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Berlin erinnerte sich sehr wohl an diese Zeit,
– und träumte davon, da anknüpfen zu können.
Aber die so lange gehätschelte Stadt hatte
Zukunftsangst, hatte Ordnungsangst, krallte sich wie zur Rückendeckung in
ihre Geschichte. Dem Phantasma einer Identität, die es so, so fortschreibbar
in unserer jungen Stadt nie gegeben hat, nachzujagen mit den Mitteln fast
fundamentalistischer Restauration und Simulation, geriet zur Posse, zur Posse
von der Provinzialität der Metropole.
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Berlin wurde eng, reduzierte
sich ohne Not, aus Angst, sich zu verlieren: an eine jackboot-city, an eine
Knobelbecher-Stadt erinnerten draußen die 'alten Fragen und die alten
Antworten' eines preußisch durchsäuerten Neoklassizismus. |
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Ich kann hier nicht in die Beispiele gehen,
ich kann sie nur antippen, kann zeigen, wie bescheiden Berlin auf die glänzenden
Herausforderungen reagierte, erstickt am Pragmatismus, zufrieden fast jetzt
im banalen Gelingen, möchte andeuten, was dumm gelaufen ist – ein Appell also
an unsere Lernfähigkeit, die so schnell behauptet und die so mühelos
widerlegt werden kann: 'Du nicht, Berlin' – kam die Stimme aus dem Off, bei
einer der letzten großen Wettbewerbsjurys;
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nachtrauern
sollte ich dabei nicht mehr dem Strohfeuer der Euphorie, dem kein new deal,
kein neues Denken, keine erkennbar andere Politik folgte – das Tor, das Brandenburger,
bleibt zu.
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klagen will ich nicht mehr über die großen
Wettbewerbe, deren Aktionismus in die Irre lief: wo die großen
Stadtpotenziale, am Gendarmenmarkt, am Potsdamer und am Alexanderplatz, da,
wo Berlin einen weltweiten Diskurs über Stadt hätte führen lassen können, in
enge Investorengutachten gepresst wurden, da, wo Berliner Spezialitäten aber,
die am Schloss und am Spreebogen, in absoluter Umkehrung jeder
Wettbewerbslogik, zu internationalen Pseudo-Ereignissen hochorganisiert
wurden;
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ich rede nicht
mehr über die angeborene Grauhaarigkeit, die als Berliner Baukultur das müde
Erbe Schinkels, Stülers, das von Behrens und Tessenow hochhielt und damit
deutsche Enge fortschrieb, sich in Identitätstümeleien verstrickte;
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ich rede nicht
mehr über die ohne Ergebnis abgenutzte Kontroverse um die Berliner
Baupolitik, die auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten nichts Besseres wusste, als
ausgerechnet und bezeichnenderweise die Oberfläche der Stadt, den
architektonischen Geschmack über Stein und Glas, über Solidität und High
Tech, über Sprödigkeit und Fabulierfreude, über tektonische, teutonische und
intelligente Häuser als Streitpunkt herauszukitzeln, statt ihre Substanz,
ihre räumlich-defizitäre Struktur auf den Prüfstand zu stellen... – Berliner
Plätze sind gar keine, hieß es dazu schon im vorigen Jahrhundert!
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ich rede nicht mehr über die Friedrichstraße, wo
sich die großen Berliner Blöcke mit der Auslöschung der Parzellenstruktur
unter dem Dogma der Staffelhöhe von 30 m zu erbarmungslos abgefüllten
Solitären verwandelt haben,
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nicht darüber,
dass dieser Berliner Block – nicht auch, sondern gerade der an der
Friedrichstraße – Gegenstand des ersten, großen, internationalen Wettbewerbs
hätte sein müssen, dass seine dann neue stadträumliche Entwicklung, seine
dann neue urbane Qualität Ausgangspunkt hätte sein müssen auf der Suche nach
'neuen Berliner Identitäten'; jenseits
der kritischen Rekonstruktion, – mit einem
zentralen Interesse: der unfruchtbaren Hermetik dieser Blöcke Porosität, also
eine erste Chance auf urbanes Leben zu eröffnen;
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ich
rede nicht mehr über den Potsdamer Platz, wo wir versucht hatten, die neuere
Stadtgeschichte, diese 40-jährige Konfrontation der dritten Art, in ein
räumliches Gleichnis zu gießen, einen zweiten Platz neben dem Leipziger zu
begründen, einen Ort, der die extremen Dimensionen Berlins an dieser Stelle bewahrt,
von 'nur mal über die Straße' bis 'ab in die Wälder', den 'Angriff der
Gegenwart', die Banalitäten von Glas und Granit, so dosiert hätte, dass die
'übrige Zeit', unsere Erinnerung nicht ausgelöscht worden wäre;
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ich rede nicht
vom Nachschlag zum Potsdamer Platz, vom ABB-Areal, wo wir die vier
'Waschmaschinen' als Kritik an den Daimler- Blöcken gegenüber so kombinierten,
dass aus der überschüssigen Baumasse dieser Miniblocks nutzbarer städtischer
Raum gewonnen werden konnte;
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wir wagten einen
Appell an den Instinkt der Metropole, glaubten ganz vergebens an ein Klima
kalkulierter Risikobereitschaft, – dachten nicht im Traum daran, so genannter
Berlinischer Typologie zu folgen.
