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Autor: Willebrand, Johann Peter
In: nebst einer Vorrede von der Wirkung des Clima auf die Gesinung und Gesetzgebung der Völker / Johann Peter Willebrand; Hamburg: Leipzig (1775)
 
Grundriß einer schönen Stadt, in Absicht ihrer Anlage und Einrichtung zur Bequemlichkeit, zum Vergnügen, zum Anwachs und zur Erhaltung ihrer Einwohner, nach bekannten Mustern entworfen
 


VORBERICHT

Wenn in folgenden kurzen Betrachtungen über die Erfordernisse einer guten Stadt sich einige Stellen des Lesers Beyfall erwerben, so unterstehe ich mich nicht, dieß meinen Verdiensten zuzuschreiben. Denn ohne des verewigten Graf, Johann Hartwig Ernst von Bernstorff, unterrichtenden Befehlen wäre ich wol nie zu einer practischen Erkenntniß der bürgerlichen Policey gelanget, und schwerlich dürfte ich folgenden Entwurf zu meiner Lieblings-Beschäftigung erwählet haben, wenn nicht die Großmuth der mächtigsten und der erhabensten Beschützer der Wissenschaften mich dazu ermuntert hätte. Der unsterblich verdiente Graf beglückte mich schon im Jahre 1755. mit huldvollem Wohlwollen, und empfahl mich der Gnade des glorwürdigsten Monarchen, Friedrich des fünften, mit dem Erfolge, daß diese Lust der Menschen und Wonne der Seinigen mich um diese Zeit zum wirklichen Justizrath zu ernennen, kurz darauf mit Sitz und Stimme im Ober-Appellations-Gericht und Ober-Consistorio in der Regierung zu Glückstadt zu begnadigen, und endlich 1759. das Policey-Directorat in Altona anzuvertrauen geruheten. Dadurch zeigte sich aber erst die Bernstorfische edelmüthige Gesinnung in ihrer wahren Größe, daß der erhabenste Minister acht Jahre während des Directorats sich bemühete, durch weise Befehle mich unmittelbar zu unterrichten, und bey meinen Amtsführungen unermüdet zu unterstützen. Und dieß alles so herablassend, so leutselig und standhaft, daß es mir immer zur Lust ward, den Beförderer meiner Wünsche hochzuschätzen, nun aber ist es die Pflicht der Dankbarkeit gebeut, seine Asche zu verehren. Die Folge des gepriesenen Unterrichts war manche glückliche Amts-Verrichtung, und überdieß eine Kühnheit, die mir Muth machte, im Jahr 1765. einen Abregé de la Police accompagné de reflexions sur l'accoissement des  villes, zu entwerfen.*)

*) Issac Estienne verlegte 1765. den Abregé de la Police in Hamburg, und er ward zu Zittau 1766. wider mein Wissen und höchst unrichtig ins Deutsche übersetzt, und ist unter dem Titel: Inbegriff der Policey, bekannt geworden.


Wenn nun dieser Versuch, dessen Mängel in der Schreibart und Einrichtung sich nicht verbergen, dennoch die allerhöchste Huld der glorreichsten Rußischen Monarchin, Catharina der zweyten, beglückte**);

**) Folgende zum äußersten Fleiß aufmunternde Urkunde gehöret zu den unzähligen Denkmälern der unbegränzten Seelen-Größe der bewundernswürdigsten Monarchin Catharina der zweyten. Ich habe sie ehedem von der Hand des weltberühmten leutseligen Staats-Minister, Graf und Ritter von Panin Excell. erhalten.
St. Petersbourg,
ce 25 Avril 1766.


L'ouvrage, que vous avez envoyé à Sa Majesté Imperiale M. en a été recû très favorablement.
L'Imperatrice applaudit toujours aux travaux qui ont pour but le bien de la Societe, & Elle se plait à les encourager par des marques de Sa bien veillance. L'utilité qu'Elle a trouve dans l'abregé de la police Luiseroit desirer de connoitre personnellement l'auteur.
Eile verroit avec plaisir que quelques circonstances l'amenassent dans Ses Etats & mêne le decidassent a s'y fixer.
Je fuis avec - - - -
N. Panin.


Auch die unmittelbare in den gnädigsten Ausdrücken abgefaßte Versicherung des Kronenwürdigen Durchlauchtigsten Herzogs Carl zu Braunschweig und Lüneburg ihn mit höchstem Beyfall begnadigte; Und er sogar durch schätzbare  Geschenke, von der eigenen Hand des Königl. Prinzen und damaligen vortrefflichen Chur-Sächsischen Statthalters Xaver bekrönet, Auch in Frankreich mit unverdienten Lobsprüchen beehret ward, wie das Journal Encyclopedique de 1766. bezeuget; So konnte es nicht fehlen, dieß unverdiente Glück mußte mich beschämen, aber auch aufmuntern, die bürgerliche Policey ferner zu studieren. Die Anleitungs-Sätze zur Beförderung der bürgerlichen Glückseligkeit, dieses Rubriken-Verzeichniß der Erfordernisse einer Stadt-Policey, die Ao. 1771. in Leipzig herausgegeben ward, und die eine angehängte Policey-Bibliothek brauchbar macht, war eine Frucht meines Bestrebens, mich des obgepriesenen Beyfalls würdiger zu machen. Aber auch folgende Betrachtungen, die ich zu Hamburg, in einem Kreis von manchen Annehmlichkeiten und guten Anstalten, bey einer von der Hand der Vorsehung mir zur Anmuth gemachten unabhängigen Muße entworfen habe, gehören mit dazu, aber auch zugleich zum Beweis meines eingeschränkten Vermögens. Niemand zweifelt, daß ich dieser Beschäftigung des Lesers Beyfall wünsche; aber eben so sehr wünsche ich auch, daß sie der Gesellschaft nützlich werde; und endlich bitte ich mir die Gerechtigkeit aus, zu glauben: Daß ich viele Städte für recht gut halte, wenn schon die in der Folge beschriebenen Einrichtungen nicht darinnen angetroffen würden; Ferner, daß ich nie in Städten unvollkommener Menschen vollständige Einrichtungen erwarte; Und endlich, daß ich, ohne Unterstützung obgepriesener Art, mir keine Geschicklichkeit und Vermögen zutraue, auch die geringste Einrichtung in einer Stadt anzuordnen und auszuführen. Gewiß, ich weiß es, daß es mehrere Mühe koste, Anstalten auszuführen, als es brauchte, sie zu entwerfen. Warlich, ich verabscheue so sehr, als jemand, manche Projectmacher; wenn ich dagegen jede Neigung verehre, das Wohl der Gesellschaft zu befördern. Welche Billigkeit man mir widerfahren lassen wird, weiß ich nicht. Davon aber bin ich überzeugt, daß folgende Betrachtungen die Ehrerbietung und Liebe der Bürger zu ihren Stadt-Vätern recht sehr befördern helfen müssen, weil sie die Last zu erkennen geben, welche diese drücket. Nun bin ich annoch verpflichtet, die Quellen anzuzeigen, woraus ich geschöpfet habe. Bis 1767. vermehrten die Bernstorffischen unterrichtenden Befehle täglich meine Einsicht. Nachdem ich aber nach Antritt der Regierung des jetzt regierenden liebenswürdigsten Monarchen, Christian des Siebenden, von eigenen sehr interessanten Angelegenheiten, die eine lange Entfernung von meinem damaligen Aufenthalte erforderten, veranlasset, mir die Abnahme des Directorats ausbat, und mit einer Erlassung davon begnadiget ward, die des Königs allerhöchste Zufriedenheit mit meiner Amtsführung ausrücklich bezeichnete. Seitdem haben Gesetzbücher voll Weisheit und Lehrer von Talenten meine Erkenntnisse vermehren helfen. Die Landesmütterlichen Gesetzbücher und Instructionen zur Gesetzgebung, der größten Monarchinnen, Maria Theresia und Catharina der Zweyten, der beyden Fürstinnen, die den Glanz unserer Nation in allen Theilen der Welt ausgebreitet haben; der lehrreiche Antimachiavel und die Codices mancher anderer Landes- und Stadt-Beherrscher; Hiernächst die Schriften des großen Fenelon, des de la Mare, Argencon, Bielefeldt, Bergius, Daries, Heß, Justi, Philippi, Sonnenfelß und Wolf; Und endlich die lebhaftesten Erinnerungen auf Reisen, selbst vor Zeiten und noch vor wenigen Jahren genau  beobachteter Anstalten; Auch die Nachrichten, die uns Reißler und Volckmann so zuverläßig mittheilen; Alle diese Anleitungen waren der Stoff zu folgenden Erörterungen, die ich in zwo Abtheilungen und drey Abschnitten meinen Lesern vorlege. Von der Vorrede darf ich hier nichts gedenken, weil ich das Nöthige in der Einleitung dazu gesaget habe. Die Erwägung des Clima behält immer ihre Würde, wenn auch alle, die von seiner Wirkung geschrieben haben, oder noch ferner schreiben werden, als irrende Sterbliche des rechten Maaßstabes verfehlen. Weit von eitler Absicht entfernt, jemand durch meine in der Vorrede und Hauptwerke mithetheilten Gedanken zu belehren, bekenne ich mich nur zu der Absicht, meiner Mitbürger Wohl und Vergnügen befördern zu helfen.

Nicht Harpax, nicht Lukull, nicht Davus, nicht Maecen,
für andrer Wohl gesorgt, wirkt eignes Wohlergehn.


O V I D.
Temperie cæli corpusque
animusque juvantur.


VORREDE
BETRACHTUNG ÜBER DIE WIRKUNGEN DES CLIMA AUF DER MENSCHEN GESINNUNG UND GESETZGEBUNG
EINLEITUNG

Man darf nur um sich schauen, um Montesquieux Beyfall zu geben, wenn er das Clima zum Oberbeherrscher über der Menschen Thun und Lassen erkläret. Er verdienet ihn um so mehr, da er der Erziehung, den Landes-Gebräuchen, der Nahrung durch Lebensmittel, der Religion und Regierungsform, u. s. f. die Nebenbeherrschung zuerkennet. Ob nicht aber ein jeder Stand Ursache habe, sich von der Wirkung des Clima zu unterrichten, mag der Leser entscheiden. Ein Beherrscher ausgebreiteter Staaten wird Ursache finden, seine Unterthanen aus Gebürgen, auf plattem oder dürrem Lande, in Marschländern und an Meeresküsten mit großer Unterscheidung zu regieren. Und die von ihm geordneten Richter müssen die Verbrechen eines bedachtsamen und leichtsinnigen Volks, oder eines Bürgers, der von diesem oder jenem Volke abstammet, nicht nach einem Maaßstabe beurtheilen. Auch der geistliche Lehrer muß mehrere Mühe anwenden, wenn er ein aufmerksames und geistreiches Volk unterrichtet, als wenn er in Kirchen prediget, wo schläfrige Zuhörer mehr durch den Klingbeutel der Allmosen-Sammler als durch rednerische Vorträge ermuntert werden. Daß aber auch ein Arzt bey seinen Hülfsmitteln das Clima in Erwegung ziehen muß, und sich wol schwerlich getrauen dürfte, einen Italiäner und Lappländer, einen Franzosen und Russen auf ähnliche Weise zu heilen,ist fast überflüssig anzuführen. Sogar die Staatsmänner müssen das Clima in ihren Rathschlägen in Erwegung ziehen, oder sie wagen ihre Ehre. Cromwell kannte das Clima seiner Nation, und wird noch als Staatsmann bewundert. Der Fürst von Alba, die Kayserlichen Landvöigte in der Schweiz, die ersten Europäischen Befehlshaber in Amerika, erinnerten sich nicht an die Wirkungen des Clima auf die Holländer, Schweizer und Mexikaner; und man wünschet jedem Fürsten klügere Staatsmänner. Ein kluger General muß nicht minder die Wirkungen des Clima auf die Völker kennen; und gewiß, er unterscheidet die, welche leicht angreifen, aber auch leicht zurückweichen, von denen, die keine Triebe zum Angriff haben, bis sie ihrer Mitgesellen Blut fließen sehen; er kennet den Unterscheid der Bravour und Ordnung unter Völkern, die des Alexanders, oder die des Darius Kriegern ähnlich sind. Auch ein Kunstrichter, ein Kaufmann, ein Fabrikant, und sogar ein Baumeister, müssen von der Wirkung des Clima unterrichtet seyn, wo der erste nicht schief urtheilen, der zweyte nicht banquerott spielen, der dritte sich nicht vergeblich bemühen, und der Baumeister sich nicht lächerlich machen will. Einem Barden hält man zu gute, was man einem Homer und Virgil nicht verzeihet. Einem Spanier vertrauet man Güter ohne Kummer an *), die man einem Griechen schwerlich ohne genugsame Versicherung übergeben würde **). Türkisch Garn aber in Hamburg färben, und in Smyrna den Zucker so dauerhaft zubereiten zu wollen, als in Hamburg, dürfte vergebliche Arbeit seyn.

*) Im VI. Cap. §. 54. der Instruction der glorreichsten Rußischen Gesetzgebern lieset man folgendes: Die Redlichkeit der Spanier ist von jeher berühmt gewesen. Die Geschichte beschreibt uns ihre Treue in Bewahrung der ihnen anvertraueten Sachen; sie haben öfters den Tod ausgestanden, um ein ihnen anvertrautes Pfand geheim zu halten. - Unschätzbares Ehrenmal dieses Volkes!

