georg Segals und Duane Hansons Bowery-Gruppen kann dies vor Augen führen.

Bild 11: Segal, J.: The Bowery, 1970
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Die Frage der Identität, die Spannung zwischen Gegenstands- und Kunstrealität ist nämlich auch Segals Thema. Er hat als Maler begonnen, seine ersten Skulpturen entstanden 1958. Zunächst handelt es sich für Segal um ein Experiment, sich über die Raumproblematik seiner Bilder klarer zu werden, die innerbildliche Raumillusion in ein buchstäbliches Volumen zu übersetzen. Indem Segal auf einen Sockel für seine Figuren verzichtet, setzt er den Betrachterraum und den Kunstraum in eins. Der Betrachter gibt damit einen Teil seiner Distanz auf und verliert so einen Teil seiner Autonomie. Die ästhetische Grenze ist überbrückt. Es stellt sich die methodisch entscheidende Frage nach der ästhetischen Autonomie des Kunstwerks, denn die Überschreitung der ästhetischen Grenze spricht für eine Heteronomie, für eine "außerästhetische Bedingtheit", die "Selbstgenügsamkeit des Ästhetischen wird in Frage gestellt"(16). Für Segal war die "Entscheidung, in den buchstäblichen Raum einzudringen, durch starke Zwänge zur totalen Erfahrung bestimmt"(17). Ihn interessierte eine "Serie von Schocks und Encounters, welche der Betrachter erfährt, wenn er sich im Raum um mehrere Punkte bewegt, die sorgfältig in Beziehung zueinanander gesetzt sind". Für entscheidend hält Segal insbesondere die Frage der Distanz innerhalb der Gruppe wie die der Figuren zu den Gegenständen. "Der besondere `shape' und die Eigenschaften der Leere, welche die Figuren umgibt, sind ein wichtiger Teil der Expressivität des ganzen Werks"(18). Dieser Wunsch, den `shape' intakt zu halten, hat Segal z.B. daran gehindert, seine Figuren mit realen Gewändern zu versehen. Segal betrachtet die Gegenstände, insbesondere ihre Umrisse, `ästhetisch', und ihn interessiert das Verhalten des Menschen zu diesen Gegenständen. Vielleicht ist dieses Betonen des Shape ein Rest von Segals Herkunft aus der Malerei, ein Rest von Arrangement auf der Bildebene(19), insofern nämlich der Flächenzusammenhang der Silhouetten den Raumzusammenhang der Gegenstandswelt zurückdrängt. Das Streben nach einem autonomen Bildbau vollzieht sich zwangsläufig in Form einer Emanzipation vom realen Bildraum. Planimetrie entlastet von Illusion und umgekehrt
Angesichts dieses Neuen Realismus stellt sich die Frage, ob purer "Reproduktionsrealismus" als "Gesellschaftskritik" tragfähig ist, ob das "Prinzip der Plakatierung eines schon vorhandenen Wirklichkeitsklischees" in der Lage sein kann, auf die ihm "immanente politische Wirklichkeit hinzuweisen" (20), ob die Verweigerung phantasiereizender Einfühlung allein schon politische Kunst ermöglicht. Dies jedenfalls möchte Duane Hanson: "Der Realismus ist am besten geeignet, den erschreckenden Idiosyncrasien unserer Zeit zu begegnen. Der Zweck meines Werkes ist es, einige der latenten und expliziten Schrecken unserer sozialen Umgebung zu beschreiben"(21).

Hingegen hat Bert Brecht parteilich formuliert(22): "Realistisch heißt: den gesellschaftlichen Kausalkomplex aufdeckend/ die herrschenden Gesichtspunkte als die Gesichtspunkte der Herrschenden entlarvend/ vom Standpunkt der Klasse aus schreibend, welche für die dringendsten Schwierigkeiten, in denen die menschliche Gesellschaft steckt, die breitesten Lösungen bereit hält/ das Moment der Entwicklung betonend/ konkret und das Abstrahieren ermöglichend."

Segal faßt zusammen(23): "On the one hand I deal with a situation that is unmistakably real, with the verosimilitude of things; on the other hand I speculate about the invisible, I refer to what is not there. That sets up psychological tensions."

