Urban Bodies | ||
7. Jg. , Heft 1, (September 2002 ) |
___Angelika Jäkel Karlsruhe |
Stoffe, Schnitte und Nähte. Zur Beziehung zwischen Kleidung und Architektur |
Kleidung als die erste Hülle menschlicher Leiblichkeit evoziert durch Material, Schnitt, Machart, Details und durch die Art und Weise des Tragverhaltens eine bestimmte Aura, eine präzise Atmosphäre und Befindlichkeit: Die Garderobe lässt den Anlass bereits erahnen, für den sie gemacht wurde, und die Geschmeidigkeit, der Faltenwurf, das eng Anliegende, das leicht Flatternde, das schwer Hängende oder das Pludrige gar einer bestimmten Kombination aus Stoff und Schnitt tragen zum Eindruck bei, den das Gekleidetsein einer Person für einen konkreten Anlass hinterlässt: overdressed oder lumpig, herumstolzierend oder schlürfend, steif oder zusammengesackt, zugeknöpft oder weitschweifig. (Bild 1)
In-Sein
Kleidung
ist – zugespitzt – die eigentlich erste Option, den eigenen Körper zu spüren,
nämlich indem wir ihn von einem anderen Gegenstand berührt fühlen. Dies
geschieht durch die Erkenntnis, dass dieser Gegenstand auf eine besondere Weise
zu unserem Körper gehört, sich auf ihn bezieht, geradezu für ihn gemacht ist.
In dieser Tatsache liegt bereits eine entscheidende Parallele zwischen dem
Verhältnis des Körpers zur Kleidung und dem Verhältnis des Körpers zur
Architektur. Beide – der Raum der Kleidung und der Raum der Architektur,
berühren unseren Leib – im Falle der Kleidung sehr konkret, im Falle der
Architektur über den Vorgang des Nachempfindens. Dieses Berührtwerden – man
könnte auch sagen: Betroffensein, Affiziertsein – ereignet sich im Falle der
Kleidung in unterschiedlicher Weise: Einige Körperstellen sind stets vom Stoff
bedeckt, andere spüren ihn nur manchmal, bei bestimmten Bewegungen. Je nach
Stoff fällt die Berührung kühl, weich, samtig, elektrisierend aus.
Kann man
von der Weise des Berührtseins durch Kleidung auf ein Berührtsein durch
Architektur schließen? Um diese Frage werden meine Ausführungen im Folgenden
kreisen. Zu zeigen wäre, dass der Erfahrung und Beschreibung von Raum als
gebauter Hülle des Menschen die Erfahrung des In-Seins, des Begrenztseins durch
Kleidung vorausgeht. Ich meine damit nicht das von Semper konstatierte
kulturgeschichtliche Vorausgehen der textilen Künste vor der Baukunst. Vielmehr
geht es hierbei um die Erfahrung des In-Seins als der räumlichen Urerfahrung
schlechthin, die sich im Hinblick auf die Kategorien der Atmosphäre, der
Gestik, der Form und Bewegung sowie der Gemachtheit von der Erfahrung des
Bekleidetseins unterscheiden.
Das
Konstatieren von Parallelen zwischen Architektur und Kleidung ist gerade in
jüngster Zeit selber zur Mode geworden: Aus der Fülle der Thematisierungen
lassen sich drei Tendenzen hervorheben, die im Folgenden kurz skizziert werden
sollen.
Diskurs Bekleidung
Im
architekturtheoretischen Diskurs der Moderne ist das Verhältnis von „Stilhülse
und Kern“[1], zurückgehend auf Semper[2], vielfach thematisiert worden.