**) Man lese des berühmten Hamb. Rectoris, Job. Mart. Müllers Diss. de mercat. veter. Rom. p. VI.


Wenn aber auch ein Baumeister zu Fiume und Trieste, wo oft Borra und Tramontana abscheulich wüten, oder an den Küsten des Mittelländischen Meeres so aufgethürmte Palläste anlegen wollte, als man in Wien und Dresden gebauet hat, oder wenn er in Schweden Chinesische papierne Häuser errichten würde, so dürfte man ihn für unsinnig erklären. Auch bey Anlegung der Städte und bey der patriotischen Neigung, ihre Einwohner zu vermehren und zu erhalten, kommt das Clima in große Bewegung. Denn wo ein sehr kaltes oder sehr heißes Clima einem Lande alle Annehmlichkeiten und wol gar alle Baumaterialien entzogen hat; wo es etwa so aussiehet, als in Lappland und in den Wüsten Arabiens, da wird sehr wenig auf Anlegung schöner Städte gedacht werden können. Ja das Clima wirket sogar in die Neigung, Städte zu verschönern. Denn der Geist der alten Babylonier, Egypter und Griechen vor ihrer Knechtschaft, und der erhabene Geist der Römer muß die Beherrscher oder Vorgesetzten einer Stadt beseelen, wenn etwas bedeutende Verschönerungen entstehen sollen. An den mittelländischen Meeresküsten mit so mäßiger Sorgfalt gegen Contagion Anstalten vorzukehren, als in den Städten am Baltischen Meere ohne Vorwurf einer Nachlässigkeit geschehen darf, hieße Städte in Einöden verwandeln. Ich gedenke diesen Vorwurf in folgenden Blättern in etwas zu erörtern, wenn gleich diese Materie mit dem Hauptgegenstande dieses Buches nicht in der genauesten Verbindung stehet. Diese Betrachtung des Clima aber ist von mir entworfen, um eine 1742. unter dem unsterblich verdienten Justus Henning Böhmer in Halle vertheidigte akademische Abhandlung, von der Mannigfaltigkeit der Gesetze nach der Verschiedenheit des Clima in etwas zu erweitern. Jedoch habe ich mich wohl gehütet, des grossen Montesquieux im Jahr 1748. ans Licht getretenen Esprit des Loix zu plündern. Dahingegen aber bin ich der allgemeinen Weltgeschichte, den allgemeinen Reisen, den Werken der alten Weltweisen, der Instruction der großen Rußischen Monarchin, dem Anti-Machiavel, den Werken des RolIins, Arbouthnots und Hoffmanns, den schätzbaren deutschen Alterthümern Lindenbrogs, Westphals, Keißlers und Schützens, der Erdbeschreibung des unermüdeten Büschings, den Betrachtungen des sinnreichen Unzers, Flögels, und einigen Werken des schöpferischen WieIands, manche Anleitung zu den Betrachtungen schuldig geworden, deren gütige Aufnahme ich meinen Lesern empfehle.


Homo sum nihil humani a me alienum puto
ERSTER ABSCHNITT
VON DER WIRKUNG DES CLIMA

§. I.

So sehr im Reiche der Natur, in Betracht ihrer Farben, Gestalten, Eigenschaften und Wirkungen, lebendige und leblose Creaturen von einander unterschieden sind; eben so sehr sind wiederum die Menschen in äusserlicher Gestalt und Farbe, in ihrer Denkungsart, in ihrer Neigung und in ihren Sitten unterschieden, obschon ihr Eintritt in die Welt, ihr körperlicher Bau, Wachsthum und Eintheilung ihrer Gliedmaßen wenig unterschieden sind. Menschen, welche die Welt kennen, oder mit vielen Theilen des Erdbodens bekannt sind, bezeugen das, und versichern; daß nichts einen so wunderbaren Contrast ausmache, als wenn man die Sitten der Völker gegen einander hält und selbst ein Augenzeuge davon ist, wie sehr sich die Gebräuche der östlichen von den Sitten der westlichen Völker unterscheiden, und daß die Meinungen und Neigungen der nordlichen Völker den mittägigen unglaublich scheinen, aber wenn man findet, daß die Religions-Gebräuche, die dem einen Volke erträglich und beliebt geworden, andern Völkern unerträglich und widersinnig scheinen, und daß die Gesetze, welche hier nothwendig die Leidenschaften der Völker im Zügel halten müssen, dort überflüßig und gar nicht anzuwenden sind. Was ist also natürlicher, als sich nach der Ursache dieser wunderbaren Verschiedenheit im Reiche der menschlichen Geister aufs genaueste zu erkundigen? Wir wollen uns gegenwärtig um die Verschiedenheit im Reiche der Thiere und Pflanzen nicht bekümmern; nur die Mannigfaltigkeit der Gesinnungen und Handlungen der Menschen soll der Vorwurf unserer Betrachtung bleiben. Und dann frage man die erhabensten Schriftsteller und Weltweisen unserer und der verstossenen Zeiten, und man wird die Antwort erhalten: daß die Natur der Menschen, ihre erste Verschiedenheit in jeder Himmels-Gegend, von der, in Betracht der Wärme, Kälte, Dürre, Feuchtigkeit, Reinigkeit, Dünnigkeit und Elasticität, sehr unterschiedenen Luft, erhalte; Oder daß die Beschaffenheit der Säfte in den Menschen, oder die mannigfaltige Vermischung derselben, an der Verschiedenheit in der Gesinnung vielen Antheil habe, und daß das Klima, darunter ein jedes Geschöpf entstanden ist und sich eine geraume Zeit befindet, darum an obbeschriebenen Unterschied so vielen Antheil habe, weil es durch Dünste, durch Hitze und Kälte, durch die in den Gewässern und in der Erde und ausserhalb in den Pflanzen und Früchten und Thieren, verschiedentlich zubereiteten Lebens-Nahrungen, und durch die daraus entstehende Verschiedenheit der Säfte, des Blutes und der Nerven auf die wunderbarste Weise in den Leidenschaften und in den Willen wirke.


§. II.

Hipokrates versichert in seinem vortrefflichen Buche de aëre locis & aquis: daß die Luft, an allem, was sich in den Körpern der Menschen zuträgt, eine der wichtigsten Ursachen sey, und daß sie die Glieder des Körpers nicht weniger, als die Gesinnungen des Herzens lenke; ja er gehet so weit, daß er ihre Wirkung die Verschiedenheiten der Regierungsformen zuschreibet.
Cicero in seiner zwoten Rede gegen den Rullum behauptet nicht minder, daß die Sitten nicht allein durch die Fortpflanzung, sondern auch durch die Beschaffenheit der Luft, darinnen die Menschen leben und Nahrung genießen, entstehen. In einer anderen Stelle führet führet er sogar an, daß die Menschen in einer heitern Himmels-Gegend verständiger sind, als da, wo eine dicke unreine Luft herrschet. Polybius gestehet, daß so, wie die Luft die äussern Farben und Gestalten der Menschen verändere, so sey sie auch an Verschiedenheit der Gesinnungen der Menschen Ursache. Philon berichtet vom Heraklitus,daß er behauptet habe, daß nirgends erhabnere Geister anzutreffen wären, als in den trockenen Ländern. Die erhabensten Schriftsteller unserer Zeiten, der große Verfasser des Antimachiavel sagt im vierten Capitel dieses Werkes ausdrücklich: "daß der Unterschied der Himmels-Gegenden der Nahrungsmittel, auch der Erziehung der Menschen, eine gänzliche Ungleichheit in ihrer Art zu leben und zu denken mache." Die majestätische Verfasserin der Instruction zur Verfertigung der Rußischen Gesetze, behauptet nicht minder ausdrücklich in dem 45 Paragraph des 6 Capitels: daß das Clima über die Menschen herrsche. Endlich aber würde ich ganze Abhandlungen abschreiben müssen, wenn ich alles das anführen wollte, was der verdiente deutsche Naturkundige, Friedrich Hoffmann, der lesenswürdige Schriftsteller, Flögel, die tiefsinnigen Engländer, John Arbuthnot, auch Haley, auch der erhabene Staatskundige, Montesquieux du Bos und andere von dieser betrachtungswürdigen Sache geschrieben haben, und was man von geschickten Federn entworfen in manchen Wochenschriften antrifft.


§. III.

Die Grundsätze alIer dieser Schriftsteller aber bestehen wol schwerlich in leeren Einbildungen; ja sie scheinen über die Grundsätze des Helverius, der den Einuß des Clima in den menschlichen Character gänzlich verwirft, und anderer, die sie durch witzige Einwürfe zu entkräften suchen, den Sieg davon zu tragen. Wer ist endlich, der nicht selbst einmal die verschiedene Wirkung einer heitern, oder benebelten und dicken, einer gepreßten und von Schwefel-Dünsten entledigten Luft durch Heiterkeit, oder Niedergeschlagenheit seines Geistes empfunden hätte.


§. IV.

Der Dunstkreis, welcher die Erde umgiebet, und von den Erdbeschreibern in fünf Zonen eingetheilet wird, ist ein Gemengels unzähliger Theilchen von mancherley Beschaffenheit; Bald sind solche schwefelicht, bald metallisch, bald wässericht, bald irdisch, bald salzigt. Wie nun aber in einer Gegend des Erdbodens, nach der Lage derselben, bald mehrere, bald wenigere von diesen Arten der Theilchen in die Höhe steigen; so entstehet daher eine unendliche Verschiedenheit der Luft. Wenn nun in einer Gegend des Erdbodens diese, und in einer andern jene Theilchen häufiger in die Höhe steigen; so entstehet daraus eine große Verschiedenheit der Luft auf dem Erdboden, die oft in einer nicht gar weiten Entfernung sehr merklich ist. Eine schwere Luft ist für die Gesundheit zuträglicher, als eine leichte: denn in jener geht der Umlauf des Blutes und die unmerkliche Ausdünstung besser von statten, als in dieser. Wenn sie schwer ist, so ist sie gemeiniglich heiter; eine leichte Luft aber wird immer vom Nebel, Regen oder Schnee begleitet, und ist also zugleich feuchte. Die Ausdünstungen helfen die Schwere der Luft vermehren; und wenn sie, insonderheit bey großer Hitze, sehr hoch in derselben hinaufsteigen, so ist die Luft, der wässerichten Dünste, womit sie angefüllet ist, ungeachtet, sehr trocken. Eine allzugroße Trockenheit derselben trocknet den menschlichen Körper sehr aus: sie ist aber nicht leicht anderswo, als in sandigten Gegenden, anzutreffen. Eine feuchte Luft macht die Fäserchen schlaff, hindert die unmerklichen Ausdünstungen, und wenn sie warm dabey ist, bringt sie den Säften eine Neigung zur Fäulniß bey. Die Wärme der Luft dehnet alle flüßige Materien des menschlichen Leibes aus, und bringet ihn zum Schweiß, woraus Schlaf und Entkräftung entstehen. In allzugroßer Kälte der Luft ziehen sich unsere vesten Theile gar sehr zusammen, und die flüssigen werden verdickt. Die Luft ist die beste, welche mehr schwer, als leicht, weder zu trocken noch zu feucht, und mit wenigen oder gar keinen schädlichen Ausdünstungen angefüllet ist.


§. V.