Bild 12: Duchamp, Marcel: Bottlerack, 1914
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Einleitend zitierten wir Timm Ulrichs' Rückgriff auf Duchamp. Als Marcel Duchamp 1914 einen im Magasin du Louvre erworbenen Flaschentrockner ausstellte, beabsichtigte er, den "ästhetischen Rummel zu entmutigen" (24), "die Wahl beruhte auf einer Reaktion visueller Gleichgültigkeit bei völliger Abwesenheit von gutem oder schlechtem Geschmack"(25). Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus muß Wolf Rainer Wendt widersprochen werden, der in seiner Abhandlung über das "Readymade" behauptet, "1914 hob er einen Flaschentrockner auf den Sockel"(26). Der Flaschentrockner stand vielmehr gerade sockellos. So beobachtet Jean Clair (27): "La photo de cet original fut prisé par Man Ray pour figurer dans la `Boite en Valise', d'après l'ombre portée, l'objet ne repose pas sur le sol mais flotte à quelques centimètres au-dessus; cela donne à cet instrument pesant un air d'irréalité". Angesprochen auf ähnlich unkonventionelle Präsentationsweisen und Bezugsebenen hat Duchamp gegenüber Arturo Schwarz erklärt, "that it was to escape from the conformism which demanded that a work of art be hung against the wall, or presented on an easel. I therefore either suspended them from the ceiling or nailed them to the floor"(28). Der Flaschentrockner ist noch gebrauchsfähig. Die Einlösung seiner Funktion im Museum allerdings wäre grotesk. Das Museum übernimmt gewissermaßen Sockelfunktion. Der Raum wird die Reflexion auf die institutionellen Grenzen der Kunstwerke zum Sockel.
Marcel Duchamp notierte: "Jeder gewöhnliche dreidimensionale Körper, Tintenfaß, Haus, Fesselballon ist die Perspektive, die zahlreiche vierdimensionale Körper in das dreidimensionale Milieu werfen" (29). "Ohne Standfläche, ohne Aufhängung, unter Vermeidung jedes raumdefinierenden Details ist der Flaschenständer auf dem Foto-Druck dargestellt, den Duchamp selbst mit großem Arbeitsaufwand für seinen Nachlaß, die sogenannte Schachtel im Koffer (1941), hergestellt hat. Auch mit Hilfe des Schlagschattens ist die ungefähre Lage des Körpers im Raum nicht zu orten, Der Schatten erweist sich bei genauerer Betrachtung als falsch. Es ist die mit Hilfe einer Schablone gedruckte direkte Wiederholung der Figur des Flaschenständers, die um einige Zentimeter nach unten versetzt ist. Beide Figuren sind `Erscheinungen', der Schatten wie das Objekt. Das komplizierte Abbildverfahren, das Duchamp einsetzte, um diesen Effekt zu erzielen, macht deutlich, wie sehr ihm daran lag, den Flaschenständer als Projektionsproblem verstanden zu wissen: in dem Sinne, daß jedes gewöhnliche dreidimensionale Objekt die `Apparation'(30) unsichtbarer vierdimensionaler Körper ist"(31).
Duchamp definiert das Ready-made als "objet-usuel promu à la dignité d'objet d'art par le simple choix de l'artiste" (32). Indem sich Duchamp gegen die Form als differentia specifica der Kunst wendet, führt er den Betrachter zur Erkenntnis, daß nicht der Künstler, sondern das Bewußtsein des Betrachters - aufgefordert durch den in der Exponierung liegenden Anspruch - Aesthetica als Specifica der Kunst selbst setzt. Ästhetische Komponenten sind dem Objekt selbst nicht eigen, sondern werden vom Betrachter aus seinem Erwartungshorizont heraus auf den Gegenstand projiziert, diesem appliziert. Die aposteriorische Ästhetisierung des Flaschentrockners ist ein produktives Mißverständnis. Dem Moloch Ästhetik unterlag Duchamp. Ursprünglich aber "he took an ordinary article of life, placed it so that its useful significance disappeared under the new title and point of view - created a new thought for that object"(33).

Nun ist geschlossen worden(34), "daß jene von Duchamp angesprochene, aus der Verweigerung der Struktur - wie auch der Funktionserfassung folgende `réinstauration de l'objet dans une nouvelle domaine' zu verstehen ist als eine Reflexion auf das bloße `Dingsein des Dings'". Die Schlußfolgerung erfolgte unter Berufung auf Kandinsky, der ausführte, "daß gerade (...) ein von aller künstlerischen Form freies Objekt einen inneren Klang enthülle, daß der innere Klang vom äußeren Sinn des Gegenstandes unabhängig bestehe und im Grunde eine Frage des Aspekts sei, unter welchem der Betrachter das `Praktisch-Zweckmäßige' des Gegenstandes vollkommen auszuschalten imstande ist"(35). Zwar wird gesehen, daß es "grundsätzlich unmöglich" wäre, "im Gegensatz zur strukturbezogenen Erfahrung eines Phänomens der großen Abstraktion für ein Phänomen der großen Realistik eine funktionsbezogene Erfahrung anzunehmen, für die Wahrnehmung des inneren Klanges eines Dinges also eine Ästhetik der pragmatischen Funktion dieses Dings vorauszusetzen - der innere Klang des Dings kann aber auch begründet sein in einem Dingsein des Dings oder anspielungsweise gesprochen, im `Dingen des Dings', so daß ein Ding, `sein noch' `irrationales' Eigenleben sogar drohend als das x, das es jenseits der Gebrauchsmaske ist', hervortritt"(36).

