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1Gottfried Böhms Wallfahrtskirche Maria
Königin des Friedens" in Neviges entstand aus der
Notwendigkeit, dem wachsenden Pilgerstrom der Fünfziger
Jahre zu begegnen. Gegenstand der Verehrung ist ein aus
einem Gebetbuch gelöster Kupferstich des 17.
Jahrhunderts, durch den Maria zu einem Mönch gesprochen
und Heilungen bewirkt haben soll. Das Bild wurde 1680 aus
Dorsten in das bei Neviges gelegene Schloß Hardenberg
gebracht und dann in der dortigen barocken Pfarr- und
Klosterkirche, die der unbefleckten Empfängnis Mariens
geweiht ist, aufbewahrt, bis es 1968 in die dann geweihte
neue Wallfahrtskirche kam.1) Gottfried Böhm
schreibt dazu: ... das Pilgern an einen Ort, wo man
das religiöse Erlebnis anders, in neuer Form und
vielfältg erfährt, dies müßte der Sinn der Wallfahrt
sein. Das verehrte Bildchen kann dabei nur als
Anhaltspunkt, nicht als anzustrebendes Ziel dienen."2)
Für Böhm sind also das Gnadenbild und die damit
verbundene Erwartung von Wundern weniger wichtig als das
jeweilige persönliche Erlebnis, das durch die Offenheit
des Pilgernden für den ihm unbekannten Ort ermöglicht
ist. Er betont die Vielfältigkeit der Erfahrungen auch
in seinem Wettbewerbsgrundriß, der verschiedene
Nutzungsmöglichkeiten der Kirche zeigt und
Regieanweisungen auch für den Außenraum gibt.
Abb. 1
Abb. 2
Böhm erfüllte mit seinem Entwurf die
in der Ausschreibung festgelegten Erwartungen und bot
zudem den Bau eines nicht geforderten, von ihm
sogenannten Pilgerwegs" an.
Abb. 3
2Pilger, die in der Regel vom Bahnhof oder vom
Busparkplatz her kommen, gehen über die Elberfelder
Straße auf die alte Kirche zu, biegen vor ihr rechts
ein, gehen am Kloster vorbei und biegen dann um die
ersten Pilgerhäuser herum nach links, um dann auf dem
Pilgerweg bewußt zur Kirche hochzusteigen. Dieser
Aufstieg ist im Osten begrenzt durch die für die
Versorgung der Pilger nötigen Nebenbauten, von denen
allerdings nur die der Kirche nahestehenden ausgeführt
wurden. Die Westseite ist durch eine wegen der
Geländeneigung nötigen Mauer begrenzt, über der sich
eine wenig befahrene Straße befindet, die Böhm als
Empore bezeichnet. Frühere Entwürfe zeigen, daß der
Pilgerweg an beiden Seiten von Gebäuden gerahmt sein
sollte, was ihn als Weg verdeutlicht hätte - daß aber
auch die platzartige Ausdehnung, die ihn für Feste
nutzbar macht, immer schon vorgesehen war.
Bemerkenswert dabei ist, daß der
Pilgerweg nicht symmetrisch ist und daß er keine
einheitliche Richtung hat. Weder der Pilgerweg noch dann
das Kircheninnere folgen einer gemeinsamen Ordnung, wie
sie in traditionellen Kirchen noch zu Beginn des
Jahrhunderts zu erwarten gewesen wäre. Eine
traditionelle Kirche wäre möglichst geostet, ein
traditioneller Altar stünde symmetrisch, traditionelle
Sitzreihen würden hintereinander der Richtung des
Kirchenbaus entsprechend aufgereiht. Böhms Kirche ist
nicht geostet, der Altar steht nicht ganz in der Mitte,
und geplant waren frei versetzbare Stühle. Die
Unregelmäßigkeiten des Pilgerwegs und des
Kircheninneren sind nicht durch die Unregelmäßigkeiten
des Baugeländes erzwungen, sie sind im Hinblick auf ein
neues religiöses Erlebnis" geplant.3)
3Die traditionelle Ordnung des Kircheninneren war
in der Liturgischen Bewegung" nach dem Ersten
Weltkrieg kritisiert worden. Romano Guardini und andere
hatten gefordert, daß die Gläubigen nicht, wie noch
Papst Pius X meinte, Zuschauer bei der Messe sein
sollten, sondern aktive Teilnehmer.4) Sie
sollten nicht eine traditionelle Ordnung nur ausfüllen,
sondern sich selbst eine ihnen entsprechende Ordnung
suchen. Die Konsequenzen dieser Forderungen sind dann,
besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, in den variabel
nutzbaren und nicht gerichteten Kirchenbauten zu sehen.
Diese Kirchenbauten sind innen wie außen oft
unsymmetrisch, sie schreiben ihren Benutzern dabei weder
einen einzigen Weg noch eine einzige Art der Nutzung vor.
Der Theologe Van Acken, der die Kirchenbauten von
Dominikus Böhm, dem Vater Gottfried Böhms, mitangeregt
hat, beschreibt 1923 die Forderungen der
Liturgischen Bewegung" so: Der Altar als
der mystische Christus soll der Ausgangspunkt und
gestaltende Mittelpunkt des Kirchenbaus sein. ... Für
die heutige Baukunst gilt als erster Grundsatz: Das
Bedürfnis schafft den Raum. Wenden wir das ohne weiteres
auf den Kirchenraum an. Wir fordern damit auch in diesem
Gedankengange für unsere Gotteshäuser Weitung des
Hauptraumes, Verkürzung und Verbreiterung des Chores,
Verzicht auf Säulen und Pfeiler, die den Blick hemmen,
Umschaffung der Nebenschiffe, falls solche gewollt sind,
in bloße Gänge und Beichtnischen."5)
Für Architekten bedeutet das neue Verständnis der
Liturgie größere Gestaltungsfreiheit. Böhm hätte
Marienkapelle, Altar, Kanzel, Eingang usw. sehr anders
gruppieren können, ohne dem neuen Verständnis der
Liturgie bzw. der Ausschreibung zu widersprechen.
Gleichzeitig fördert das neue Liturgieverständnis nur
bestimmte nichttraditionelle Bauformen: Zentralbauten mit
auffälligem, wenn nicht befremdlichem Äußeren werden
bevorzugt. Wie Hugo Schnell festgestellt hat, kamen die
neuen Bautechniken der Tendenz zum Zentralbau sehr
entgegen.6) Mit Stahlträgern war es kein
Problem, einen großen Innenraum stützenlos zu
überdachen und so die Sicht freizulassen. Der Betonbau
bot zudem die Möglichkeit, neue Bauformen zu erfinden.
Die Kirche erlaubte ausdrücklich - auch vor der
Feststellung der künstlerischen Freiheit im Zweiten
Vatikanischen Konzil von 1963 - die verschiedensten Stile
und Bauformen, wenn nur die liturgischen Belange
respektiert wurden. Eine ausgefallene Bauform ist
geradezu erwünscht, um den Sakralbau von den
Profanbauten zu unterscheiden. Aus diesen kirchlichen
Forderungen und aus den neuen technischen Möglichkeiten
heraus entstehen die bizarrsten Kirchen. Besonders der
Kirchenbau nach dem Zweiten Weltkrieg rückt weit ab von
den traditionellen Formen. Mehr als Konventionen gelten
nun Erlebnismöglichkeiten. Die Kirchen rechnen mehr mit
der Neugier und Offenheit ihrer Besucher als mit ihrer
Bildung, sie beeindrucken weniger durch den Rückgriff
auf Überliefertes als durch ihre unerwartete Fremdheit.