Es ist also die Luft das flüßige Wesen, welches die Erde umgiebet, auf welcher wir leben und Athem holen, die nicht sichtbar ist, aber empfunden wird, indem sie sich beweget, und den Körpern, die in ihr beweget werden, widerstehet, die sich nach der mehreren Beschaffenheit ihrer Theilchen, auch nach der Mannigfaltigkeit der Himmelsstriche, nach der Näherung und nach der Entfernung von der Mittags-Linie, um die Pole, jeden Grad, ja oft fast jede Minute, besonders wo hohe Gebürge die Länder scheiden, verändert, und sie ist in Betracht der Körper ihrer Säfte, Gestalten und Farbe, und in Betracht ihrer Einbildung, Gesinnung und Kräfte, von unbeschreiblicher Wirkung; sie ist das erste bewegende Wesen, dessen kein Geschöpf im Reiche der Thiere und Pflanzen u. s. f. entbehren kann. Wie aber diese Luft beschaffen ist, so sind auch die Geschöpfe, insbesondere die Menschen, in manchem Betrachte, vorzüglich aber in Absicht ihrer Temperamente beschaffen. Nachdem ferner der Erdboden beschaffen ist, so wirkt die Luft über demselben. Da nun aber diese Beschaffenheit bekanntermaßen sehr abwechselt; da man bald Berge und Ebenen, bald plattes Land, bald ein metallreiches; bald morastiges Erdreich, bald ein sehr trockenes sandigtes Land, von dem Meere weit entfernt, bald Inseln, die im Meere liegen, und Länder, die nahe an Flüsse und Meere gränzen, antrifft, und diese Abwechselungen sowol in den heißen als temperirten und kalten Zonen angetroffen werden; so ergiebet es sich auch von selbst, daß die Wirkungen solcher Luft oft sehr plötzlich abwechseln, und daß oft nur ein Tag den Unterschied zwischen einem sanftem und unfreundlichem Clima, zwischen Winter und Frühling mache. Die Zona torrida zwischen den beyden Tropicis ist es, wo es das ganze Jahr hindurch sehr heiß ist, und fast halb Amerika, Afrika und manche asiatische Theile werden von solcher Hitze heimgesucht; ganz Europa, der größeste Theil Asiens und ein ansehnlicher Theil Amerikens werden von temperirten Zonen beglücket; die kalten Zonen sind endlich in dem obern Theile von Amerika, in Nova Zembla, Spitzbergen, Grönland, Lappland und Ißland, und vielleicht in noch manchen unbekannt gebliebenen Ländern anzutreffen. Ueberhaupt ist für uns die Luft in Süden heiß und feucht, in Westen kalt und feucht, in Norden kalt und trocken, und in Osten ist sie also, wie Jakob Gen. 31, 40. beschrieb: des Tages verschmachtete ich für Hitze, und des Nachts für Frost. Eine heisse Luft trocknet die Wassertheilchen des Bluts in dem Menschen aus, und machet seine Säfte schwarz und dicke. Eben daher werden die Menschen, die in einer solchen Luft leben, schwermüthig, geizig, gewinnsüchtig, strenge, zurückhaltend, hartnäckig, mäßig, tiefsinnig, andächtig, abergläubig, nachforschend, mistrauisch, verzweifelnd, wütend und grausam, faul, zu harter und dauerhaften Arbeit ungeschickt, ja die Luft dieser Art macht die Gemüther feig und kriechend, oder treibt sie auch bis zu rasenden Ausschweifungen. Die Leiber und Gliedmaßen der Körper können selten zu einer etwas bedeutenden Größe und Stärke gedeyen, wie uns Afrika, und auch zum Theil Asien, davon die deutlichsten Merkmale vor Augen legen. Die kalte Luft hingegen ist dichte, und spannet die äussern Fibern des Körpers, und befördert den Zirkel-Lauf des Gebluts. Daher sind die Menschen unter den nordlichen Himmels-Gegenden, wie Montesquieux will, von einem höhern Muthe, sie fühlen sich selbst, unter ihnen herrschet Edelmuth, und sehr selten werden ihre Handlungen von Untreue und List beflecket. Sie sind aber oft übermüthig, prächtig, ernsthaft, heuchlerisch, verstellend, herrschsüchtig, bedächtig, aufgeblasen, beherzt, heftig, scharfsinnig, neidisch, und können nichts weniger, als Schimpf, ertragen. In den Ländern, wo beständig Sturm und Ungewitter herrschen, und wo öftere Erderschütterungen alles unruhig machen, oder wo die dicke Luft die Sonne bedeckt, oder wo man wol gar die vier Jahreszeiten in einem Tage antrifft, da sind die Menschen entweder wild, oder bis zur Ausschweifung gegen sich und gegen andere grausam, entweder Engel oder Teufel. In morastigen Ländern, wo beständige Ausdünstungen die Luft verunreinigen, sind die Menschen, ihrer Natur nach, das ist, wo sie nicht durch Noth, Erziehung und Grundsätze geändert sind, träge, lügenhaft, zänkisch, unsauber, feig, verworren, einfältig, störrig und grob, auch in den wichtigsten Handlungen zögernd und unentschlossen, unempfindlich und sorglos, und dem Geiz oder dem Fraß und dem Spiele sehr ergeben, daneben ängstlich, und leicht aufgebracht, sobald die geringste Gefahr vorhanden; hingegen trotzig bey dem anlachenden Glücke; endlich aber siehet man sie bey Widerwärtigkeiten selten anhaltend böse werden, aber desto öfterer in Wuth gerathen. Hier ist es, wo sich der Geist verkriecht und der Bauch sich erhebt, wo der Koch dem Lukull Verstand und Ehre erwirbt, und wo Stolz und Niederträchtigkeit fast immer in einer Herberge zusammenwohnen, und wo die Seelen und Wissenschaften im Magen oder in den Fingern residiren; hier ist das Paradies der drey höheren Fakultäten. - -
Die leichtere Luft, welche auf den Gebürgen herrschet, macht, daß die Bewohner derselben nicht einen so schweren Druck der Luft ausstehen müssen. Daher sind ihre Leiber nervig und stark, und zum Fleisse und zur Arbeit gemacht; daher sind die Gemüther der Menschen daselbst, in Betracht ihrer Freyheits-Liebe, ihrer Aufrichtigkeit und Treue, ihrer Aemsigkeit und Stärke, aber auch ihrer Wildheit und Störrigkeit, auch ihres Muthes und Herzhaftigkeit von den Menschen, die in den trockenen, stillen und oft morastigen Ebenen wohnen, sehr unterschieden. Erstere sind, nach Hipokrates Meynung, größtentheils stolz und hartnäckig; ja eben dieser Hipokrates setzet noch hinzu: ein guter Boden bringet Verstand hervor, hingegen machet ein trockener Boden, besonders wenn auf solchem ein langer kalter Winter herrschet, die Einwohner übereilt, hitzig von Gemüth, hochmüthig, daneben aber von Iangsamen Begriffen. Wer sich die Mühe nehmen will, die Charaktere der Araber, der Schweizer, der Dalekarlier, der Berg-Corsen, der Berg-Schotten, und anderer auf den Gebürgen wohnenden Menschen genau zu untersuchen, wird von der Richtigkeit dieses Satzes am besten urtheilen können. Wenigstens ist es gewiß, daß den Arabern noch niemand den Verlust der Freyheit vorwerfen darf. Eine reine, heitere und gemäßigte Luft macht endlich, wie davon viele Theile unsers geliebten Vaterlandes (welches, in Betracht seiner Breite, zwischen dem fünf und vierzigsten und vier und funfzigsten Grad, in Betracht seiner Länge, zwischen dem drey und zwanzigsten und sechs und dreißigsten Grad lieget,) jedermann überführen, in den Körpern und Adern der Menschen einen sanften Fluß des Blutes, und die Wirkungen dieser glückseligen Beschaffenheit der Säfte erstrecken sich alsdann nicht selten bis auf einen wohlgebildeten Leib, eine blutreiche und schön gemischte Gesichts-Farbe, endlich aber auf die Gesinnungen, Sitten und Gebräuch, die da, wo eine gemäßigte Luft herrschet, fast insgemein also beschaffen sind, daß unter zwoen Ausschweifungen das Mittel halten, aber so wenig tollkühn, als verzagt, so wenig träge, als übertrieben hitzig, so wenig aufgeblasen als kriechend, so wenig mistrauisch als sorglos, mithin also sind, daß sie sich bey jedermann gefällig machen können; und hier trifft das Motto zu, welches wir auf dem Titelblatte vom Ovid entlehnet haben:
Temperie cœli, corpusque animusque juvantux. Die hauptsächlichen Leidenschaften der Völker, die unter einem gemäßigten Himmels-Gerichte wohnen, neigen sich zum abwechselnden Vergnügen, zur Geselligkeit, aber auch zur Verschwendung und Völlerey, zum Leichtsinn, zur Offenherzigkeit, zur Schwatzhaftigkeit, zur Unbedachtsamkeit, zur Leichtgläubigkeit; es sind fast immer Geister voll Empfindung und Einbildungskraft; sie sind aber enddurch nichts leichter, als durch Güte, zu gewinnen. Vitruvius schreibet also mit Recht: daß die mittägigen Völker, wegen ihrer wenigern und dünnern Säfte, die sie der heissen Luft zu danken hätten, von Natur furchtsamer sind, als die Nordländer; ob sein Urtheil aber gegründet sey, daß der Geist der Südländer entschlossener, witziger und scharfdenkender sey, als die Geister der kalten Nordländer, lasse ich dahin gestellet seyn; wenigstens ist seine Meynung darinn ungegründet, als ob in den Nordländern nie eine heitere Luft herrsche, weil das Gegentheil jedermann bekannt ist.


§. VI.

Endlich wirket auch die Luft, dieß flüßige Wesen, nach Hipokrates Meynung, vieles auf die äusseren Gestalten und Farben der Menschen, und auf die übrigen äussern Theile ihre Leiber. Daher geschiehet es, daß die Völker des Erdbodens bald schwarz, bald roth, bald olivenfarbig, bald dunkel, bald hellgelbe, bald weiß, bald blaß sind, und daß die starke Abwechselung der Luft in Europa solche Mannigfaltigkeit in den Gesichtsbildungen der Europäer verursachet. Nicht minder kommt es daher, daß man unter den Aethiopiern und unter den Japanern und Chinesern, so viele Fratzen-Gesichter, und unter den Lappen und andern östlichen Ländern so manches breites Antlitz; hingegen unter den gemäßigten Himmels-Strichen so manche schöne, regelmäßige und vollkommene Gesichtsbildungen antrifft. Die hervorragende Größe der Patagonen, und der sich unterscheidende Mangel des Wachsthums der Grönländer und Isländer, die kleinen Augen der Chineser, die platten Nasen der Calmucken, die wolligten Haare der Mohren, die blauen Augen der Nordländer und Engländer, die schwarzen Augen und Haare der Spanier, Portugiesen und Italiäner, die Kröpfe der Schweizer, die Lilliputaner in den Welschen Gebürgen, ja daß endlich noch andere wichtige Theile des Leibes, bald in Betracht ihrer übermäßigen Größe, bald in Ermangelung ihrer gehörigen Größe, sich so sehr von einander unterscheiden, darf man vermuthlich der Wirkung des Clima zuschreiben. Man muß dem Vitruvius völligen Beyfall geben, wenn er ausdrücklich dasjenige, was wir eben angeführet haben, bestätiget, indem er mit Grunde schreibet: daß in den nordlichen Ländern Völker gezeuget werden, deren starke und gesunde Körper, deren weisse und lange Haare, deren blaue Augen und Vollblütigkeit eine von der Beschaffenheit jener nahe um die Mittags-Linie gebohrnen Menschen völlig entgegengesetzte Natur bezeuge. Da die Leiber dieser letztern fast nie anders, als schwach, ausgetrocknet und klein befunden würden, und eben so verschieden auch in Betracht der Haut, Augen und Haare gestaltet wären.


§. VII.

Die Verwechselung des Clima wirket ungemein auf die äussere Beschaffenheit und auf die Gesinnungen. Die aus Deutschland jenseit den Alpen die feinere Luft in Welschland einathmen, bekennen, daß sie eine unbeschreibliche Veränderung des Geistes bemerken. Man hat befunden, daß der Europäische Muth dem Volke dieses Welttheiles entfalle, wenn es lange in den heissen Welttheilen wohnt, daß es weibischer und dem eiteln frotzenden Pomp der Asiater ergeben werde, wenn es sich lange in Ostindien aufhalte; Daß der Engländer sich ausser seiner Insel kaum ähnlich bleibt, gründet sich auf tägliche Erfahrung. Nicht minder aber ist es bekannt, daß die Mohren nach einiger Zeit in Europa eben also ihre Farbe verlieren, wie die Europäer die ihrige in den Mohrenländern. Schon in den ältesten Zeiten wurden die Zelten in Asien, und die Gothen und Normänner in Welschland und in Spanien so unkennbar, als viele unserer Jünglinge, wenn sie aus Welschland und Frankreich zurückkommen, und alsdann das Beyspiel der plötzlichen Verwandlung, durch Kleidung, Sitten und Sprache, bis zum Lachen jedermann vor Augen legen.


§. VIII.

Cicero schreibt in seinem Buche de Fato: Lasset uns sehen, welchen Unterschied die Natur der Länder dadurch erhält, wenn einige mit einer gesunden, die andern aber mit einer angesteckten Luft bedecket sind, wenn in einer Gegend die Menschen von Saft ausgedehnet, in einer andern aber gleichsam ausgetrocknet und ausgedorret sind. In Athen, fährt er fort, ist eine dünne Luft, daher sind die Athenienser zarte Leute; in Theben hingegen ist die Luft dick und nebelicht, daher sind die Thebaner stark und fett vom Leibe. Da nun jedermann den geringen Abstand dieser beyden Städte weiß, so erhellet daraus, daß dieser große Weltweise der Meynung gewesen sey, welcher jedermann aus Erfahrung und Ueberzeugung Beyfall geben muß, nemlich, wie wir oben bemerket haben, daß sogar in einer mäßigen Entfernung, ja an den Gränzen der Geest- und Marsch-Länder, das Klima sich nach Beschaffenheit der Lage der Länder an dem Welt-Meere, an Flüssen und Seen, an bergigten und ebenen, an morastigen und sandigten, an waldigten und dürren Gegenden und Plätzen merklich verändere, und daß daher in einem mäßigen Umkreise die Gemütsbeschaffenheit der Bewohner eines Landes gar sehr unterschieden ist.


§. IX.

Ein gemäßigtes Clima wirket in den Menschen die größte Neigung zur Freyheit; so wie ein heisses Clima den Menschen träge und ungeschickt macht, sich einer Macht mit Nachdruck zu widersetzen. Wenn wir die Sitten der südlichen und nordlichen Völker der Welt gegen einander halten, wird sich solches deutlich entdecken. Die ältesten Nord-Europäischen Völker glaubten sogar, man müsse sich durch Muth oder auch durch freywilligen Tod gegen die Tyrannen rüsten. Sie arbeiteten daher nicht mehr, als sie nöthig hatten, und achteten den Tod für nichts, wenn es die Behauptung der Freyheit betraf. Und so gedenken auch noch jetzt viele Nord-Amerikanische Völker. Wie man noch in Betracht des feinern Geschmacks die Nord-Europäer Barbaren nennete, und sie auch wirklich nicht viel besser waren, so kannten sie doch den Werth der Freyheit so gut, als irgend das feinste Volk. Sie sahen es ein, daß sie Vorsteher und Richter haben müßten, aber sie wählten sich ihre Obern selbst, und die Richter mußten dem Volke von ihren Handlungen Rechenschaft geben. Und noch jetzo ist bey den Amerikaner Wilden es die beste Empfehlung, ein Fürst oder Anführer des Kriegesheeres zu werden; sich viele Zeiten hindurch als einen rechtschaffenen, uneigennützigen, tapfern und glücklichen Mann bewiesen zu haben. So viele Ueberlegung hingegen gestattete das heiße Clima den feigen und zur Knechtschaft gebohrnen Afrikanern nicht. Aber das gemäßigte nordische Europa beseelte von jeher den Geist mit Liebe zur Freyheit. Man hat zwar Beweise, daß es einmal entwaffnet geworden; aber diese Knechtschaft dauerte nur so lange, bis die Völker-Wanderung bald nach Süden, bald nach Westen, jedermann wieder in seine alte edle Freyheit versetzte. Eine unumschränkte Regierung in unserm gemäßigten Europäischen Clima kann oft als eine Wohlthat der Vorsehung angesehen werden, wenn man solche in andern Welttheilen als eine Züchtigung des Himmels betrachtet. Denn in Europa ist mehrentheils ein unumschränkter Monarch ein Vater des Volkes, der solches so wenig vorsetzlich zu Grunde richtet, aIs ein vernünftiger Hausvater seine besten Schätze mit Vorsatz der Wuth der Flammen übergiebet; ja in Europa ist das Glück des Staats und der Bürger, das Augenmerk weiser Regenten. Gloria ex amore patriæ. Und diese weise Erwegung macht, daß bis auf diese Stunde die uneingeschränktesten Nordischen Monarchen nur zärtliche Väter und Mütter ihrer Unterthanen, nur die ersten ihrer Bürger seyn wollen. Im Orient und in Afrika hingegen ist Tyranney und Sättigung grausamer Leidenschaften die mehreste Zeit ihr Endzweck und ihre Beschäftigung. Auch in den Zeiten, da die Gesetze in Deutschland noch nicht der Ausschweifung Gränzen setzten, bewies man in diesem vom gemäßigten Clima beglückten Lande gegen Leibeigene, die man durch Krieg oder durch Spiel erworben hatte, lange nicht die Grausamkeit, welche die Römischen Tyrannen solchen erfahren liessen, indem sie deren Leben zum Opfer ihrer Leidenschaften machten. Freyheit erwecket in den Menschen Liebe zum Vaterlande und Neigung zu den Wissenschaften; und da die Liebe zum Vaterlande, wenn sie von rechter Art ist, nach Aristoteles Meynung, von guten Sitten nicht getrennet werden kann; so folget daraus, daß ein gesetzmäßigtes Clima sogar die guten Sitten befördere, und selbst der stolze Chineser muß dem Europäer, ob ihm gleich noch lange nicht alle Arten seiner Bewohner bekannt sind, die Ehre erzeigen, das er seine Sitten nächst seinigen für die besten erkennet.


