Rundgespräch zur Architekturtheorie

9. Jg., Heft 2
März 2005
   

 

___Gerd de Bruyn
Stuttgart
  Undisziplinierte Architekturtheorie(n)

 

   

Zu den weit verbreiteten Klischees innerhalb der Architektenschaft gehört die Auffassung, schlechte Zeiten für das Bauen seien gute Zeiten für die Theorie. Da ist ja durchaus was Wahres dran, doch wäre es völlig falsch, hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, Architekten könnten sich in Zeiten drängender Bauaufgaben ohne Theorie durch die Praxis schlagen. Wohl haben sie es oft genug versucht und dabei den Antiintellektualismus des Tatmenschen als Freibrief der eigenen Theorieferne ausgegeben. Wollte man aber hieraus den Schluss ziehen, Bauen und Denken dürften getrennte Wege gehen, würde man nur dem Vorurteil zuarbeiten, die kritische Selbstreflexion der Architektur sei eine nachgeordnete Tätigkeit – ein überflüssiger Luxus und Lückenbüßer, auf den Architekten immer dann zurückkommen, wenn sie sich an ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Bauen, gehindert sehen. Richtig ist zwar, dass bei ausgreifender Bautätigkeit die Zeit zum Schreiben fehlt, und richtig ist auch, dass der Erfolg blind macht, doch lässt sich das Denken nicht mehr abschalten, hat man erst damit angefangen.

Das „Institut Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen“ (igma) wurde 1968 gegen die Theoriefeindlichkeit einer epigonalen Moderne gegründet und hatte sich zudem gegen einen feindseligen Ideologieverdacht zu behaupten, der aus der Mitte der Studentenbewegung gegen die Architekturtheorie erhoben wurde. Um beidem zu widerstehen, wählte das igma den Weg, architekturtheoretische Seminare und konzeptionelle Entwurfsthemen anzubieten, ohne einen Unterschied zwischen den Ambitionen der Praxis und ihrer kritischen Reflexion zu machen. Und selbstverständlich gilt für uns heute noch: Anspruchsvolles Bauen kann nicht theorielos sein (und war es wohl auch nie); und ebenso wenig vermag eine Theorie, die mehr sein will als eine Analyse der jüngeren Baugeschichte, ohne Entwurfslehre zur zeitgenössischen Architektur aufzuschließen. Sie muss dies aber wünschen, wenn sie ihrer ureigenen Aufgabe gerecht werden will, dem Bauen diejenigen intellektuellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Impulse zu geben, die es erst zur Architektur machen. (Häring hätte umgekehrt von einer Architektur gesprochen, die sich zum Bauen fortentwickeln muss. Warum auch nicht? Hier geht es ja nicht um Begriffe, die bereits reichlich antiquiert klingen, sondern um eine Tendenz.)

Architekturtheorie ist Legitimationstheorie. Allerdings in ketzerischer Weise: Statt Propaganda zu machen für einen bestimmten Architekturstil oder ein erfolgreiches Büro, stellt sie das Bauen radikal infrage und schreckt auch nicht davor zurück, die Architektur abzuschaffen, sobald sie Gefahr läuft, ihre kulturelle Bedeutung einzubüßen, um sie sogleich neu zu erfinden. Doch bei aller Kritik, Verneinung, Feier und Wiedergeburt des Architektonischen bleibt eine Gewissheit bestehen: Wie alle anderen Künste – wie Musik, Literatur, Film, Theater, Tanz und Malerei – zählt auch die Architektur zu den unverzichtbaren ästhetischen Aktionsfeldern des Menschen. „Schönheit“ und Nutzen, ob sie nun programmatisch in eins fallen oder provokativ auseinander treten, bilden ihre Hauptkomponenten und machen die Architektur zum Gegenstand kultureller Diskurse. Aus diesem Grund gibt es ja auch kein Definitionsmonopol, weder für den erfahrenen Baumeister oder gepriesenen Stararchitekten, die für sich reklamieren, sie allein wüssten, was Architektur sei, noch für den Politiker, der den Einfluss hat, und den Investor, der über das nötige Geld verfügt, um der regionalen und internationalen Baukultur die Richtung vorzugeben.

Legitimation und Definition der Architektur bilden die Gegenstände eines Fachs, dessen Grenzen porös sind. Nicht nur gegenüber der Gesellschaft und ihrem Mitspracherecht in Sachen Kunst und Kultur, sondern genauso gegenüber allen Geistes-, Gesellschafts- und Naturwissenschaften, deren Argumente und Methoden die Architekturtheorie inspirieren, um von hier aus experimentelle Entwurfsideen und eine innovative Baupraxis anzufachen. Doch wie durchlässig ihre Demarkationslinien auch immer sein mögen – die Architekturtheorie prallt selber an eine Grenze, wenn sie zum Akteur einer Verschmelzung von Kunst und Alltag bzw. der Überführung von Kunst in Lebenspraxis werden wollte. Letzteres mag zwar für alle gestalterischen Disziplinen, die einen Gebrauchswert haben, eine rechtmäßige Forderung darstellen, eine Utopie, auf der die selbst ernannten Erben der historischen Avantgarden weiterhin bestehen dürfen – doch erscheint uns ja die Gefahr der Barbarei, die auf das Ende der Kunst folgen könnte, inzwischen gewisser denn je.