4Böhm hat die im Kirchenbau nun möglichen
Freiheiten sowohl bei der Gestaltung des Kircheninneren
als auch bei der Gestaltung des Kirchenäußeren genutzt
und dabei, wie zu zeigen ist, das Kircheninnere nach dem
Kirchenäußeren geplant. Das Äußere ist auffällig,
die Wallfahrtskirche steht als Fremdkörper aus Beton in
dem durch Schieferhäuser, Fachwerkhäuser und nur wenige
moderne Bauten bestimmten bergischen Städtchen.
Bei seinen Profanbauten richtet sich
Böhm bekannterweise auffällig nach den Vorgaben der
Umgebung.7) Er schreibt, daß Gestalt,
Maßstab, Nutzung, Material und Farben der vorhandenen
Häuser bei jedem - profanen - Neubau berücksichtigt
werden müssen. Bei seinen Kirchenbauten nimmt Böhm
diese Rücksichten nicht und entspricht damit der
kirchlichen Forderung nach klarer Differenz zwischen
sakralen und profanen Bauten. Die Wallfahrtskirche
unterscheidet sich offensichtlich von ihrer Umgebung.
Schon ihre Größe macht sie auffällig: Die Kirche ist
etwa 37m breit und 50m lang, ihre Außenmauern sind
zwischen 10 und 20 Metern hoch, die höchste
Faltwerkspitze sogar 34m. Ihre Form ist auffällig: die
Kirche hat im Gegensatz zu den Häusern der Umgebung
keine rechten Winkel und keine konstanten Größen, so
daß sie schwer zu messen und zu bestimmen ist. Die
Kirche übersteigt das an den Häusern deutliche
menschliche Maß.
5Gleichzeitig mit der kirchlichen Wertschätzung
origineller Bauten bildet sich eine neue, die
Originalität durch Rückgriffe auf biblische
Beschreibungen des Hauses Gottes rechtfertigende
Ikonografie heraus. Man könnte in Anlehnung an Juan Gris
geradezu von einer induktiven Ikonografie"
sprechen. Juan Gris hatte gegenstandslose Bilder gemalt
und erst im Nachhinein Gegenstände in sie hineingesehen.
Ebenso sind diese Kirchen zum großen Teil als freie
Formerfindungen geplant, die dann im Nachhinein durch
Assoziationen und durch dazugehörige ikonografische
Erklärungen entschärft werden. Neue Kirchenbauten
werden immer wieder als Weg, als Zeit, als Fels, als
Höhle, als Arche, als Burg usw. gedeutet.8)
Daß Böhms Wallfahrtskirche (wie viele andere) einem
Zelt ähnelt, ist kaum zu bestreiten. Daß sie aber als
Hinweis auf das zweite Buch Mose, also als Hinweis auf
das dort als Gotteswohnung gebaute Zelt gemeint ist,
bestreitet Böhm selbst. Er schreibt: Ich wollte
ganz einfach eine Kirche bauen und nicht - wir mir so oft
nachgesagt wird - ein Zelt Gottes auf Erden."9)
Diese lakonische, betont naive Aussage ist wohl in erster
Linie als Widerspruch des Künstlers zu jeder Art
konventioneller Deutung zu verstehen. Tatsächlich
verhindert das Verständnis der Kirche als Zelt leicht
das Verständnis weiterer Zusammenhänge. Wenn man die
Kirche als Zelt deutet, erkennt man am isolierten
Baukörper eine bekannte Form - wie auch immer
abgewandelt - wieder. Man geht von der Gesamtheit, der
Gestalt aus wie beim Verständnis einer gegenständlichen
Plastik.10) Diese Betrachtungsweise liegt bei
einiger Bildung nahe und ist bei der Arbeit mit Plänen
und Luftaufnahmen geradezu unvermeidlich. Ich möchte sie
trotzdem so weit wie möglich vermeiden und hier von der
Betrachtungsweise vor Ort ausgehen. Die Ansichten der
Kirche, die von der Stadt aus zu haben sind, schließen
ihre Deutung als Zelt zwar nicht aus, ermöglichen aber
ein anderes Verständnis, das mit Luftaufnahmen und
Plänen nicht zu erreichen ist. Um dem nicht in Neviges
herumgehenden Leser dieses Artikels die Ansichten der
Kirche aus der Stadt zu verdeutlichen, muß ich im
Folgenden auf Fotos zurückgreifen.
6Schon auf Plänen ist jedoch zu sehen, daß die
Kirche nicht als isolierter Baukörper zu begreifen ist.
Auf den Zwerchgiebel eines bei der Kirche stehenden
Hauses antwortet eine Giebelform des Kirchendachs. (Abb.
2, Pfeil A)Ein Durchblick zwischen zwei eigentlich ganz
unbedeutenden Häusern ist im Kirchengrundriß insofern
berücksichtigt, als eine Ecke der Sakramentskapelle
direkt auf diesen Durchblick zeigt. (Abb. 2, Pfeil B)
Schon diese Bezüge sind nicht zufällig und machen
deutlich, wie sehr Böhm bei allem Kontrast zwischen der
Betonkirche und den alten Häusern des bergischen
Städtchens von den vorgegebenen Bauten ausgeht.
Spiegelungen traditioneller Bauformen
bzw. Rücksicht auf Blickmöglichkeiten gibt es auch bei
anderen Bauten Böhms. Die Wallfahrtskirche in Neviges
nimmt aber insofern eine Sonderstellung ein, als Böhm
hier ein systematisches Interesse an Durchblicken
verfolgt, die sich einem in Neviges gehenden Betrachter
der Kirche bieten. - Daß Böhm sich für gehende
Pilger interessiert, macht schon seine Konzeption eines
Pilgerweges deutlich. Auf dem Weg vom Bahnhof oder vom
Parkplatz zur Kirche sieht man zunächst nichts als Teile
des Kirchendachs über der Stadt.
Abb. 4
Ist man dann in der Stadt, sieht man
die Kirche zunächst nicht mehr. Das erste, was auf dem
Hauptweg zur Kirche von ihr wieder zu sehen ist, ist eine
Dachkante mit dem Glockenaufbau.
Abb. 5 (vgl. Abb. 2 ,
Pfeil C)
Die Dachschräge der neuen Kirche ist
genau parallel zur Dachschräge des alten Klosters, d.h.
zu dem Grat des dort um 90° gewinkelten Dachs. Solange
dem gehenden Betrachter beide Schrägen nahe genug
beieinander erscheinen, ist ihre Parallelität auffällig
- sobald der Betrachter weitergeht, entfernen sich die
Parallelen voneinander, und die dann hervortretenden
anderen Dachformen können gesehen werden.
Abb. 6 (vgl. Abb. 2,
Pfeil D)
Der unregelmäßige Baukörper
beherrscht die Wahrnehmung dann mehr als die vorher
aufgeblitzte regelmäßige Entsprechung.
7Böhm leitet schon die meist in Gruppen
ankommenden Pilger auf dem Pilgerweg auf einem
unübersichtlichen, programmatisch nicht achsialen Weg
zur Kirche. Er rechnet offenbar mehr als mit diesen
Gruppen mit Einzelnen, die durch die Stadt gehen. Dort
sind Parallelen wie die eben gezeigte immer wieder zu
sehen. Die von den verschiedensten Standorten aus
möglichen Durchblicke auf die neue Kirche sind nicht
einem Pilgerweg zuzuordnen, sondern ergeben sich bei fast
jedem Weg durch die Stadt. Ich beschränke mich auf
wenige, mit einem Normalobjektiv leicht fotografierbare
Durchblicke mit Parallelen.
