6. Jg. , Heft 1 (September 2001)
___Jürgen Hasse
Frankfurt am Main
Ästhetische Praxen der Stadt- und Raumentwicklung in Deutschland

Der 1863 geborene Raymond Unwin war einer der bekanntesten Architekten und Stadtbaumeister in England und den USA am Beginn des 20. Jahrhunderts. Unter anderem entwarf er die erste Gar­tenvorstadt Hampstead. Angesichts der „Hässlichkeit“ und monotonen Bauweise der Städte im 19. Jahrhundert bemerkte er 1922:

„Professor Lethaby hat mit Recht gesagt: „Kunst heißt, das schön machen, was gemacht werden muss.“ Wir haben in einer etwas geizigen Art das gemacht, was gemacht werden musste; und vielem, was wir gemacht haben, fehlt der Hauch der Phantasie und die Wärme der Behandlung, welche dem Werke erst die glückliche Ausführung gesichert hätte; [...]“[1]

Unwins Statement wird der Kunst nicht gerecht — denn Kunst heißt ganz sicher nicht, etwas schön zu machen. Dennoch ist damit etwas wichtiges über ein im common sense sehr verbreitetes Verständnis von Ästhetik gesagt, steht der Begriff in der Lebenswelt doch für das Schöne, das sich in seinem Gelingen guten und bewährten Regeln seiner Herstellung verdankt.

Wenn der Architekt Unwin nun trotz einer zu seiner Zeit differenziert geführten Ästhetik-Debatte[2] einen eher alltagsweltlichen Begriff des Ästhetischen verwendet, dann aus einem einfachen Grunde. Er will eine Geschmacksaussage über den Zustand der Städte treffen, zumal insbesondere Architekten für Verdrossenheit und Unbehagen des Stadtbewohners verantwortlich gemacht werden. Unwin spricht zwar in einem eindeutig positiven Grundton über Ästhetik; das ändert aber nichts daran, dass das Adjektiv „schön“ vieldeutig und seinen möglichen Bedeutungen gegenüber offen ist. Außer einem alltagsweltlichen und politischen Wert ist es in der professionellen Stadt- oder Freiraumgestaltung wenig hilfreich.

Zum Begriff des Ästhetischen

Ästhetik kommt vom griechischen aistetike (Wissenschaft der Sinne) und aisthesis (sinn­liche Wahrnehmung). Baumgarten entwickelte 1750/58 eine Theoretische Ästhetik als Wis­senschaft der sinnlichen Erkenntnis. Die heute in den Geistes- und Gesellschaftswissen­schaf­ten geführte Ästhetik-Debatte nimmt in einem ihrer Hauptstränge hier ihren Ausgang.[3] Es geht ihr um die erkenntnistheoretischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen individueller Wahrnehmung, nicht um diese selbst. Insofern leistet der aktuelle Ästhetik-Diskurs eine wichtige erfahrungsvermittelnde Reflexionsarbeit über den Zustand der Vergesellschaftung der menschlichen Sinne. Zu allen Zeiten haben technische Erfindungen nicht nur die Praxen im Umgang mit der Natur verändert, sondern auch die menschliche Wahrnehmungs- und Denkweise insgesamt tangiert. Je einschneidender der Wandel im Bereich der Techniken und Technologien, desto tiefgreifender auch die Umbrüche im Gebrauch der Sinne. Indem dieser Gebrauch kulturell erlernt ist, stellen sich Fragen nach einem zeitgemäßen Gebrauch der Sinne stets im Kontext facettenreicher Vergesellschaftungsprozesse. Deshalb wendet sich die gegenwärtige geisteswissenschaftliche Debatte mit dem Begriff des Ästhetischen nicht nur gegebenen Wahrnehmungsgegenständen zu, sondern auch deren Schattenseiten. Das Ästhetische steht heute in einem direkten theoretischen Zusammenhang mit dem Anästhetischen und der Anästhesie. Damit wird auch der modernisierungsbedingten Entwicklung Rechnung getragen, dass es eine starke Zunahme struktureller Erfahrungslosigkeit gibt.[4]

Ästhetisierungen spielen innerhalb des Spannungsverhältnisses zwischen dem Wahrnehm­ba­ren und dem Nicht-Wahrnehmbaren eine wichtige Rolle. In Anlehnung an Baumgartens Ästhetik-Begriff lassen sich ‘Ästhetisierungen’ als gestalterische Maßnahmen verstehen, deren Ziel es ist, Aufmerksamkeit zu binden. Im Blick auf die Stadt- und Raumentwicklung rücken Projekte der Gentrifizierung und Verschönerung, im Blick auf städtische Kulturpolitik solche der Eventisierung des öffentlichen Raumes in den Mittelpunkt. Die programmatische Weckung von Aufmerksamkeit korrespondiert oft mit Strategien der Ausblendung. Dieses Wegsehen und Übersehen, das im kulturellen, ökonomischen und politischen Raum der Stadt nicht selten gerade Anlass von Ästhetisierungen ist, stellt sich dann als zweite Seite des Vexierbildes von der schönen Stadt dar. In dieser ästhetischen Dialektik aktualisiert sich die Baumgartensche Ästhetik.

Wo das ekstatische Hin-sehen dem verschwiegenen Weg-sehen dient, haben sich im allgemeinen die innerstädtischen Konflikte aufgeladen.  Die heute für die Aisthesis sensibilisierte Ästhetik ist insofern politische Ästhetik, als sie sich für das Anästhetische und die Anästhesie öffnet. Im Sinne einer Aktualisierung Baumgartens ist nicht allein danach zu fragen, was wir mit besonderem Vergnügen wahrnehmen. Die Frage geht auch auf die blinden Flecken oder anästhetischen Rückseiten des schönen Scheins. Ästhetik ist damit nicht mehr allein eine positive Sache der Sinne! Genauso hat sie es mit dem Sinn als Ressource der Bedeutungen zu tun.[5] Sie stellt Verbindungen zwischen ästhetischen Eindrücken, strategischem Denken wie unreflektiertem praktischem Tun her.

Mit den Mitteln der Ästhetisierung werden Kämpfe um Aufmerksamkeit ausgetragen. Diese sind so alt wie die Stadt — und nicht auf die Stadt begrenzt, wenngleich auch dort die großen symbolischen Kampfplätze liegen. Über die unterschiedlichen Zeiten hinweg sind Ästhetisierungen als Ausdrucksmittel der Distinktion überall dort betrieben worden, wo sozioökonomische Unterschiede sowie Macht- und Herrschaftsverhältnisse symbolisch und praktisch ausgenutzt werden mussten. Das war im alten Rom ein ebenso dringliches Bedürfnis wie in den postmodernen Metropolen. Die Ästhetisierung brachte als Folge und Bedingung profitablen Handels im Venedig des 13. Jahrhunderts eine große Vielzahl prächtiger Palazzi hervor.[6] Nach der ökonomischen Krise Venedigs zog der oberitalienische Geldadel aufs Land, um im 16. Jahrhundert auch hier — nun mit der Ästhetik der Villa — ökonomische Zeichen der Macht zu setzen. Der irdische Wohlstand der Besitzenden symbolisiert für die Landarbeiter ein göttliches Paradies. Die dem Knecht aufgenötigte Ästhetik der Pracht am Bau des Herrn war Bedingung eines strukturellen Weg- und Absehens vom eigenen Elend. Die Einschreibung der ganzen christlichen Erlösungsideologie war Voraussetzung für die Aufrechterhaltung dieser ungleichen Verhältnisse, die für alle Beteiligten auch den Vorteil des Verzichts auf disziplinierende Mittel im engeren Sinne bedeutete. Die eingesetzte partielle Anästhesie der Wahrnehmung einer unterprivilegierten Situation wird zum Garanten der Entfaltung eines profitablen großagrarischen Systems. In der Landwirtschaft hat sich das ökonomisch motivierte Bedürfnis zur Unterscheidung durch Ästhetisierung bis hoch ins 19. Jahrhundert erhalten. Erst in der Gegenwart werden die prächtigen Landsitze (z.B. der Polderfürsten) zu einem ökonomischen Problem der Bauunterhaltung.