Aus diesem Grund betont die Architekturtheorie die ästhetische Bedeutung der Architektur. Sie ist mithin nicht nur eine Theorie, die Architektur definiert und legitimiert, sondern sie ist auch eine ästhetische Theorie, die jene Aspekte eines Entwurfs oder eines Gebäudes identifiziert, die das bessere und gerechtere Leben symbolisieren, über das die Menschheit seit langem spekuliert, ohne es je verwirklicht zu haben. Architekturtheorie interpretiert die Symbolisierungsleistungen der Architektur, reichert sie mit neuen Erzählungen an, redet sie groß und verteidigt sie gegen die instrumentelle Vernunft, die das Bauen der kapitalistischen Ökonomie unterwerfen möchte. Doch damit nicht genug. Die Architekturtheorie versteht sich keineswegs darauf, die Ästhetik des Bauens, wie manche mutmaßen, gegen die Soziologie, Psychologie und alle anderen Disziplinen zu verteidigen, die der Architektur ihre sozialen und funktionalen Aufgaben ins Stammbuch schreiben. So wie das avancierte Bauen unsere ästhetischen Erfahrungen bereichert und unser Verhalten im Raum gegen die Norm korrigiert, so bleibt es doch immer den Nöten des Alltags unterworfen. Die Architektur steht vermittelnd zwischen beiden Polen, zwischen Leben und Kunst, und die Architekturtheorie hilft ihr dabei, das Gleichgewicht zu halten. Ein Gleichgewicht freilich, das schon lange nicht mehr humanistischer Proportionen bedarf, sondern größte Disharmonien aushält, solange Material und konstruktive Berechnungen stimmen.


Etymologische Herleitung
Im Griechischen theoría lebten Bedeutungen wie „Untersuchung“ und „Schaulust“ oder „wissenschaftliche Erkenntnis“ und „Schauspiel“ noch ungeschieden beisammen. Theorie bedeutete daher zweierlei: eine Betrachtung, die Mühe bereiten mag und dennoch ein Fest ist, denn im anschaulichen Denken der Griechen glich die theoría einem Festzug, der eine reiche Beute an neuen Erkenntnissen durch die Landschaft des lustvoll Angeschauten mit sich führt. Eine ähnliche Doppeldeutigkeit gilt für das Wort architékton, das als „Baumeister“ und – man höre und staune – als „Theaterpächter“ übersetzt werden kann. Das Theater oder Schauspiel scheint der Dreh- und Angelpunkt dieser Begriffe zu sein. Wie sie miteinander verbunden sind, demonstrierte Scharoun 1959 bei der Einweihung seiner Gebäudegruppe „Romeo und Julia“ in Stuttgart-Zuffenhausen. Damals trat er als Architekt und Impresario auf und ließ Studierende der Hochschule für Darstellende Kunst Szenen aus Shakespeares gleichnamigem Theaterstück im amphitheatralischen Innenhof der „Julia“ aufführen.

Der Gedanke liegt nahe, dass Architektur und Theorie von ihrem griechischen Ursprung her aufs Engste miteinander verknüpft sind – und zwar auf beiden Wortbedeutungsebenen. Darüber, dass Theaterpächter und Schauspiel im Zusammenhang stehen, muss man nicht lange reden. Aber auch der Architekt, der von alters her (arché) ein Handwerker und Baukünstler (tékton) ist, scheint dem Theoretiker recht nahe zu stehen, weil das Verb tektaínomai, das in architékton eingegangen ist, „bauen“ und „erfinden“ bedeutet. Architekten bauen Häuser und erfinden Neues, und  der Theoretiker, der dieses Neue betrachtet und analysiert, gibt dabei selbst ein Schauspiel ab, dem wiederum ein Publikum beiwohnt, mit einem Architekten in seiner Mitte, der das Theater, das die Theorie feiert, gebaut oder gepachtet hat. – Ein Verwirrspiel, gewiss, dessen besonderer Reiz in der Vieldeutigkeit und gegenseitigen Öffnung der Begriffe Architektur und Theorie besteht.


Zwei Arten Architekturtheorie
Um deutlich zu machen, um welche Verwirrungen und Entwirrungen es am igma geht, möchte ich zwei Arten von Architekturtheorie unterscheiden. Die erste lehnen wir schweren Herzens ab, obschon sie weit eher als die zweite in der Lage ist, die „Wissenschaftlichkeit“ unseres Fachs zu behaupten. Freilich geht dies nicht ohne „Disziplinierung der Disziplin“ ab. Sie stellt sich auf der Suche nach den „wahren“ Gegenständen der Architekturtheorie ein, nach ihrer Essenz und ihrem ureigenen Territorium, das zu einer uneinnehmbaren Festung ausgebaut wird, um dem Fach die Autonomie und Würde einer unverwechselbaren wissenschaftlichen Zunft zu geben. In deren Zentrum steht vor allem die Theoretisierung der Tektonik als ein Aspekt des Bauens, der uneingeschränkt in den Kompetenzbereich der Architektur gehört.