§. X.

Sollte man wol glauben, daß das Clima sogar auf die Dauer der Reiche und auf derselben Glückseligkeit wirke. Und doch ist es wirklich also. Wir wollen die Römische Monarchie bis auf die Zeiten des Augustus zum Beyspiele erwählen, und die Beschaffenheit ihrer Regenten, bis zur Theilung des occidentalischen und orientalischen Kaiserthums, soll uns von den letztern überzeugen. Wie sehr des Clima jenseits den Alpen von der deutschen gemäßigten Luft unterschieden ist, wenn man auch annehmen wollte, daß es jetzt nicht mehr also sey, wie in den urältesten Zeiten, ist jedermann zur Gnüge bekannt. Die Wirkung einer starken Hitze, die Mischung der Säfte hat die Italiäner von jeher schwefeligt und galligt gemacht. Sie haben daher alle edle Eigenschaften, aber auch alle Unvollkommenheiten der Melancholiker und Choleriker großen Theils von jeher in großer Maaße gehabt, und lange Zeiten hindurch die merkwürdigsten Kennzeichen davon gegeben. Wenn die Leidenschaften, die aus dieser Vermischung entstehen, durch Weisheit und Gesetze begränzt wurden, so brachten sie Römische Heldenthaten hervor; sie wirkten jene Größe, die man oft fast über menschliche Seelenkräfte erhaben nennen mußte; sie wirkten eine Scharfsinnigkeit, eine Edelmuth, die geschickt war, einen Theil der Welt zu bezwingen und zu regieren, und fast dem übrigen Theile der Menschen ein Muster zu geben; und niemand ist so wenig in der Römischen Geschichte bewandert, daß ihn nicht von dieser Wahrheit unzählige Beyspiele bekannt seyn sollten. Vielleicht waren die National-Eigenschaften der Welschen die wahre Ursache, daß die schönen Künste in Italien sich so hoch empor schwungen; die Begierde, vor andern hervorzuragen, beseelte die Erbauer der Tempel und Palläste, und sie war es, wodurch die Künstler, noch dazu von Gewinnsucht belebt, sich so sehr den Künsten ergaben, daß man an ihren Werken Begeisterung wahrnimmt, eben also, wie ein Enthusiasmus dieser Art die griechischen Künstler bezauberte, wenn sie die Bildsäulen ihrer Götzen verfertigten. So wirkte das Clima in Italien für das gemeine Wesen vortheilhaft. Und beherrscht nicht noch diesen Augenblick ein mit drey Kronen prangender Cäsar einen unermeßlichen Theil der geistlichen Welt, nach dem scharfsinnigen Plan seiner Vorfahren, mit einer scharfsichtigen Weisheit eben so, aIs ehedem der Römische Senat, oder als die römischen Cäsars? herrscht er nicht oft mit einer Gewalt, öfterer mit einer Herablassung, nach Beschaffenheit der Zeit und Umstände, die dem Italiänischen Witze Ehre macht, und wer zweifelt daran, daß nur unergründliche Italiäner solche Plane entwerfen und ausführen können.


§. XI.

Wie viel weniger staatskünstlich sind dagegen die veränderten Religions-Einrichtungen, welche die Reformatores diesseit den Alpen von jeher ersonnen und gemacht haben? Sie schwächten vielmehr das Ansehen der Geistlichen, und gaben jedem Fürsten das Recht der Päpste; sie haben es dahin gebracht, daß die geistlichen Lehrer von der Gnade der Layen leben müssen. Aber wie abscheulich sind auch hingegen die Wirkungen davon, wenn das Clima dem Volke Laster einflößet, die aus einer melancholischen und cholerischen Mischung entstehen; und wenn es fast unmöglich ist, Gesetze zu machen, die ein dauerhaftes Bollwerk gegen die entsetzlichen Ausbrüche dieser Leidenschaften abgeben können! Aus ihnen entstand die unersättliche Eroberungssucht der Römer, die unbarmherzigen Plünderungen in den eroberten Provinzen, die übermüthige und tyrannische Mishandlung der überwundenen Feinde, die unmenschliche Zerstörung der blühendsten Städte, und bald nachher das grausame Wüthen in ihr eigenes Eingeweide, oder ihre bürgerlichen Kriege, Früchte des niederträchtigsten Geizes oder einer rasenden Verschwendung, bald von Seiten des ganzen Staates, bald von einigen Privat-Personen. Mit Recht aber kann man den Ursprung von allen diesen Uebeln als eine unglückliche Wirkung des Clima betrachten. Die unermeßlichen Reichthümer, welche die siegreichen Römer aus Syrien und Asien mit sich nach Rom schleppten, verwandelte die Weisen in Narren, und die Helden in Weichlinge. Das Kleiderbehältniß des Lukullus, darinnen sich allein fünfhundert Reitröcke befanden, giebt hiervon ein ziemliches Zeugniß. Sie erregten die bürgerlichen Kriege, sie gaben Marius und Sylla die Macht, ihren Mitbürgern die Hälse zu zerbrechen, und Cäsarn und Pompejus Gelegenheit, auf die Trümmer der Römischen Freyheit eine Monarchie zu errichten. Da die Römischen Helden, von Welscher Wuth, Eifersucht und Rachbegierde angestammt, ihren Wuth nur gegen ihre Mitbürger gebrauchten, so war es dem Pharnaces leicht, Cappadocien den Römern zu entreissen, und den Parthern ganz Syrien von der Römischen Bothmäßigkeit zu befreyen; und hätte sich die Römische Regierungsform mit Verlust der alten schimmernden Freyheit nicht bald in den Händen jenes würdigen Augustus geändert, so dürfte zuletzt Rom nicht reicher geblieben seyn, als es zu den Zeiten seines ersten Stifters war. Solche Wirkungen erreget noch jetzt das Clima in der Natur der Menschen, wenn diese nicht durch Gnade Weisheit und Gesetze gemäßiget wird. Die Menschen in den heißen Ländern erniedrigen sich alsdann, in Betracht ihrer Wuth und unersättlichen Rachbegierde, zur Gleichheit mit den grausamsten wilden Bestien, und in den kälteren Ländern begehen sie Bosheiten, die mit jenen um den Vorzug streiten. Weil aber das Clima von jeher bis diesen Augenblick, sowol auf Vornehme als Geringe, wenn jene durch Erziehung und Einflößung guter Grundsätze verändert sind, mithin sowol auf Regenten, als auf Unterthanen wirket, auf die Fürsten dergestalt wirket; daß ein wohlerzogener Regent, sowol in China als Europa, die Luft des menschlichen Geschlechts, und besonders seiner Unterthanen wird; dergestalt würket, daß unter Kayser Carl dem vierten Böhmen empor kommt, und unter Wenzeslaus wieder sinket, die Spanische Herrlichkeit unter Kaiser Carl V. wächst, und unter dem zweyten Philipp abnimmt, ein Land glücklich und unglücklich wird, nachdem ein Fürst sich den üblen Leidenschaften überlässet, dazu ihn sein National-Clima anreizet, oder je nachdem er aus Liebe zum Vaterlande seine natürlichen Triebe zu bekämpfen beflissen ist. Welche große Glückseligkeit konnte sich denn nun wol Rom von Fürsten aus Welschem Geblüte versprechen, von solchen Prinzen, deren heftige Leidenschaften nicht durch eine glückliche Erziehung begränzet, und deren Herzen nicht nach den Vorschriften der wahren Weisheit oder einer geheiligten Religion gebildet waren. Gewiß, es waren nur wenige unter denen, die den Römischen Scepter führten, wie August, Titus, Trajan, Markus Aurelius und Antonin; ja, wenn ich nicht irre, war Trajan, eben wie Hadrian, von Geburt ein Spanier. Hingegen ward der kaiserliche Thron desto mehr durch Vitellien, Neronen, Tiberien, Domitianen und dergleichen Geissel der Menschen, verunzieret, durch Männer, die noch jetzo genannt werden, wenn man Menschen erschrecken, und Schwelgerey und Faulheit und andere Laster dieser Art im höchsten Grade bezeichnen will. Jener Römische Schriftsteller hat also wol Recht, wenn er behauptet; daß man unter so sehr vielen Nachfolgern des Augustus die wenigen guten in einem engen Zirkel einschliessen könne. Wer will aber nun einen andern Grund finden, warum die Römischen Provinzen die Herrschaft der Römer verlachten? warum es den nordlichen Völkern in Europa so leicht ward, die Römische Staatsverfassung über den Haufen zu werfen, als die Gemüthsart der Regenten, welche diese wiederum größten Theils der Beschaffenheit ihres Clima, dessen üble Wirkung sie nicht bezwingen wollten, zu verdanken hatten? Die Perser und die nordlichen Völker Europens merkten nur gar zu bald die schwache Beschaffenheit der Römischen Regenten, welche bald zu feig und bequem waren, das Staats-Ruder mit Weisheit zu führen, bald aber auch mit einer tollkühnen Hitze, von Eigenliebe berauscht, ein Steuer-Ruder ergriffen, welches sie nie zu lenken gelernet hatten, und bey dessen Regierung sie noch dazu allen getreuen Rath verabscheueten. Daher waren die Perser auf der einen Seite die Geissel der Römer, wenn auf der andern Seite die Seythen, die Alemannier, oder die West-Gothen, die Alaner, Vandaler, Schwaben, Sachsen, Quaden, Ost-Gothen und Heruler sie in die Enge trieben.


§. XII.

Der Stolz, welchen so viele Päbste gegen die deutschen Oberhäupter bewiesen; Die Strenge, womit Clemens der fünfte von Philipp in Frankreich verleitet, die Tempelherren verfolgte, und 1307. und in der folgenden Zeit durch Suppressions-Bullen sie auszurotten beflissen war; selbst die Sicilianische Vesper gehörete zu der Wirkung des transmontanischen Clima.


§. XIII.

Aber auch die Wirkung des Clima beweiset sich im Verstande des Menschen durch Werke des Geistes. Da, wo das Clima die Gemüther knechtisch und furchtsam macht, da muß man keine schönen Wirkungen des Geistes erwarten. Und da, wo eine unmäßige Hitze oder Kälte herrschet, wo die Menschen in beständigen Nebeln und Dünsten leben, und sich dabey starker und schwerer Getränke und hart zu verdauender Speisen bedienen müssen, da wird der Geist der Griechen und Römer oder ihr Schwung in den schönen Wissenschaften, nur selten angetroffen. Denn wo es kalt oder ungemäßigt heiß ist, da sind die Menschen selten geschickt, schöpferisch zu seyn, und durch sehr erhabene Ideen sich hervorzuthun. Inzwischen fehlet es auch in den kältesten Ländern nicht an Beyspielen erhabener Geister; nur sind die Neutons, Leibnitze, Miltons, Youngs, Rabrars, Hallers, Hagedorns, Sellerts, Cramers, Klopftstocks, Wielands, Rammlers, Lessings, Weiße, und andere Geister dieser Art, diesseits den Alpen seltener, als sie ehedem in Italien und Orient waren. Moses, Solon, Lykurg, Confusius, Mahomet, und unter den Dichtern Homer, Pindar, Anakreon, Virgil, Ovid, Horaz, Terenz, Martial, Tasso, Ariost, Dante, Petrarch, waren keine Producte kälterer Himmels-Gegenden.


§. XIV.

Die Leibes-Arbeit ist den Einwohnern kalter Länder erträglicher; dahingegen ist die Lebhaftigkeit der Einbildungskraft den Einwohnern heißer Gegenden natürlicher; und eben daher sind die Bewohner gewisser Staaten glücklicher in Handarbeiten, dazu eine Anstrengung des Leibes erfordert wird, und andere in solchen Künsten dazu Seelenkräfte oder Einbildungskraft gehöret.
Aus dieser Ursache bringen einige Länder bessere Mathematiker und Mechaniker, andere bessere Mahler und Baumeister, Bildhauer, Virtuosen und Dichter hervor, als welche alle bekanntermaßen durch eine starke Einbildungskraft unterstützet werden müssen.


§. XV.

Die Fähigkeit des Spaniers, mit der größten Scharfsinnigkeit zu denken und zu schreiben; die vortrefflichen Werke der Franzosen in der Redekunst; die tiefsinnigen Ausführungen der Engländer in den geistlichen und andern erhabenen Wissenschaften, vom Reutonschen Geiste belebet; der vortreffliche Witz der Welschen in der Musik und in den übrigen schönen Künsten; die unschätzbaren Werke der Schweizer, der Holländer in der Naturkunde, von Einsicht eines Scheuchzers, Hallers, und vom Fleiße des Löwenhoeck beseelet; die dem menschlichen Geschlechte so ersprießliche Erforschung der Dänen, Normänner, Schweden, und Russen im Landbau und in der Haushaltungs-Wissenschaft; der sinnreiche Geist der Deutschen in Erfindung und Ausarbeitung so mancherley zur Beförderung der menschlichen Glückseligkeit gehörigen Dingen; die Geschicklichkeit dieser letzten Völkerschaft, die oft, wenn sie nachahmet, die Erfinder übertriff; ihr Vermögen, zwischen der flüchtigen Schreibart der einen, und der verworrenen und tiefsinnigen Schreibart der andern Nation das angenehme Mittel zu treffen, und zugleich reizend und gründlich zu schreiben; alle diese gelehrte GeschickIichkeiten der Völker in Europa, mit ihrer Mannigfaltigkeit, muß man der Beschaffenheit des Clima eines jeden Landes zuschreiben.


§. XVI.