Praxen der Ästhetisierung in der gegenwärtigen Stadt- und Regionalentwicklung

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle Praxen der Ästhetisierung in der gegenwärtigen Stadt- und Raumentwicklung spielen. Es soll deshalb der Versuch gemacht werden, die die Stadtentwicklung begleitenden Ästhetisierungsprozesse aus dem theo­re­ti­schen Kontext der Regulationstheorien zu erklären. Der regulationstheoretische Rahmen eignet sich vor allem deshalb für eine Analyse, weil er einen multiplen Wir­kungskontext öko­no­mischer Wachstums- und Krisenprozesse absteckt.[7] Es wird zu prü­fen sein, inwieweit sich die angesprochenen Ästhetisierungen aus Wechselwirkungszusammenhängen von Wachs­tums­struktur der Ökonomie (Akkumulationsre­gime) auf der einen Seite und Ko­or­di­nationsmechanismus gesellschaftlicher und politischer Prozesse (Regulationsweise) auf der anderen Seite plausibel machen lassen.

Damit finden neben Strategien der Repräsention von (politischer, ökonomischer, kultureller) Macht auch symbolische Prozesse zur Verschleierung von Ungleichheit wie zur Vereitelung offener Konflikte Beachtung. Die in sich widersprüchliche, hoch verzifferte und politisch oft explosive Spannung wird besonders in den Metropolen fassbar, wo sie in großmaßstäblicher Betrachtung konkret werden kann. In einer vielperspektivischen Sichtweise können Ästhetisierungen damit als Medien näher betrachtet werden, die eine bisher kaum (explizit) beachtete Rolle in der Erklärung unterschiedlicher wirtschaftsräumlicher Prozesse gespielt haben.

Ästhetisierungen werden im folgenden als Steuermedien in der Herausbildung postfordistischer Strukturen interpretiert. Der vorliegende Beitrag legt die Merkmale nachfordistischer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme aus Platzgründen nicht im einzelnen dar.[8] Wichtige Kernpunkte werden wie folgt zusammengefasst:

l Wandel traditioneller gesellschaftlicher Werte und eine damit verbundene Öffnung für neue, vor allem dezentrierte, lokale Sinnhorizonte;[9]

l Individualisierung der Lebensstile vor allem in den Metropolen;[10]

l Fragmentierung und Segmentierung der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen;[11]

l Verschärfung von Einkommensdisparitäten u.a. als Folge einer Aushöhlung von Tarifverträgen und einer beträchtlichen Wachstumsrate von Kapitalerträgen als Folge einer prosperierenden Wirtschaft;

l Flexibilisierung der Arbeits- und Beschäftigungszeiten als Folge technologisch-öko­no­misch optimierter Rahmenbedingungen der industriellen Produktion;

l Ausbreitung hypermaschinistischer Strukturen als Dispositiv einer neuen Ökonomie (Produktion und Dienstleistung) zum Zwecke flexibler Prozesssteuerung[12] und Effektivierung der Nachfrageorientierung;

l daraus resultierende sozioökonomische Polarisierungen auf dem Arbeitsmarkt wie in der Gesellschaft insgesamt,

l und auf dem Niveau (lokal-) staatlichen Handelns eine beginnende Privatisierung öffentlicher Aufgabenbereiche und Reduzierung sozialstaatlicher Ausgaben.

Die folgenden Thesen formulieren einen Zusammenhang von Ästhetisierung, gesellschaftlicher Transformation und Stadtentwicklung. Sie gehen davon aus, dass ästhetische Praxen Steuermedien im volkswirtschaftlichen Ent­wick­­lungs­­­zusammenhang sind und zu Technologie, Kultur und Po­litik in Beziehung stehen sowie den Austausch zwischen Prozessfeldern (a) in­ner­halb des Akku­mu­lationsregimes, (b) innerhalb der Regu­la­tions­weise ebenso ver­mitteln wie (c) Wechselwirkungen zwi­schen gesellschaftlicher Re­gu­la­tion und wirtschaftlicher Akku­mu­la­tion.

1. These

Ästhetisierungen fungieren als Mittel der Distinktion. Sie wirken an der Ge­nerierung und Transformation von Lebensstilen mit und steuern die Nach­frage nach Konsumgütern, Dienstleistungen und Technologien.

Unter der Bedingung eines wirtschaftlichen Aufschwunges seit den 90er Jahren und einer expandierenden Freizeit- und Unterhaltungsindustrie bilden sich — quer zu tradierten und neuen Wertesystemen — erlebnisorientierte Lebensstile[13] heraus, in denen die Ästhetisierung Medium der Selbstpräsentation wird. Die ästhetisierten Orte der Stadt werden als verinselte Bühnen inszeniert und erlebt.[14] Spaß wird zu einem immer wichtiger werdenden Erlebnisanspruch, der in seinen Gestaltungsformen soziokulturtell extrem differiert und funktionell höchst heterogene Orte entstehen lässt.

Auf den städtebaulich zentralsten und besten citynahen Lagen des ehemaligen Güterbahnhofsgeländes hinter dem Frankfurter Hauptbahnhof soll ein großflächiges, vielfältig und dicht konzipiertes Urban Entertainment Center entstehen. Ähnliches ist in anderen Großstädten geplant. UEC sind hoch verdichtete Standorte des Freizeit- und Vergnügungsgewerbes. Es sind Stätten reiner Dienstleistungsökonomie, in der das Erlebnis Ware wird. Zugleich schaffen die sich im gesamten Unterhaltungs- und Freizeitbereich ausbreitenden elektronischen Medien eine Virtuelle Realität, die die Stadt als Lebens- und Arbeitsraum entmaterialisiert. Sie verdichten Eventstädte und sind „andere Räume“ im Sinne Foucaults. Ein UEC konstituiert sich als Bühne des Spiels in einem symbolischen Universum und offeriert den diversifizierten Lebensstilgruppen die gesuchten Arenen für das Spektakel, das Extravagante — den Event. Es ist auch eine Form postkritischer Distanzierung von der polis.

Mit der Ästhetisierung gewinnt das Prinzip der Gentrifizierung Vorrang über die sozioökonomische Veredelung städtischer Wohnquartiere;[15] der gebaute und soziale Raum der Stadt wird insgesamt verschönert. Ähnlichkeit besteht in der Frage der Attraktoren aus Ökonomie, Kultur, Politik und Technologie. Urbane Ästhetisierung stellt sich weniger kleinparzellig oder punktuell dar als Gentrifizierung. Sie folgt einem zweipoligen Verortungsprinzip. Zum einen konzentriert sie sich an Orten des Luxuskonsums, um symbolische Katalysatoren der Distinktion im öffentlichen Raum zu schaffen. Paradigma ist die durch eine Mischung aus Exotik und Exzentrik entstehende Atmosphäre berühmter Einkaufsstraßen für den exklusiven Bedarf.[16] Zum Anderen bleiben Ästhetisierungen in gewisser Weise zurückhaltend. Der gesamte öffentliche Raum wird von einem Schein des Schö­nen getränkt. Paradigma ist der städtebaulich insgesamt herausgeputzte Raum der metropolitanen Cities. Die inszenierten Atmosphären dienen weniger der soziökonomischen Selbstabgrenzung und subkulturellen Unterscheidung. Vielmehr erzeugen sie eine gedämpfte Zudringlichkeit, die die Stadt zum Bild werden lässt, das anrührt, ohne taktil zu berühren. Die ästhetisierte Stadt tangiert den physischen Körper ihrer Benutzer und ihren erlebenden Leib.[17] Sie erregt und entspannt. Simmels Diagnose über das Geistesleben der Großstädter vom Anfang des 20. Jahrhunderts aktualisiert sich am Anfang des 21. Jahrhunderts im Zeichen eines ästhetisch eutrophierenden Spätkapitalismus mit den Mitteln einer flexiblen und dissuasiven Verknüpfung von Technologie, Kommerz, Kultur und Politik.