Ein Betrachter, der von der Apsis der
alten katholischen Kirche her zur neuen hinsieht, muß
bemerken, daß die Neigung des Giebels des
weißgestrichenen Hauses, eines Klosternebengebäudes,
der Neigung einer Schräge im Dach der neuen Kirche
entspricht: Rechts vom Giebel erscheint eine dunkle
Betonpyramide, deren Umriß den des Giebels wiederholt.
Abb. 7 (vgl. Abb. 2,
Pfeil E)
Bei etwas verändertem Standort bleibt
diese Parallele zwischen dem Giebel und der Pyramidenform
im Kirchendach. Sie wird nun durch eine weitere Schräge
links im Kirchendach ergänzt, die hier so fotografiert
ist, daß sie von links oben her genau auf die
Giebelspitze führt.
Abb. 8 (vgl. Abb. 2,
Pfeil F)
8Ein paar Schritte weiter erscheint dann auch
diese Linie als Parallele. - Die beiden Parallelen
bleiben parallel, auch wenn man sich vor ihnen bewegt,
weil sie im Raum parallel sind. Sie lassen sich nicht
anders als so, als parallel, fotografieren. Das
unterscheidet sie z.B. von der nur zufällig in Abb. 8
parallel erscheinenden Traufe des links vorn stehenden
Schieferhauses. Die Kante dieser Traufe steht im Raum ja
nicht parallel zur Kante des Giebels, sondern orthogonal
zu ihr. Nur von einem einzigen Standort erscheinen beide
Kanten als Parallelen im Foto - für einen gehenden
Betrachter ändert sich mit jedem Schritt der Winkel
zwischen ihnen. - Die zwischen dem Giebel und dem
Kirchendach gesehenen Parallelen jedoch vertragen
Betrachterbewegungen.
Abb. 9
Die Parallelen entfernen oder nähern
sich dann, bleiben aber parallel. Sie sind nicht für das
Foto inszeniert. Sie sind ganz im Gegenteil einem sich
bewegenden Betrachter auffälliger als einem, der mit
einem eingefrorenen Bild vorlieb nehmen muß. Sie sind
auffälliger, eben weil sie der Überprüfung durch
Standortwechsel standhalten. Eine filmische Reproduktion
käme der Erfahrung eines gehenden Betrachters noch
näher als eine Sequenz von Fotografien. Für
dokumentarische Architekturfotografien müßte man
eigentlich Standorte wählen, die die räumliche
Situation verdeutlichen und nicht zugunsten eine
fotografischen Kompisiton, z.B. mit Parallelen,
verunklären. In Neviges sind solche dokumentarisch
klaren Fotos aus der Stadt heraus fast immer unmöglich,
weil es von hier aus kaum möglich ist, Parallelen zu
vermeiden. Die hier gezeigten Fotos sollen nicht als
Kompositionen, sondern als Dokumentierung der unvermeidlich
von Parallelen bestimmten Durchblicke verstanden werden.
In der näheren Umgebung der Kirche sind alle Standorte
in der Stadt, die überhaupt einen Blick auf die neue
Kirche erlauben, immer durch solche Parallelen bestimmt.
Abb.10a
|
Abb. 10b
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Abb.
10c
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Abb.
10d
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Abb.
10e
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Abb.
10f
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Abb. 10g
|
9Eine solche Wiederholung desselben, für sich
schon auffälligen Prinzips, ist kein Zufall. Zum Teil
entstehen die Parallelen vielleicht, weil eben viele
Häuser in der Altstadt eine ähnliche Dachneigung haben.
Weil aber verschiedene Winkel als Parallelen auftreten,
kann diese Erklärung nicht hinreichen. Die Parallelen
müssen geplant sein. Auf einem Stadtplan mußte dafür
notiert werden, von welchem Standort aus welcher Winkel
an den schon vorhandenen alten Häusern gesehen werden
kann. Dieser Winkel mußte dann auf den Bereich
übertragen werden, in dem die Kirche stehen sollte.
(vgl. Abb. 2, Pfeil C) Vermessungstechniken wie diese
gehören zur Ausbildung von Architekten. Wo genau im
Kirchendach der Winkel dann aufgenommen wurde - ob an
einer langen oder an einer kurzen Kante, ob höher oder
niedriger - war relativ unwichtig, solange nur
dieSchräge des Kirchendachs parallel zur Schräge eines
Hauses verlief und nahe genug bei ihr gesehen werden
konnte. Für die Gestaltung des natürlich durch
statische Überlegungen und durch Rücksichten auf
Gesamtsichten mitbestimmten Baukörpers blieb also genug
Spielraum.11)
Wenn man die Bezüge der Kirche zu den
einzelnen Häusern in der Stadt nicht berücksichtigt,
kann man die Kirche für individualistisch geplant und
für ebenso willkürlich wie viele andere Betonkirchen
halten. Wenn man jedoch die Bezüge zur Stadt bemerkt,
kann man die Komposition des Kirchendachs nicht als frei
oder gar willkürlich bezeichnen. Es mußten enorm
strenge Spielregeln berücksichtigt werden, die zwar
einen gewissen Spielraum für die Gestaltung des Dachs
ließen, die aber sicher keine ungehinderte spontane
Komposition erlaubten. Es konnten verschiedene
Kristallformen entwickelt werden, die aber jeweils durch
vorausgesetzte Winkel schon bestimmt waren.
Wenn man den Kirchenbau aus seiner
Umgebung isoliert, sieht man ihm die Spielregeln nicht an
und kann ihn durchaus vergleichen mit expressionistischer
Architektur. Das expressionistische Scalarestaurant von
Würzbach und Belling beispielsweise hat ein Dach, das
durchaus dem der Wallfahrtskirche ähnelt.12)
Es ist aber frei komponiert und nicht etwa eine
Konsequenz der äußeren Form des Daches, die ihrerseits
wiederum auf die Schrägen der umliegenden Häuser
zurückzuführen ist. Böhms Bau ist nicht expressionistischer
Selbstausdruck des Architekten, sondern - wenn man so
will: ganz im Gegenteil - Resultat einer von äußeren
Gegebenheiten ausgehenden Planung. Auch irrational oder
antirationalistisch und phantastisch ist der Bau, auch
wenn es ihm nachgesagt wird, eigentlich nicht.13)
10Schwieriger und sinnvoller als die vorschnelle
Zuordnung der Kirche zu einer ikonographischen Tradition
oder zu einem Stil ist die Frage danach, wie die von
Blickbezügen ausgehende Planung verstanden werden muß.
Was unterscheidet sie von früheren für Blicke
konzipierten Bauten? Ist die von Blickbezügen ausgehende
Planung nur eine Spielart kontextbezogenen Bauens?
Als ein älteres Beispiel für die
Entwicklung von Architektur aus der Umgebung heraus, aus
der sie dann gesehen wird, kann der Petersplatz von
Bernini dienen.14) Es ist immer wieder darauf
hingewiesen worden, daß die beiden die Piazetta im
Norden und im Süden begrenzenden Korridore nicht
parallel zueinander sind, damit sie einem von der
Stadt her kommenden Betrachter parallel erscheinen, also
länger erscheinen, so daß die ganze Piazzetta länger
wirkt. Bernini nutzt hier also eine optische Täuschung
aus und verunkärt damit dem Ankommenden dieEntfernung zu
seinem Ziel, dem Petersdom. Ähnliche optische
Täuschungen interessieren Böhm nicht. Dagegen ist eine
andere Planungsweise Berninis mit der Böhms verwandt.