Seine Bekleidungstheorie geht von den textilen Künsten als Vorläufer und
Vorbild für die steinernen Bauformen aus. Stilbildende Merkmale wie Form,
Ästhetik, Ornament und Symbolik haben nach Semper dort ihre ersten Ausprägungen
gefunden. Während Semper noch die gleichberechtigte Rolle der Bekleidung
gegenüber der Struktur für die eigentliche Wirkung der Architektur nachzuweisen
bemüht ist, wird die Ablehnung der Applikation von Elementen, die nicht der
funktionalen oder konstruktiven Bestimmung
eines Gebäudes dienen, zum Grundprinzip der Moderne postuliert. „White
Walls“[3] heißt statt dessen das Credo der
Moderne, das sich als roter Faden der Negation der Materialität durch die
Architektur des letzten Jahrhunderts zieht, und dem wir spätestens in den
heimischen, weiß gestrichenen Raufasertapetenwänden am Abend wieder gegenüber
sitzen. Verkürzt dargestellt, haben wir es hier zu tun mit der kategorischen
Trennung zwischen tragenden und bekleidenden Bauteilen, zwischen tektonischer
Notwendigkeit und formalem Ausdruckswillen, schließlich zwischen der
raumbildenden Funktion von Fläche auf der einen und dem Ornament auf der
anderen Seite. Diese Trennung reduziert allerdings das Bekleidetsein auf die
Objekt-Objekt-Beziehung zwischen
Baukörper/Struktur und Hülle/Oberfläche; die eingangs konstatierte Beziehung zwischen
dem Leib – als Einheit von Körper und Geist – und seiner Rezeption des ihn
umgebenden Raumes bleibt in dieser Betrachtungsweise weitgehend
unberücksichtigt.
Aktuelle Trends: Fashioning &
Branding
(Bild 2)
Die
Kulturgeschichte kennt diverse Beispiele der zugespitzten Nähe zwischen Mode
und Architektur einer Epoche, dabei scheint die Konvergenz zwischen textiler
und gebauter Hülle immer dann am augenscheinlichsten, wenn der Abgrenzungs- und
Erneuerungswille einer Epoche in der ideologischen Forderung nach dem
Gesamtkunstwerk kulminiert. Die Wiener Werkstätten produzierten am Beginn des
20. Jahrhunderts unter der Leitung von Josef Hoffmann nicht nur Interieurs,
sondern entwarfen Kleider aus jugendstiltypischen floral-abstrahierenden
Stoffen, mit Schnitten, die das weich Fließende der Körperform betonten und
erstmals auf das bis dahin noch übliche Korsett verzichteten. Ähnliche Parallelen lassen sich für
das Bauhaus nachweisen, wo Textilgestalter wie Architekten dem von ihren
Meistern propagierten Diktat der Abstraktion der einfachen Linie folgten. Die
exaltierte Expression der 50er Jahre als Merkmal eines wieder erstarkenden
formalen Ausdruckswillens zeigt sich in der Formensprache des
Haut-Couture-Mantels ebenso wie in Le Corbusiers Phillips-Pavillon für die Brüsseler
Expo 1958 (Bild
3).
Mit der Hinwendung zur bunten Oberfläche des Alltagsdesigns durch die Pop Art
im Amerika der 60er Jahre werden auch Mode und deren Posen legitimierend für
Form und Botschaft eines Designs eingesetzt (Bild
4): Olivier Mourgue's "Gesellig in
der Grube" von 1968 zeigt im Schwingen der Rückenlehne seiner in den Boden
versenkten Sitzgruppe die Wiederholung des weich-weißen Glockenrocks des
Models, das im Polster posiert. Synoptische Retrospektiven von Kunst, Design,
Mode und Architektur der einzelnen Dekaden des letzten Jahrhunderts suchen
solche Gemeinsamkeiten. So kommen die verschiedenen kulturellen Disziplinen zu
einer gemeinsamen Grundaussage - diffus greifbar als “lifestyle“ einer Epoche.
Bild 3 | Bild 4 |
Die gleichnamige Zeitung ist es auch, in der das holländische Büro UN-Studio mit den Architekten Ben van Berkel und Caroline Bos eine Fotoserie ihres Möbius-Hauses platziert (Bild 5): Prada-Models werden dabei im Haus so in Szene gesetzt, dass Architektur und Mode zu einem durchaus beiläufigen atmosphärischen Image verschmelzen – die Auflösung des architektonischen Objekts zu Gunsten der atmosphärischen Inszenierung belegend. Architektur muss in zunehmendem Maße spezifische (Werbe)Botschaften transportieren. Nahe liegend, dass hier die Verkäufer von Mode als erste auf den anfahrenden Zug der Vermarktung eines Produkts durch sein Ambiente aufsprangen. Esprit etwa gehörte zu Beginn der 80er Jahre zu den ersten, die mit Ettore Sottsass einen Designer mit der Gestaltung ihrer Shops beauftragten (Bild 6).