Das unbewusste oder offen angestrebte Ziel einer von ihren Nachbarwissenschaften deutlich unterschiedenen, „disziplinierten“ Theoriebildung lautet, eine Architekturwissenschaft nach dem Vorbild der Kunst-, Literatur- und Musikwissenschaft zu etablieren
– mit der Folge, dass Theorie und Praxis entkoppelt und in verschiedenen Fakultäten oder sogar Hochschulen angesiedelt werden. Trotz der wissenschaftlichen Verdienste von Kollegen, die in diese Richtung wirken, glaube ich, dass diese Position zur Historiographisierung einer Architekturtheorie führt, die sich von den Entwurfslehrstühlen abnabelt und von Wissenschaftlern verwaltet wird, die keine Architekten, zumindest keine praktizierenden Architekten mehr sind. Eine solche Theoriebildung wird schon bald jeden Kontakt mit der Praxis einbüßen und sich als reine Geisteswissenschaft in die Bau- und Kunstgeschichte zurückziehen. Damit gewinnt sie an bildungsbürgerlichem Interesse und – wird folgenlos.

Ich finde das nicht erstrebenswert, obschon ich kein Architekt bin. Ich wäre sehr gerne einer geworden, und verstehe mich darum nicht als typischer Repräsentant, sondern als Statthalter einer Disziplin, die unbedingt in der Architekturfakultät verbleiben und möglichst von aktiven Architekten betrieben werden sollte. Freilich nur von solchen, die eine Synthese zwischen Theorie und Praxis anstreben. Für ihre Ausbildung fühlt sich das igma in besonderer Weise verantwortlich. Weil aber der Keim zu einer solchen Auffassung in den Studenten immer weniger vorausgesetzt werden kann, ihnen vielmehr erst eingepflanzt werden muss (frei nach Sullivans Motto „Remember the seed-germ“), scheint es mir ganz selbstverständlich, dass eine die Praxis anleitende Theorie das Architekturstudium von Anfang an begleiten muss – nicht als Nebenfach, sondern als Hauptfach. Und sie sollte darum auch bei der Umbildung des Diplom- zu einem Masterstudiengang bereits als tragende Säule der Ausbildung zum Bachelor eingeplant werden.

Kommen wir also auf die zweite Art von Architekturtheorie zu sprechen, die der „disziplinierten“ als Antipode gegenübersteht. Ihre Wurzeln finden sich nicht bei Schinkel, sondern Semper, nicht in der wissenden Klassik, sondern in der fragenden Romantik, und in ihrem Zentrum steht darum auch nicht die Theoretisierung der Tektonik, wohl aber der Diskurs über die Bedeutung und Aktualität der Textur. Diese ist kein Spezifikum der Architektur, die deshalb auch keinen Besitzanspruch darauf erheben kann
mit der Folge, dass in der Theorie Tür und Tor der Einflussnahme durch andere Künste und Wissenschaften offen stehen. Aus diesem Grund spreche ich von einer „undisziplinierten“ oder „offenen“ Theorie. André Corboz beschrieb sie mit den Worten: „Wir müssen den grundlegenden Nutzen der Disziplinlosigkeit anerkennen und eine aktive Sympathie für die Ketzer von Borromini bis zu den Expressionisten entwickeln, weil sie das Verdienst haben, Überlebenschancen für die Architektur zu eröffnen.“

Genau um dieses Überleben in einer Zeit der Krise geht es und darum, einen erweiterten Architekturbegriff zu entwickeln, der es der Architektur ermöglicht, auch in Zukunft trotz und gerade wegen ihres künstlerischen und praxisorientierten Charakters als universitäres Fach bestehen zu können und ernst genommen zu werden. Letzteres ist um so wichtiger, da die Forderung nach interdisziplinärer Arbeit, die allenthalben erhoben und durch aufwändige Forschungsprogramme unterstützt wird, weniger eine Erfolgsstory ausgelöst hat, als ein Symptom der ungebremsten Spezialisierung der Wissenschaften darstellt. In dieser Situation, in der trotz aller interfakultativen Cluster und Graduiertenkollegs die Isolation der Disziplinen und die Dichotomisierung der Geistes- und Naturwissenschaften weiter zunimmt, leuchtet der sinkende Stern der Architektur kräftig das zerklüftete Terrain unserer Wissenschaftslandschaft aus, um uns in der architektonischen Verbindung von Theorie, Praxis, Kunst und Technik die letzte Möglichkeit einer Versöhnung von homo faber und homo ludens aufzuzeigen.