Solch "konkretisierendes Sehen", das "in der Anwendung auf die außerkünstlerische Wirklichkeit auf deren möglichen Kunstcharakter reflektiert" und darauf gerichtet ist, die Wirklichkeit der Kunst einzuordnen(37), verschleift anachronistisch argumentierend die Differenz von Interpretationen und Interpretament. Es setzt die spezifische Differenz zwischen dem Dadaisten Duchamp, dem Neo-Romantiker Kandinsky, dem Existentialisten Heidegger(38), der ohne Namensnennung nur "anspielungsweise" zitiert wird, und dem Marxisten Bloch außer Kraft. In einem Atemzug mit dem zitierten Text schreibt nämlich Bloch: "Man erkennt nur die Vorderseite oder Oberseite ihrer technischen Eigenwilligkeit, freundlichen Eingemeindung, niemand weiß auch, ob ihre (oft erhaltene) Idylle, Lockung, Naturschönheit das ist, was sie verspricht oder zu halten vorgibt". Deshalb sagt Helmut Hartwig(39), es gehe darum, "die gegenständlichen Aspekte einer kapitalistischen Industriegesellschaft nicht bloß zur Skulptur zu verdinglichen". Denn nach Bert Brecht wird "die Lage (...) dadurch so kompliziert, daß weniger denn je eine einfache Wiedergabe der Realität etwas über die Realität aussagt (...) die eigentliche Realität ist in die Funktionale gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letztere nicht heraus. Es ist also ebenso tatsächlich Kunst nötig. Aber der alte Begriff der Kunst, vom Erlebnis her, fällt eben aus. Denn auch wer von der Realität nur das von ihr Erlebbare gibt, gibt sie selbst nicht wieder. Aber wir reden, so redend, von einer Kunst mit ganz anderer Funktion im gesellschaftlichen Leben, nämlich der , Wirklichkeit zu geben, und wir tun es nur, um das, was die Kunst hierzulande macht, von solchen Ansprüchen zu befreien, die nicht aus ihrer Funktion resultieren". Brecht bestimmt in diesem Zitat gegenüber dem neusachlichen Fotografen Renger-Patzsch den Kunstbegriff neu und anders, indem er vom Begriff der Funktion ausgeht, Renger-Patzsch brachte in seinem Buch "Die Welt ist schön" (1928), dessen ursprünglicher Titel lautete "Die Dinge", unausgesprochen praktische und formale Funktion, also Gebrauchs- und Tauschwert, problemlos zur Kongruenz und orientierte diese auf sensualistische Rezeption.

Bild 13: Heise, C. G.: Die Welt ist schön
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Im Gegensatz zu den Genannten verstand Bert Brecht die praktische und formale Funktion als konkurrierend und vor allem fügte er die gesellschaftlich-politische hinzu. Dialektisch resultiert dieser dritte Funktionsbegriff aus der Konkurrenz der beiden vorausgehenden, deren Disidentität dem Betrachter mittels der Verfremdung vor Augen geführt wird und ihn zur Reflexion, statt zur Erkenntnis führen soll.
Kandinsky hingegen sah den Sinn der Verdinglichung in der Freigabe dessen, was er den "inneren Klang", die "geheime Seele" der Formen und Gegenstände nannte. Sein Ziel war es, "aus dem Bild das äußerlich Künstlerische zu vertreiben und den Inhalt des Werkes durch einfache (unkünstlerische) Wiedergabe des einfachen harten Gegenstandes zu verkörpern". "Gerade durch dieses Reduzieren des `künstlerischen' auf das Minimum klingt die Seele des Gegenstandes am stärksten, da die äußere, wohlschmeckende Schönheit nicht mehr ablenken kann".

Unter gesellschaftlichem Aspekt hat Walter Benjamin diese - übrigens von Kandinsky nie praktizierte - euphorische Feier des Faktischen als gezielte Verschleierung der wirklichen Widersprüche scharf kritisiert (40). Benjamin hat diese Haltung der "Ästhetisierung des Lebens", insbesondere auch des politischen, dem Faschismus zugeordnet. Er hat dann die Forderung des Faschismus umgedreht, indem er eine Politisierung der Ästhetik verlangte.

Wenn Benjamin - übrigens wie Brecht - gegen Renger-Patzsch polemisierend sagt: "Die Welt ist schön, genau das ist ihre Devise. In ihr entlarvt sich die Haltung einer Photographie, die jede Konservenbüchse ins All montieren, aber nicht einen der menschlichen Zusammenhänge fassen kann, in denen sie auftritt, und die damit noch in ihren traumverlorensten Sujets mehr ein Vorläufer von deren Verkäuflichkeit, als von deren Erkenntnis ist. Weil aber das wahre Gesicht dieses photographischen Schöpfertums die Reklame oder die Assoziation ist, dann ist ihr rechtmäßiger Gegenpol die Entleerung oder die Konstruktion"(41), so kann man dies - die zeitliche Diskrepanz überspringend - als Antizipation mancher Probleme der Pop Art verstehen.
In der Pop Art erreicht die Innovation des Selbstverständlichen im von Duchamp kritisierten Sinn durch Andy Warhols Exposition vorgefundener und damit sockelloser Waren ihren Höhepunkt. Hier wird in der Ablösung ästhetisierender Stilisierung durch Ästhetisierung unstilisierter strukturindifferenter Trivialität die Gesamtwirklichkeit ästhetisiert, die tautoloische Dingerfahrung entbanalisiert und damit auch die Hierarchie der Gegenstände abgebaut; alles ist kunstwürdig. Dabei sind Warhols Ruf nach Entindividualisierung und seine Stildifferenz als Befreiung vom Kreativitätszwang zu verstehen.