Massimo Birindelli hat gezeigt, daß die Winkel der
beiden Korridore zueinander nicht allein auf eine
optische Täuschung hin berechnet sind, sondern daß sie
auf die damalige Umgebung Bezug nahmen.15)
Abb. 11
Bei der Planung der Anlage hat Bernini
nicht nur auf die Peterskirche Rücksicht genommen,
sondern auch auf einen von der Peterskirche unabhängig
gebauten Palast, den Papstpalast von Sixtus V, und auf
eine zur Peterskirche hinführende, aber keineswegs
regelmäßig zu ihm gebaute Straße, den Borgo nuovo.
11Der nördliche Korridor setzt die Richtung der
auf den Petersdom hinführenden Straße fort. (Abb. 11)
Sein Winkel bestimmt sich also aus der vorhandenen
Straße. Der Winkel des südlichen Korridors spiegelt
dann die Richtung des nördlichen Korridors. Als die
Straßenführung 1936 geändert wurde, ergab sich zwar
die prächtige und im Sinne faschistischer Stadtplanung
wünschenswerte Zufahrt, die heutige Via della
Conciliazione - der alte Bezug zwischen der schmaleren
Straße und dem sie fortsetzenden Korridor ging jedoch
verloren. Zu beobachten ist heute noch der zweite von
Birindelli herausgestellte Bezug: Die südliche Mauer des
Papstpalastes bestimmt den Winkel der nördlichen
Öffnung der Kolonnaden. (Abb. 11,3) Nur im Plan ist zu
sehen, daß überdies die westliche Mauer desselben
Papstpalastes genau auf den Mittelpunkt des nördlichen
Kolonnadenhalbrunds trifft. (Abb. 11,2) Berninis
Platzarchitektur verbindet also drei vorher nicht
regelmäßig aufeinander bezogene Gegebenheiten: den
Petersdom, den Papstpalast und die alte Straße.
Auch wenn es keine direkten
Verbindungen zwischen Bernini und Böhm gibt, ist der
Vergleich ihrer Planungsweisen doch erhellend. So wie
Bernini seinen Platz von dem vollkommen unabhängig
gebauten Papstpalast und von der für das persönliche
Erlebnis der Pilger zwar wichtigen, offiziell aber
nebensächlichen Straße abhängig macht, so nimmt Böhm
die Dachschrägen der im Lauf der Jahrhunderte so
gewachsenen Stadt und bestimmt aus ihnen das Dach der von
ihm gebauten Kirche. Beide Architekten gehen bei der
Planung kirchlicher Architektur von zufällig gegebener
profaner Architektur aus. Beide binden mit ihren Bauten
die Zufälligkeit der vorigen Bauten. Beide gehen von
Blickbezügen aus, wenn auch der von Bernini ermöglichte
Blick durch eine lange gerade Straße und einen langen
geraden Korridor bzw. der Blick vor zwei parallele
Fassaden
Abb. 12
anders sind als die Durchblicke auf
parallele Schrägen, mit denen Böhm arbeitet. Bernini
zeigt einen Weg bzw. ordnet zwei Fassaden hintereinander,
die sich bei seiner Planung ergebenden Blicke gelten für
einen Betrachter ein ganzes Wegstück lang. Böhm zeigt
jeweils kurz aufblitzende Bilder, die nach wenigen
Schritten wieder zerfallen. (Daß sie aber wenige
Schritte lang halten, macht sie, wie oben erwähnt, erst
eindrücklich.) Bernini nimmt die in Grundrissen
notierbaren Schrägen auf. Böhm nimmt die Schrägen auf,
für deren Notierung ein Grundriß nicht ausreicht, weil
sie schräg im Raum stehen. Bernini entwickelt mit seinen
zufälligen Vorgaben eine symmetrische Architektur, die
erinnerbar ist. Böhm entwickelt eine unsymmetrische
Architektur, deren Komplexität aus der Vielzahl der
Vorgaben resultiert. Sie kann zwar mit Begriffen wie
Kristall", Zelt" oder
Felsmassiv" bezeichnet, aber doch nicht
wirklich erinnert werden. Während Bernini einen
regelmäßigen barocken Raum schafft, beläßt Böhm die
sich aus der Projektion einzelner Ansichten ergebende
zersplitterte unregelmäßige Form. Bernini ordnet
Zufälligkeiten, Böhm kristallisiert sie. Böhm sammelt
und konzentriert die Unregelmäßigkeiten der Stadt zu
einem Baukörper, der die Unregelmäßigkeit gestaltet
und geradezu legitimiert - und sie nicht etwa in eine
regelmäßige Ordnung überführt. Böhms Kirche muß im
Gegensatz zum Platz Berninis aufgrund der
zeitgenössischen liturgischen Erfordernisse nicht
regelmäßig sein. Bernini und Böhm sind hier natürlich
aufgrund der jeweiligen geistesgeschichtlichen
Voraussetzungen und auch aufgrund der jeweiligen
Bauaufgaben - Bernini baut am Zentrum der katholischen
Kirche, Böhm in irgendeinem bergischen Städtchen - in
verschiedenen Situationen. Aber der Vergleich
verdeutlicht doch ähnliche Planungsweisen bei
verschiedenen Haltungen. Böhms Haltung kann, wenn der
Vergleich überhaupt so weit getrieben werden darf, als
weniger autoritär und vereinnahmend, aber auch als
willkürlich und zielloser bewertet werden. Böhms
Haltung ist auf andere Art christlich. Er ordnet durch
Blickbezüge nicht den Weg eines Gläubigen bzw. faßt
seine Umwelt geordnet zusammen. Böhm ermöglicht
sinnvolle Zufälle.
12Architektur, die aus Blickbezügen konzipiert
ist, ist kontextbezogene Architektur. Kontextbezogenes
Bauen und Stadtplanung sind erklärte Interessen Böhms,
der den Lehrstuhl, den er 1964 an der Fachhochschule
Aachen erhielt, von einem Lehrstuhl für
Werklehre" umwandelte in einen Lehrstuhl für
Stadtbereichsplanung und Werklehre". Böhm kennt die
sozialistischen Reformer des Städtebaus der
Jahrhundertwende und integriert ihre Ideen, wenn er
schreibt: Ich möchte den Einfluß der Architektur
auf den Menschen nicht überschätzen, aber die
Zerrissenheit unserer Städte trägt sicher dazu bei,
daß wir uns daran gewöhnen, auch unsere menschlichen
Zusammenhänge zu übersehen. Sicher ist es wichtig, die
Einzelbedeutung eines Bauwerks im Auge zu haben, aber
noch notwendiger erscheint mir heute, Rücksicht auf den
Nachbarn zu zeigen und das Gemeinsame zu suchen."16)
In seinen Schriften fordert er immer wieder
Verbindungen", Verknüpfungen" und
Zuammenhänge". Er will heutige Städte
berichtigen" und schreibt, daß die Zukunft
für Architekten nicht so sehr darin liege, noch immer
mehr und weiter die freie Landschaft zu bebauen, sondern
darin, die Städte und Dörfer wieder in Ordnung zu
bringen, indem sie die Zusammenhänge in den Funktionen,
Strukturen, Materialien usw. schaffen.17)
Er denkt in Ordnungen",
anders als Bernini, und schreibt ausdrücklich: Es
geht immer wieder um die Frage: Wie kann ich eine Ordnung
bauen, die sich in die nächsthöhere Ordnung einbindet.