In einem weiteren Punkt teilt die innerstädtische Ästhetisierung das Prinzip der Gentrifizierung. Hier wie dort bleiben die dunklen Räume der Stadt aus- und abgesondert. In den USA hat man an besonderen Krisenzonen hier und da auch diese Räume durch Ästhetisierung politisch in den Griff zu bekommen versucht. Im Sinne einer symbolischen Konfliktdämpfung wird der städtische Stressraum mit „öffentlichen Träumen“ gefüllt.[18] Mit der Verschärfung der ökonomischen Gegensätze, mit der schleichenden Erosion des Sozialstaats kündigt sich auch auf der ästhetischen Ebene ein postmodernes Moment an: eine Erkaltung des urbanen Raumes. Für immer mehr Menschen ist die chaotisch-lebendige, die urbane Stadt keine Heimat mehr. Im Gegenzug avanciert die „schöne Stadt“ zur Allegorie von Heimat als begehbares Bild. Heimat zieht sich ins Virtuelle der Versprechen zurück.[19] Die ästhetisch gesäuberte Stadt lässt die helle Seite einer geteilten Welt aufleuchten; auf der anderen sind die verelendeten Städte — vor allem in der Dritten Welt.[20]

2. These

Ästhetisierungen vermitteln Austauschprozesse zwischen markt- und nicht-markt­be­dingten Prozessfeldern des Akkumulationsregimes. Im Medium der Archi­tektur werden flexibilisierte Werte und Normen als neue kulturelle Gewohnheiten via Ver­bild­lichung präsentiert (Schaffung symbolischer Orientierungen).

Innerhalb des Akkumulationsregimes besteht Koordinationsbedarf zwischen markt- und nicht-markbedingten Prozessfeldern. Bei der kulturellen Ausbreitung ‘marktgerechter’ Werte und Normen nimmt die Architektur durch ihre präsentative Symbolik (die Sprache ihrer Bildhaftigkeit) wichtige mediale Aufgaben wahr. Symbolische Träger sind Bauobjekte, in die ein Bauherr hinreichend viel Kapital fließen lässt. Bauwerke, in die in beträchtlichem Umfange sy­m­bolisches Kapital investiert wurde, sichern in ihrer Mehrfachcodierung die Anpassung von Präferenzsystemen, Konsummustern, kulturellen Traditionen und Nach­fra­ge­strukturen.

Beispiel 1: Die alte Fassade als Maske

Denkmalgeschützte Bauwerke in zentraler städtischer Lage stehen den Interessen expansionsorientierter Unternehmen dann im Wege, wenn die gegebene Bauform (vor allem hinsicht­lich der Anzahl der Geschosse) keine Vergrößerung zulässt. Der ästhetische Anspruch der Denkmalschutzbehörde kann unter bestimmten Voraussetzungen mit den Kapitalverwertungsinteressen eines Investors aber dennoch zur Deckung kommen. Was auf eine Quadratur des Kreises hinauszulaufen scheint, erweist sich in der Findung städtebaulicher Lösungen dann als praktikabel, wenn die Konfliktpartner (lokaler Staat und Bauherr) sich auf die Schaffung eines architektonisch höchst unkonventionellen, aber ästhetisch spannungsreichen Bauwerkes einigen können.

Das denkmalgeschützte historische Gebäude des ehemaligen Gasthauses zum Weydenbusch am Frankfurter Goetheplatz aus dem Jahre 1770[21] befindet sich im Eigentum einer großen Versicherungsgesellschaft. Ein an Ort und Stelle geplanter Neubau ließ sich aus Gründen des Denkmalschutzes nicht realisieren. Der zur Findung einer Kompromisslösung zwischen Abriss und Erhaltung beauftragte französische Architekt Jean Nouvel konnte die Zustimmung für ein Modell erreichen, das einen Neubau unter Verwendung der historischen Fassade vorsah. Die Fassade des Altbaus konnte so, trotz Totalentkernung, erhalten werden, und dem unter mächtigen ökonomischen Interessen minimalisierten Denkmalschutz war Genüge getan. Hinter der historischen Fassade entstand Platz für einen (eigentlich gewollten) Neubau. Für die Dauer der Entkernung des Gebäudes und das sukzessive Recycling der Fassade hat ein Stahlkorsett die Aufgabe, die gesamte Außenwand zu tragen. Dank neuer Hochbautechnologien wird auf diese Weise die komplette Ausräumung des Erdgeschosses einschließlich der ebenerdigen Fassadenelemente möglich, so dass die gesamte Statik hinter und unter der Front erneuert werden kann. Die Fassade mutierte zu einer Art architektonischer „Tapete“. Der alte Fassadenwinkel wird mit zwei die ursprüngliche Gebäudehöhe versetzt überragenden Geschossen aus Glas und Stahl sowie ein krönendes überdimensioniertes Dach-“Segel“ aus mattem Metall neu gestaltet. Damit wird auch der historische Baubestand symbolisch neu verortet. Auf die historische Stätte (die materiell getilgt ist) verweist nur noch der Hauswandwinkel als Oberfläche (im unmittelbaren Sinne des Wortes).

Die beschriebene Art, ein Haus zu bauen, ist als Technologie im Foucaultschen Sinne beschreibbar. Die Technik des modernen Hochbaus stellt sich in dieser Sicht als Moment einer Methode zur bildhaft-architektonischen „Untermalung“ eines zeitgemäßen Herrschaftsdiskurses dar. Die Inszenierung des Bauwerkes, seine erlebnisorientierte Platzierung, ist als Technologie an die Relation seines Ortes im sozialen Raum der Stadt gebunden. Wie es zu allen Zeiten Erlebnisse gab, hatte auch ästhetisch herausragende Architektur Erlebnischarakter. So entsprachen den postmodernen Einkaufsmalls die Glaspaläste und noblen Einkaufspassagen des 19. Jahrhunderts.[22] Die Differenz zur aktuellen ästhetischen Praxis liegt in den Codes der symbolischen Sprache —  aktuelle „Erlebnisarchitektur“ ist nicht mehr eindimensional codiert.

Die gebaute Demonstration technischer Möglichkeiten dient selbst schon einer Technologie der Macht. Die neue Geste der Repräsentation hebt aber nicht in einer linearen Formensprache auf Macht ab, sie bedient sich eher spielerischer Züge. Diese Form des Bauens ist trotzdem mehr als ein nur harmlos-eklektizistisches Spiel mit Stilen. Hinter der symbolischen Geste tarnt sich ein ins gebaute Bild gesetzter Diskurs der Macht eines universellen Verfügen- und Machen-Könnens mit den Mitteln des Kapitals. [23] Die Kombination von alter Fassade und neuer Bau-Substanz entspricht auf symbolischer Ebene einer Kombination formal widersprüchlicher Elemente. Dieses Synthese-Spiel flexibilisiert nicht zuletzt die Wahrnehmung. In der Gewöhnung an das Unverträgliche und Widersprüchliche wird im Bereich der Kultur Akzeptabilität gegenüber jedweder Flexibilisierung in den Bereichen der Ökonomie und Technologie erzeugt. Das Bauwerk spricht die symbolische Sprache einer radikalen Flexibilisierung. Die Funktion des im Hause tätigen Unternehmens steht in keiner Beziehung zur Sprache der Architektur. Die Ästhetik hat sich von der materiellen Trägerbasis abgelöst.[24] Dagegen kommentiert das so spannungsreich erscheinende Bauwerk in seiner pluralen Symbolik die postfordistisch subtiler gewordenen Funktionen des Kapitalismus im allgemeinen! Die Architektur erweist sich als prädestiniertes Medium, da sie im Metier des Spielerischen wie zur Erlebnissteigerung der Stadt durch Emotionalisierung zwischen Ökonomie und Kultur höchst wirkungsvoll vermittelt. Sie ist Medium eines Diskurses, der eine Herrschaftsordnung absichert, ohne dabei auf sie „explizit“ verweisen zu müssen. Damit ist er wirksamer als jede Werbung, die nur auf ihr Produkt zeigen kann.