Nach Jörn Merkert macht "Die Distanz zur Gebrauchswelt, aus der man sie herausnahm ... die Dinge pointiert zu Medien der Umweltinterpretation: Sie präsentieren sich entweder in der Schönheit, die die Werbung von ihnen behauptet, oder spiegeln wider, was die Werbung dem Gebrauchswert der Dinge antut. Bei Duchamp bleibt der Gegenstand, wird auf der Ebene des Schocks zur Gedankenfalle, die den Betrachter zu reflektierender Umgestaltung der gesamten Wirklichkeit führen soll. In der Pop Art werden die Dinge aus ihrem Gebrauchszusammenhang genommen, gerade um auf ihn zu verweisen, kritisch oder verherrlichend".

Im Gegensatz zu Interpreten, welche dem Genuß der "fantastique réelle" (Baudelaire) und damit ihrer Inszenierung in ihrer ideellen Sterilität das Wort reden, glaubt Rainer Crone(48), daß Warhol, indem er Erscheinungsformen auf die Gesellschaft zurückschlagen läßt, diese indirekt kommentiert. Crone gegenüber muß jedoch festgehalten werden, daß diese Rückprojektion erst vom Betrachter geleistet werden kann. Die Kommentarfunktion ist in Warhols Werken nicht angelegt. Warhols unbeteiligte Chronistenhaltung überläßt dem Interpreten das Urteil, das auf ihn zurückfällt. Nicht Warhol, sondern der Betrachter ist Partei.

Bild 14: Warhol, A.: Campbell Soup Can Pyramid, 1964
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Heideggers Haltung - auf ihn spielt das "Dingen des Dings" wohl an - hat Gert Bergfleth als "halb tiefgründige Verklärung, halb gespreizte Mystifikation des Dings", als "Kitsch andächtigen Denkens" bezeichnet. Adorno hat dergleichen als "Jargon der Eigentlichkeit" angegriffen. Heidegger schloß in unartikuliertem aber radikalem Gegensatz die für Duchamp unspezifische Identität von Ding und "Kunstwerk" aus. Nach seinem Interpreten von Hermann(49) muß mit aller Entschiedenheit ausgesprochen werden, "daß die Frage nach dem Dinghaften am Werk nicht mehr gefragt sein darf. Denn in dieser Frage nehmen wir das Kunstwerk sogleich und im vorhinein endgültig als einen vorhandenen Gegenstand". Wie Heidegger an van Goghs "Schuhen" demonstriert, ist für ihn das Ästhetische das aus dem Werksein erfahrene Erdhafte des Kunstwerks und als solches gerade identisch mit dem - nun allerdings ziemlich frommen - "Seinsverständnis des Herstellers der Gebrauchsdinge", welche wiederum er durch die "Seinsart der Dienlichkeit" bestimmt sieht. Welch ein Gegensatz zu Théophile Gauthiers Behauptung, daß die Nützlichkeit der Dinge das Ausmaß ihrer Häßlichkeit bestimme: "Der nützlichste Ort eines Hauses sind die Latrinen"(49). Unter Berufung auf Georges Bataille macht Bergfleth(49) deutlich: "Eine Restitution des Dings ist nur dann möglich, wenn das Ding nicht mehr als Objekt behandelt wird, wenn es dem Subjekt-Objekt-Verhältnis überhaupt entzogen wird". "Da der neue Dingbezug die Welt öffnet, würde seine Souveränität sich darin zeigen, daß er sich den Dingen hingibt. Denn was mit der Herrschaft über die Dinge aufhört, ist nicht nur seine eigene Verdinglichung, sondern auch die der Dinge, d.h. die Reduktion des Dings auf einen bloßen Gegenstand. Die Wiederkehr der Souveränität schließt also eine Befreiung der Dinge ein, die erstmals die Welt nicht mehr vorstellen, sondern umgekehrt die Welt erfahrbar machen, weil sie Welt enthalten. Was damit zum Vorschein kommt, ist das unverdinglichste Ding: das Ding, das der Zweckrationalität entzogen ist, das kein Objekt mehr ist, und der Natur zurückgegeben wird".

"Sculpture à être perdue dans la forêt" heißt eine Arbeit Hans Arps. Reintegration in die Natur setzt Aufhebung der Schranke zwischen Kunst und Natur sowie Sockellosigkeit voraus. "Concrétion ist etwas, das gewachsen ist. Ich wünschte, daß mein Werk seinen bescheidenen, anonymen Platz in den Wäldern, den Bergen, in der Natur fände".
"Die Kunst soll sich in der Natur verlieren. Sie soll sogar mit der Natur verwechselt werden".
Förderlich für die Renaturalisierung des Kunstobjekts ist Mobilität und deshalb Präsentation "ohne Standfläche", "indem das `Wie', die Frage mit welcher Seite die Plastik sich selbst repräsentiert, dem Zufall, das heißt genauer, der Laune des Besitzers überlassen wird. Die Positionen der Plastik sind nicht durch die Einfügung einer Fläche oder Abplattung oder eines ähnlichen Elements, auf dem die Plastik stehen könnte, vom Künstler vorherbestimmt, allenfalls hat dieser bei der formalen Konzeption auf eine möglichst große Variationsbreite der Positionen geachtet. Voraussetzung für die Vielzahl der möglichen Stellungen ist, daß es kein Oben und Unten, keine Haupt- und Nebenansichten der Plastik gibt"(50).