Natürlich auch umgekehrt: Wie kann ich ein Ordnungssytem
herstellen, das für kleinere Ordnungen geradezu einen
Anreiz bildet, sich einzunisten."18) Er
respektiert also bestehende Ordnungen bei seinen
kleineren Bauten und plant seine größeren so, daß sie
spätere Architektur geradezu einladen, sich einzufügen.
Tatsächlich nimmt seine Wallfahrtskirche ja die Ordnung
ihrer Umgebung, nämlich die Schrägen der Dächer, auf.
Und tatsächlich fordert sie ja, daß neue Häuser sich
nun nach ihr ausrichten. Streng genommen müßten jetzt
ja die Dachschrägen in Neviges - der Kirche wegen! -
unter Denkmalschutz gestellt werden und Baugenehmigungen
nur für Häuser erteilt werden, deren Dächer die
Schrägen der Kirchen aufnehmen.
13In Neviges ist, wie in anderen bergischen
Städten auch, ursprünglich die Stadt um die Kirche
herumgebaut worden. An der evangelischen Kirche ist diese
Siedlungsform gut erhalten.
Abb. 13
Böhm hat diese Form aufgegriffen, wo
es möglich war, etwa bei seinem Kinderdorf in
Bergisch-Gladbach oder bei seinem Hildegardisheim in
Düsseldorf.19) Aber wenn es nicht um solche
geschlossenen kirchlichen Anlagen geht, werden im 20.
Jahrhundert Städte nicht um Kirchen herum gebaut. Die
Rolle der Kirche, die sich in dieser Siedlungsform
ausdrückte, hat sich geändert. Eine neu zu bauende
Kirche kann nun auf die immer schon bestehenden Häuser
nur reagieren. Mit der neuen Kirche in Neviges reagiert
Böhm so auf die alten Häuser, daß die Reaktion als
Reaktion nicht deutlich ist. Für Betrachter, die die
fertige Gesamtsituation sehen, tritt die zeitliche Logik
der Bauabfolge zurück zugunsten der gleichzeitigen
Erfahrung. Die Entsprechungen der Schrägen werden nicht
mit dem ständigen Bewußtsein gesehen, daß sich hier
die Kirche nach den Häusern gerichtet hat. Die Kirche
erscheint nicht als Summe zufälliger Projektionen,
sondern als ein einheitlicher, beherrschender Baukörper.
Obwohl tatsächlich die Kirche aus den Hausformen heraus
entwickelt und also sekundär ist, erscheint sie nun
aufgrund ihrer Fremdartigkeit und Größe als das
Primäre, nach dem sich die Häuser richten. Heinrich
Klotz hat die Bezüge zwischen Hausdächern und
Kirchendach übersehen und die Kirche als beherrschend
erfahren. Er fragt, ...wie es zu dem Monument der
Pilgerkirche von Neviges hat kommen können, das sich wie
ein riesenhafter Gottesfelsen aus dem Boden der Stadt
herauskristallisiert und das sich mit den prismatischen
Brechungen seiner ungeheuerlichen Betonflächen förmlich
gegen die Umwelt anschärft, so als müsse sie dazu
aufgefordert werden, das ganze Städtchen aus Rücksicht
auf die Kirche neu zu bauen?" Klotz fragt: Ist
soviel Kunst, auch im Namen Gottes, erlaubt?"20)
Er berücksichtigt weder, daß frühere Kirchenbauten
ihre Umgebung vereinnahmen und bestimmen konnten, noch,
daß Böhms Kirche tatsächlich mehr Rücksichten nimmt
als die meisten anderen.
Daß die Kirche auffällig ist, soll
natürlich nicht bestritten werden. Trotz aller
Zusammenhänge unterscheidet sie sich von ihrer Umgebung
- so daß deutlich wird, daß die Alternative
kontextbezogen - herausfallend" zu einfach
ist. Kontextbezogenheit hießt bei dieser aus
Blickbezügen geplanten Architektur nicht
Gleichartigkeit, was z.B. Materialien und Maßstab
angeht. Es heißt, daß die alten Häuser und die neue
Kirche - also Kontext und kontextbezogenes Bauwerk -
immer wieder in einzelnen Durchblicken zusammengehören,
daß immer wieder geordnete Bilder entstehend, die
Kontext und kontextbezogenes Bauwerk zusammenfassen.
Nicht ihre Gleichartigkeit verbindet sie, sondern allein
dieser sich immer wieder ergebenden Bilder, d.h. die
Wahrnehmung des Betrachters.
14Svetlozar Raèv hat darauf hingewiesen, daß
Böhm Camillo Sittes 1889 veröffentlichtes Buch
Der Städtebau nach seinen künstlerischen
Grundsätzen" studiert hat.21)
Tatsächlich ist Camillo Sitte in diesem Zusammenhang
wichtiger als andere Stadtplaner, weil er einen malerischen
Städtebau forderte. Camillo Sitte war nicht
Landschaftsgärtner, sondern Architekt und veränderte
den Begriff des Malerischen oder Pittoresken, der im
Zusammenhang besonders mit der englischen Gartenbaukunst
theoretisch behandelt worden war. Er trivialisierte den
Begriff für seine Zwecke und suchte das Malerische nicht
in Gärten, sondern in Städten. In seinem Buch fordert
er, daß bei der Planung von Städten oder beim Umbau von
Städten die Blickmöglichkeiten, die ein in der Stadt
gehender Mensch hat, berücksichtigt werden. Er fordert
also, Gebäude oder Ensembles von Gebäuden nicht nur im
Hinblick auf ihre Benutzer zu planen - also ihnen z.B.
eine gesunde Lage und eine schöne Aussicht zu bieten -
sondern auch auf die Passanten und ihre Ansichten von dem
Gebäude oder der Gebäudegruppe Rücksicht zu nehmen.
Wie sich in einem englischen Landschaftsgarten für
Spaziergänger von verschiedenen Standorten aus Sehbilder
ergeben, die den Kriterien der Landschaftsmalerei
entsprechen, so sollen sich in einer malerischen Stadt
für Passanten Sehbilder ergeben, die ebenfalls den
Kriterien der Malerei entsprechen. Bei einer auf das
Malerische ausgerichteten Stadtplanung geht es also -
anders als bei Bernini - nicht um die Ordnung des
Zufälligen, sondern um Kompositionen, deren Schönheit
eben davon abhängig ist, daß sie zufällig wirken. Daß
Camillo Sitte das Vergnügen an nun positiv bewerteter
Zufälligkeit und am Kulissenhaften als Heilmittel für
die unerträglich gewordenen Städte der Jahrhundertwende
anbietet, muß hier nicht diskutiert werden. Nicht dieser
Aspekt der Forderungen Sittes ist für Neviges relevant,
sondern das von ihm geweckte Bewußtsein für die in
einer Stadt sich ergebenden Sehbilder und damit für die
Planung von Architektur, die Blickbezüge herstellt. -
Sitte fordert die Zusammenstellung von Gebäuden, die
für sich betrachtet konventionell sind. Die Planung
eines Bauwerks von Blickbezügen her meint er nicht.