Die merkliche Abwechselung der vier Jahreszeiten, der Herbst Kälte und des Winter-Frostes, der warmen Frühlings-Luft und der empfindlichen Hitze in den Sommer-Tagen, die in den mehresten Ländern Europens auf einander folgt und anzutreffen ist; nicht minder der freye lebhafte Geist, der unter den Deutschen, Engländern und Franzosen, und den nordischen Bewohnern dieses Welttheiles herrschet, vermehret die Bedürfnisse dieser Völkerschaften an Nothwendigkeiten und an Dingen, die zur Bequemlichkeit und Eitelkeit gehören, unendlich. Denn wenn die Völker in Amerika, Afrika und Asien, deren Kleider und Nahrungsmittel fast durchgehends ihrem Clima angemessen sind, standhaft bey ihrer Weise bleiben; so verändern sich die mehresten Europäer sehr oft in allem Betracht, und es sind wenige Länder, wo sich der Neuerungs- und Nachahmungs-Geist nicht bis auf den Pöbel erstrecket. Hiedurch wird nun in Europa mehr, als in andern Theilen der Welt, die Gewinnsucht aufgemuntert; daher segeln die Flotten der Europäischen Kauffardey-Schiffe durch alle Welt. Der Europäische Kaufmann ist auf allen großen Messen in allen grossen Handlungs-Städten in der Welt anzutreffen; dahingegen in den Europäischen Häfen und auf den Europäischen Märkten ein Amerikaner, ein Afrikaner und Asiater zu den größten Seltsamkeiten gehöret. Ja ein Portugiesisches, ein Spanisches Schiff ist in Norden eine Erscheinung.


§. XVII.

Der gesellschaftliche Umgang, ohne pedantische Feyerlichkeit und ohne übertriebene Höflichkeits-Bezeugungen, richtet sich nach der Beschaffenheit des Clima, und ist da am häufigsten in Europa, wo die Völker am lebhaftesten sind, oder wo ein langer Winter und kürzere Tage den Menschen größere Neigung zu Zeit verkürzendem Spiel, Scherz, und Unterredungen einflößen, und nicht vom Mistrauen geängstiget werden. Man halte Spanien, Welschland und einen großen Theil von Deutschland gegen Frankreich und gegen die nordischen Länder, und ich hoffe, jedermann wird es also befinden. In den heissen Theilen der Welt ist sehr wenig an Geselligkeit zu gedenken. Da nun aber menschlicher Umgang Höflichkeit, auch Geschmack in Kleidungen gebieret, dieser aber Erfindungen und mancherley Erschaffungen veranlasset; so siehet man, daß das Clima sogar Fabriken und Künste hervorbringet.


§. XVIII.

Die Luft giebt den Morgenländern einen natürlichen Hang zur Tiefsinnigkeit und zur Weltweisheit; sie macht, daß unter ihnen fast immer ausserordentliche Menschen gewesen sind, die sich eben so seltsam in Lastern, als in Tugenden hervorgethan haben, da sie bald zu den erhabensten Religionen und Wissenschaften, bald zum schändlichsten Aberglauben und zu ansteckenden Schwärmereyen Grund legten. Die Morgenländer haben die Ehrbegierde oft bis zu erstaunlichen Unternehmungen, - die Liebe bis zur Aufopferung, - die Eifersucht bis zur zur Raserey, - die Rache bis zur Wuth der wilden Thiere, - die Verehrung ihrer Obern aber bis zum Anbeten, und den Geiz und Betrug bis zu den scharfsinnigsten Erfindungen getrieben.
Was würde Mohamet, dieser scharfsinnige Geist, wol ausgerichtet haben, wenn er nicht zu Belohnung der Annehmung seiner Lehrsätze, den Muselmännern ein Paradies versprochen hätte, das den ausschweifenden Neigungen zu sinnlichen Wollüsten angemessen wäre.


§. XIV.

Daß man in vielen Mittags-Ländern die Räubereyen zu Wasser und zu Lande für eine Pflicht vernünftiger Geschöpfe hält, wenn man dagegen in den nordlichen Wettheilen solche Räuber auf das Rad legt, und sie an den Ufern der Themse an den Galgen erblicket; daß ein Grieche und Franzose einnehmend höflich und geschwätzig, ein Holländer, Schweizer und Engländer hingegen kalt und störrig, ein Türke und Spanier aber steif und an sich haltend ist; daß in einem Lande die Weiber sich ohne Schaam entblößen, oder höchstens durch ein durchsichtiges Gewebe die Augen der Männer noch mehr lüsternd machen, wenn hingegen in andern Ländern sie sich wie die Mumien einwickeln; Daß man in Italien den Weibern einen unbeschnittenen Liebling, einen Sigisbe, zugestehet, wenn man solchen in den Morgenländern Verschnittene zu Gefährten giebt; Daß man es in einigen Ländern zum Gebrauch hat, lüsterne Jünglinge im Schlafgemach junger Eheweiber, in Abwesenheit des Mannes zuzulassen, und zwar in Ländern, welche man vorzüglich gesittet nennet; Daß man das Glück der Männer jenseits des Ganges, auch in vielen Amerikanischen Ländern, nach der Anzahl seiner Schwäger und ehelichen Gehülfen abmißt, daß es hingegen im Orient halsbrechend ist, nur ein verheyrathetes Weib anzuschielen.


§. XX.

Daß der Morgenländerr in weiten, und der Europäer in engen Kleidern einhergehet;
Daß der Portugiese, Italiäner und Engländer gemischte, der Türke und Orientaler ungemengte, der Spanier und Schwede dunkle, der Franzose, Däne, Russe und Sachse so gerne lebhafte Farben zu Kleidungen erwählet;
Daß der Orientaler seinen Bart für göttlich, und der Europäer ihn für nichtswürdig achtet;
Daß der Europäer zum Gruß sein Haupt entblößet, der Orientaler hingegen zum Gruß nur sein Haupt berühret;
Daß in Californien viele Weiber einen Mann, und in der Türkey ein Mann viele Weiber ernähret;
Daß der Californier gerne tanzet, und der Chinese gerne sitzet;
Daß die Englischen Weiber die Erlaubniß haben, mit zwey Paar Schuhen immer zu laufen, wohin sie wollen;
Daß die Füße der Chineserinnen hingegen zum Ausgehen untüchtig gemacht werden;
Daß die Morgenländer beständig mit bewundenen Häuptern gehen;
Daß in Europa hingegen in einigen kalten Ländern beym stärksten Frost im Winter, manche ihre Hütte unter den Armen tragen, um ihre frisirte Köpfe nicht zu beschädigen, und die Füße nur mit weißen seidenen Strümpfe bekleidet, wenn sie jedoch dagegen einen ungeheuren Pelz um den Leib wickeln;
Daß die Jagd den Römern jederzeit verächtlich, und eine paradiesische Luft der Alten war, und noch jetzt die Wonne der Deutschen ist;
Alle diese seltsamen Contraste sind sehr oft Wirkungen der Luft und der Himmelstriche, welche, wie wir oben angemerket haben, die Leidenschaften und Gesinnungen der Menschen wirken.


§. XXI.

Dem Ursprung der ehemaligen Charanum, Mecha Schahimi und Chartumim in Egypten, der Einsiedler und Mönche, der Braminen, Bontzen und Dervische, auch der Talipots und anderer Indianischen Geistlichkeit, die so viele Zeit ihres Lebens zubringen, ohne zu reden und ohne sich zu bewegen, muß man in der Beschaffenheit des heißen Clima suchen, darinnen es die Menschen für eine wirkliche Glückseligkeit halten, sich wenig zu bewegen, und desto mehr zu denken.


§. XXII.

Die schändliche Verachtung eines Standes, der doch die übrigen Stände der Welt alle ernähret und glücklich macht, und den die erhabensten Völker des Erdbodens, die Egypter, Griechen und Römer so hoch hielten, nemlich der Stand des Ackerbaues und der Viehzucht, rühret aus jenen späten Zeiten her, da es in vielen Europäischen jetzt sehr bebaueten Ländern so sehr verwildert aussah, daß alles, was darinnen lebte und Waffen tragen konnte, von nichts als Jagen, Schwärmen und Kriegen wußte, und da der Geist der Seythen, Tartaren und so vieler Nordamerikanischen Völker noch auf den Europäern ruhete, und da das Clima durch Wälder, Sümpfe und Moräste abgehalten ward, sich milde gegen die Menschen zu bezeugen, und da der wilde Geist der Menschen den Reichthum und die Glückseligkeit noch nicht nach Anzahl wohlgebaueter Felder und wohlversorgter Heerden, sondern nach der Zahl der Pferde und Jagdhunde abzumessen pflegte.


§. XXIII.

Das Clima wirket auch in die Menschen mehr und weniger heimtückische Rachbegierde. Diese Gesinnung hält die Menschen in vielen Staaten ab, ihre Nebenmenschen leichtsinnig zu beleidigen. Diese Gemüthsbeschaffenheit schicket sich aber nur zu einem Clima am besten, wo die Menschen lieber einsam als gesellschaftlich leben. Die Wirkung des Spanischen und Portugiesischen Clima in das menschliche Herz ist Eifersucht und Sorgfalt für vermeintliche Rechte. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß sie ehedem die Portugiesischen und Spanischen Inquisitions-Anstalten, die noch den 17ten Febr. 1732. erneuert sind, verursacht haben. Auch ist ohne Zweifel die ehemalige Verfolgung der Juden in diesen Ländern, das ehemalige Betragen der Spanier in Amerika, der Wirkung des Clima und dessen Einflusse zuzuschreiben. In Norden hat man Muth und Ehre im Leibe. Dahero denn in Europa mehreres vom Zweykampf, als in Asien und Afrika, zu hören ist. Selbst die alten Ritter-Orden in Europa sind Folgen eines Clima, welches den menschlichen Herzen edle Ehrbegierde und Sittenliebe einflößete. Die große Schande der in Asien so gebräuchlichen Stock-Schläge, und der Gebrauch des Fuchtel-Gebens in Europa unter den Kriegsvölkern, ist vielleicht eine Wirkung des Clima auf die Freyheit und Ehrbegierde; vielleicht ist es aber auch wol ein unerkannter Ueberrest der uralten deutschen Verehrung des Degens oder des Schwerdts. Dahingegen ist den ausser-Europäischen Völkern die seltsame Rangsucht, diese Zerstörerin so manchen gesellschaftlichen Umganges noch nicht zum sonderbaren Fehler geworden.


§. XXIV.

Der vortreffliche Gebrauch unter den edelmüthiden Normännern, daß ein Richter einen muthwilligen gelehrten oder ungelehrten Verläumder beydes in Strafe setzen, als für unehrlich erklären darf, und daß ein überzeugter Ehrenräuber zum Scheusal der ehrliebenden Menschen in Norwegen wird, ist die Wirkung dieses Clima; und eben so ist es vermuthlich die Wirkung der leichtsinnig-machenden Lust, wenn in andern Ländern die Pasquine mit Ehre und Glanz belohnet werden.


§. XXV.

Sehr sonderbar ist es, daß man von den Eigenschaften der Völker des Erdbodens behaupten kann, daß die Völker zwoer streitender Partheyen fast immer die Oberhand behalten haben, deren Länder mehr nach Norden und Osten, als nach Süden und Westen gelegen. Die Griechen haben die Perser überwunden. Die Römer haben die Carthaginenser und Griechen bezwungen. Den Tartarn hat es wenig Mühe gekostet, China sich zu unterwerfen; und den Nordischen Europäern ist es leicht gewesen, in Asien, Afrika und Amerika Ueberwindungen zu machen. Ja, die Deutschen, Dänen, Normänner und Schweden haben die Römer oft zitternd gemacht und von der Höhe gestürzet, auf welcher sie für ganz Europa Fesseln schmiedeten.
Auch die Geschichte Deutschlandes hat dem Schwedischen Helden, Gustav Adolph, längst Ehrendenkmale gesetzet, und der Türke dürfte sich vielleicht bis auf die letzten Zeiten sowol an den unüberwindlichen Eugen, als an die siegreichen Waffen Rußlands unter dem Scepter der glorreichen zweyten Catharina erinnern. Denn so geschickt die Muselmänner auch immer seyn mögen, durch hitzige Anläufe oder Anfälle ihre nordischen Feinde zu beunruhigen; so wenig bedeutet ihr Muth in Feldschlachten, wo Gegenwart des Geistes und wahre Tapferkeit nur fast immer entscheiden helfen.


§. XXVI.

Niemand fühlt den Unterschied des Clima so sehr, als der Kriegsgefangene. Schon in den grauesten Zeiten war der Unterschied der Begegnung dieser Unglückseligen unter den Römern und Deutschen sehr unterschieden. Jene begegneten ihren Gefangenen, selbst die Könige, niederträchtig und grausam; diese aber bewiesen sich menschlich gegen ihre überwundenen Feinde. Und noch jetzo unterscheidet sich der in Europa überwundene Krieger gar sehr von den Unglückseligen der unter jenen wilden Amerikanern, unter den barbarischen Afrikanern und Orientalern eine Beute der Feinde geworden ist. In Europa ernähret der überwundene Regent die, welche man ihm im Kriege abgenommen hat, in ihrer Gefangenschaft; dahingegen sind ausser Europa die Unglückseligen ein Opfer der Rache und der Wuth unter den Völkern, welche das heisse Clima mehr rachbegierig und grausam, als edelmüthig und mitleidig machet.


§. XXVII.