Bild 15: Arp, Hans: Im Wald auszusetzen, 1932
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Angewandt auf Arp lautet die These nun: In dem Masse, wie Arp nicht prinzipiell zwischen echten und fingierten objets trouvés unterscheiden muß, da sein Formprinzip "wie die Natur" ihm diese fließenden Übergänge erlaubt, befreit er das fiktive objet trouvé von der ihm ursprünglich anhaftenden psychisch-fetischistischen Besetzung und ermöglicht ihm damit seine Renaturierung. Finden und Erfinden sind austauschbar, ja identisch. "Ich wünschte, daß mein Werk seinen bescheidenen, anonymen Platz in den Wäldern, den Bergen, in der Natur fände." "Die Kunst soll sich in der Natur verlieren. Sie soll sogar mit der Natur verwechselt werden."
Indem Arp seine Skulptur renaturiert, verfährt er reziprok zu Valérys Sokrates, der den zweifelhaften Gegenstand ins Meer wirft, weil er ihn gerade nicht zum Kunstprodukt erheben kann. Sokrates verwirft den Transzendenzcharakter des objet ambigu, weil es für ihn nur die tatsächliche Welt gibt. "Zugleich wird klar, was eigentlich das im ästhetischen Genuß Genießbare ist. Das ästhetisch-rezeptive Subjekt genießt nicht den Gegenstand als solche, und kein Moment an ihm, sondern durch den Gegenstand hindurch bzw. an ihm sein eigenes Nichteingeschränktsein durch die faktische Welt, seine Freiheit gegenüber dem `Gegebenen'. Das ästhetische Objekt ist, von der Welt her betrachtet, das Unwahrscheinliche, vom Bewußtsein her ist es angesichts der Unbestimmtheit des Möglichen gegen die Endlichkeit der Wirklichkeit das schlechthin Wahrscheinliche, dessen Ausbleiben das Faktische in den unerträglichen Verdacht des Notwendigen setzt." (Blumenberg)




(1) Erich Everth, Der Sockel als ästhetischer Ausdruck von Schutzfunktionen, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft V, 1, 1911, S. 43-86. - W. Jack Burnham, Beyond Modern Sculpture. The Effects of Science and Technology on the Sculpture of this Century, New York 1968, Kapitel 1 "Sculpture's Vanishing Base". - Eduard Trier, Formprobleme der Plastik im 20. Jahrhundert in Selbstzeugnissen der Künstler, Zeitschrift für Ästhetik XVI, 2, 1971, S. 135 ff. -Eduard Trier, Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert, Berlin 1980, 2, S. 100. -Albert E. Elsen, Origins of Modern Sculpture, Pioneers and Promises, 1973. -Eduard Trier, Unterlebensgroß-lebensgroß-überlebensgroß. Zum Problem der Größe in der Plastik des 20. Jahrhunderts, Wallraf-Richartz-Jahrbuch XXXV, 1973, S. 367-388. - Bernhard Kerber, Zum Realitätsgrad der Plastik ohne Sockel, Jahresring 24, 1977-78, S. 23-37. -Dagobert Frey, Bausteine zu einer Philosophie der Kunst, Hrsg. V. Gerhard Frey mit einem Geleitwort von Walter Frodl, Darmstadt 1976, S. 113 ff., Kunst und Sinnbild. - Annelie Pohlen, Stolpersteine für den "großen Bruder"? -Skulpturen ohne Sockel - Kleine Skulpturen. In (Kat.) 1984 im toten Winkel des BBK Hamburg e A. und des Arbeitskreises Bildender Künstler Hamburg. Hrsg. v. Ulrich Bischoff. Kunstverein und Kunsthaus Hamburg, S. 119-121. - Zur Methode vgl.: Georg Simmel, Zur Philosophie der Kunst, Philosophische und kunstphilosophische Aufsätze, Potsdam 1922, S. 46-54. Der Bilderrahmen. -Ernst Michalski, Die Bedeutung der ästhetischen Grenze für die Methode der Kunstgeschichte, 1932. - Dagobert Frey, Kunstwissenschaftliche Grundfragen, Prolegomena zu einer Kunstphilosophie, Wien 1946, S. 107-149. -Die Rodin-Karikatur bei: Robert Descharnes, Jean Francois Chabrin, Auguste Rodin, Paris 1967, S.216.

(2) (Kat) Kunsthalle Bremen. Bodenskulptur. Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis für Gegenwartskunst im Kunstverein Bremen. 29. April - 15. Juni 1986.- Germano Celant, Piero Manzoni, Milano 1975, S. 63. - Manzoni, Kunstmuseum Basel 24.3.-29.4.73 ohne Pag., Text von 1962 "Einige Realisationen. Einige Experimente. Einige Projekte." "1959 habe ich daran gedacht, lebende Personen auszustellen (tote Personen wollte ich dagegen unter Verschluß bringen und in durchsichtigen Plastikblöcken konservieren). 1961 habe ichd amit begonnen. Personen zu signieren und sie dann auszustellen. Diesen meinen Werken gab ich eine Echtheitszeugnis mit. Noch im Januar 1961 habe ich den ersten magischen Sockel ("base magica") gebaut. Jede Person und jedes Objekt blieben solange Kunstwerk, als sie sich auf diesem Sockel befanden. Einen zweiten Sockel dieser Art habe ich in Kopenhagen aufgestellt. Auf einem dritten, aus Eisen und von großem Ausmaß, aufgestellt in einem Park in Henhing (Dänemark, 1962), stellte ich die Erde: Er ist der `Sockel der Welt' (Base del mondo')."