Sitte würde auch in eine an sich schon
pittoreske" Stadt wie Neviges keine derartig
fremdartige Kirche stellen. Sein Buch ist hier trotzdem
insofern interessant, als es um jeweilige pittoreske
Ansichten in einer eben nicht überschaubaren Stadt geht
und nicht um eine Stadtansicht aus der Ferne, also um ein
Gesamtbild. Böhm interessiert sich ebenfalls für die
Ansichten aus der Nähe. Nur wer in der Stadt steht, kann
die Parallelen und damit die Zuordnung der Kirche zur
Stadt sehen. Jemand, der von weither oder etwa vom
Flugzeug her sieht, kann das nicht. Nicht nur das
Interesse an Ansichten aus der Nähe ist vergleichbar.
Sitte und Böhm interessieren sich beide für Betrachter,
die gehend auf das Gesehene achten. Nur im
Hinblick auf diese gehend sehenden Betrachter sind hier
die Überlegungen zum Pittoresken - wie auch vorher die
zur Polyperspektive bzw. zur Plastik - wichtig.22)
Bei Böhm sind die jeweiligen Durchblicke nicht
eigentlich malerisch, d.h. im Sinne Sittes schön und
befriedigend - da täuschen die zu malerischen Fotos. Der
Betrachter sieht Durchblicke auf etwas, das in diesem
Stadtbild eben nicht zu erwarten war. Er sieht die
Parallelen zwischen den Dachschrägen der Häuser und der
Kirche aufblitzen. Nach wenigen Schritten verlieren sich
die Entsprechungen wieder, werden dann verdeckt und
tauchen dann an anderer Stelle verändert wieder auf.
Diese jeweiligen Durchblicke ensprechen nicht wie die von
Sitte geforderten Ansichten traditionellen malerischen
Kompositionen. Sie sind nicht als Bilder vorherzusehen
oder zu erinnern, weil die Gestalt der Kirche nicht zu
erinnern oder vorherzusehen ist. Der Betrachter bemerkt
aus der Nähe, also: wenn er in der Stadt ist, Ansätze
für eine Ordnung, die er aber aus der Nähe niemals
wirklich übersehen kann. Nicht Selbstzufriedenheit im
Bekannten und Beherrschbaren wird dem Betrachter hier
ermöglicht, sondern Aufmerksamkeit für Fremdes, für
Unfaßbares.
15Diese Aufmerksamkeit ist im Hinblick auf das von
Böhm genannte religiöse Erlebnis", das man
in neuer Form und vielfältig erfährt", zu
verstehen. Es handelt sich bei den Betrachtern der Kirche
in Neviges ja nicht um Flaneure, sondern - mindestens der
Intention nach - um Pilger. Sie haben mit großer
Wahrscheinlichkeit zunächst die Kirche, die sie auf dem
oben beschriebenen Weg erreicht hatten, besucht. Warum
sie dann auch immer durch die Stadt gehen, sie gehen in
dem Bewußtsein, dicht bei der imponierenden Kirche zu
sein. Solchen Betrachtern (und mehr noch den
Ortsansässigen) kann der Kirchenbau als Ausdruck eines
bestimmten Verständnisses von Kirche und damit vom
Verhältnis zwischen Mensch und Gott erscheinen. Die
gängigen, von der Kirche verbreiteten Deutungen des
Kirchenbaus unterbieten die Möglichkeiten des
Verständnisses. Wenn beispielsweise die Kirchenzeitung
des Bistums Essen, das Ruhrwort", neben den
Hinweisen auf die Zeltikonografie auch die Durchblicke
mit dem Kommentar erwähnt, daß sich hier keiner
verlaufen kann", ist das zwar nicht falsch oder
unangemessen, wird aber der Besonderheit dieser den Bau
konstituierenden Durchblicke nicht gerecht.23)
Im Innern der Kirche zeigt sich, daß
die jetzigen Benutzer der Kirche der Intention Böhms
geradezu nicht folgen wollen. Die jetzige Möblierung der
Kirche kommt wie die reiche Dekoration dem Bedürfnis der
jetzigen Benutzer nach mehr Geborgenheit und Pracht
entgegen, sie widerspricht aber der Kühnheit der
Planung.
Abb. 14
Böhm hat die Kirche, wie gezeigt,
sozusagen von außen nach innen geplant: Das
Kirchenäußere ergibt sich aus der Stadt, das
Kircheninnere ergibt sich aus dem Kirchenäußeren. Die
Betondecke, die Innen und Außen trennt, ist nur 25 cm
dick. Die innere Dachform ist also das Negativ der
äußeren Dachform. Innen ist der außen so kompakt und
fast wie eine Großplastik wirkende Bau ein sehr frei
gestalteter Kultraum, der nicht als Restraum"
oder Negativform wahrgenommen wird.
16Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden,
daß dieser Innenraum eigentlich selbst ist wie ein
Außenraum.24) Er ist ohne jede Treppenstufe
zu betreten, die Pflasterung setzt sich fort, die rechts
vom Eingang stehenden Emporen erinnern an die rechts vom
Pilgerweg durch die obere Straße gebildete Empore, sie
sind mit Häusern an einem Marktplatz verglichen worden.
Ursprünglich setzten sich sogar die Straßenlaternen in
den Innenraum, um den Altar herum, fort. Die Höhe der
Kirche macht dieses Verständnis des Innenraums als
Außenraum möglich, die Materialien sind innen wie
außen gleich. Im Sinnen des Architekten wäre eine
karge, bewegliche Ausstattung gewesen, die verschiedene
Nutzungen erlaubt und den Vergleich des Kircheninnern mit
einem innerstädtischen Platz gerechtfertigt hätte. Der
von Böhm gezeichnete Nutzungsplan unterscheidet kaum
zwischen Innen- und Außenraum. Ein Besucher dieser
Kirche hätte sich einen Stuhl nehmen und sich einen Ort
suchen können, so wie er sich in der Stadt einen Weg
gesucht hatte. Er hätte von einem bewußt gewählten Ort
aus den Innenraum frei erfahren. Ursprünglich war der
Innenraum eine Fortsetzung des Außenraums und doch
zugleich anders insofern, als der Betrachter hier nicht
mehr weitergehen kann. Die unbestimmbaren kristallinen
Formen, die monumentale Größe, das Licht, die Leere und
eben die Abgeschlossenheit machten ihn als einen
Sakralraum erfahrbar, der sicher nicht mit
innerstädtischen Plätzen verwechselt wurde.
Im Außenraum muß der Besucher der
Kirche nicht dem Pilgerweg folgen, er kann andere,
persönliche Wege und Bezüge entdecken und herstellen.
Im Kircheninneren setzt die Amtskirche offenbar weniger
auf die unmittelbare Erfahrung von Einzelnen, sondern auf
ihre Konventionen und ihre Vermittlerrolle. Sie ignoriert
die Vereinzelung, von der Böhm ausgeht, und sie
verhindert sie aktive Suche, die er herausfordert. Sie
schreibt eine Gemeinschaft vor.
Böhm hatte eben das nicht getan. Sein
Verständnis der Kirche als Institution zeigt sich im
Kirchenbau, den er als Architekt handgreiflich als Ort
Gottes versteht. Der Bezug des Gotteshauses zu den
Häusern der Menschen kann als Analogie zum Bezug
zwischen Gott und Menschen verstanden werden. Die Kirche
beherrscht das Stadtbild und übersteigt das Maß der
Häuser. Sie ist unverfügbar und unbeherrschbar. Die
Häuser sind jeweils mit der Kirche verbunden, so daß
über die Kirche ein neuer Zusammenhang zwischen ihnen
besteht. Die Kirche kann auf einzelne Häuser bezogen
werden, ist aber mehr als diese Bezüge und allein durch
diese Bezüge nicht zu bestimmen. Sie ist keine Summe von
Bezügen, sondern ein Ganzes, das unbeherrschbar bleibt.