Bild 5 | Bild 6 |
Dass Branding
sich längst auch in der Architektur durchgesetzt hat, zeigt die Anwendung von
Mechanismen des Merchandising und der Corporate Identity auf
Architektur-Produkte mit immer kürzerer Lebensdauer - auch hier trifft zuerst
Koolhaas den Nerv des Zeitgeist, wenn er dem Architektenvolk mit Bruce Mau, dem
Designer, seine "Bibel" mit dem der Modebranche entlehnten Titel
"S,M,L,XL" an die Hand gibt. Die kürzer werdenden Halbwertzeiten der
Modestile als Mittel, Aufmerksamkeit zu erregen, sind ein Phänomen, an dem sich
Architektur heute zunehmend zu orientieren scheint. Die langsame, aber sichere
Annäherung der Architektur an Laufstegmechanismen macht den Verfechter von
Architekturen, der um längerfristige räumliche Qualitäten bemüht ist,
trübsinnig, weil die Vision des Hauses, das – obwohl erst vier Mal getragen –
im Schrank hängt, weil es eben nicht mehr modern ist, gar zu schwierig
aushaltbar ist. Natürlich birgt aber dieses nachbarschaftliche Zuneigen
ungleich viel mehr Chancen, die es zu nutzen gilt: Viele Aufgabenbereiche von
Architekten heute – Messebau, Event-Architekturen, szenographische
Architekturen, Ausstellungswelten – haben ohnehin nicht mehr den Anspruch auf
Dauer, müssen vielmehr gerade wegen ihres temporären, häufig werbenden
Charakters mit neuen und ungewohnten Erfahrungen locken. Für dergleichen
Aufgabenbereiche kann sich die Architektur bei der Mode Entscheidendes abschauen.
Shaping
Die jüngste Tendenz hin zur "maßgeschneiderten" Architektur ist aber vor allem bedingt durch die technischen Möglichkeiten immer ausgereifterer CAD-Werkzeuge, ohne die uns kaum die Flut der Blobs und Scapes der vergangenen Dekade beschert worden wären (Bild 7).
Bild 7
Die
assoziierten Begriffe – Geschmeidigkeit, soft architecture, Falte, fließend
usw. - stammen zuerst vielleicht aus einem biologischen Kontext, in der
gebauten Umsetzung begegnen uns aber die textilen Analogien auf Schritt und
Tritt. Das Wegfallen gewohnter architektonischer Elemente wie die Trennung in
Decke, Wand und Boden machen diese Architekturen zu fremdartigen
Raumerlebnissen, die uns dennoch in ihrer organischen Formensprache sehr
vertraut vorkommen. Wir kennen sie als Formen biologisch gewachsener Körper,
wir kennen sie aber auch als maßstäblich vergrößerte Hülle des menschlichen
Leibes – sie erscheinen uns als kleidhafte Gebilde. Architektur als erweiterte
Körperhülle, als verlängere Prothese der natürlichen Eigenschaften des Körpers
zu begreifen, schlägt sich spätestens seit den in den 60ern und 70ern
entstandenen Arbeiten von Archigram, Haus Rucker & Co oder der Wiener
Gruppe um den Medienkünstler Peter Weibel in den Zukunftsdebatten nieder. Doch
nicht die Entwicklung der technischen Machbarkeit von intelligenten
Kühlschränken, Klimaanlagen und Waschbecken wird den Körper zurückbringen in
das Zentrum der architektonischen
Debatte: Die vielschichtigen Beziehungen zwischen Körper und Kleid als Anlass
für eine Präzision der Beziehungen zwischen Körper und Architektur zu benutzen,
birgt sicher vielfältige Möglichkeiten sinnlich-körperlicher Erfahrung, die
längst noch nicht erkundet sind, und die möglicherweise die häufig unspezifisch
und beliebig erscheinenden Blobs und Scapes mit einer reichhaltigeren
architektonischen Erfahrung befruchten könnten.