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Ich
erwähne nur kurz das Spreebogenkonzept, – diese 'megaform as urban
landscape', wie Kenneth Frampton sie bezeichnen würde, – seine wahre
stadträumliche Dimension, vom Moabiter Werder bis zur Friedrichstraße, seinen
langen Atem, der abgeschnürt wurde, dem die Puste ausgegangen ist – nicht
etwa von Bonn stranguliert, das sich mittlerweile eingewöhnt hat in die
Solidarität der Spur des Bundes zwei-, dreimal über die Spree,
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–
nein, die Stadt selbst begriff nicht die Tragweite der Idee, das Besondere
des Bundes in Berlin, begriff nicht die Spur der Institutionen von Ost nach
West,
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quer
durch die Speer'sche Staatsachse, als das für lange Zeit prägende,
stadträumlich wirkungsvollste Bild der neu gewonnenen Bundespräsenz in
Berlin.
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Wir
standen vor diesem hausgemachten Versagen, vor diesem respektlosen Zerwalten
einer so unumstrittenen Idee in Frust und Zorn. Nachdem der verraucht war,
stellte ich meiner Stadt das schlimmste Armutszeugnis aus:
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ich
verspürte Mitleid; zum Beispiel angesichts der Ignoranz gegenüber dem Bürgerforum, wo
Berlin alle Gründe der Welt hatte, sich mit Nachdruck für eine zügige
Realisierung einzusetzen, |

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wo
sich ausgerechnet Berlin einen 'Verrat an der Republik' nachsagen lassen
wird, wenn denn der Bundestag – aber die Zeichen stehen eh schlecht – sich
seiner Verantwortung endlich bewusst wird.
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Zwanzig
Jahre auf die Wirkung frisch gepflanzter Baumalleen zu warten, die die großen
Politbauten zur Rechten und zur Linken zu binden hätten, – unsere gemeinsame
öffentliche Sache, also die res publica des Bürgerforums, auf ein paar
Granitplatten zu verspielen, dieses Bild von einem Niemandsland der Republik
ist so dürftig, dass Heiner Müller dann Recht
behalten hätte:
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‘Eigentlich war Deutschland nie ein Ort, es
war immer eine Utopie.’ Und an dieser ’Utopie ’ hängt jetzt Statur, Maßstab,
Bindung des Kanzleramtes. Ohne die Raumkanten des Forums ist der Bau, für
lange Zeit das, was er nie sein wollte: auch nur ein Solitär.
Statt zusammen mit Forum und Alsenblock den
Rückraum und die Folie für den Reichstag zu bilden, fehlt immer noch die
alles erklärende, begreifbare räumliche Figur im weiten Rund des Spreebogens.
Ein langer Anlauf, um aufs engere Thema zu kommen,
auf die Frage warum, – wenn schon die Produzenten von Architektur und Stadt –
Staat und Kommune, Bauherrn und Investoren, Planer und Architekten – wenn die
schon an jedem Synthesegebot zerbrechen, im Stückwerk herumwursteln,
zufrieden fast schon im müden Gelingen, – warum dann nicht die Kritik,
wenigstens die Kritik, im freien, unbedrängten Nachdenken dieser Krise auf
den Grund gehen will; warum auch sie sich – doch befreit von der Zumutung des
Herstellen-Müssens, der Lust des Herstellen-Könnens – warum auch sie sich
immer nur an den Oberflächen abarbeitet, wie zum Beispiel beim so genannten
Berliner Architekturstreit; immer wieder nur und zu gern in der Komödie von
Stil und gutem Geschmack mitspielt, Lob und Tadel brav auf das jeweilig
angebotene Ereignis justiert, die Soße abschmeckt?