Nouvel spricht von Macht, die sich ungeachtet ihrer Art und Legitimation als ästhetische Geste in der Repräsentation feiert — im Schein der Exzentrik der technischen Mittel. Der so verspielt daherkommende Bau liest sich im Fokus der Foucaultschen Technologien als kulturelle Methode der Disziplinierung. Mit der ästhetischen Akklamation setzt sich eine Akzeptabilität gegenüber einer Kombination des Inkompatiblen durch. In der Suggestion des Gefallens sitzt zugleich das Programm einer Selbstbeherrschung, deren disziplinierender Charakter maskiert ist. Über das Erlebnis setzt sich der ästhetische Eindruck im leiblichen Befinden (i.S. Foucaults im Körper) fest. Aus der gefühlsbezogenen Verankerung einer symbolischen Form der Architektur springt der Funke zur Erzeugung von Akzeptabilität gegenüber den Prinzipien einer postfordistisch flexibilisierten Ökonomie: gegenüber der Beugung von Werten bis zu ihrer Konterkarierung (am Beispiel in der Aufweichung der Programmatik des Denkmalschutzes demonstriert) und der Priorisierung des Möglichen vor jeder Frage nach Bedeutung und Rechtfertigung.

Beispiel 2: Die neue Fassade als Maske


Nach einem gleichsam umgekehrten Verfahren werden historische Fassaden mobilisiert. Die Architekten des Neubaues der Zentrale der Hessische Landesbank in Frank­furt am Main demontierten an anderer Stelle eine historische Sandsteinfassade, um sie zur Historisierung der Stahlbeton-Fassade im Bereich der Sockelbebauung eines 200 Meter hohen, zylinderartigen Hochhauses zu applizieren. Die historischen Fassaden werden mobil und als Dekor in den Dienst der Ästhetik technologisch hypermoderner Hochhäuser gestellt. Die Exzentrik des Hochhauses kommt im Kontrast zum geschichtsbeladenen Sandstein so recht erst zu sich. Es gibt keine Inkompatibilitäten mehr: Mit den Mitteln von High-Tech und Geld werden die Grenzen aufgelöst. Das Alte ist im Neuen, das Neue im Alten, das Gesicht nur eine Maske, vor allem aber ist die Form vom Inhalt befreit. Ihre Neutralisierung macht sie zu einem Medium, das für jeden kulturellen und ökonomischen Zweck aufgeladen werden kann. Postmoderne und Postfordismus fallen in eins!

Die Fassade ist ein gebautes Gesicht, das sich (mit Fassade) maskiert, „um ein öffentliches Ansehen zu haben und um eine Rolle zu spielen.“[25] Die postmoderne Architektur bedient sich eines raum- und zeitlosen historischen Maskenlagers, um jede beliebige Funktion zu erfüllen.[26] Indem Masken in ihrem Erscheinen auch etwas verbergen, ist das Spiel mit Masken immer auch eines mit Identitäten. Sonst gäbe es nichts zu maskieren. Ein Merkmal schon der Moderne ist die Auflösung monolithisch gedachter Identitäten. Wenn die (flexibilisierten) Individuen aber keine singuläre Identität mehr haben, können sie sich auch nicht auf linearem Wege mit einem Symbol identifizieren. Mit der Pluralisierung und dem Flottieren der Identitäten wird die Dechiffrierung der ästhetisierten Formen deshalb schwer kontrollierbar.

3. These

In der Zeit nano-technologischer Reproduzierbarkeit von (menschlicher) Natur werden gesellschaftliche Konventionen und Konsummuster für ein aktualisiertes und adaptiertes Natur-Bewusstsein geöffnet. Die Stadt ist der zentrale Ort zur Durchsetzung eines flexibilisierten Naturverständnisses.

Die Stadt ist ein Ort des Massenkonsums. Die Zerfalls- und Erneuerungsphasen städtischer Räume werden kürzer. Damit ist ein schnelles Kommen und Gehen von Naturfragmenten verbunden, die in den physischen und symbolischen Raum der Stadt eingeschrieben werden. Dass Natur nicht um ihrer selbst willen gepflanzt wird, versteht sich aus der Zweckhaftigkeit städtischen Bauens insgesamt. Es herrscht das Prinzip einer ubiquitären Verfügung über Natur. Natur, die nur diesem Zweck dienen muss, kommt als Zitat wirkungsvoll zur Geltung. Sie unterscheidet sich damit nur graduell von anderen industriegesellschaftlichen Artefakten.[27]

Exotische Vegetation bestimmt die Gestaltung von neun Gärten im Hauptsitz der Commerzbank in Frankfurt am Main. Im 39. Stock befindet sich der erste dieser Gärten. Jeder hat eine Fläche von 360 m2,  die Glaswand zur Stadt misst 14 x 36 Meter. Die Gärten sind je nach Himmelsrichtung thematisch gegliedert. Im nach Osten weisenden Gar­ten wächst es asiatisch: Magnolien, Azaleen, Hibiskus u.a.; im südwärtigen Garten wach­sen Olivenbäume, Korkeiche, Thymian, Salbei, Rosmarin, Zitronen- und Orangenbäume.[28] Die Gärten sollen klimatisierende und kommunikative Funktion haben. Diese dürfte aber eher von marginaler Bedeutung sein. Von allgemeiner Relevanz für die vergesellschaftende Wirkung dieser Natur-Zitat-Form ist das Updating des Modells „Wintergarten“ mit den gegebenen technischen Mitteln. Grenzen der Verfügung über Natur, die kontinuierlich und vor allem spielerisch aufgeweicht werden, sichern auf ästhetischem Wege sehr wirkungsvoll die Kopplung von gesellschaftlicher Regulation und wirtschaftlicher Akkumulation auf dem Niveau der Gewohnheiten und sodann der Bedürfnisse wie schließlich der Normen. Auf der Seite der Konsummuster wird technisch reproduzierte Natur zur üblichen Natur. Mit dieser zunächst symbolischen Anpassung der menschlichen Wahrnehmung an den Stand des technisch Möglichen wird vor allem das Natur-Denken für eine Inklusion reproduzierter Natur geöffnet. Darin liegt der wichtigste Effekt in regulationstheoretischer Hinsicht, stellt sich doch die wirtschaftliche Nutzbarkeit von Formeln zur Reproduktion von Natur an kulturellen Grenzen als Problem dar. Naturästhetisierung scheint nur spielerische Bedeutung zu haben. In der Wirkung übt sie gerade im Medium des Spielerischen die Aufhebung von Werten im Umgang mit der Natur.

4. These

Der lokale Staat engagiert sich im öffentlichen Raum der Stadt als Eventpromotor. Die inszenierten Ästhetisierungen folgen einer ambivalenten Programmatik. Sie dienen

- der Abfederung nachfordistisch verschärfter Konfliktlagen angesichts zunehmender sozioökonomischer Disparitären sowie

- der Optimierung regionaler Produktions-Milieus, das heißt der Erzielung von Vorteilen im (Standort-) Wettbewerb der Städte.