(3) Ben Vautier, Textes théoretiques, Tracts, 1960-74. - Vgl. auch (Kat.) Gilbert George, 1968 to 1980, Eindhoven. - Ben Vautier, Berlin, Inventar 28.10.-25.11.1979 o. Pag.

(4) Zit. Timm Ulrichs nach Egoist 10 und (Kat.) Timm Ulrichs, Kunstverein Braunschweig 1975, S. 8

(5) Zit. Nach Auguste Rodin, Die Bürger von Calais, Einführung von Hermann Bünemann. Reclams Werkmonographien zur Bildenden Kunst Nr. 22, 3. Aufl. Stuttgart 1964, S. 27-28 (Brief an Paul Gsell). - Ähnlich: Rodin. L'Homme et L'Oeuvre, L'art et les Artistes, Paris, Nr. 109, April 1914, S. 1-112 bes. S. 67-68. - Claudie Judrin, Monique Laurent, Dominique Viéville, Auguste Rodin. Le monument des Bourgeois de Calais (1884-1895) dans les collections du Musée des Beaux-Arts de Calais 1977.

(6) Julius von Schlosser, Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs, ein Versuch, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 29, Wien 1910/11, H. 3, S. 171-258. - Reinhard Büll, Keroplastik. Ein Einblick in ihre Erscheinungsformen, ihre Technik und Ästhetik, Vom Wachs. Höchster Beiträge zur Kenntnis der Wachse. Beitrag 7/2, Frankfurt-Hoechst 1963. - Zuletzt Wolfgang Brückner, Bildnis und Brauchtum, Studie zur Bildfunktion des Effigies, Berlin 1966.

(7) Charles W. Millard, The sculpture of Edgar Degas, Princeton 1976, Nachweis des Huysmans-Zitates, S. 124, des Ephrussi-Zitates S. 120, S. 9 "The was figure is set on to a plaster base, probably cast in cardboardbox", S. 34 "at least some of the casts were set on wooden bases".

(8) Goethe, Diderots Versuch über die Malerei (1799) (Schriften zur Kunst, München 1962, S. 116)

(9) Heinrich Dörrie, Pygmalion. Ein Impuls Ovids und seine Wirkung bis in die Gegenwart. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften. Geisteswissenschaften. Vorträge 6. 195. Opladen 1974. - Wolfgang Kemp, Der Betrachter ist im Bild, Köln 1985, S. 183 ff. Oskar Bätschmann, Pygmalion als Betrachter. - Charivari, 28. Dezember 1842; Delteil no. 971.

(10) Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, 2 Bde 1851, Ed. Grisebach II §209.

(11) Sylvia Neysters, Zur Struktur des Wachsfigurenkabinetts, Staatsexamensarbeit (ms.) Bochum 1977.

(12) H. Buddemeister, Panorama, Diorama, Photographie. Die Entstehung und Wirkung neuer Medien im 19. Jahrhundert, Untersuchungen und Dokumente, München 1970.

(13) (Kat.) John De Andrea, Foster Goldstream Fine Art, San Francisco, July 9-August 21, 1982; O. K. Harris Works of Art, New York City, N. Y., Sept. 1982, S. 5-7.

(14) Theodor Lipps, Ästhetik, Psychologie des Schönen und der Kunst, 3 Bde, Leipzig 1923, Bd. 2, S. 153.

(15) The Verist Sculptors, 2 Interviews, Art in America, Springfield, November/December 1972, S. 98-99, S. 99.

(16) Michalski, (Anm. 1), S. 10-14.

(17) Henry Geldzahler, An Interview with George Segal, Artforum 3/2, 1964, S. 26-28.

(18) a.a.O., S. 29.

(19) Vgl. Ellen J. Johnson, The Sculpture of George Segal, Art international 8,2 March 1964, S: 46-49. - William C. Seitz, Segal, Kunst heute 20, Stuttgart 1972.

(20) Peter Sager, Neue Formen des Realismus, in: Magazin Kunst 11, Nr. 44, Heft 4, 1971, 2507-2345, S. 2530.

(22) Bert Brecht, Gesammelte Werke, Bd. 19, Frankfurt 1967, S. 326.

(24) Hans Richter, DADA - Kunst und Antikunst. Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1964, 2. Erg. Aufl. 1970, S. 211-212.

(26) Wolf Rainer Wendt, Ready-made. Das Problem und der philosophische Begriff des ästhetischen Verhaltens, dargestellt an Marcel Duchamp, Meisenheim 1970, unpag. Seite nach der Abb. - Eduard Trier, Das Denkmal als readymade. Gedanken zum Denkmal für den Erfinder des Verbrennungsmotors in: Tilmann Buddensieg und Henning Rogge, Die nützlichen Künste, Gestaltende Technik und bildende Kunst seit der Revolution, Berlin 1980.