Entwerfen
mit Kleidung
Dass man solcherlei Gestimmtheiten nicht ausschließlich in der denkenden Distanz nachgehen kann, liegt auf der Hand, es gilt, sich eigenleiblich dieser Erfahrung auszusetzen.
Das eben
Ausgeführte legt drei kategorielle Parallelen zwischen Kleidung und dem
architektonischen Raum nahe, die Ausgangspunkte für einen weiterführenden
Diskurs sein können: Es sind dies
1. die Wirkung der Stoffe bzw. Materialien im Hinblick auf die durch sie
ausgelösten Atmosphären,
2. die (Zu)-Schnitte dieser Materialien, die zu der jeweiligen Geste der Form
und der Geste der Bewegung beitragen, und schließlich
3. die Nähte bzw. Fügestellen der Einzelelemente im Hinblick auf die Wirkungen
der Gemachtheit des Objekts.
1. Stoffe – Atmosphären. Offenkundig ist natürlich die
stofflich-materielle Analogie zwischen Kleid-Stoff und Bau-Stoff. Hier wie dort
"tingieren"[4] die jeweiligen Wirkungsmächte der
Materialien den Raum. Ob für den großen Empfang das Gold-Glänzende des
Brokatstoffs die festlich-repräsentative Sonderstellung einräumt, oder die
ungeschriebene Cocktailparty-Kleiderordnung nach dem sich dezent im Hintergrund
haltenden "kleinen Schwarzen" verlangt – stets sind es die
kulturellen Synästhesien des textilen Ausgangsmaterials, welche die Wirkung
unterstreichen, die in einem bestimmten Kontext gewünscht wird. Gleiches gilt
für die Wahl des Materials in der Architektur, mit dem Zusatz, dass hier dem
Grad der "Veredelung" eines Ausgangsmaterials eine entscheidende
Bedeutung zukommt. Ein Bau-Stoff kommt eben gerade nicht als Seide oder Jeans
vom Ballen, sondern wird – je nach Wirkungsabsicht – verschiedenen Bearbeitungsvorgängen
unterzogen. Die Oberfläche ist – als während und im Bauen neu zu erfindendes
Material – erster Stimmungsträger für den Raum. Es liegt auf der Hand, dass es
dieser Veredelungsprozess ist, dem nachgespürt werden muss, will man das
begriffliche wie entwerferische Vokabular der Materialwirkungen weiter
erkunden.
2. Schnitte – Formen. Das Zuschneiden des
Ausgangsmaterials ist ein erster Schritt im Herstellungsprozess des
Kleidungsstücks. Hier beginnt die dreidimensional-räumliche Vermittlung zwischen
dem Körper – seinen Maßen, Linien, seinen Gesten in der Form – und der
vermittelnden, herausstellenden, betonenden oder verbergenden Wirkung der
Garderobe. Welche Wirkung mit einem Schnitt erzielt werden soll, ist – wie beim
Material auch – abhängig von Anlass und Zweck der Garderobe. Dem so gekleideten
Körper bleibt gar nichts anderes übrig, als sich dem Kleid quasi einzufühlen –
was heißt: sich dort auszudehnen, wo Falten kräuseln, an jener Stelle auf
Haltung zu achten, wo Enge herrscht, und da den Spitzenärmel verspielt tänzeln
zu lassen, wo die Lust an der Geste zur Bewegung verführt. Die Kombination aus
den zeitgleich am ganzen Körper empfundenen taktilen Qualitäten des Stoffs und
der Ausbildung des Raums zwischen Körper und Kleid durch den Schnitt ist es
schließlich, die zur Komplexität des Empfindungs- und Erfahrungsreichtums in
Bezug auf das Tragen von Kleidung beiträgt. Der Schnitt ist es auch, der die Bewegung des
Gekleideten im Raum sowie seine Beweglichkeit in der Kleidung entscheidend
bestimmt. Hier begegnen uns die weiter oben erwähnten Variationen der
Empfindung des In-Seins, nämlich als sinnlich-körperliche Synästhesien in der
Doppelung des Eindrucks beim Träger und des Ausdrucks im Anblick der
gekleideten Person: eng–weit, rau–glatt, hart–weich, matt–glänzend,
starr–bewegt, begrenzt–ausgedehnt, kalt–warm usw. Insofern Kleidung beim
Gekleideten eine konkrete Empfindung auslöst, hat sie – jenseits ihrer direkten
atmosphärischen Ausstrahlung – auf diesem Wege einen unmittelbaren Einfluss auf
die Gestimmtheit des Raumes. Dies macht deutlich: Bei
der Erkundung der Gesten der Form und der Gesten der Bewegung ist anzusetzen,
hier muss das leibliche Empfinden eines bestimmten Ausdrucks unter die Lupe
genommen werden, um den Konventionen in der Wirkung auf die Spur zu kommen.