Zwischen den Kulturen
Aufgrund des der Architektur immanenten alternativen Wissenschaftsbegriffs beschränkt das igma seine Arbeit nicht darauf, in den programmatischen Texten der Moderne versprengte Theoriefragmente auf ihre Aktualität zu untersuchen. Wir verstehen Architekturtheorie als ein breit angelegtes Fachgebiet, als einen Köcher, der durch die reichen Fischgründe des Wissens gezogen wird und dabei die für den Okzident so fatale Kluft zwischen den Disziplinen ignoriert. Die Forderung nach einem universellen, Theorie und Praxis versöhnenden Wissen, hatte schon Vitruv den Architekten ins Stammbuch geschrieben. Und als hätte er geahnt, dass man ihm einst in Zeiten fortgeschrittener Arbeitsteilung die Unmöglichkeit seines Ansinnens vorhalten werde, verschanzte er sich hinter der schwer widerlegbaren Behauptung, alle Wissenschaften stünden untereinander in Verbindung und Gemeinschaft. An dieser Vorstellung hielten noch die Totengräber des Vitruvianismus fest
– an vorderster Front Gottfried Semper, der gleich große Kenntnisse in den Geistes- und Naturwissenschaften aufwies und darum seinen Zeitgenossen suspekt war.

Dennoch begann der Gedanke zu keimen, die Architekten seien dazu berufen, den Menschen die komplizierten Baupläne der Natur zu erklären und in die allgemein verständliche Gestalt ihrer Gebäude zu übersetzen. Zunehmend sah man im Bauen, Planen und Entwerfen das Potenzial unserer Kultur, abstrakte wissenschaftliche Erkenntnisse und unsichtbare Prozesse in Technik und avantgardistischer Kunst sinnlich anschaulich, nutzbar und im buchstäblichen Sinne begreiflich zu machen. Als zudem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich wurde, dass die Welt nicht nur unübersichtlicher geworden ist, sondern in der Maske des technischen Fortschritts immer befremdlicher scheint, sprach man gar davon, die Architektur müsse den „antiquierten Menschen” mit der Moderne versöhnen. Giedion traute ihr dies zu, da er ohnehin der Überzeugung war, die moderne Architektur habe Einsteins Konzeption der Raum-Zeit baulich verwirklicht und popularisiert.

Seitdem reißen die Versuche nicht ab, neueste Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik mit Hilfe der Architektur zu veranschaulichen, die von diesem Vorgang nicht wenig profitiert hat. Und umgekehrt sind schon wichtige Entdeckungen in den Naturwissenschaften durch ein Bauen und Konstruieren, das C. P. Snows These von den zwei Kulturen Lügen straft, angeregt worden. Hierzu gehört die spektakuläre Auffindung der für die Chemie und Nanotechnologie so wichtigen Fullerene, das sind kugelförmige Kohlenstoffmoleküle, deren Konstruktion erst mit Hilfe der sphärischen Kuppeln Buckminster Fullers entdeckt werden konnten. In dieser Tradition, die ihre Fortsetzung in Stuttgart durch Frei Otto erfuhr, möchte das igma zum einen die Genese der bedeutendsten Beispiele einer die Wissenschaften, Künste und Technik zusammenführenden Architekturtheorie rekonstruieren. Zum anderen geht es uns um die praktische Relevanz dieses Ansatzes, der sich ja nicht nur die architektonische Versöhnung von Mensch und Technik zum Ziel setzt, sondern dazu beitragen will, unsere Lebenswelt durch sinnvolle Produkte zu verbessern.

Diese Produkte, die vor allem in Kooperation mit der Textilindustrie entstehen sollen, sind architektonisch im weitesten Sinne. Das ist umso nötiger, als die Architekten mehr denn je gezwungen sind, ihren Tätigkeitsbereich über das reine Bauen und Planen hinaus zu erweitern. Und das nicht allein aus wirtschaftlichen Erwägungen, sondern um auf eine grundsätzliche Not zu reagieren, die durch das Bauen allein nicht behoben werden kann und dennoch in den Zuständigkeitsbereich des Architekten fällt. Martin Heidegger beschrieb einst diese Not mit den Worten: „dass die Sterblichen das Wohnen erst lernen müssen”. Gemeint ist, dass die Architekten Strategien entwickeln sollen, die es uns als Lebewesen möglich machen, in einer technisierten Welt Fuß zu fassen. Das aber bedeutet, sich als Architekt auf die Konzeption von interfaces zu konzentrieren, die gegenwärtige und zukünftige Interaktionen zwischen Mensch und Maschine regeln.