'Complexity and Contradiction', diese Studie
Venturis weg vom Spiel der Formen, der Kennerschaften, aufs Räumliche
gewendet: das hätte, in unserem Metier, das wichtigste Buch des letzten Jahrhunderts
sein können; – den Räumen und ihren Bedingungen nachzugehen, die Quintessenz
von Architektur herauszufiltern, den ganzen gelehrten, schönen Zierrat von
Form und Material ins zweite Glied und die Kraft und die Suggestion der Räume
ins Zentrum kritischer Betrachtung, ins Zentrum unserer Ansprüche zu rücken.
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Nehmen wir also endlich die Schloss-Debatte und
sehen zu, wie auch hier eine folgenlose Kritik historischer Vernunft in die
Irre läuft, wo das Echte und die Fälschung, wo Gut und Schlecht fast wie Gut
und Böse, wo alle feineren, aber vor allem alle fundamentalen Argumente ins
Leere gefallen sind. Unsere Fachwissenschaft hat sich mit all ihrem
ästhetisch-moralischen Rüstzeug brav an der Nase herumführen lassen, – wo
doch schon 1993, mit einem Zwischenruf auf dem Stadtforum, der Kern des
Problems auf den Punkt gebracht wurde: 'Was können wir tun, woran uns das
Schloss 450 Jahre lang gehindert hat?', also mit der Frage nach dem alles
überschattenden, dem stadträumlichen, urbanen Defizit, das das Schloss, vor
allem in seiner Spätphase, erzwungen hatte. |

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Lassen
Sie mich diese Berliner Frage noch einmal stellen, der Kommissionsempfehlung
und dem Bundestagsbeschluss zum Trotz, vor dem Hintergrund eines Medienechos,
eines Kritikversagens, eines Jubelfeuilletons, einer müden Akademie, die sich
ob der Wirkungslosigkeit ihrer Mittel noch einmal aufraffen müsste:
'Niemand wird die Segen stiftende Wirkung des
wiedererrichteten Schlosses für das Neue Berlin bestreiten wollen; niemand wird
unserer von Selbstzweifeln imprägnierten Stadtbaukunst die Kraft zutrauen,
die 'Mitte der Mitte' mit einem zeitgenössisch-großzügigen, urban-festlichen
Plan zu erlösen. Ich bin dieser Niemand'. So oder ähnlich hätte ein Architekt
Lessing eine 'Berlinische Dramaturgie' über die Instinktlosigkeit seiner
Landsleute in allen Fragen städtischen Raumes, in allen Problemen urbaner
Dichte und Intensität beginnen lassen. Aber kein Lessing in Sicht.
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Für ein Linsengericht, für nichts als eine Vedute,
ein Panorama, eine Fassade, eine Illusion, eine Postkarte gibt Berlin – ohne
Not – eine Jahrhundertchance aus der Hand.
Schaute man schon immer mit Sehnsucht auf die
wunderbaren Raumbildungen, Stadtbildungen des Südens, schaut man schon immer
mitleidig auf die vergleichsweise kargen, ärmlichen Hervorbringungen hier in
der Märkischen Streusandbüchse, schleicht sich Wehmut ein: – könnte doch
wenigstens da, wo das Schloss einmal stand, der schreckliche Verlust zum
Guten, ganz ausnahmsweise einmal zum Guten gewendet werden!
Aber es sieht ganz danach aus, als wenn sich ein
unerschöpflich kluges Wort, bald zweihundert Jahre alt, immer wieder als so
traurig wahr erweisen muss: dass alle großen geschichtlichen Ereignisse sich
sozusagen zweimal ereignen, das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als
Farce. Muss denn die alte Burg, die Arx Berolinensis, Tragödie in sich und in ihrer Zerstörung, muss denn nun
wirklich, im anschwellenden Chorgesang der Nostalgiker und Populisten, muss
das Schloss als Farce wiederaufgeführt werden, als Komödie von Tradition und
Geschmack, als Kurzschluss der Vorbilder, als Verrat an der eigenen Zeit, als
Angst vor dem Neuen?
‚Unmögliches hat in der Kunst Gelingchancen, das
Sichere ist immer zweifelhaft und aussichtslos': die vermeintliche Sicherheit
der Kopie wird Zeugnis ablegen von dem armseligen, ausgetrockneten Rest einer
Kultur, die müde an sich selbst, müde an ihrem eigenen Abziehbild kleben
bleibt.