Gerade die fremdartige, unerwartbare und nicht
erinnerbare Kirche kristallisiert die vertrauten Häuser.
Sie macht an diesen zufällig so stehenden und so
gebauten Häusern eine sie übersteigende Ordnung
deutlich.
17Der Kirchenbau macht eine Gemeinschaft
verständlich, die sich aus Einzelnen erst bilden muß.
Er macht eine jeweilige aktive Suche nach Wegen und
Zusammenhängen möglich, die ebenfalls als modellhaft
verstanden werden kann. Tatsächlich ermöglicht der
Kirchenbau Erlebnisse, die ihrer Struktur nach die
Möglichkeit der Abstraktion beinhalten. Böhm setzt
nicht auf Gewißheiten, sondern auf jeweilige
persönliche Offenheit und Erlebnisfähigkeit. Indem er
Besuchern räumliche und visuelle Erfahrungen
ermöglicht, ermöglicht er auch deren Übertragung:
immer schon sind abstrakte Sachverhalte durch den
Rückgriff auf solche Erfahrungen verstanden worden bzw.
durch solche Erfahrungen erst erklärt worden.25)
Böhm setzt bei solchen ursprünglichen und kaum
mißverständlichen Erfahrungen an. Damit begegnet er dem
Mißtrauen, das konventionelle, abstrakte
Vermittlungsformen heute hervorrufen. Er macht ein
Verhältnis zwischen Menschen und Gott am Modell
erfahrbar, das nicht gepredigt werden kann.
Anmerkungen
1 Zur Entstehungsgeschichte
vgl. Gerhard Haun: Von Bergischer Synode,
Wallfahrt, Dom, Papst - Die Geschichte von Neviges; in:
Bergische Blätter 7, Juli 1979, S. 4-10. P.L.R.Reifenrath:
Wallfahrtsstätte Neviges; München/Zürich 1983.
Besonders informativ ist Veronika Darius: Der
Architekt Gottfried Böhm. Bauten der sechziger Jahre;
Düsseldorf 1988.
2 Zitiert nach Veronika
Darius (Anm. 1), S. 67.
3 Zur Entstehung des
Pilgerwegs Veronika Darius (Anm. 1), S. 55-66. Zu
Böhms Deutung der Straße als Empore ebd. S. 69. - Kunibert
Bering deutet den Weg als Symbol. K.B.:
Gottfried Böhm: Die Wallfahrtskirche in Neviges. Sakrale
Architektur als Korrektur der Moderne; in: architectura
1992. S. 74f. Ulrich Weisner betont das
Erlebnishafte der Wege bei Gottfried Böhms Architektur. U.W.:
Zusammenhänge in der Architektur von Gottfried Böhm;
in: Zusammenhänge. Der Architekt Gottfried Böhm; hg.
U.W.; Katalog Kunsthalle Bielefeld 1984, o.S. Mich
interessiert hier der Pilgerweg als Indiz für Böhms
Interesse an gehenden Betrachtern. Die
Polyperspektivität, die sich beim Gehen immer ergibt,
möchte ich im Gegensatz zu Bering nicht als Indiz für
Standortlosigkeit moderner Menschen deuten, sie erscheint
mir (ebenso wie die mangelnde Achsialität der Anlage)
eben nicht als Mangel, sondern als Gewinn. Zur
Perspektivität vgl. Gert König: Perspektive,
Perspektivismus, perspektivisch; in: Historisches
Wörterbuch der Philosophie; hg. von Joachim Ritter/
Karlfried Gründer; Darmstadt 1989, Bd. 7, Sp. 363-375.
4 Zur Bedeutung der
Liturgischen Bewegung für den Kirchenbau Hugo Schnell:
Der Kirchenbau im 20. Jahrhundert in Deutschland;
Zürich/München 1973, bes. S. 8ff, 33ff. Barbara
Kahle: Deutsche Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts;
Darmstadt 1990, bes. S. 1-21.
5 Zitiert nach Gesine
Stalling: Studien zu Dominikus Böhm, mit besonderer
Berücksichtigung seiner Gotik-Auffassung;
Bern/Frankfurt 1974, S. 139.
6 1Hugo Schnell (Anm.
4), S. 197, 223.
7 Deshalb gibt es die vielen
programmatischen Titel der Veröffentlichungen zu Böhms
Architektur: Ulrich Weisner (Anm. 1). Bruno
Kauhsen: Architektur-Zusammenhänge. Festschrift für
Gottfried Böhm; München 1990. Dazu auch Svetlozar
Raév: Gottfried Böhm, Bauten und Projekte
1950-1980; Köln 1982. S.R.: Gottfried Böhm,
Vorträge, Bauten und Projekte; Stuttgart/Zürich 1988.
Auch bei der Wallfahrtskirche war Böhm zeitweise zu mehr
Verbindungen bereit und plante ein Schieferdach. Veronika
Darius (Anm. 1), S. 61.
8 Daniel Henry Kahnweiler:
Der Weg zum Kubismus; Stuttgart 1958, S. 102. Dazu Max
Imdahl: Gesammelte Schriften. Zur Kunst der
Moderne; Hg. von Angeli Janhsen-Vukicevic; Frankfurt/Main
1996, S. 65f.
Die Offenheit der Bedeutung gilt als Kennzeichen
postmoderner Architektur. Mehrdeutigkeit, selbst
Widersprüchlichkeit schätzen Charles Jenks, Wolfgang
Welsch und - programmatisch - Robert Venturi. R.V.:
Komplexität und Widerspruch in der Architektur;
Braunschweig 1978, bes. S. 23-34.
Kunibert Bering betont die Mehrdeutigkeit als
Zeichen der Postmoderne. K.B.:
Postmoderne" als Korrektur der Moderne -
Bemerkungen zu Bauten Gottfried Böhms und Hugo A.
Aaltos; in: K.B./ W.J. Hohmann (Hg.): Wie postmodern ist
die Postmoderne; Essen 1990, S.
Die Ironie der Postmoderne geht Böhm jedoch völlig ab.
Er kritisiert das unbekümmerte Zitieren und Verfremden
der Postmoderne. G.B.: Dankadresse anläßlich der
Verleihung der Pritzker Architecture Prize; in: Der
Architekt Gottfried Böhm. Zeichnungen und Modelle. Mit
Beiträgen von G.B., Svetlozar Raév, Hans
M. Schmidt und Rita Müllejans; Katalog
Rheinisches Landesmuseum Bonn 1992, S. 20. Beliebigkeit
von Bedeutungen ist nicht zu verwechseln mit komplexen
Bedeutungen. Das Verständnis der Kirche als Zelt, Felsen
usw. ist nicht ausgeschlossen, aber die Festlegung auf
solche ikonografischen, konventionellen Deutungen
verhindert ein tiefergehendes Verständnis und ist
insofern ein Problem der Rezeption.
Zum Verständnis neuer Kirchenbauten mithilfe
ikonografischer Muster Barbara Kahle (Anm. 4), S.
163-168.
Gerade die hier möglichen Verständnismöglichkeiten
sind als moderne Symbole für verschiedene Rezipienten
verschieden bedeutsam. Dazu Regine Prange: Das
Kristalline als Kunstsymbol. Bruno Taut und Paul Klee;
Hildesheim/ Zürich/ New York 1991.
9 Zitiert nach Manfred
Sack: Entwerfen - als sei es für ihn selber, in:
Zusammenhänge (Anm. 3), o.S..