3. Nähte – Gefügtheit. Die Technik des Fügens bringt die
vorkonfektionierten Einzelteile zusammen. Ob mit der verdeckten Naht die Fläche
in ihrer Wirkung unterstützt, ob mit dem gestickten Lochsaum das Ornament den
Charakter des Wertvollen stilisiert, oder ob die eigentlich überflüssige Niete
das Strapaziervermögen der Jeans nachdrücklich betont – immer ist es das Muster
des Fügens, welches uns – gewissermaßen als Spur der Herstellungsart, der
"Gemachtheit", die Absicht eines Ausdruckswillens zu erkennen gibt.
In weitaus differenzierterer Weise gilt dies für die Architektur, Bruno
Reichlin und Martin Steinmann haben dies in ihrem Text zum „Problem der
innerarchitektonischen Wirklichkeit“ ausführlich diskutiert[5] (Bild
33).
Bild 33
Den
Betrachtungsvorgang der Ricola-Lagerhalle in Laufen von Herzog/de Meuron an
anderer Stelle[6] analysierend, sagt
Bruno Reichlin, dass die „Vieldeutigkeit (dieses) Objekts“ an dem Punkt zu
wirken beginne, wo sich die Wahrnehmung von Leichtheit, Auflösung, Schichtung
und Strukturiertheit einstelle. Der Frage nachgehend, wodurch dieser Eindruck
entstehe, führte „der Anblick des Ganzen – sozusagen als Totale – nicht weiter
(…) und der Betrachter (sehe) sich gezwungen, die Wahrnehmungsdistanz
anzupassen“: „Der Betrachter beginnt, das Objekt wie eine riesige Skulptur zu
umkreisen, erforscht all seine Teile, ihre Verbindungen, Überlagerungen und
ihren Materialgehalt – der Betrachter versucht, sich Klarheit durch die Details
zu verschaffen“. Interessant an Reichlins Ausführungen ist die Beziehung
zwischen der Wahrnehmung des Betrachters
und deren Reflexivität auf den Vorgang
des Betrachtens als Annäherung und Umkreisen. Die originär aus der Technik
des Fügens entstandene formale Wirkung wird hier sehr konkret leiblich gespürt
und nachempfunden, ein Beleg für die Bedeutung des Details für die Wirkung von
Architektur.
Zusammenfassung: In–Sein
Mit der
Thematisierung der Funktionen des Schmückens, des Hüllens/Bergens/Schützens,
schließlich den Parallelen der gesellschaftlichen Semantik von Kleidung und
Architektur bleibt ein entscheidender Aspekt weitestgehend unberücksichtigt:
Ein Kleidungsstück wirkt nicht nur bekleidend – mit Augenmerk auf der
eindimensional tingierenden Wirkung für seinen Träger. Die Machart eines
Kleidungsstücks mit den Dimensionen von Stoff, Schnitt und Fügung tritt in
direkten Dialog mit dem Leib und wirkt auf seine Befindlichkeit. Will man also
das konkrete Empfinden in Räumen schärfen, um den architektonischen Raum als einen
zu behandeln, in dem leibliche Erfahrung stattfindet, dann muss eben dieses
konkrete Empfinden befragt werden: Es geht darum, Gestimmtheiten herzustellen,
deren Entschlüsselung nicht einer Sonderausbildung in Sachen Geschmack bedarf.