Und Tragödie, ‚Nachtheil
der Historie für das Leben’ der Stadt, war das Schloss schon lange vor seiner
Zerstörung: schon unser Oberbaumeister Schinkel, für den Stadt nur Labyrinth,
nur Hemmnis seiner Träume war, schon Schinkel ließ sich vom 'Monolithen', vom
Unstädtischen schlechthin, vom Schloss, vom 'Staat', und gegen die Stadt
inspirieren.
Er fand es viel nobler, die neuen Kreationen schön
frei in die Geographie zu komponieren, das 'Großartige', wie er meinte, zu
begründen; der Berliner Burg – schon absehbar auf dem Weg in die Isolation,
mit der neuen Orientierung auf die Linden – das Museum und später die
Bauakademie isoliert dazu zu stellen – nicht die Polis, nicht die Agora (wie
er blind behauptet), sondern die Akro-Polis, die Hoch-Stadt, die
'Nicht-Stadt', zum Vorbild zu machen, – dieser Mangel an Instinkt für das
Urbane ist der Kern Berliner Tradition bis heute; als Strenge und Sprödigkeit
bemäntelt, wirkt er seitdem in einer seltsam graphisch-trockenen Auffassung
von Architektur, die das Poetische doch nur wie eine papierne Blume
beschwört, stets das Sublime will und oft genug nur das Banale schafft.
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Aber nicht eine Krise der Objekte, der Architektur –
wie Colin Rowe in collage city meint – hatte damals, und heute, Stadt
verhindert, der Aufstand der
Objekte, ihre armselige Selbstherrlichkeit hat Berlin in vielen zentralen
Orten nicht in die Räume finden lassen: 'östlich der Elbe beginnt die
Russische Steppe', 'öffentliche Lust ist wenig in Berlin', hieß es dazu schon
vor hundert Jahren. Und dieses Defizit im Berliner Stadtraum – die Berliner
'Großzügigkeit' – setzt sich in trauriger Beharrlichkeit bis heute fort: zum
Beispiel in der nicht nur mangelhaften, sondern völlig abwesenden Zentralität
des so genannten Kulturforums, zum Beispiel im Leugnen des Bundesforums im
Spreebogen, – ich sagte es bereits. |
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Berlin aber stellt sich taub zu dieser Kritik: ob
also das Schloss in altem, modernem oder hybridem Gewand wiederauferstehen
soll, darüber darf – noch, aber nicht mehr lange – gestritten werden, – der
alte, kalte, untaugliche, trostlose Stadtgrundriss aber, – das hier schlechte
Gedächtnis der Stadt, des Staats, wie es viel richtiger heißen würde – der
soll so oder so zum Herzen Berlins gemacht werden, zum Herzen der Winde und
der Restflächen. Und machen wir uns nichts vor: weder der alte
Schlossplatz wird in städtisch dichter Version wiedererstehen können, noch
wird die Schlossfreiheit neu dazu erfunden werden, um die
wilhelminisch-geltungskranke, kolossale Isolation des Schlossmonolithen zu
dämpfen. Auch unser Vorschlag zur Spreeinsel |
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– seit 1993 immer wieder überdacht – zwischendurch
auch mal dem berühmten Kollegen, Schinkel, unterschoben, um gegenüber den
Unberatenen Autorität zu behaupten,
– auch unser erster Vorschlag nahm sich, wie schon
immer hier im dürren Norden, die Inspiration aus dem Süden; aber nicht die
Schinkel’sche Kopie der Objekte, sondern die stadträumliche Gestalt selbst
ist Ausgangspunkt der Transformation ins Berlinische hinein, war auch Kritik
an der lokalpatriotischen Übertreibung:
als wenn das Schloss der Raumspender im Herzen der Stadt je gewesen wäre – er war es nie,
vor allem zum Lustgarten und zu den Linden war er es nicht.
Unser erster Gedanke damals – und bis heute –: die
'dunkle Masse des Schlosses am Ende der Linden ins Räumliche wandeln', aus
Masse Raum machen, den Monolithen zerschlagen, erlösen.
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Mit einem Arrangement der drei Fragmente, der drei
Schlösser, die Räume – und Orientierungen – finden, die Berlin mehr als
irgendwo sonst zusammenhalten müssen.
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Die drei Plätze, so 'italienisch' proportioniert wie sonst nichts in Berlin,
geben die Grundlage für eine städtische Dichte und Intensität, die Walter
Benjamin so sehnsuchtsweckend beschwört, die er erlebt hat in den Städten des
Südens.