(28) Arturo Schwarz, The complete Works of Marcel Duchamp, London 1969, S. 469. Auf den Boden genagelt wurde der "Coat rack", vgl. Schwarz 301. Es hing der "Hat rack", Schwarz Kat. 249. - Den "Coat rack" darf man wohl nicht als Vorläufer der Bodenplastik ansprechen. - vgl.

(30) Duchamp du Signe 120-122.

(31) Herbert Molderings, Marcel Duchamp, Frankfurt 1983, S. 48.

(32) Zit. nach Wendt, Anm. 44. - Vgl. Edith Balas, Brancusi, Duchamp und Dada, Gazette-des beaux-arts 122, 1980, Nr. 1335 S. 165-174, S. 166 "While there is some controversy as to whether or not Brancusi's bases should be viewed as sculptures, the benches exceed even this subordinate sculptural function and were photographed and displayed by the artist as independent sculptures (...) It therefore becomes possible to react to Brancusi's Bench a number of ways, much as one might to Duchamp's contemporary ready-mades", und S. 167: "As furniture placed underneath a sculpture, however Brancusi's `bench' serves as a pedestal to a sculpture, thereby temporarily losing its traditional function, although that function can easily be returned to it and is never ruled out, as in the example of Duchamp's kitchen stool supporting bicycle wheel. Finally, the bench, a piece of furniture, by being given the appellation of sculpture, and by appearing within the context of an art exhibition is transformed into an art `object'. - S. 167 sieht Balas allerdings auch die spezifische _Differenz zwischen dem "nur" gewählten Ready-made Duchamps zu den vom traditionellen Künstlerhandwerker geformten Möbeln Brancusis.

(33) M. Duchamp, The Richard Mutt Case, in : The Blind Man/P.B.T. (New York), Nr. 2, May 1917, S.5. - Anne d'Harnancourt und Kynaston Mac Shine, Marcel Duchamp, The Museum of Modern Art und Philadelphia Museum of Art, New York 1973, S. 275-276 zitieren allerdings "functionalism was ... obliterated by the fact that I took it out of the earth and onto the planet of ästhetics"; ähnlich auch bei Clair, a.a.O.

(34) Max Indmahl, Is it a flag or is it a painting? über mögliche Konsequenzen der konkreten Kunst, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 31, Köln 1969, S. 205-232. - Auch W. Pehnt, Das verdinglichte Kunstwerk und sein Publikum, in. Merkur 23,3, Mainz 1969, S. 240-250 - vgl. Jean Bazaine, Notizen zur Malerei der Gegenwart, 1959, S. 13.

(35) Imdahl, a.a.O., S. 223 unter Berufung auf Kandinsky, Essays über Kunst und Künstler, hrsg. u. kommentiert von Max Bill, Stuttgart 1955, S.30, 31, 37. - Kandinsky, über die Formfrage, in: Der Blaue Reiter 1912, Neudok. Neuausgabe von Klaus Lankheit, München 1965, S. 147.

(36) Imdahl, a.a.O., S. 223 unter Zi. Von Ernst Bloch, Spuren, 1. Aufl. Berlin 1930, neue erw. Ausg. Frankfurt 1967, S. 219.

(37) Imdahl, a.a.O., (Anm. 59), S. 222.