Die Kriegs-Anstalten in den Ländern richten sich nach Beschaffenheit der Wirkung, die das Clima in derselben hervorbringt. Eine Armee in den Türkischen Gränz-Ländern, da, wo unermeßliche Wüsteneyen, Gebürge oder Steppen sind, wird nicht auf gut Glück, ohne einen großen Vorrath von Lebensmitteln bey sich zu führen, lange bestehen können, da hingegen die fruchtbaren Niederlande, das fruchtbare Sachsen, dem Feldherrn manche Sorge ersparen. Den Unterschied der Perser und Griechen zu kriegerischen Beschäftigungen, wissen bereits die Jünglinge in den Schulen aus den Nachrichten des Curtius; und überhaupt ist es niemand unbekannt, daß die auf den gebürgigten Gegenden wohnenden Menschen, in Betracht des Muths und der Freyheits-Liebe und der natürlichen kriegerischen Leibes-Beschaffenheit, sich von denen unterscheiden, die in den sumpfigten Marsch-Ländern wohnen, und mit Ueberfluß an Speise, Getränke und Bequemlichkeit von Jugend auf versehen worden. Kommt nun noch hinzu, daß das morastige Land unter einem warmen Clima gelegen, und von der Beschaffenheit, wie China ist, so darf man sich nicht wundern, wenn es einer abgehärteten Tartarischen Nation so wenig Mühe gekostet hat, dieses mächtige Reich unters Joch zu bringen. Sogar macht die heisse Himmelsgegend die Menschen ganz und gar ungeschickt zum Kriege, weil die Folgerungen des Blutvergießens für sie das grösseste Verderben seyn, weil dessen faulender Gestank nicht nur die Luft verunreinigen, sondern auch den Kriegern unausstehlich seyn würde. Vermuthlich verabscheuen dahero die Bangaren in Asien alle Blutvergießungen; vermuthlich haben es dahero die Braminen zum Lehrsatz der Religion gemacht, kein lebendiges Thier zu tödten. Aber besonders kömmt hiebey noch in Erwegung, daß ein heisses und ermattendes Clima in den mehresten Asiatischen und Afrikanischen Ländern, auch in einem großen Theile von Amerika, die Menschen geneigter macht zu schlafen, als sich durch Uebung in den Waffen noch mehr zu ermüden. Fast bin ich so kühn, zu behaupten, daß das Clima sogar auf die gerichtlichen Kriege und auf bürgerliche Streitigkeiten wirke. Ich habe mich ehedem in Wien und Wetzlar erkundiget, woher die mehresten Appellationes dahin kommen, und ich bin überzeugt geworben, daß die fruchtbarsten Länder für die Rechtsvertheidiger die ergiebigsten sind. Wie mühsam und gründlich unterrichten doch die Römischen Rechte ihre Schüler in der Kunst, jemand leicht in Rechtshandel zu verwickeln, und ihn bis an sein Lebens-Ende zum Clienten zu erhalten, oder durch wahrscheinliche Einwendungen so lange abzuhalten, jemand das Seinige zu geben, bis er gänzlich, oft selbst durch die Rechts-Beystände, ausser Stand gesetzet ist, solches zu leisten. Zu dieser Kunst findet man keine Anweisung in den alten deutschen Gesetzen, die Lindenbrog gesammelt hat.


§. XXVIII.

Wie oft sind von Französischen Richtern End-Urtheile gesprochen, die man in der Folge zu spät nach genauer Untersuchung für zu übereilt vollzogen, hat erklären müssen. Wie wird hingegen ein Spanischer Inquisit durch Verzögerungen mehr, als durch die Bestrafung selbst gequält. Wie pünctlich entscheidet der tiefsinnige Engländer nach den Buchstaben der Gesetze! Wie majestätisch der ruhige und rechtschaffene Holländer! Wie gerne läßt der Formalitäten-liebende Deutsche seine Processe bis ins unendliche ausdehnen! Wie gerne höret hingegen der Normann und Däne bald seinen Streit entscheiden, dazu hier der Richter ein zum National-Geist sich reimendes kurzgefaßtes Low-Buch gebraucht; wenn hingegen dort in ungeheuren Folianten die Gesetze enthalten sind, und noch dazu solche Gesetze, die seltsam genug weit mehr dem National-Geiste der Transmontaner, als der Deutschen angemessen sind.


§. XXIX.

Wenn man vor Zeiten in Rom öffentlich ausrief: Nullus mortalium armis aut side ante Germanos; Wenn Tacitus meldet, daß der Deutschen dauerhafte und starke Leiber beym Angriff der Feinde Wunder gethan; daß die Deutschen in ihren krausen blonden Haaren den Feinden jederzeit eine muthige Stirn gezeiget hätten; Wenn Seneca ausrufet: Wer ist muthiger und zum feindlichen Angriff heftiger, wer zum Kriegesstande geneigter und so gleichsam dazu also gebohren, als ein Deutscher? Wann endlich Eginhard von unserm Volke schreibet: Nemo apud illos vitia ridebat - majusque studium erat recte, facere quam splendide loqui - bene loqui ab aliis, hinc sapere aliquis discat; - So erfordert es die Gerechtigkeit, daß wir unsere benachbarten Normänner, Dänen und Schweden, an dieser Ehre der Väter mit Theil nehmen lassen. Endlich Aber muß man die Nordischen und die Oesterreichischen, Brandenburgischen, Baunschweigerischen, Hannöverischen, Hessischen, auch anderer mächtigen Reichs-Fürsten Kriegesheere, Feld-Regimenter und Leib-Garden gesehen haben, um überzeugt zu werden, daß wenigstens in Betracht des Heldenmuths noch der Geist der Väter auf den spätesten Nachkommen ruhe. Man muß in den Theilen Deutschlands, z. E. in Oesterreich, Schwaben, im Erzgebürge, auch in Braunschweigschen und Hannöverschen Landen bekannt seyn, wo noch bis jetzo nicht ausländische Sitten die väterlichen gänzlich verdrängen dürfen, und man wird noch ganze Völkerschaften antreffen, wo sich Eginhard in Beschreibung der Deutschen noch derselben Worte bedienen könnte. Noch sind unzählige Deutsche in manchem Betracht den alten Tugenden ergeben, davon uns Keysler und Schütze mit Belesenheit aus dem AIterthum unterrichtet haben. Wenn schon ehedem über die Alpen und über den Rhein viele für das Deutsche Clima und für den Deutschen Geist nicht so passende Gesetze und Gebräuche zu uns gebracht worden; so ist die Treue der Deutschen, der sich vor Zeiten die größten Monarchen anvertraueten, noch jetzt die Zierde unsers Volkes. Jedoch verlieret der Deutsche unter einem andern Clima vielleicht nicht selten seinen National-Geist. Noch jede Nacht kann der Deutsche Vater und Kayser, Joseph der zweyte, die Brust eines jeden seiner Landeskinder ohne Furcht und Sorge zum Hauptküssen verlangen, und eben dieses können die Monarchen, welche sich Deutsche zu Gehülfen im Kriege und Frieden erwählen, wenigstens ebenso gewiß von Deutschen, als von irgend einem andern Volke in Europa erwarten. Aber auch nicht minder trifft man die Deutschen, wie zu Tacitus Zeiten, in einer beständigen Abwechselung von Ruhe und Beschäftigung an. Noch lieben viele Deutsche gesetzliche Freyheit so, als ihr Leben; noch verehret der größte Theil derselben die guten Sitten ohne Zwang der Gesetze. Kurz, Frömmigkeit, Treue, Dankbarkeit, Keuschheit, Tapferkeit und Gastfreyheit, war der Charakter unserer Väter, sie war die Wirkung ihres gemässigten Clima. Und ob sich nun gleich diese vorzüglichen Eigenschaften unter den Deutschen so sehr vermindert haben mögen, als sich ihre ehemalige äussere fürchterliche Leibesgestalt, bis zu einer zarteren Beschaffenheit des Körpers vermindert hat; so sind die alten gepriesenen deutschen Tugenden dennoch dem größten Theil der Deutschen eigenthümlicher, als vielen andern Europäischen Völkern. Man frage noch jetzt in Spanien, in Frankreich und Welschland u. s. f. welchem Volke man die größte Rechtschaffenheit zutrauet. Das Deutsche glückliche Clima macht die Deutschen Fürsten-Kinder vorzüglich zum Regieren geschickt. Dahero sind, bis auf diesen Augenblick, in ganz Europa solche allgemein verehret, und wo sie das Ruder führen, oder auch nur die nächsten zum Ruder sind, da bleiben sie Bewunderung und Freude und Schutzengel der Menschen. Denn die Lust der aus reinem Deutschen Heldenblute abgestammten Regenten ist es, weniger zitternde Sclaven, als freye Bürger zu regieren. Wenn Despoten sogar die natürlichen Gesetze zerstören, so machen Kayser und Könige vom Deutschen Geblüt und Abstammung in Deutschland, Rußland, Schweden, Dännemark und Britannien, sich selbst Gesetze, dadurch sie sich zur Beförderung der gemeinen Wohlfahrt verpflichten. Die Wonne der Deutschen, Maria Theresia und Joseph, unterrichten die Fürsten durch Beispiele der Herablassung und Leutseligkeit. Die Zierde unsers Vaterlandes, die unsterbliche Catharina, setzet die Welt durch Gelindigkeit gegen ihre Feinde zu Moskau in Erstaunen. Der Deutschen großer Friederich wird Schöpfer neuer Kriegskünste und allgemeiner Lehrer der Staats-Rechte. Unter welcher Himmelsgegend sind so viel Fürsten gebohren, die zu gleicher Zeit die Lust und Bewunderung der Welt waren?


§. XXX.

Das Ehrengedächtniß, welches die Rußische Monarchin, in ihrer Instruction zu der Gesetzgebung den Spaniern errichtet hat, und dessen wir in der Einleitung gedacht haben; gereichet diesem Volke zur größten Zierde; und diese erhabenste Fürstin leitet diese edelmüthige Eigenschaft der Spanier aus der Wirkung des Clima. Aber auch die Aufopferung Peter des großen für Verbesserung seiner Staaten, die einzige in ihrer Art der Edelmuth, dadurch sich Rußland bey seinen Kriegen und im Frieden so merklich unterscheidet; der Ruhm, welchen so viele unüberwindliche Deutsche Helden den Rußischen Kriegsvölkern nach so, mancher blutigen Schlacht im letzten Deutschen Kriege wiederfahren lassen, da sie deren Heldenmuth gegen eine ordentliche Tapferkeit mit der Würde und Härte eines Diamants gegen andere schätzbare Steine verglichen, darf man wol mit eben dieser Billigkeit aus dem Clima in einem Theil der Rußischen Monarchie herleiten. Die Ehre, welche Montesquieux den Dänen, Normännern und Schweden erzeiget, da er im 5ten Capitel und 15ten Buche seines Geistes der Gesetze diesen Völkern den Ruhm einer Tapferkeit vor allen Völkern des Erdbodens beyleget, weil sie die Römischen Fesseln zerbrochen, und Europa seine jetzige Freyheit verschaffet, ist völlig gegründet; aber das Nordische Clima hat daran nicht weniger Antheil. Das Vertrauen, welches noch jetzo so viele Monarchen und deren Gehülfen auf die Treue der Schweizer setzen, gründet sich auf die Erfahrung der Rechtschaffenheit diese Volkes. Niemand aber ziehet wol in Zweifel, daß das Clima, welches in der Schweiz herrschet, an dieser der Leichtsinnigkeit entgegengesetzten Eigenschaft sehr Antheil habe. Der Ruhm, den Herodianus und Owenus der Tapferkeit der Engländer beylegen, wenn sie dafür halten, daß es hiedurch unmöglich werde, daß ein fremdes Volk die Insulaner, ohne ihren eigenen Willen, in ihrem Lande überwinde. Die Ehre, welche dieses Volk in allen Theilen der Welt sich durch seine seltene Industrie und durch seine hervorragende Geschicklichkeit in allen Arten von Manufacturen mit allgemeiner Uebereinstimmung erworben hat, darf man kühnlich auf die Rechnung des Clima eines Landes schreiben, welches seine Bewohner in Fleiß und Nachsinnen unermüdet geduldig machet. Wie sehr auch die jetzigen Einwohner Frankreichs, in Betracht der Abstammung von den Galliern, welche Julius Cäsar beschreibet, unterschieden seyn mögen; so wird doch eben dieses Volk wahrer Beweis bleiben, wie viel das Clima wirket, wenn man die Franzosen unserer Zeiten noch eben also findet, als die vormaligen Bewohner dieser Staaten von jenem erhabenen Schriftsteller abgemahlet sind. Denn noch diesen Augenblick sind sie sinnreiche Geister, noch unterscheidet sie ihre Beredtsamkeit, Munterkeit und Fähigkeit von so manchem andern Europäischen Volke. Kayser Julian erzählet: daß er einen Winter in Paris zugebracht, und da fast eben so viele Schauspieler, Tänzer und Musikanten, als Bürger angetroffen habe. Eine Unvollkommenheit, welche andern Völkern zum Nachtheil gereichen würde, befördert täglich die Vortheile dieser Nation; denn ihre Unbeständigkeit macht, daß sie durch ihre Erfindungen alles in Bewegung setzen, und über den Geschmack der Tafeln, über die Einrichtung des Hausgeräthes, und über die Kleider-Anzüge der mehresten Europäischen Völker fast vorzüglich das Regiment führen. Der Ruhm, welchen Thevenot in seinen Reisebeschreibungen den mittägigen Völkern Europens, besonders den Italiänern, wegen ihres Edelmuths und ihrer Mildthätigkeit gegen die elenden und bedrückten Mitglieder der menschlichen Gesellschaft beyleget. Der Ruhm der Standhaftigkeit, des Muths und der Treue, welcher die ganze Welt einmüthiglich den Ungarn zuerkennet; alles dieses muß man der Wirkung des Clima vorzüglich beymessen. Auch mögen es die Holländer auf diese Rechnung schreiben, wenn ihre Treue, Rechtschaffenheit, Fleiß und Sparsamkeit, das Beyspiel so vieler Völker geworden ist. Daß man in Spanien so viel betet, in Welschland so viel trillert, in Frankreich so gerne tanzet, in England so tief denket, in Deutschland so gerne andern Völkern Kleidungen und Sitten nachahmet, daß man in Holland die Reinlichkeit, in Dännemark die Munterkeit, in Pohlen den Geist der Freyheit, in Ungarn die Treue, in Preussen Herzhaftigkeit und in Rußland Heldenmuth antrifft; ja daß man unter den Deutschen sich den Oesterreicher und Hollsteiner zum Wohlthäter und Wirth, den Sachsen und Franken zum Fabrikanten, den Brandenburger zum Finanzier, den Westphälinger und Schwaben zum Aufseher, den Braunschweiger, Hannoveraner und Hessen zum Vertrauten, und endlich den Mecklenburger und Pommer zum Krieger und Beschützer wünschet; alles dieses entstehet aus der Wirkung des Clima in die Gesinnung der Menschen. Diese Wirkung macht, daß der National-Character der Deutschen nicht vest zu bestimmen ist; es sey denn, daß man von uns sagen wollte, daß die Mäßigung in ausschweifenden Leidenschaften vorzüglich unser Eigenthum sey.