Das lokalstaatliche Handeln wird aufgrund seiner Konfliktpotentiale deshalb vermehrt aus dem Rahmen politisch-parlamentarischerer Legitimationszwänge herausgelöst.

Die Stadt ist ein Ort der Differenz. In der Gegenwart pluralisieren sich die Formen städtischen Lebens in ihrer Verschiedenheit. Damit steigen die Konfliktpotentiale. Der hohe Anspruch des Verstehens von Fremdem und Anderem (auf der Grundlage von Akzeptanz) kann angesichts der hohen Geschwindigkeit in der Zunahme an sozialer Komplexität keine konfliktfreie oder gar nur -arme Lebenspraxis verbürgen. Schrille Buntheit der Lebensstile wie praktisch ausgelebte ökonomische Ungleichheit in ostentativer Abgrenzung von Reich zu Arm verlangen ein hohes Maß an Gleichgültigkeit, Distanziertheit, Reserviertheit und Intellektualität im Simmelschen Sinne.[29] Nur bei einer gewissen Ignoranz lässt sich Urbanität als „gezähmte Abneigung“[30] auf einem konfliktreduzierten Erregungsniveau leben.

Die aktuelle Krise der Ökonomie — der Übergang von einer fordistischen zu einer nach- oder postfordistischen Wirtschaftsstruktur — ist auch eine Krise der Großstadt. In den Metropolen konzentrieren sich große gesellschaftliche Spannungen:

l in ökonomischer Hinsicht durch Aufklaffen der Wohlstandsschere zwischen Armut und Reichtum,

l in kultureller Hinsicht durch eine sich entgrenzende Pluralisierung der Lebensstile,

l in technik-kultureller Hinsicht in der Differenz zwischen denen, die über die Neuen (Computer-) Technologien verfügen und jenen, die keinen Zugang haben und

l in politischer Hinsicht durch eine verschärfte Polarisierung von Verteilungsfragen (zwischen PDS- und CSU-Programmatik).

So hat sich die urbane Öffentlichkeit zu einer Benutzerschaft städtischer Funktionen gewandelt. An die Stelle der urbanen Heimat in der Polis ist ein räumlich entwurzelter Konsumismus getreten.[31] Man könnte die aktuellen urbanen Transformationen als eine Form der Implosion bezeichnen, eine Vervielfachung der Stadt in ihren Erscheinungsweisen und gesellschaftlichen Praxen. Das Zusammenleben in den Städten steht heute vor neuen Anforderungen.

Streit und Einigung, Dissens und Konsens fordern vom Städter trotz der so wichtigen urbanen Tugend der Distanziertheit gegenüber seinem Nächsten auch ein gewisses Maß an Respekt. Als Folge von mehr und größeren Disparitäten steigen die Konflikt-Kristallisationsherde und die sozialen Anforderungen an den Städter.[32] Zwischenmenschlicher Respekt wird aber durch die Expansion eines neuen Geldadels und damit verbundener (ostentativer) Lebens­stile als moralischer Wert übermäßig stark beansprucht, denn „das Geld nimmt [...] auch den Menschen die gegenseitige Unzugänglichkeit, es führt sie aus ihrer ursprünglichen Isolierung in Beziehung, Vergleichbarkeit, Wechselwirkung über.“[33] Diese Diagnose Simmels gilt nach gut 100 Jahren angesichts zunehmend porös werdender sozialer Sicherungsnetze heute mit Nachdruck.

Die Vielfalt der krisenevozierenden gesellschaftlichen Entwicklungen kulminiert in den Städten. Das bedroht nicht nur den sozialen und politischen Frieden, sondern auch das Vermögen der Städte, Spannungen, Widersprüche und Brüche zu integrieren. Auf dem Niveau der Stadtpolitik werden neben sozialpolitischen Maßnahmen zur Entschärfung ärgster Sozialerosionen alle nur erdenklichen Mittel eingesetzt, um Problemlösungen anzustreben und Konflikte zu mildern, die auf der Kultur und Ökonomie der Städte lasten. Da die spätkapitalistische High-Tech-Stadt ihre heimatevozierenden Potentiale weithin eingebüßt hat, muss sie zu zeitgemäßen Mitteln greifen, um die Menschen auch auf der Ebene ihrer Gefühle zu treffen. Das Ästhetische bietet sich an. Mit der praktischen Ästhetisierung des öffentlichen Raumes steigt das Widerspruchspotential lokalstaatlichen Handelns und die Frage nach der Zumutbarkeit und friedlichen Akzeptanz der Stadt für Marginalisierte.

In diesem Sinne profilieren sich die großen Kommunen seit rund 10 Jahren durch die Initiierung großer Kulturveranstaltungen im Stile gigantischer Spektakel. Von ihnen werden positive Effekte für Kultur, Ökonomie und Politik erwartet. Im Kern des Spektakels (vom sommerlichen Feuerwerk über Stadt- und Stadtviertelfeste, Flussuferfeste bis zum Einkaufsmeilenfest und anderen Events) liegt eine Versöhnungsgeste: ‘Brot und Spiele’ als postmodernes Ablenkungsmanöver vom unübersehbaren Schwinden einer beschäftigungsorientierten ökonomischen Grund­sicherung. Zwar bleibt die Geste oberflächliches und leeres Versprechen. Dennoch belegen die Besucherzahlen von Großevents einen Erfolg, wenn der auch nur in ökonomischer Hinsicht gemessen werden kann, wie das im Sommer 2000 veranstaltete Frankfurter Mainuferfest zeigt.

Kulturpolitische Events beschränken sich in ihrer Programmatik aber nicht aufs symbolische Krisenmanagement. In ihrem gigantischen Kommerz machen sie vor allem auf den Hitlisten der deutschen Top-Städte des Tertiären und Quartären Sektors Pluspunkte. In der Städtekonkurrenz geht es nicht (oder doch nur am Rande) um gutes Konfliktmanagement, sondern um die Steigerung urbaner Attraktivitäts- und Imagewerte.

Die in großer zeitlicher Dichte und kultureller Vielfalt veranstalteten Events der verschiedensten Art dienen zwei Zielen. Erstens federt das Spektakel in der massenhaften Lust am Konsum städtischen Konfliktdruck kulturell ab. Zweitens präsentiert dasselbe Spektakel aber auch gute Standorteigenschaften, die nun vornehmlich symbolischer Art sind, verweisen sie doch auf die Qualität einer Kulturkulisse mit profunder Profiterwartung und damit auf einen wichtigen Faktor regionaler Produktions-Milieus für junge Selbständige aus den Branchen des Tertiären und Quartären Sektors, die den Standort der City suchen. Helbrecht hat im Kontext einer empirischen Studie auf die Bedeutung solcher atmosphärischen Momente für die Attraktivität von Standortmilieus hingewiesen. [34]

Die Kommune spielt als distanzierte Veranstalterin (Initiatorin, Schirmherrin o.ä.) eine (Dop­pel-) Rolle, die in ihrer Ambivalenz und sozialpolitischen Brisanz nicht ohne weiteres demokratiefähig ist. Die Aufgaben der Vorbereitung und Organisation von Groß-Ästhe­ti­sierungen in den Städten sind deshalb schon seit Jahren im Zuge einer „GmbH-isierung“ aus den Zuständigkeitsbereichen der Kommunen ausgelagert worden.[35] Darin liegt auch eine Erschließung wirtschaftlicher Bereiche durch lokalstaatliches Engagement. Entscheidend dürfte aber die Tatsache der Abschnürung parlamentarischer Kontrollmöglichkeiten unternehmerischen Handelns sein, eine Maßnahme mit erheblichen Vorteilen für die Wirtschaftsförderung.