Die Wahrnehmung der Stille
Während die Werke der Malerei an das Auge und die der Musik an das Ohr appellieren, scheint es für die Architektur kein spezifisches Sinnesorgan zu geben, mit dessen Hilfe sie rezipiert wird. Folgende Beschreibung drängt sich auf: Zwar erreichen uns Gebäude aus der Ferne über den Gesichtssinn, doch im Prozess der Annäherung und ganz sicher beim Betreten eines Hauses, wenn uns die Architektur buchstäblich verschlingt, wirkt sie zunehmend auf alle Sinne des Menschen. Das kann so weit gehen, dass man die Augen schließt und den Raum, in dem man sich befindet, zu hören, zu riechen und einzuatmen beginnt. Oder aber man tritt an einzelne Bauteile heran, um sie zu betasten und die haptischen Eigenschaften der Oberflächen zu spüren. Begehrend streichen unsere Hände über unregelmäßige Wände und die reliefartigen Erhebungen der Ornamente.

Was aber wäre, wenn wir uns in der gleichen Weise, in der wir sagen, die Musik erwartet von uns das Zuhören und die Malerei das Sehen, fragen würden, was denn die Architektur von uns erwartet? Müssten wir dann antworten: als erstes das Sehen, dann das Hören, Riechen und Tasten? In seinem Buch Silence (1954) behauptet der Komponist John Cage, das Hören der Musik werde durch das Sprechen behindert, dadurch also, dass die Menschen den Tönen und Klängen, denen sie ausgesetzt werden, stets „ins Wort fallen”. Ähnliches könnte man auch von der Malerei sagen: Das Sehen, das sie von uns fordert, läuft immer wieder Gefahr, durch das Sprechen gestört zu werden. Das Sprechen ist der Versuch, dem horror vacui zu entrinnen und damit jener Stille, die sich in Musik, Dichtung und Malerei entfaltet. Kunst ist das Verstummen des zweckgerichteten Sprechens, das zerstörend, okkupierend und bestimmend in das Reich der Stille einfällt. Stille bedeutet aber nicht, dass nichts zu hören ist, sondern dass das richtige Hören und Sehen erst beginnen kann. Cages Silence meint: Mund und berechnender Verstand stehen still, damit sich die ungehörten Klänge und ungesehenen Farben, damit sich alle Formen und Geräusche dieser Welt ungehindert ausbreiten können.

Doch ist nicht die Architektur der Geburtsort der Stille? Verkörpert sie nicht das gesammelte Schweigen der Menschen? Erst wenn man sich aus der phänomenologischen Erfahrung des Raumes herauslöst, beginnt er sich mit Sprache zu füllen. Umso mehr Nachhall er entwickelt, desto mehr lauschen wir dem Verklingen der Stimmen und gehen in die Stille des Raums ein. Die Unterdrückung des Schalls kommt nahezu einer Ausschaltung des Architektonischen gleich. Vielleicht gibt uns ja die Stille des Raumes, die allein die Architektur hervorruft, (im Gegensatz zur Stille der Alltagsgeräusche, die die Musik, und zur Stille der Farben, die die Malerei produziert) einen Hinweis auf das Sinnesorgan, an das die Architektur in erster Linie appelliert: den Tastsinn. Die architektonische Stille wäre dann nicht das Produkt  des Hörens oder Sehens, sondern das der niederen Sinne – des Tastens, Riechens und Schmeckens. Mit ihrer Hilfe regrediert der Mensch zum „Gallwespenbaby” (Hermann Finsterlin) oder Embryo, der im Fruchtwasser des Mutterleibs schwimmt.

Eine solch gewaltige Regression gestattet wohl keine andere Kunst, allein die Architektur, und das auch nur deshalb, weil ihre Konzeptionen und Konstruktionen weit mehr an den Verstand gerichtet scheinen als die Erscheinungen des Rationalen in den anderen Künsten. Nur weil beides in Gebäuden besonders krass aufeinander prallt – das „Mathematische” und der Appell an die niederen Sinne – konnten sich Finsterlin oder Friedrich Kiesler an den Entwurf ihrer pränatalen Architekturen machen. Nur die Architektur erwartet, dass wir ihre Räume auch im Dunkeln spüren, dass wir sie mit unserem „Körpersinn”, mit der Empfänglichkeit unserer Haut, zu ertasten suchen, um allmählich auch den Verstand einzuschalten, der sich über Fragen des Stils, der Konstruktion, der Proportionen etc. Aufschluss zu geben sucht.

Wer in einem Gebäude zu sprechen beginnt, ohne zuvor dessen Wirkung auf seinen Körper gespürt zu haben, ist in der Architektur noch nicht angekommen und bleibt, mit den Worten John Cages, ebenso dumm wie das Publikum, das seine Langweile, die es während eines unverstandenen Musikstücks empfindet, mit Geflüster zu überbrücken sucht. Die Architektur lehrt uns die Stille auszuhalten und den (perzeptiven) Zustand des sprachlosen Menschen, der primär „fühlt“, mit dem (apperzeptiven) Zustand des sprechenden Menschen zu verbinden, der die Räume vermisst und analysiert. Damit kommt die Architektur zugleich ihrer Aufgabe nach, die anthropologische Antiquiertheit des Menschen mit dem davonstürmenden technischen und wissenschaftlichen Fortschritt zu versöhnen. Architekturästhetik wäre demnach die Lehre von der Stille, in der die leibhafte Erfahrung der Architektur möglich wird, und sie wäre zugleich die Lehre von den architektonischen Potentialen, die den Menschen in der entfesselten Moderne zur Verfügung stehen, um ihre Sinnlichkeit und Verstandeskräfte einigermaßen in Einklang und Übereinstimmung zu bringen.