'Ein neues Stück Stadt städtisch zu nutzen – sich nicht festlegen müssen auf alle Zeit –
das macht die Qualität eines solchen Ortes aus' – so schrieb ich vor Jahren –
und konnte nicht ahnen, dass mit dem Lehmann’schen Vorschlag zur
Komplettierung der Museen auf der Insel auch die Inhalte so prächtig
zueinander finden: der große, neue Schlossplatz – nun heißt er Humboldt-Forum
– spiegelt sich hinüber in den grünen Raum des Lustgartens; der Schlüterhof
am neuen südlichen Platzende spiegelt sich im Alten Museum, ist vielleicht der Ort für die großen Ausstellungen,
für Empfänge und Events. Die Kunst und die Wissenschaft, – die alte und die
neue, – welch besserer Nachfolger lässt sich denken auf einer Insel, von der
sich nach den bittersten Lektionen eines allzu deutschen Jahrhunderts die
Politik verabschieden musste. |
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Aber auch die kritischsten Geister sollten keine
Angst haben vor einer Musealisierung der Insel, etwa einer neuen Teilung
Berlins durch eine Nutzung auf hohem Kothurn. Das Erdgeschoss der beiden
Schlosshälften bleibt fest in Volkes Hand:
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– das Café Florian und alle seine polyglotten
Brüder, alles, was Stadtlust zu befriedigen und aufzureizen vermag, mietet
sich da hinein. Die beiden Hafenterrassen zur Spree und zum Kupfergraben mit
ihren Vaporetti-Diensten von der Oberbaumbrücke bis zum Lehrter Bahnhof sind
vom großen Platz aus durch die Kolonnaden zu jeder Tages- und Nachtzeit zu
erreichen. |

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Nur
so viel zum Wesentlichen, zur Hauptsache, zur stadträumlichen Substanz der
Insel. Aber all das gilt nichts, in einer Zeit, die den hilflosen Glauben an
das Neue durch den genauso hilflosen Glauben an das Alte ersetzt hat. 'Gebt
uns unser Schloss, unsere Liebe, unsere Illusion, gebt uns diesen Anker in
der Verlorenheit einer Stadt, die nur 'viele Städte' ist, – gebt uns ein
Phantasma von Identität – und schützt uns vor der Unfähigkeit unserer Architekten,
vor den moralinsauren Bedenken der Historiker, vor der Wahrhaftigkeit vor
unserer Geschichte.
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Aber
diese Debatte über die alte architektonische Fabulierkunst und Dekorfreude
auf der Seite der Nostalgie und der im allerbesten Fall räumlichen Fülle auf
der Seite der nach unten offenen Skala zeitgenössischer Baukunst:
– diese Debatte ist sinnvoll nur an konkreten
Alternativen zu führen.
Wir haben deshalb, mit gutem, probeweise, nur
probeweise gutem Gewissen, einen 'Verrat' an der eigenen Zeitgenossenschaft
hingenommen, um das räumliche Konzept auch für die Laien erlebbar,
Schloss-vergleichbar, zu dokumentieren:
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wir haben die Schlüterhof-Fassade, die einzig urbane
Fassade der Berliner Burg, im Sinne einer Beweisführung, einer
Versinnlichung, einer Beseelung des Platzraumes aufgeboten; nicht etwa, um so
etwas wie einen Durchbruch zu erzwingen, nein, viel bescheidener, – um
zu zeigen, dass es sich lohnen würde, die Große Frage des Schlosses offen,
offensiv zu betreiben, um der unergründlichen Naivität unserer Volksvertreter
eine wiedererkennbare, laienlesbare Botschaft zu vermitteln.
Aber wie sagt Hegemann, 1930, über einen dem Andreas
Schlüter unterstellten Entwurf zum Schlossplatz: '... dass dieser großartige
Platzentwurf (...) unausgeführt geblieben ist, gilt künstlerisch empfindenden
Berlinern als die Tragödie der
Berliner Stadtbaukunst. Wenn dieser herrliche Platz gebaut worden wäre, hätte
Berlin den großen künstlerischen Maßstab besessen, der die weitere
Entwicklung beherrscht und gesteigert haben müsste. Mit diesem Platz vor
Augen hätten die Berliner sich nicht in dem unarchitektonischen
Durcheinander verlieren können, das später über ihre Stadt hereingebrochen
ist'.
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