Das neue Engagement der Metropolen zur Eventisierung und Aufpolierung imagebezogener Bilder der Stadt fungiert in regulationstheoretischer Sicht als komplexer Ausgleichsmechanismus zwischen Prozessfeldern der Wachstumsstruktur (Initiierung neuer tertiärer Märk­te und deren Diffusion, Schaffung flexibilisierter Präferenzsysteme, „Fortschreibung“ kulturel­ler Traditionen) auf der einen Seite und Prozessfeldern des Koordinationsmechanismus auf der anderen Seite. Innerhalb des Koordinationsmechanismus´ gewinnen Großevents zunehmend die Bedeutung von Institutionen der Koordination.[36] Städte mit historischen Zentren sind begünstigt (ungeachtet der Frage nach „Echtheit“ oder Simulation). Sie eignen sich als Kulisse und Raum der Repräsentation (für den Lokalstaat wie für Unternehmen) zur Erhöhung der Effekte symbolischer Konfliktprophylaxe wie zur Förderung lokaler oder regionaler Produktions-Milieus.

5. These

Ästhetisierungen drücken sich im Raum der Metropolen als „Oberflächenexpan­sion“ und als „Fundamentalisierung“ aus.[37] In der Dimension der Oberflächenexpansion wird die Stadt „schön“ gemacht. In der Dimension der Fundamentalisierung setzt sich ein ästhetisches Wirklichkeitsbewusstsein durch. Das Ästhetische wird zum Dispositiv.

Ästhetisierungen begegnen wir in den Metropolen vor allem an veredelten Dingen und Bau­werken: Wohngebäude — bevorzugt solche von bauhistorischem Wert — werden im Zuge von Gentrifizierungen aufgewertet, Kaufhäuser über ihren funktionellen Charakter hinaus als kulturelle Stätten nobilitiert, öffentliche Plätze, Parks und verkehrstechnische Bauwerke (bevorzugt Brücken) erscheinen in neuem Glanz. Durch die Vielzahl und Vielfalt der Maßnahmen ist die Stadt als chaotisch-mannigfaltiges Ganzes betroffen. Wo sie zum Erlebnisraum hochgerüstet wird, expandiert das Ästhetische auf einer Oberfläche.

Die neue Ubiquität des schönen Scheins verändert aber auch und vor allem die Wahrnehmungsweise von Wirklichkeit — nicht nur von städtischer Wirklichkeit, sondern von Wirklichkeit insgesamt. Tiefenästhetisierung beginnt dort, wo sich ein Eindruck von seinem medialen Träger ablöst und auf seiner immateriellen Basis eine eigene kulturelle Logik entfaltet. Es geht dabei um die Entfaltung eines Wirklichkeitsbewusstseins, in dem es neben der Welt der stofflich berührbaren und durch-wirk-baren (wirklichen) Dinge eine entstofflichte Realität der immateriellen und virtuellen ‘Dinge’ gibt. Spaltungen dieser Art sind aus der Mode bekannt und daher nichts Neues. Für die Fundamentalisierung des Ästhetischen kommt es darauf an, dass es sich als eine kulturelle und dynamische Form verselbständigt. Es wird zum Dispositiv im Foucaultschen Sinne und fungiert — regulationstheoretisch — mit einem hohen Wirkungsgrad als Steuermedium im Wechselwirkungsprozess von gesellschaft­licher Regulation und wirtschaftlicher Akkumulation.

Krisen sind in gewisser Weise anfällig für die Genese neuer Dispositive[38], weil ein Umbruch (sei es ein kultureller, ökonomischer, politischer oder technologischer) feste und bewährte Strukturen auflöst. Die Krise des Fordismus leitete einen vielperspektivischen Wandel gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und ökonomischer Produktions- und Organisationsverfahren ein.[39] Die technologischen Innovationen im Bereich der Neuen Medien schufen etwa seit den 70er Jahren wichtige Voraussetzungen für die Entstehung von Bausteinen eines Dispositivs des Ästhetischen. Sie konnten sich so im Wege der Abstraktion von den materiellen Grundlagen kapitalistischer Wirtschafts­weise als postfordistisches Element kulturell dekontextualisieren und höchst wirkungsvoll zwischen Kultur, Politik, Öko­nomie und Technologie symbolische Synthesen bilden.

Für die Stadt- und Raumentwicklung insgesamt bedeutet der Boom des Ästhetischen in formaler Hinsicht die Stärkung einer nicht-diskursiven (präsentativen) Ebene im Prozess der Raumentwicklung. Wo sich das ökonomische System symbolisch reproduziert, um (weitgehend verdeckt) materiell gestützte Machtkonzentrationen forcieren zu können, muss es sich nicht thematisieren. Dispositive erweisen sich in diesem Sinne als „leere“ Formen, die tendenziell beliebigen Inhalten gegenüber offen sind. Von herausragender Bedeutung ist die hohe Flexibilität des Dispositivs als Folge inhaltlicher Neutralität.  Ein Dispositiv ist „funktionell überdeterminiert“[40], das heißt es integriert positive und negative, gewollte wie ungewollte Wirkungen in seine strategische Funktion; das Dysfunktionale wird absorbiert. Ein Effekt dieser Neutralität ist die Kompensation moralischer Standards durch ästhetische Kompetenz.[41] Die urbane Karriere der Ästhetisierungen setzte an jenem Prozess postmoderner Kulturtransformation an, in dessen Verlauf ethische Werte durch Pluralisierung brüchig geworden sind und damit eine wichtige orientierende Funktion im Leben eingebüßt haben.[42]

Das Dispositiv des Ästhetischen konsolidiert sich als kulturelle Form der Wahrnehmung auf dem Wege der Diffusion lustbetonter Effekte. In der Eventisierung der Stadt werden noch Netze im Wirklichen gesponnen. Die sich schnell verbreitenden Produkte der Unterhaltungs-, Freizeit- und Fun-Software stehen dagegen ganz auf einem imaginären Boden. Das Dispositiv des Ästhetischen kommt gesellschaftlich mit der größten Nachhaltigkeit auf dem Niveau der Neuen Technologien zur Geltung, bestimmt der hohe Verbreitungsgrad computertechnologischer Programme doch — trotz fehlender Materialität — immer größer werdene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. So greifen die verschiedenen Dispositive des Ästhetischen als strategische Steuerelemente des postfordistischen Regulationsregimes reibungslos und sich wechselseitig beflügelnd ineinander. Ein Dispositiv dient nach Foucault der Ausübung von Macht. Seine hier beschriebene Rolle zeigt, dass zur Ausübung von Macht die systematische Herstellung von Akzeptabilität gegenüber bestehenden Machtstrukturen gehört.

Die politischen Wirkungen dieser „Erweiterung“ der Wahrnehmung vermitteln sich schleichend. Die immer schöner werdenden Citys ersticken die Frage nach ihren Rückseiten — den globalisierungsbedingten sozioökonomischen Differenzen zwischen Erster und Dritter Welt — oder sie integrieren sie auf unterhaltsame Weise, so dass sie zu einem fraglosen Element des Alltages werden. Das wettergeschützte mediterran klimatisierte Badeparadies mit echten Papageien lässt die Frage nach dem Zustand des globalen Klimas lascher werden. Ist die reproduzierte Alternative gar die erlebnisreichere Form von Natur, verliert die KulturNatur der reellen Landschaften an ästhetischem Reiz. Und die virtuellen Räume reduzierter Präsenz forcieren mit ihrer vermehrten Relevanz für die Steuerung gesellschaftlicher Systeme eine allgemeine Fluchtbewegung aus dem wirklichen städtischen Leben.