§. XXXI.

Die Wirkung des CIima aus die Gesetze hat mir zu anmuthigen und interessanten Betrachtungen noch Anlaß genug gegeben. Gestattet es der Raum des folgenden zweyten Theils, so will ich sie da voranfügen, oder auch absonderlich herausgeben Iassen.

Hamburg,
im März 1775.
J. P. W.


ABRIß EINER SCHÖNEN STADT
ERSTE ABTHEILUNG
EINLEITUNG

Wo ehemals ein großer Peter sich ein Feld erwählte, um das, jetzt unter dem sanften Scepter der glorreichen Kaiserin Catharina blühende Petersburg darauf anzulegen. Wo ein Churfürst Friedrich der dritte einen Platz um Berlin antraf, darauf die Stadt aufzuführen, die unter den Händen noch größerer Nachfolger die Königin der Städte in Europa geworden. Wo Friedrich der fünfte, wie vor Zeiten August zu Rom, die Ziegelsteine der Stadt Copenhagen in Marmor verwandelte; und wo Philipp Carl, Mannheim zur regelmässigsten Stadt der Welt, und ein glorwürdiger Wilhelm von Cassel die französische Neustadt zum Model neuer Colonien machte; da waren Felder und Plätze, wo Plane zu schönen Städten ausgeführet werden konnten. Aber auch da, wo die schöpferischen Geister Josephs des Allgeliebten, Friedrich des Helden, und des königlich denkenden und handelnden Carl von Braunschweig; oder da, wo der auf den Britten ruhende Römischen Geist in London, wie dort in Wien, Potsdam und Braunschweig, alte Städte zu neuen schönen Wohnungen der Bürger umschaffen, da siehet man Städte in größerer Vollkommenheit, als sie mein Abriß in folgenden Blättern schildert. Inzwischen darf man nicht gedenken, daß alle Städte, deren gute alte Anstalten nicht unterhalten, oder die nicht durch neue Anlagen verschönert werden, keine erhabene und vortreffliche Geister und warme Patrioten unter ihren Regenten und Vorgesetzten haben; selten fehlet es ihnen hieran, wohl aber bald am Vermögen, bald an der Gnade eines Beherrschers, oder an der Fürsprache seiner Finanz-Lieblinge; endlich hindern Unempfindlichkeit, Gleichgültigkeit, geschmackloser Geiz, und ungesittete Widersetzlichkeit der Bürger, oft die Verschönerung der Städte.


I.     HAUPT-ERFORDERNISSE

§. 1. Von den Erfordernissen zur Anlage und Verschönerurg der Städte

Es sind (nachdem ich Verstand und Beurtheilungskraft der Möglichkeit, ob Anlagen zu machen sind, voraussetze) zwey Haupt-Erfordernisse zur neuen Anlage und Verschönerung der Städte, nemlich Wille und Vermögen. Ist der Wille da, so müssen die Vorgesetzten einer Stadt Männer wählen, welche die Welt gesehen, und sich sowohl auf ihren Studierstuben Erkenntnisse, als auf Reisen Geschmack und Einsicht erworben haben, solche, die geschmackvolle Plane entwerfen und sie ihnen zum Beyfall vorlegen; Abrisse, die bey guter Gelegenheit ausgeführet werden können, und dazu man bey Zeiten Anstalten vorkehret, um mit Glimpf die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die einer guten Ausführung entgegen stehen, um zu rechter Zeit gute Baumaterialien zur Ausführung der entworfenen Verschönerungen anzuschaffen, und sie Schritt vor Schritt auszuführen. Zu Ausführung der beschlossenen Anstalten gehören Männer, die zugleich feurig, durchdringend und mit einem zur Herablassung und Leutseligkeit geneigtem Geist beseelet sind. Denn hier sind Zaudern, Härte und Zaghaftigkeit keine wirkende Eigenschaften. Am geschwindesten gehet eine städtische Schöpfung von statten, wenn der Wille des Beherrschers einer Stadt vom Geist eines Oesterrechischen Josephs, eines Braunschweigischen Carls, und eines Preussischen Friederichs, und anderer Fürsten dieser Art belebet wird; überdieß aber entstehen alsdann auch Meisterstücke der Baukunst, die nicht vom schwachen Gehirn und Vermögen der Bauherren zeugen. Man erkennet hieraus, wie wichtig die Gnade des Landesfürsten einer Stadt sey, die sich gerne zum Vergnügen und zum Anwachs der Einwohner verschönert sehen mögte. Daher geschiehet es denn auch, daß bedachtsame Provincial-Städte beständig an den Höfen ihrer Beherrscher auserlesene Agenten unterhalten, die die Gnade des Fürstens und seiner Lieblinge Gunst und Wohlwollen zu besorgen beflissen sind. Daher geschiehet es, daß man sowohl in Provincial als Haupt-Städten nicht mehr Renommisten zu Raths-Gliedern erwählet, deren ganze Geschicklichkeit in Schwelgen, in ungestümer Widersetzlichkeit und pedantischem Haberechten bestehet, sondern solche, die Patriotismus, Einsicht und genaue Erkenntnisse der, Rechte und Vortheile ihrer Städte mit äusserlicher feinen Lebensart verbinden, und welche die Kunst erlernet haben, durch Unterwürfigkeit, Leutseligkeit und Herablassung die Herzen der Vornehmen und Geringen, auch ihres Gleichen, für das Beste ihrer Stadt zu gewinnen. Dahero wird endlich die altväterische Sprache von Gerechtsamen sehr behutsam gegen Landesfürsten, hingegen bey aller Gelegenheit im Lieblings-Tone der Großen, von Gnade und Huld geredet.


§. 2. Von Beyträgen zu Anlagen und Verschönerungen der Städte

Die zweyte sehr wichtige Erforderniß zu neuen Anlagen und Verschönerungen in den Städten ist das Vermögen, etwas bedeutendes auszurichten. Dieß ist das Oel in der Lampe, der Nervus rerum gerendarum; hierdurch werden Baumeister und Handwerker, Künstler und Arbeiter von allen Arten belebet, dieß ist der Prometheus, wodurch sich alles umschaffet und verwandelt. Schätze dieser Art müssen also in einem etwas bedeutenden Haufen in einer Stadt gesammelt werden, wo was Schönes und Neues mit der Zeit entstehen und die Augen entzücken soll. Rom, die Hauptstadt der Welt, (über deren alten Wachsthum seines Verschönerung wir zum Beschluß dieser Abtheilung handeln wollen,) raubete und pünderte von seinen Nachbarn die Schätze zu seiner Verschönerung. Lübeck, Bremen, Hamburg, Braunschweig, Lüneburg, Magdeburg, Halberstadt, Wißmar, Rostock, Stralsund, ja Halle und Erfurt u. s. f. deren häufige hervorragende prächtige Spitzen oder Gebäude es genugsam zu erkennen geben, wie angefüllet ehedem ihre Sparbüchsen gewesen sind, haben ihren Überfluß an Kirchen und andern öffentlichen Gebäuden aus längst verstossenen Zeiten der Handlungs-Kunst und eben solchen Quellen in Osten und Norden zu danken, als diejenigen sind, daraus jetzt die Britten und Holländer in den übrigen Theilen der Welt unermeßliche Schätze hohlen. Die Unterhaltung dieser Gebäude aber ist man vielleicht Luthers Reformation, oder vielmehr den entvölkerten Klöstern und reichen Sacristeyen größtentheils schuldig geworden. Vorjetzo müssen die mehresten Städte durch Beyträge von mancherley Art und Benennungen, davon man fast ein Lexicon schreiben könnte, ihre öffentliche Anstalten unterstützen und verbessern. Hier bezahlt man Quatember, Schocke, Monathe, Quartal, Graben, Service, Stell- und Kopfgeld, dort wird Gassenreinigungs- Nachtwächter- und Laternen-Geld bezahlet. Bald legt man auf eingehende Waaren, bald auf ausgehende Imposten und Zölle, bald wird das Sperr- Schlägel- und Linien-Geld, bald die Stempel-Gebühr für Papier, Maaß und Gewicht dazu angewendet, und endlich so Iäßt man auch wol den Zehnten von dem in der Stadt erworbenen und daraus gehenden Vermögen, und von Lotterien, endlich aber auch wol gewisse Strafgelder dazu hergeben. Nichts finde ich gerechter, als die Verordnung, nach welcher ein jeder eine gewisse bestimmte geringe Summe von jedem Hundert seines Nachlasses zu den öffentlichen Anstalten fließen lassen muß; denn der Erbnehmer hätte nichts dagegen einwenden können, wenn der Erblasser es mit warmer Hand dazu gegeben hätte. Sollten edle Seelen aus Großmuth zu Verschönerungen etwas hergeben; welche öffentliche Ehrenmähler und Danksagungen verdienen sie nicht dagegen!


§. 3. Von der politischen Zierde einer Stadt

Ausser weisen und dem National-Character der Bürger angemessenen Gesetzen, welche die Verehrung Gottes, die Erhaltung des Eigenthums der Bürger, eine weise Erziehung, Ehrbarkeit der Sitten, Handel und Gewerbe, Ueberfluß an Lebensmitteln, Ruhe und Sicherheit des Leibes, und des Lebens und Bequemlichkeit befördern, welche die Tugend belohnen und das Laster bestrafen, sind getreue, leutselige, uneigennützige und aufmerksame Vorgesetzte, und sittsame und folgsame Bürger von allen nöthigen Gewerben die wahre Zierde einer Stadt, und wo dieses nicht anzutreffen ist, da wollen es Obolisken, Pracht-Säulen, Denkmähler, breite Gassen, stolze öffentliche Gebäude, hohe Spitzen, schattigte Luftgänge, anmuthige Bälle, Glockenspiele u. s. f. nicht ausmachen; daran können nur Augen und Ohren, nicht aber das Herz Annehmlichkeiten finden. Kurz, nach Barsides weisen Grundsätzen, ist Güte und Gerechtigkeit die politische Zierde einer Stadt. Was aber noch ausserdem die politische Zierde einer Stadt ausmacht, erhellet aus folgenden Grundsätzen erhabener Weltweisen. Glückselig ist die bürgerliche Gesellschaft, und sie wird nach der besten Regierungsform beherrschet, wenn das Trachten ihrer Regenten nur dahin gehet, jedermann bey der gesetzlichen Freyheit zu erhalten, und so wenig als möglich die natürliche Freyheit einzuschränken. Starke Mauern und dauerhafte Vestungswerke können durch eine größere Macht umgeworfen und überwältiget werden; Aufrichtigkeit aber und Gerechtigkeit bevestigen den innern Frieden einer Stadt, und erwecken das Vertrauen der Nachbaren. Nichts ist den Vorgesetzten einer Stadt so nothwendig, als die Verehrung Gottes, und sogar die äusserliche sittliche Beobachtung der Religions-Feyerlichkeiten; denn ohne Gottesfurcht gerathen sie in Gefahr, durch Leidenschaften verführet, sich auf Abwege leiten, und durch Schmeichler hintergehen zu lassen, oder auch ihre Pflicht zu verabsäumen. Die ReIigions-Duldung unter den Bürgern gleichet einer zärtlichen Mutter, die sowohl ihre Kinder liebet, als sie auch alle zu ernähren beflissen ist; die Religions-Verfolgung hingegen gleichet einem Tyrannen, der nur sein Vergnügen darinnen findet, alles um und neben sich zu verwüsten. Glückselig sind die Bürger, deren Regenten selbst einmal das Elend des menschlichen Lebens erfahren haben, und die einmal in den Umständen gelebet haben, daß sie ihrer Nebenmenschen Hülfe bedurft, nur diese, indem sie sich ihres ehemaligen Zustandes erinnern, sind geneigt, der verfolgten Tugend hülfreiche Hände zu leisten, und geschickt, mit anderer Bekümmerniß Mitleiden zu haben. Niemand sollte zum Ruder des gemeinen Wesens gelangen, als der, in dessen Herzen die Gesetze geschrieben stehen, und der durch manche edle That bewiesen, daß er sie befolgen, hiernächst aber sich selbst beherrschen könne. Die wahre Kunst der Regenten oder ihr Vorzug bestehet darinnen, daß sie ihre Untergebenen an Tugenden übertreffen, damit sie nicht genöthiget sind, an andern das zu verdammen, wozu sie selbst durch ihre Beyspiele andere veranlasset haben. Wie sehr sind nicht die Obrigkeiten und Regenten in den Städten zu beklagen, und wie sehr verhindert es nicht oft den Fortgang der bürgerlichen Glückseligkeit, daß sie so oft von arglistigen und eigennützigen Bedienten umringet sind! Dieses aber kommt vermuthlich daher, weil gute Menschen, die sich zu Bedienungen unanständig zu drängen nicht gewohnt sind, selten, wie die Schmeichler, die so niederträchtig sind, alle Gestalten an sich zu nehmen, und die Regenten zu liebkosen, um ihre Hände und Gehülfen zu seyn, zu Aemtern und Bedienungen erwählet werden. Aber möchten die Vorsteher der Städte doch glauben, daß diese Staublecker ihre Larven bald abnehmen, wenn sie von ihrer Gegenwart entfernet sind, und daß sie bey armen Bürgern durch Uebermuth und Eigennutz sich sehr oft schadlos zu halten wissen. Glückselig sind die Regenten und Stadt-Väter wenn es ihre Haupt-Leidenschaft wird, ihre Bürger glücklich zu machen, und wenn sie in Beförderung dieser Glückeligkeit ihre Wohlfahrt und Zeitvertreib anzutreffen; aber noch glücklicher ist die Stadt, wo Vorsteher dieser Art ihre Regenten sind! Es ist eine wahre Zierde der Regenten, wenn sie sowol die ermattende Tugend, als auch die erhabenen Geister durch Belohnungen aufmuntern und hervorziehen, um sich ferner der Tugend zu ergeben, und sich zum gemeinen Nutzen noch durch mehrere Erkenntniß vollkommener zu machen, dahingegen aber die Zügellosen dergestalt einschränken, und die Verbrecher so geschwinde bestrafen, daß Laster auszuüben jedermann schwer wird. Die Geschichte der unglücklichen Regenten die sich durch ihre Strenge, Störrigkeit, oder pedantische Unfreundlichkeit und Eigenwillen die Furcht und den Haß ihrer Untergebenen zugezogen haben, und die man bey ihrem Leben gehaßt und nach ihrem Tode verachtet hat, verdienten sowohl in den Staaten als in den Städten in der Beherrscher und Vorsteher Hände zu seyn, in der Gütigen Händen darum, um sie in ihrer Gesinnung zu bevestigen, und in den Händen der Fürchterlichen darum, daß sie ihr Schicksal daraus lesen. Mögten doch die Vorsteher der bürgerlichen Gesellschaften, die für eine schwere Last, damit ihre Schultern gedruckt werden, und für die Sorgfalt, womit sie sich Tag und Nacht beschäftigen, oft nichts, als den Undank, eine ungesittete Widersetzlichkeit und Verläumdung zur Belohnung erhalten, folgende Worte grosser Kayser mit goldenen Buchstaben in ihren Raths-Versammlungen aufzeichnen lassen:

Lex un. C. Si quis lmper. maledix.