Die Schrift der Architektur
Der Erfahrung stiller Räume folgt die Entzifferung beschrifteter Wände auf den Fuß. Hierbei stellt sich die Frage, ob ein Gebäude nur die Unterlage einer Schrift bildet, die sich in seine Textur als Fassadengliederung und Ornamentik eingraviert hat, oder ob es das Gebäude im Ganzen ist, das diese Schrift verkörpert. Diese Frage veranschaulicht einen alten Streit auf neuer Ebene: Den Streit der „alten“ Fassadenkünstler, die behaupten, das Ästhetische müsse der Architektur in Gestalt von edlen Materialien, Schmuck, Farben und Ornamenten wie ein Sahnehäubchen aufgesetzt werden, mit den modernen Puristen, die die Fassade abgeschafft haben und fordern, die Architektur müsse sich von allem überflüssigen Zierrat befreien, ihn als Eiterbeule, Grind und Schmutz von ihren Wänden schlagen, damit darunter der nackte Baukörper in seiner stummen Schönheit und Wahrheit zutage treten könne.

Schon Nietzsche hatte die bürgerliche Tugend, den Gehalt der Kunstwerke stets hinter den Fassaden schöner Formen, Worte und Klänge zu vermuten, als Heuchelei bloßgestellt und die Artistik sinnlicher Oberflächen zur eigentlichen Tiefe der Kunst erklärt. Demgegenüber urteilte Walter Benjamin über die kargen Interieurs der Moderne, sie würden zu den selbstbewussten Proletariern passen, die sich ihrer Armut nicht länger schämen wollten. Zudem seien asketisch möblierte Wohnungen bequem genug, um darin nach getaner Arbeit ausruhen und träumen zu können. Doch von was? Benjamins überraschende Antwort in „Erfahrung und Armut“ lautet: von der Micky Maus. Ihr Leben sei voller Wunder: „Natur und Technik, Primitivität und Komfort sind hier vollkommen eins geworden, und vor den Augen der Leute, die an den endlosen Komplikationen des Alltags müde geworden sind, erscheint erlösend ein Dasein, das auf die einfachste und zugleich komfortabelste Art sich selbst genügt.“

Tatsächlich erklärte sich die moderne Kulturindustrie zuständig für die Phantasien, die das Neue Bauen aus seinen Fassaden entfernt hatte. Le Corbusier hat diesen Sachverhalt mit aller Deutlichkeit in der Villa Schwob (1916) inszeniert, deren Straßenfassade vom Motiv des leeren Bilderrahmens beherrscht wird. Man könnte sie auch als eine Kinoleinwand beschreiben, die nur darauf wartet, dass auf sie ein Disney-Film projiziert wird. Seine „Ästhetik des Geizes” führte dazu, dass die leer gefegten architektonischen Oberflächen zu Projektionsflächen für Träume wurden, die sie nicht selbst evozierten. Unbewusst kollaborierte der moderne Purismus mit den Verführungskünsten der Massenmedien. Dieser Umstand beschreibt die Sprachlosigkeit des Neuen Bauens, die gewollt war. Schon der Volksmund weiß: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das galt auch für moderne Architektur, für ihre stummen Fassaden und wortkargen Manifeste. Nicht Häuser sollten sprechen, sondern Menschen, die in ihnen wohnen und arbeiten. Dieser Losung fiel die Fassade zum Opfer und ebenso ihr Vokabular: die Ornamente.

Das war konsequent gedacht, nicht jedoch im Sinne Sempers und seiner Nachfahren in Wien und Chicago. Dass er die architektonische Textur auf das Weben und Flechten der ältesten Kulturen zurückführte, macht zweierlei deutlich. Erstens: der textile Ursprung der Architektur ist zugleich ihr modernes Ziel. Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass textile Baustoffe dem Beton, Stahl und Glas den Rang ablaufen und künftige Raumbegrenzungen in sensitive Hüllen verwandeln werden, die organischen Häuten ähneln. Zweitens: Sempers Hinweis auf die Geburt der Architektur aus dem Geist der textilen Kunst stellt der Fassade die Aufgabe, eine Erzählung zu sein. Dabei gilt: Den Text eines Bauwerks dürfen wir weder in dem vermuten, was verhüllt wird, noch in dem, was enthüllt wird. Wir müssen ihn in der Hülle selbst suchen.