6. These

Ästhetisierungen realisieren sich im Bereich der Emotionen. Sie erzeugen Betroffenheit im leiblichen Befinden. Das zivilisationsgeschichtlich entfremdete Gefühl für die eigene Natur wird dem Individuum als kulturindustriell formatiertes Bedürfnis auf dem Markt zurückge­ge­ben.

Ästhetisierungen sollen berühren. Das strategische Programm des Dispositivs ist in einem Alphabet der Gefühle geschrieben. Das gilt für die Aufhübschung von Städten, für die Gentrifizierung von Wohnquartieren, das Arrangement von Stadtfesten wie für die erlebnisorientierte Umgestaltung von Kaufhäusern zu Lusttempeln des Konsums. All diese Maßnahmen heben darauf ab, Betroffenheit zu erzeugen, die positiv erlebt wird. Gefühle, deren Bauplan in den Systemen von Ökonomie, Kultur oder Politik wurzelt, sind nicht zweckfrei. Sie wollen etwas vom affizierten Individuum.[43]

Für die Einschätzung der gegenwärtigen Situation urbaner Ästhetisierungen muss die historische Entfremdung des Menschen von seinem subjektiven Erleben mit bedacht werden, spiegelt sich diese Entfremdung doch in einer eklatanten Sprachlosigkeit gegenüber subjektivem Befinden, wozu auch Atmosphären zählen. Die Affizierung der Sinne korrespondiert als man­nigfaltiges Gefühl nicht mit einer entsprechend mannigfaltigen begrifflichen Sprache. Wo die Sprache weitgehend fehlt, „stolpert“ der das Gefühl übersetzende Ausdruck. Fragen um Leib und Gefühl sind in unserer (rationalistischen) Kultur in institutionelle und sprach­liche Sonderbereiche ausgegrenzt. So sind und bleiben sie weitgehend dem Denken — zumal dem kritischen — gegenüber nur schwer zugänglich. Die Aufspaltung von sinnlichem Erleben hier und dem darüber Aussagbaren und Denkbaren dort, begründet den zwei­felhaften systemischen Erfolg einer fortwährend bis in unsere Tage sich differenzierenden kulturindustriellen Entleerung und Austauschbarkeit der Subjekte.

Ästhetisierungen der Stadt vermitteln sich auf dem Niveau hoher Zudringlichkeit besonders im Metier des Atmosphärischen. Atmosphären sind nach Hermann Schmitz räumlich ergossene Gefühle. Man kann Atmosphären in gewisser Weise aus Distanz spüren, ohne affektiv in sie hineingezogen zu werden. Ebenso kann man von ihrer Mächtigkeit unmittelbar getroffen sein.[44] Deshalb geht es ja genaugenommen auch weder dem Architekten, noch dem sogenannten Event-Promotor um die Gestaltung von Gebäuden oder Events; die ästhetische Bearbeitung soll das menschliche Erleben treffen. Architekten sprechen von einem „Ge­spür für den Ort“, von einem ‘Ge-Spür’, das sich atmosphärisch vermittelt.[45] Die Architektur von Atmosphären schafft Gefühlsräume im (relationalen) Körper-Raum. Diese haben ei­ne Raumqualität, die im Gegensatz zur Verortung von Körpern nie an einer fixen Stelle lokali­siert werden kann.[46] Atmosphären werden als Befinden erlebt — in einem atmosphärisch aufgeladenen Raum.[47]

Die Wahrnehmung von Atmosphären vollzieht sich weniger in einer wachen Erkenntnishaltung, als im Fluss des Vertrauten und Selbstverständlichen, aber auch des Plötzlichen. Atmosphären umgeben uns alltäglich. Sie gleiten gewissermaßen als ‘begriffloses Befinden’ unter oder durch uns hindurch. Mit den Mitteln der Ästhetisierung erzeugte Atmosphären, von denen hier die Rede ist, beschleichen eher, als dass sie ansprechen und man bewusst reagieren könnte.

So verbinden sich die dissuasiven Atmosphären, die mit Kaufhäusern, Einkaufsstraßen oder Events verschmelzen, mit kulturindustriell formatierten Bedürfnissen. Es entstehen neue Konsummuster. Die zivilisationsgeschichtliche Entleerung der Subjektivität und die damit einhergehende Erosion individuellen Natur-Seins[48] hat die nötigen Bewusstseins-Brachen hinterlassen. Die Dispositive des Ästhetischen setzen an den Rudimenten der Enteignung der Sinne und der Sinnlichkeit an, um im Gefüge anderer Machttechnologien Wirkungsweise und Effektivität des Kapitalismus zu radikalisieren. So spielt ein anthropologisch dezentriertes Naturbewusstsein des Menschen im regulationstheoretischen Wirkungsgefüge gegenwärtig eine systemisch integrierende Rolle. Die Dispositive des Ästhetischen spannen aber nie hermetische Netze restloser Verfügung der Subjekte. Die gebauten und inszenierten Formen sind zu ambivalent, um die Individuen alternativlos ‘verschalten’ zu können. Potentiell ermächtigen sie auch, sich den erscheinenden Dingen und Situationen mimetisch anzueignen und in eine Ordnung der Bedeutungen einzugliedern, welche sich systemischer Macht entzieht.

Mit der Bedeutung von Transformationen der menschlichen Natur für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung stellt sich zugleich die Aufgabe einer Erweiterung der Gesellschaftstheorie. Diese Aufgabe wird darin bestehen, [...] “die Gesellschaft daraufhin [zu] bestimmen, wie sie die Natur als ihre eigene Lebensgrundlage reproduziert.“[49] Betroffen ist von dieser Rekonstruktion ausdrücklich nicht allein die äußere Natur der Ressourcen, sondern auch und gerade die Natur des Menschen. Wenn diese Frage auch in den Gesellschaftstheorien ihren Ausgang nehmen mag, so trifft sie doch an dem Punkt der Reifikationen besonders die Umweltwissenschaften, die Stadtforschung auch die Architektur.[50]

 

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Abb. 1: Der Umbau des ehemaligen Gasthauses zum Weydenbusch (1770) am Frankfurter Goetheplatz nach einem Entwurf des französischen Architekten Jean Nouvels (Bild: Vf.).

 

 

Abb. 2.: Historische Fassade aus dem 19. Jahrhundert als Sockelverblendung am Neubau der Zentrale der Hessische Landesbank in Frank­furt am Main (Bild: Vf.).

 



[1] Unwin 1922, S. 4f.

[2] Zur Zeit Unwins waren in den Geisteswissenschaften große ästhetische Theorien geschrieben, in deren theoretischem Mittelpunkt auch eine Systematik der künstlerischen Hervorbringung und Betrachtung stand. Zum Beispiel geht es in der Raumästhetik der psychologischen Ästhetik von Theodor Lipps um formale Themen, wie die Entstehung der Linie oder die Betrachtung des dreidimensionalen Raumes (vgl. Lipps 1903). Aber es wäre eine arge Verkürzung, wollte man die Werke von Lipps oder auch Volkelt (vgl. Volkelt 1905) auf formale Regelwerke zur Schaffung und Rezeption schöner Kunst reduzieren. In ihrem Schwerpunkt waren es doch Werke, in deren Mittelpunkt die Wahrnehmung stand.

[3] So z.B. bei dem Philosophen Wolfgang Welsch.

[4] Vgl. Marquard 1986.

[5] Vgl. Nancy 1987.

[6] Vgl. Bentmann und Müller 1992.

[7] Vgl. für die Wirtschaftsgeographie vor allem Bathelt 1994 und 1997, Oßenbrügge und Danielzyk 1993 sowie Krätke 1996.