(38) Vgl. Hans Körner, Picasso-Duchamp, Zwei Studien zur Grundlegung des modernen Kunstbegriffs. Hefte des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Mainz, hrsg. Von Richard Hamann-MacLean, Mainz 1983, S. 28-29 "Duchamps Geste, einen Alltagsgegenstand `zweckentfremdet' zum Ausstellungsgegenstand zu deklarieren, zielte genau auf jene von Heidegger beschriebene Störung des alltäglichen Vollzugs ab, entkleidet den Gegenstand seines `lebendigen Seins' und machte ihn derart gefügig für wie auch immer geartete Verwandlungen", a.a.O., S. 25 "Als das ontologisch frühere galt somit die von allen zufälligen und qualitativen Bestimmungen abgehobene materielle Substanz, die dann mittels diverser attributiver Eigenschaftsbestimmungen unterschiedlicher seinsmäßiger Valenz zu einem ganz bestimmten Gebrauchsding `aufgeschichtet' wird". Dies versteht Imdahl unter dem "Dingen des Dings". Heideggers Dingbegriff hingegen ist anders bestimmt, vgl. Körner, a.a.O., S. 27 "Pragmata sind, wie Heidegger sagte, das `Zuhandene', das `Zeug', das zu etwas nütze ist und in diesem Zuhandensein und Nützlichsein sein Wesen hat. Was die traditionelle Philosophie also zum Beiläufigen rechnete, die Funktion eines Dinges, also quasi seine Substanz". - Körner S. 31 "So wie in dieser Störung der Flaschentrockner als Flaschentrockner sich gleichsam `verabschiedet', um die schöne Heideggersche Wendung wieder aufzugreifen, bei dieser `Verabschiedung' aber das alltäglicheFlaschentrockner sein als gestörtes, verfremdetes erst ins Offene kommt, ausdrücklich wird, ebenso kommen Museum und Ausstellung in der Störung ihrer alltäglichen Funktion ins Helle, werden `auffällig', `aufdringlich' und `aufsässig'." - Vgl. Henry Miller, Wendekreis des Steinbocks, "Nur das Objekt verfolgt mich, das Abgetrennte, losgelöste, nichtssagende Ding (...) Was es auch war, es ermöglichte mir, mich aufzuschließen, mich hinzugeben, meine Unterschrift zu erteilen (...) Ich war von einer verschrobenen Liebe zum Ding an sich erfüllt, nicht aus einer philosophischen Neigung, sondern aus einem leidenschaftlichen Verlangen heraus, so als ob indem abgelegten, wertlosen Ding, das jedermannan gedeutet ließ, das Geheimnis meiner Wiederbelebung enthalten sei": Zit. nach (Kat.) Faszination des Objekts Museum moderner Kunst, Wien 1980, S. 12 (Dieter Schrage) "Die Vorherrschaft der Gebrauchsbeziehung ist vorwiegend ein Ergebnis des fortschrittsgläubigen, materialistisch orientierten (bürgerlich kapitalistischen) 19. Jahrhunderts. Vor dieser Zeit war die Subjekt-Objekt-Beziehung oft wesentlich anders". - Alfred Kubin, Die andere Seite, Neuaufl. 1962, S. 103 "Einer überraschenden Art des Staunens wurde ich fähig. Herausgerissen aus dem Zusammenhang mit den anderen Dingen gewann jeder Gegenstand eine neue Bedeutung". - Octavio Paz, Essays 2, Frankfurt 1980, S. 264 "Nie können wir den Gegenstand an sich sehen; immer ist er erhellt von dem Auge, das ihn betrachtet, immer ist er geformt von der Hand, die ihn streichelt, ihn preßt oder ergreift. Der Gegenstand, der sich in seiner lächerlichen Wirklichkeit eingerichtet hat, wie ein König auf einem Vulkan, verändert auf einmal seine Form und verwandelt sich in etwas anderes. Das Auge, das ihn betrachtet, macht ihn weich wie Wachs; die Hand, die ihn berührt, formt ihn wie Ton. Der Gegenstand wird subjektiviert. Oder wie ein Held von Achim von Arnim sagt: `Mit Not unterscheide ich, was mit den Augen der Wirklichkeit ich seh, von dem, was ich mit den Augen der Imagination sehe! Offensichtlich handelt es sich um dieselben Augen, nur daß sie verschiedenen Mächten dienen. Und so beginnt eine umfassende Verwandlung der Wirklichkeit. Der surrealistische Gegenstand wird als Kind des Verlangens geboren".

(39) Zur Ideologie von Sehen-Lernen. Hilla und Bern Beche, in: Visuelle Kommunikation, Hrsg. Von Herrmann K.Ehmer, Köln 1971. Bert Brecht, Der Dreigroschenprozeß, in: Gesammelte Werke, Frankfurt 1960, Bd. 18, S. 161-162. - Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt 1963. - Vgl. Bernhard Kerber, in (Kat.) Bernd und Hilla Becher, Eindhoven, Van Abbemuseum 1981, S. 5-9.

(40) Jörg Merkert, in (Kat.) Metamorphose des Dinges, Kunst und Antikunst, 1910-1970, Berlin, Nationalgalerie 1971, S. 80.

(48)Rainer Crone, Andy Warhol, Hamburg 1970.

(49) Gerd Bergfleht, Theorie der Verschwendung, in: Georges Bataille, Das theoretische Werk, Bd. 1, Berlin 1975, S. 99 unter Rückgriff auf Heidegger, Das Ding, in: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1954, S. 179. - T.W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit, Zur deutschen Ideologie 1964. -Friedrich Wilhelm von Hermann, Heideggers Philosophie der Kunst. Eine systematische Interpretation der Holzwege-Abhandlung "Der Ursprung des Kunstwerks", Frankfurt 1980, S. 304, vgl. S. 305, S. 47, 51. -Gautier, Madamede Maupin, Vorwort 1834, zit. nach Jörn Merkert 1971, S. 80, S. 397.

(50) Zitate Read, a.a.O., S. 83; Giedion Welcker, a.a.O., S. 110; Trier, (Anm. 1) Bildhauertheorien, S. IX. - Stefanie Pole, Hans Arp, Die Formensprache im plastischen Werk, Stuttgart 1968, S. 107 "der zweiteilige, in `Tour' (kat. Nr.26) dreimal vorhandene Körper kehrt sowohl als integrierter Bestandteil in `Figure sans nom' von 1957 wieder, als auch mit zwei Deckplatten, oben und unten versehen, als Sockel für die `sculpture à être perdue dans la forêt' (WK, Dr. 10) von 1932, in der New Yorker Arp-Ausstellung von 1958, als auch in dieser letzten Form, nur mit verschiedener Patina für die skulpturalen Dekoplatten-Teile als unteres Element der Colonne der êve von 1958 (WK II, Nr. 172; Abb. 155)".


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