Der Text eines Bildes oder eines Bauwerks ist fester Bestandteil seiner Textur, um überhaupt in Erscheinung treten zu können. So wäre also das Verhüllen und Maskieren stets auch ein Vorzeigen. Und die kostümierte Fassade wäre mithin das Medium, in dem sich das Verborgene aufhält. Zumal ja unter der Maske der Architektur nicht wirklich ein Gesicht steckt, das man entdecken könnte. Die Fassade eines Hauses ist Gesicht und Maske zugleich. Und auch der Mensch, der hinter eine Maske schlüpft, verbirgt nicht einfach nur sein Antlitz. Er möchte uns sein anderes Ich zeigen und etwas preisgeben, das unter Umständen mehr über ihn verrät als ihm lieb sein kann. Doch welche Botschaften Masken auch verbreiten wollen, stets gilt, man muss sie dechiffrieren können. Man muss in der Lage sein, die Motive einzelner Menschen und ganzer Kulturen, die sich verkleiden, in der Bildersprache ihrer Kostüme wiederzuerkennen.

Architekturtheorie heute resümiert, dass sich die asketische Eleganz „materialgerechter“ Formen aufgebraucht hat. Immer schmerzlicher registrieren wir, welch jähes Ende der sich verschwendenden Architektur durch den Sieg des stummen Kubus über die beredte Textur bereitet wurde. Und sie fordert darum die Architekten auf, sich an Wrights frühen Text „Die Kunst und Fertigkeit der Maschine” (1901) zu erinnern, in dem die Architektur als universelle Schrift der Menschheit beschrieben wurde, über die die Literatur „nur“ mit Hilfe des modernen Buchdrucks triumphieren konnte.

Mit der Wiederentdeckung der Architektur als Schrift geht auch die Rehabilitierung der Fassade einher. Sie ist urban, sobald ihre Ornamente einen Text schreiben, der den öffentlichen Raum konstituieren hilft. Einige ambitionierte Architekten haben längst erkannt, dass ihren Gebäuden ein wenig Maskerade und Faschingslaune gut steht. Und viel wichtiger noch: es kommt sogar gut an. Zunehmend werden wir mit Bauwerken konfrontiert, deren ästhetische Qualität einer breiten Öffentlichkeit diskutabel erscheint, ohne dass darüber die Fachwelt pikiert wäre. Der Laie findet ein Gebäude gelungen, beeindruckend oder schön, weil er sich an seiner äußeren Gestaltung erfreut. Der Kräfteverlauf kümmert ihn nicht. Die interessantesten Architekturen unserer Zeit scheinen das erkannt zu haben und versuchen deshalb, die Botschaft und Ausstrahlung ihrer Oberflächen in den Vordergrund zu stellen. Die Folge ist: ästhetisch ambitionierte Architektur beginnt, populär zu werden.


Architekturtheorie und Popkultur
Innerhalb der sich zuspitzenden Krise der Architektur scheinen sich drei Modelle des beruflichen Überlebens herauszuschälen: Erstens das Rückzugsgefecht, um verlorenes Terrain wieder gutzumachen („Spezialisierung innerhalb des Architekturfeldes”); zweitens die Suche nach internationalen Absatzmärkten („China-Ticket”); drittens die Flucht nach vorn, was soviel heißt wie: den Generalismus ins Extrem treiben, weit über die Grenzen des tradierten Begriffs von Architektur hinaus („Option Pop” oder „Amateur-Sein”). Die Entwurfslehre des igma weiß sich dem dritten Modell verpflichtet. Das aber setzt eine intensive  Auseinandersetzung mit der Kulturindustrie voraus, die das Amateurwesen feiert, weswegen die Popkultur niemals richtig in der Architektur ankommen konnte – trotz Venturi und Archigram. Der Kulturindustrie ist es zuzuschreiben, dass Profi und Amateur das Gegensatzpaar in der kommerzialisierten Kunst bilden – so wie sich in der bürgerlichen Kunst Experte und Dilettant gegenüberstanden.

Verzichtete der Experte zugunsten seines spezialisierten Wissens auf Allgemeinbildung und gab der Projektion des genialen Dilettanten Raum, leistet der Pop-Profi auf alles Verzicht, was ihn dem Verdacht der Intellektualität aussetzen könnte. Er ist im Grunde ein Produkt der Chancengleichheit: jemand, der durch den Genuss spezieller Trainingsprogramme die Bildungschancen aufholen durfte, die ihm durch seine soziale Herkunft versagt waren. Nur wer sich an alte Privilegien klammert, wird diese Entwicklung bedauern und als Untergang des Abendlandes beschreiben wollen. Was auf diese Weise beklagt wird, ist der aufgehende Stern der Mediendemokratie, deren Produkte uns oft genug peinlich anmuten, aber wir wollen ja nicht in eine Vergangenheit zurückfallen, in der fürsorgliche Avantgarden für eine elitäre Kultur votieren, um das moderne Massenpublikum zu bevormunden.