[8] Zum Übergang von einer fordistischen Wirtschaftstruktur zu einem post- oder nachfordistischen Regulationsregime in wirtschaftsgeographischer Sicht vgl. auch vgl. Bathelt 1994, ausführlicher und auf den Wandel in der chemischen Industrie bezogen Bathelt 1997 sowie Krätke 1996, Oßenbrügge und Danielzyk 1993. Auf die grundlegende Arbeit von Harvey (1987) zum Post-Modernismus in amerikanischen Städten sei auch an dieser Stelle verwiesen.

[9] Anläßlich der 55. Jahrerstagung des IWF merkte der tschechische Präsident Václav Havel  kritisch an, den modernen Gesellschaften fehle aufgrund ihrer atheistischen Struktur jede Beziehung zum Ewigen und Unendlichen und damit auch die Rücksicht auf das, was nach uns kommt (vgl. N.N. 2000).

[10] Vgl. Noller, Prigge und Ronneberger (Hg.) 1994 sowie Helbrecht 1997.

[11] Vgl. Bathelt 1994, S. 79 und 81.

[12] Vgl. Krätke 1996, S. 11.

[13] Vgl. Schulze 1993.

[14] Vgl. Helbrecht 1997.

[15] Vgl. Helbrecht 1996.

[16] Bekannt sind aufgrund der herausragenden Exklusivität der Waren und Dienstleistungen z.B. die Düsseldorfer Königsallee oder die Frankfurter Goethestraße.

[17] Vgl. Nancy 1999.

[18] Dröge und Müller 1996, S. 46.

[19] Vgl. Raulet 1989.

[20] Vgl. Böhme, H. 1998.

[21] Es gehörte dem Großvater Johann Wolfgang Goethes, was den historischen Wert des denkmalgeschützten Gebäudes über die Besonderheit des Baukörpers hinaus besonders plausibel macht.

[22]  Vgl. auch Hennings, G. / Müller, S. (Hg.) 1998.

[23] Nach demselben Prinzip werden derzeit in der Frankfurter City an mehreren Stellen Fassaden hinterbaut, so auch das ehemalige Volksbildungsheim an der Eschersheimer Straße zur Errichtung eines Kinokomplexes (fertiggestellt im Mai 2001).

[24] Nach Walter Prigge läßt die moderne Architektur keine „unmittelbare und bedeutungsvolle Zuordnung von architektonischer Form und sozialer Praxis mehr zu.“ (Prigge, W. 1995, S. 77).

[25] Flusser 1991/92, S. 65.

[26] Für die These einer Neutralität der Form im o.g. Sinne sieht auch Flusser Anhaltpunkte, vgl. ebd. S. 65.

[27] In großen und offenen Innenräumen kommt neben oder in Kombination mit exotischen Pflanzen vor allem Wasser zum Einsatz. Mit Schaumbremser und Zusätzen gegen Algenablagerung steht es dann als Allegorie einer besseren (menschgemachten) Natur im Gegensatz zu (schmutziger) Erde (vgl. Wagner 1991).

[28] Vgl. Zillner 1998.

[29] Diese Merkmale im Geistesleben der Großstädter hat vor rund 100 Jahren Georg Simmel als Voraussetzung eines gelingenden urbanen Lebens in den Großstädten schon genannt (Simmel 1903). Noch heute erscheinen die Simmleschen Thesen Stadtsoziologen für eine Konfliktvermeidung in Großstädten als kulturell unverzichtbar (vgl. z.B. bei Siebel 2000).

[30] Ebd., S. 32.

[31] Häußermann und Siebel sehen die Öffentlichkeit in verschiedene Kundengruppen mit hochspezialisierten Interessen zerfallen (Interessen an ungestörtem Wohnen, expansiven Arbeitsmärkten, guten Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten sowie an Schnellstraßen); vgl. Häußermann und Siebel 1997, S. 302f.

[32] Vgl. Mönninger 2000.

[33] Simmel 1897.

[34] Vgl. Helbrecht 1998.

[35] Vgl. dazu auch Mayer 1996, S. 21.

[36] Dies vor allem in formaler Hinsicht in der (lebens-) ästhetisierenden Wirkungsweise des Spektakels (vgl. dazu die 5. These).

[37] Vgl. Welsch 1993.

[38] Michel Foucault versteht ein Dispositiv als ein strategisch hergestelltes  „Machtbe­ziehungs­bün­del“, das auf gesellschaftliche Kräfteverhältnisse (der allgemeinsten und verschiedensten Art) einwirkt (vgl. dazu auch Lorey 1999), „ [...] sei es, um sie in diese oder jene Richtung auszubauen, sei es, um sie zu blockieren oder zu stabilisieren oder auch nutzbar zu machen usw. [...].“ (vgl. Foucault 1978, S. 123). Ein Dispositiv ist ein aus Macht-Wissen geknüpftes Netz, das zum Zwecke der Ausübung von Macht verändernd auf gesellschaftliche Verhältnisse einwirken soll (vgl. ebd., S. 120).

[39] Bathelt analysiert diesen am Beispiel der Strukturveränderungen in der Chemischen Industrie in Deutschland (vgl. 1997).

[40] Foucault 1978, S. 121.

[41] Vgl. Welsch 1993, S. 21.

[42] Die Lücke der Werte klafft in den Metropolen weiter als in der ländlichen Peripherie. Das spiegelt sich im jeweiligen Grad der Eutrophie des Ästhetischen.

[43] Das Gefühl spielt auf der Bühne aller gesellschaftlichen Systeme eine zentrale Rolle. Zur Zeit noch virulenter Kultur- und Gesellschaftskritik fanden Ästhetisierungen deshalb besondere Aufmerksamkeit in marxistischer Sicht. Aus dieser Zeit und gesellschaftlichen Geisteshaltung stammt die bekannte Arbeit von Wolfgang Fritz Haug zur „Kritik der Warenästhetik“ aus dem Jahre 1971. Im Rückblick sieht sich Haug eher zur Aktualisierung und Verschärfung seiner Thesen veranlasst, denn zu deren Relativierung oder gar Revision. Das Prinzip der Ästhetisierung gipfelt nach Haug in der Gegenwart in einem gerade in den Metropolen deutlich erkennbaren Erlebnis- und Genusshunger wie in einem allgemeinen Prozess der Virtualisierung von Wirklichkeit, innerhalb derer die Menschheit  „sich ins Phantastische eingesperrt findet.“ (Haug 1997, S. 348). Die lange Kulturgeschichte der Abwertung der Sinne schafft dabei die Grundlagen der Möglichkeit einer Steigerung der Durchschlagskraft der klassischen Warenästhetik ins Bodenlose (vgl. dazu verschiedene grundlegende Studien, die aus anthropologischer und soziologischer Sicht die Spuren dieser Enteignungsgeschichte aufnehmen und weiße Flecken in der Selbstverfügung des Menschen ausmachen [so z.B. Elias 1969, zur Lippe 1988, Schmitz 1998 sowie Negt 1987]). Hier liegen auch die Fundamente der Dispositive des Ästhetischen.

[44] Vgl. Schmitz 1981, § 149.

[45] Vgl. auch Buchanan 1998.

[46] Auf die Herstellung von Atmosphären beim Bauen legte Fank Lloyd Wright besonderen Wert. Die eigentliche Kraft der Architektur liegt nach seiner Überzeugung in Dingen, die man nicht wahrnehmen könne, eben in Atmosphären; zum Verhältnis von Stadt und Atmosphäre vgl. Hasse 2000.

[47] Über die Bedeutung von Atmosphären in der Architektur vgl. Böhme, G. 2000.

[48] Zur Frage der menschlichen Sensibilität für sein eigenes Natur-Sein vgl. besonders Gernot Böhme 1999.

[49] Ebd., S. 68.

[50] Der Vf. dankt Werner Bischoff, Dr. Vera Denzer und Claudia Wucherpfennig für anregende Diskussionen zum Thema

 

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