Gehen wir lieber wieder aus von dem, was wir der Erscheinung und Gemachtheit
unserer Alltagsumgebung entlocken können.
[1] Oechslin
1994
[2] Semper
1860
[3] Wigley
1995
[4] Böhme 1995
[5] Reichlin, Steinmann 1976
[6] Reichlin 1988
Literatur:
Böhme,
Gernot: Der Glanz des Materials. In: Atmosphäre,
S. 49 ff.
Essays zur neuen Ästhetik. Frankfurt/Main 1995
Harather,
Karin: Haus-Kleider. Zum Phänomen der Bekleidung in der Architektur. Wien,
Köln, Weimar 1995
Loos,
Adolf: Das Prinzip der Bekleidung (1898). In: Glück, Franz (Hrsg.): Adolf Loos.
Sämtliche Schriften, Bd. 1, Wien, München 1962, S. 105 - 120
Oechslin,
Werner: Stilhülse und Kern. Otto Wagner, Adolf Loos und der evolutionäre Weg
zur modernen Architektur. Berlin 1994
Petraschek-Heim,
Ingeborg: Die Sprache der Kleidung. Wesen und Wandel von Tracht, Mode, Kostüm
und Uniform. Baltmannsweiler 19882
Reichlin,
Bruno: Objekthaft. In: Architektur Denkform. Basel 1988, S. 20 ff.
Reichlin,
Bruno; Steinmann, Martin: Zum Problem der innerarchitektonischen Wirklichkeit.
In: Archithese 19, 1976, S. 3-11
Semper,
Gottfried: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder Praktische
Ästhetik. Ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde. Frankfurt a.M.
1860
Simmel,
Georg: Philosophie der Mode (1905). In: Rammstedt, Otthein (Hrsg.): Georg
Simmel. Gesamtausgabe, Bd. 10. Frankfurt am Main 1995, S. 9 – 37
Wigley,
Marc: White Walls, Designer Dresses. The Fashioning of Modern
Architecture. Cambridge,
London 1995
1 |
Fellini’s Faces. Zürich 1981, Nr. 276,
277, 41, 42 |
2 |
Modellzeichnung für einen Mantel aus
den Wiener Werkstätten, 1912. Aus: Petraschek-Heim, Bild 72 |
3 |
Mantel von Lanvin-Castillo, 1956;
Phillips-Pavillon, Le Corbusier, Expo Brüssel 1958. Beide Abbildungen aus:
Maenz, Paul: Die 50er Jahre. Formen eines Jahrzehnts. Stuttgart 1978, S. 63, S.
72 |
4 |
Olivier Mourgue: Gesellig in der
Grube. In: Schöner Wohnen 8/68. Aus: Schepers, Wolfgang: ’68. Design und
Alltagskultur zwischen Konsum und Konflikt. Köln, Düsseldorf 1998, S. 27 |
5 |
Magazin lifestyle, 2000 |
6 |
Ettore Sottsass: Carlton, 1981. In: www.io.tudelft.nl/public/vdm/fda/sottsass/sott81.htm |
7 |
Gregg Lynn: h2Pavillon,
Modell, 1998. In: Daidalos 69/70, Dez. 1998/Jan. 1999, S. 128 f. |
8-10 |
Kleid für Zwei. Entwurfsprojekt Lehrstuhl
für Grundlagen der Architektur, Karlsruhe, 1999 |
11-18 |
Jürgen Schnörringer: Diplomaten-Villa.
Entwurfsprojekt „Residenzen. Peau et Farce. Lehrstuhl für Grundlagen der
Architektur, Karlsruhe 2001/2002 |
19-32 |
Tilman Schmidt: Tanz-Bar.
Entwurfsprojekt „Residenzen. Peau et Farce. Lehrstuhl für Grundlagen der Architektur,
Karlsruhe 2001/2002 |
33 |
Herzog, de Meuron: Lagerhalle Ricola in
Laufen, 1994 |