Zur den wichtigsten Kernkompetenzen des „Architekten-Amateurs” gehört das Imagineering. Es setzt sich aus „image” und „engineering” zusammen und beschreibt die Tätigkeit der Ingenieure, Architekten und Multimedia-Spezialisten, die Disneyland und Disneyworld entworfen haben. Mittlerweile hat sich der Begriff verselbständigt und steht für die Produktion von Bildern, die erfolgreich kursieren. Alle Entwürfe am igma beginnen daher mit Leistungen, die in traditionell operierenden Büros stiefmütterlich behandelt werden: Logo-Entwürfe, Kampagnen- und Branding-Konzepte, Strategisches Marketing, Erarbeitung einer Bildökonomie.

Wir bilden keine Studenten aus, die brav auf Aufträge warten, sondern solche, die möglichst virtuos auf der Klaviatur wechselnder Identitäten spielen, um in der Ökonomie der Aufmerksamkeit (Georg Franck) überleben zu können: Morgens geben sie den coolen Marketingstrategen oder den verschwiegenen Treuhänder, mittags blüht ihr tyrannisches Künstler-Ego auf, oder sie schlüpfen in die Rolle des artigen Teamarbeiters, um dann am Abend den souveränen Single, politischen Agitator, die treue Gattin oder den kinderlieben Vater zu spielen. Derart ausgestattet, denken sich unsere Studenten „Direkte Aktionen” als flankierende Maßnahmen aus. Außerdem wenden sie subversive Strategien an, wie das Adbusting, die Überaffirmation, Falschinformation, taktische Religiosität und selbstverständlich – die kritisch-paranoische Methode.

Die Figur des Developers konnte die letzten Jahrzehnte nur deshalb an Boden gewinnen, weil sich im 20. Jahrhundert die Ökonomisierung des Bauens vor allem symbolisch und weniger operativ vollzog. Der enorme Machtzuwachs kaufmännisch gewiefter Akteure auf der Baustelle resultiert nicht zuletzt aus der Unlust der Architekten, ihre ästhetische Sparsamkeit in eine betriebswirtschaftliche zu überführen. Inzwischen aber reicht selbst das nicht mehr aus. Der global agierende Kapitalismus hat sich von einer Agentur der flächendeckenden Ausbeutung in ein Instrument des Vergessens verwandelt. Ganze Städte und Regionen stürzen in sein schwarzes Erinnerungsloch – mit dem Resultat, dass Arbeitskräfte in den Schrumpfungs- und Deökonomisierungs-Zonen überflüssig werden. Architekten sind hiervon direkt und indirekt betroffen. Der Kapitalismus als Motor einer Zersetzung, aus der Semper die Moderne glorreich hervorgehen sah, hat sich in eine Freiheitshölle für „Nichteinmalmehrausgebeutete” (Diedrich Diedrichsen) verwandelt. Daher ist Corporate Mentality das Gebot der Stunde.

Zum Schluss: Schon allein dieser kleine fragmentarische Überblick über die Aufgaben und Themen einer offenen Architekturtheorie zeigt, wie viele Disziplinen in unser Fach hineinspielen. Längst könnte die klassische Anbindung der Architekturtheorie an die Kunst- und Baugeschichte durch den Hinweis relativiert werden, dass ebenso eine Verkoppelung mit der Philosophie, Soziologie, Psychologie, Psychoanalyse, Ökonomie, Literatur-, Film- und Musiktheorie denkbar wäre. Schon allein aus diesem Grund sollte unser Fach aus seiner Not, sich an die Peripherie älterer, selbstbewussterer Disziplinen gedrängt zu sehen, die Tugend machen, sich souverän in deren Mitte einzurichten als eine Wissenschaft, die ihre spezifische Legitimität aus der Kraft bezieht, die anderen Disziplinen zu integrieren und zu gemeinsamen Themenstellungen zu bewegen.

Wenn man schon auf eine solch große Integrationsleistung zu sprechen kommt, stellt sich abschließend die Frage, ob denn die Architekturtheorie auch die Theorie der Stadt und des Städtebaus einbegreift? Einerseits ja, da sich Architekten immer schon mit Hinweis auf Albertis Analogisierung von Stadt und Haus als Städtebauer verstanden haben. Andererseits würde aber mit einer vereinten Architektur- und Städtebautheorie ein Konflikt entschärft, der mir für das Studium sehr nützlich und konstruktiv erscheint. Dieser Konflikt entsteht im Widerspruch einer Planung, die sich der Gesamtheit einer Stadt und Stadtgesellschaft verpflichtet weiß, mit einem Entwurf, der einem einzelnen Objekt gilt (selbst wenn es seine Individualität aus dem städtebaulichen Kontext ableiten sollte). Aus diesem Widerspruch kann die Architekturtheorie Funken schlagen und in den Studenten das Feuer der Intellektualität entfachen. Aber austragen kann ihn ein einzelner Architekturtheoretiker natürlich nicht.


 


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