10 Böhms Architektur ist
immer wieder als besonders skulptural charakterisiert
worden, z.B. von Hans M. Schmidt (Anm. 8), S. 25
oder Ulrich Weisner (Anm. 7), S. 32. Dazu Siegfried
Giedeon 1964. Gottfried Böhm, un
architecte-sculpteur; in: Loeil 182, 1970, S.
14-25. Markus Stegmann: Architektonische Skulptur
im 20. Jahrhundert; Berlin 1995.
In Neviges trifft diese Charakterisierung zu, insofern
der Betrachter es mit einem einheitlichen,
unkonventionellen, großen Gebilde, das als Architektur
nicht gleich entschlüsselbar ist, zu tun hat. Der
Hinweis auf Plastik ist aber insofern hier wichtig, als
Plastik traditionellerweise die Kunstgattung ist, der
Herumgehen fordert und Multiperspektivität beinhaltet.
Im Paragone" wird das immer wieder betont.
Artikel Paragone" in: Dizionario della Critica
darte; hg. Luigi Grassi/ Mario Pepe, Turin 1978,
Bd. 2, S. 387-391. Claire J. Farago Leonardo da
Vincis Paragone; Leiden/New York/Kopenhagen/Köln 1992.
Diesen Aspekt der Perspektivität möchte ich hier
verfolgen.
11 Gottfried Böhm
hat in einem Brief am 22.6.1992 auf meine Bemerkungen
geantwortet: ... Ich habe mich sehr gefreut, wie
Sie die Kirche im städtebaulichen Zusammenhang sehen.
Wie man so etwas plant, fragen Sie. Das kann man schwer
sagen. Jedenfalls machts viel schöne, aber
manchmal auch schwere, enttäuschende Arbeit." Auf
meine Frage, ob meine Annahmen zur Planung richtig sind,
antwortet er also indirekt - was bei seiner Art zu
schreiben jedenfalls nicht entmutigend ist. Dazu Manfred
Sack (Anm. 9).
12 Abb. bei Wolfgang
Pehnt: Die Architektur des Expressionismus; Stuttgart
1973. S. 39.
Böhm selbst findet sich nicht
expressionistisch", dazu bei Manfred Sack
(Anm. 9), o.S. Wolfgang Pehnt dagegen
charakterisiert seine Architektur der Sechziger Jahre als
expressionistisch. W.P.: Selbstbewußte
Nachbarschaft. Gottfried Böhms Architektur in ihrer
Zeit; in: Zusammenhänge (Anm. 7), o.S. Dazu auch Günter
Rombold: Das Ende des Neoexpressionismus und
Brutalismus im Kirchenbau; in Kunst und Kirche 1/1980, S.
2-10.
13 Stephan Böhm z.B. nennt
die Wallfahrtskirche vom Phantastischen
bestimmt". Bei Ulrich Weisner, Drei
Architektengenerationen: Dominikus Böhm, Gottfried
Böhm, Stephan, Peter und Paul Böhm; in: Väter und
Söhne; hg. von Ulrich Weisner; Katalog der Kunsthalle
Bielefeld 1994, S. 23.
Svetlozar Raév schreibt, daß in den sechziger Jahren
emotionalbestimmte Form- und Raumgedanken"
dominieren, besonders in Neviges. S.R. 1982 (Anm. 7), S.
10 - Die Wirkung des Baus darf hier aber nicht mit seiner
Planung verwechselt werden.
14 Dazu A.E. Brinckmann:
Stadtbaukunst. Geschichtliche Querschnitte und
neuzeitliche Ziele; Berlin 1920. Besonders in seinem
Kapitel Der optische Maßstab - ein Grundgesetz
alter Stadtbaukunst" (ab S. 90) verfolgt Brinckmann
derartige, sonst zugunsten des Einzelwerks
vernachlässigte Probleme, die beim Gehen und Sehen
entstehen.
15 Massimo Birindelli:
Ortsbindung. Der Petersplatz des Gianlorenzo Bernini;
Braunschweig 1987 (1981).
16 Gottfried Böhm:
Dankadresse (Anm. 8), S. 18f. Siehe auch bei Svetlozar
Raév 1982 (Anm. 7), S. 11.
17 Böhm beschreibt,
wie seine Kölner Kirche St. Gertrud die Umgebung
zusammenfaßt: Ich hatte festgestellt, daß der aus
der städtebaulichen Situation entstandene,
unregelmäßige Grundriß mit einer einzigen Konstruktion
überspannt und zusammengeführt werden konnte."
Zitiert nach Svetlozar Raév, 1982, (Anm. 7), S.
16. Er erwähnt auch die Verbindung der Wallfahrtskirche
mit dem bergischen Land: Die eigenwillige
Architektur der Betonkirche spiegelt die hügelige
Landschaft des Bergischen Landes wider." Zitiert
nach Rudolf Seibold: Dominikus Böhm. Der Mensch
und sein Werk; Jettingen-Scheppach 1984, S. 83. Von den
vielfältigen Verbindungsmöglichkeiten möchte ich nur
die Verbindungen durch Blickbezüge behandeln, die an
Fotos nachgewiesen werden können.
18 Zitiert nach Svetlozar
Raév 1099 (Anm. 7), S. 45. Ordnung versteht Böhm
weniger streng als der alles in einer einzigen richtigen
Beziehung zusammenfassende Bernini.
19 Dazu Veronika Darius
(Anm. 1), S.22-33 und 43-45.
20 Heinrich Klotz:
Architektur der Bundesrepublik; Frankfurt/ M., S. 10.
Dazu auch Kunibert Bering, der die Stadt als jetzt
subaltern" versteht (Anm. 3, S. 78).
21 Svetlozar Raév:
Das Werk Gottfried Böhms. Eine Einführung; in: Katalog
Bonn (Anm. 8), S. 9. Camillo Sitte: Der Städtebau
nach seinen künstlerischen Grundsätzen; Wien 1889.
22 Ähnliche
Rezeptionsweisen erfordern die ortsbezogenen Plastiken
z.B. von Richard Serra. Dazu Yve-Alain Bois, Ein
pittoresker Spaziergang um Clara-Clara herum;
in: Serra. Katalog Westfälisches Landesmuseum Münster/
Städtische Galerie im Lenbachhaus München/Kunsthalle
Basel 1987, S. 44-64.
23 Kurtmartin Magiera,
Neviges 69, in: Ruhrwort 1969, 11/21.
24
Dazu Veronika Darius
(Anm. 1), S. 66f, 70.
25 Etwas hinter sich
haben", etwas aus dieser Perspektive
sehen", etwas erfahren" usw. sind
Redensarten, die dieses Verständnis ebenso widerspiegeln
wie der wissenschaftliche Begriff der
Perspektive" (vgl. Anm. 3). Für Landschaften
sind solche übertragbaren Verhaltensweisen eher
untersucht als für Stadtlandschaften, z.B. von Bernhard
Waldenfels: Gänge durch die Landschaft; in:
Landschaft; hg. von Manfred Smuda; Frankfurt/M. 1986, S.
29-43.
Künstler nach der Minimal Art machen ähnliche
Erfahrungen programmatisch möglich. Richard Serra
etwa ermöglicht Erfahrung und Verständnis von Schwere
mit seinen Plastiken und schreibt gleichzeitig zu den
verschiedenen Bedeutungen von Schwere. R.S. Gewicht; in: R.S.
Schriften Interviews 1970-1989, Bern 1990, S. 205-209.
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