Si quis Modestiæ nescius & pudoris ignarus, improbo petulantique maledicto nomina nostra crediderit lacessenda, ac temulantia turbulentus, obtrectator temporum nostrorum fuerit: cum poenæ nolumus subjugari neque durum aliquid, nec asperum volumus sustinere, quoniam si id ex levitate processerit, contemnendum est; si ex insania iniseratione dignissimum, si ab injuria remittendum*).

*) Auf deutsch möge dies etwa heißen: "Wenn jemand einen solchen Grad der Unbescheidenheit und Schamlosigkeit erreichen sollte, daß er sich erfrechete, Uns durch boshafte und mutwillige Lästerung zu schmähen, und als ein von seinen Leidenschaften hingerissener Verläumder Unsere Handlungen durchzuziehen: so soll diese Verwegenheit dennoch nicht durch harte Strafe gerüget, sondern nur durch Verachtung geahndet werden. Denn wenn eine solche Lästerung vom Leichtsinn herrühret so verdient sie Verachtung; entstehet sie aus Blödsinnigkeit, so erfordert sie Mitleid; ist aber Frevel die Bewegursache gewesen, so verzeihen Wir dem Thoren."


§. 4. Modell der Ausführung guter Anstalten

Da ein Gesetz zu geben, und nicht mit Nachdruck und Weisheit auszuführen, eine nichtsbedeutende Beschäftigung verständiger Beherrscher einer Stadt ist; so ist diese Sorgfalt, die Gesetze mit Weisheit geltend zu machen, von der ersten Wichtigkeit zu Beförderung der Glückseligkeit einer Stadt. Vielleicht ist aber kein besseres Beyspiel, die Städtischen Verfügungen wirksam zu machen, anzutreffen, als in verschiedenen berühmten Städten in der Schweiz, wo es in dieser und jener Stadt, besonders, wo ich nicht irre, in Genff, einem der rechtschaffensten, gegen alle Bestechungen gesicherten Manne aufgetragen ist, ohne sich mit etwas anders zu beschäftigen, nur lediglich auf die öffentlichen Mängel und Uebertretungen als Procureur general zu wachen, und sie dem Senat, davon er das ansehnlichste Mitglied ist, zu gewissen bestimmten Zeiten kund zu machen. Denn dieses kluge Volk urtheilet wie ehedem die größten Weltweisen, daß das Aufseher-Amt im gemeinsamen Wesen mit den guten Veranstaltungen in Betracht seiner Wichtigkeit in gleichen Schritten gehe. Auch in Genua werden seit ihrer jetzigen Staats-Einrichtung alle vier Jahre fünf andere Censores erwählet, deren Amt es mit sich bringet, aufs genaueste zu untersuchen, wie jeder Aufseher des gemeinen Wesens, von welcher Classe er auch ist, sein ihm anvertrauetes Amt verwalte, mit welcher Treue und Aufmerksamkeit er über die Verordnungen hält, deren Ausführung ihm anvertrauet worden. Andreas Doria schlug vor Zeiten dieses Censorat vor, und verwaltete es zur Belohnung des Vorschlages Zeit Lebens.


§. 5. Von der Subordination

Die Subordination ist endlich die Seele einer jeden guten bürgerlichen Einrichtung, mithin noch eine der wichtigsten Erfordernisse einer guten Stadt; sie befördert derselben wahre Zierde, wenn sie auf allen Stufen nach äusserster Strenge und Vollkommenheit beobachtet wird. Nur durch sie kann zur Ehre der Regenten Sittlichkeit, gute Ordnung in den Nahrungs-Geschäften, und Ruhe und Sicherheit befördert und ausgeführet werden, besonders alsdann, wenn die Unterbedienten nicht lahm oder gemästet sind. Es wäre hier die Stelle, die Personen und Aemter zu nennen; die eine Stadt zu ihrer Einrichtung und Unterhaltung billig erfordert. Aber man mag uns lieber hier einer unvollkommenen Erkenntniß als einer Voreilung beschuldigen. Denn da jede Stadt ihre besondere Haushaltungs-Geheimnisse hat, warum sie diese und jene Stellen nicht besetzet, diese und jene Aemter vereiniget; so läßt sich davon nichts bedeutendes anführen. Inzwischen sollen zum Beschluß dieser Abtheilung die Personen bemerkt werden, die fast einer jeden zur Verschönerung geneigten Stadt unentbehrlich sind.


§. 6. Von Personen-Registern und bürgerlichen Eintheilungen

Des Stewarts berühmtes Werk von der Staats-Wissenschaft, insbesondere das dreyzehnte Capitel desselben, belehret jedermann von der Wichtigkeit der Personen-Register in der bürgerlichen Gesellschaft. Ich aber kenne, aus noch näherer Ueberzeugung, von welcher Würde in einer Stadt die halbjährige richtige Aufzeichnung aller Mitglieder der Gesellschaft den Aufsehern der guten Ordnung sey. Dergleichen Personen-Register dienet zuförderst zu einer Nachricht vom Anwachs und Abnahme der Einwohner; zur Erkenntniß der Ursache des Ab- und Zunehmens einer Stadt; zur Nachricht von den vorhandenen Gewerben und von der Anzahl derselbigen; sie ist eine Anzeige des dienstlosen Gesindes, der kranken und dürftigen Einwohner; sie giebt Gelegenheit zu richtigen Maaßregeln, wie man den Vorrath von Lebensmitteln besorgen, und wann man die Ab- und Zufuhr hemmen und befördern soll. Kurz, es macht die Policey-Aufseher allwissend. In einer Stadt, die regelmäßig in Quartiere, Bezirke und Gemeinden eingetheilet ist, und wo man genau auf Ordnungen hält, sind dergleichen Personen-Register leicht zu errichten. Die alten Peruanischen Fürsten machten vor Zeiten in ihren weitläuftigen Gebieten eine Eintheilung, die fast allen Städten, wo eine gute Ordnung herrschen soll, und wo man ein genaues Personen-Register wünschet, auch wissen will, wie es sehr leicht zu machen ist, zum Muster dienen könnte. Die Ynkas theilten die Einwohner ihrer weitläuftigsten Städte nach zehn Wohnungen ein, wovon der Bewohner des zehnten Hauses die Aussicht über die übrigen neune hatte, und von derselben Bewohnern, ihrem Anwachs, Abnahme, Gewerbe und Aufführung, ihrem Hauptmanne Rechenschaft geben mußten. Zehn solcher Abtheilungen hatten einen Hauptmann, dem alle Tage die Beschaffenheit und Veränderung seines Bezirks bekannt gemacht werden mußte. Ueber zehn Hauptleute war ein Obrister, dem die Hauptleute von allen nöthigen Dingen genaue Rechenschaft geben mußten. Diese Obristen hingegen mußten gegen alle Unordnungen wachen, geringe Verbrechen bestrafen, allem Mangel der Lebensbedürfnisse zuvorkommen, und entweder ihrem Fürsten, oder dessen Statthalter von allen zehn unter ihnen stehenden Hauptmannschaften Rede und Antwort geben. Wie man dieses weitläuftiger im XVten Bande der allgemeinen Reisen auf der 515. Seite lesen kann. Unter den alten Deutschen, auch sogar unter den nach Britannien gezogenen Angel-Sachsen, unter den Chinesern, ist fast eben diese Eintheilung gebräuchlich gewesen auch noch gewöhnlich. Sie scheinet also in der richtigen Denkungsart aller Menschen ihren Grund zu haben. Ich kenne viele Städte innerhalb und ausserhalb Deutschland, wo ohne die geringste Abänderung des Peruanischen Gebrauchs, vermittelst eines genauen Verzeichnisses und Personen-Registers der Quartiermeister und Hauptleute, die Vorsteher des gemeinen Wesens, insbesondere aber die Aufseher der guten Ordnungen alle viertel- oder aller halbe Jahre ein richtiges Verzeichniß erhalten: wer in ihren Bezirken gebohren, wer darinnen verehelichet und gestorben, wie die Namen der Personen in jedem Hause heißen, was ihr Gewerbe, wo sie gebohren, von welcher Religion sie sind, und wie viel sie jährlich contribuiren müssen. Man siehet leicht ein, daß diese weise Veranstaltung sie in den Stand setzet, auch in den weitläuftigsten Städten eine Ordnung zu befördern, dazu sie ohne dieß Mittel nicht gelangen könnten. Wo aber diese Ordnung nicht eingeführet ist, da verdient sie, wenigstens meinem Ermessen nach, zu tausend nützlichen Veranstaltungen, und zur politischen Zierde der Städte eingeführt zu werden.


§. 7. Von der Potsdamischen politischen Einrichtung

Ich glaube, daß es sehr wenigen meiner Leser misfallen wird, wenn ich ihnen erzähle, wie der große Preußische Friedrich die Stadt Potsdam, seinen Lieblings-Aufenthalt, in Betracht der innerlichen bürgerlichen Regierung eingerichtet hat. Ich habe diese Anstalten, die man in des Herrn Nikolai lesenswürdigen Nachricht von Potsdam weitläufiger beschrieben antrifft, vor wenigen Jahren wirklich zu meinem Unterricht also befunden; doch wird man mir nicht zutrauen, daß ich so kühn wäre, diese Einrichtung, als einen Maaßstab aller Städte anzugeben. Die Policey und das Justitzwesen wird in Potsdam gemeinschaftlich vom Magistrat verwaltet. Der Senat bestehet aus einem Königlichen Commissarius oder Policey-Director, aus drey Bürgermeistern, drey Rathsherren und einem Registrator. Die General-Direction in Policey-Sachen führet der Policey-Director, und nebst ihm der dirigirende Bürgermeister, der zugleich Richter in Justiz-Sachen ist. Die Unter-Officianten bey Aufrechthaltung der guten Ordnungen und Anstalten, oder bey der Policey, bestehen aus einem Policey-Inspector, aus einem Policey-Meister, aus vier Deputirten der Bürgerschaft, und aus sechs Quartier-Commissarien in der Stadt, und aus sechs dergleichen Commissarien in den Vorstädten. Die geringeren Bedienten und Aufseher zum Behuf der Policey bestehen zum Theil aus solchen Männern, die viele Jahre hindurch in Kriegsdiensten sich durch standhafte Treue und unverdrossene Aufmerksamkeit bewährt finden lassen. Cämmerey-Sachen gehören eigentlich und allein vor den zweyten Bürgermeister, der dritte Bürgermeister aber hilft die Justiz-Verwaltung mit besorgen. Dieser mit vieler Ueberlegung ausgesuchte Senat in Potsdam versammlet sich täglich des Vormittags, wenigstens drey bis vier Stunden, auf dem Rathhause. Montags, Mittwochens und Freytags werden Policey-Sachen abgeordnet und Policey-Uebertretungen abgemacht. Der Dienstag und Donnerstag ist zu Justiz-Sachen bestimmt. Bey allen diesen vortrefflichen Anstalten läßt man zur Bewunderung und zum Verdruß aller wahren Verehrer des Ulpians keine Fürsprecher oder Advocaten zu, dennoch stehet es einem jeden von Rechts wegen frey, wenn er mit dem Ausspruch seiner Richter nicht zufrieden ist, in Vorfallenheiten, darinnen es zugelassen ist, sich des heilsamen Appellations-Mittels an die behörigen höchsten Landes-Collegien zu bedienen. Aus dieser letzeren Anstalt scheinet fast zu erhellen, daß der große Friedrich eine den Bürgern oft sehr kostbare Gerechtigkeits-Verwaltung nicht zur Schönheit einer Stadt rechnet.


II.     VON DER LAGE

§. 8. Von der Lage einer Stadt

Wenn wir uns eine richtige Idee von einer schönen Stadt machen wollen, so müssen wir ihre Lage, ihre Einfahrt bis zu den Grenzen ihrer Vorstädte, und endlich die Stadt selbst betrachten. Bevor ich aber von der Einfahrt in einer Stadt rede, so will ich erst ausführen, daß nichts so sehr eine Stadt empfiehlet, als ihre recht ausgesuchte schöne Lage, beydes in Betracht ihrer gesunden Luft, als auch in Erwägung ihrer Nahrungs-Umstände, und endlich in Absicht ihrer Nachbarschaft. Aristoteles verlangt, daß man Städte bauen soll, wo eine reine und helle Luft ist. Die gesundeste Luft ist insgemein an hohen offenen Orten, oder die also liegen, daß die Sonne mit ihrer Kraft daselbst wirken, und der Wind die groben und unreinen Theile verjagen kann. Die Luft von morastigen und niedrigen Orten ist dieser Vortheile beraubt, und fällt der Gesundheit nachtheilig, wo Gehölz und Gebürge den Einfluß der Sonne hindern, da ist die Luft auch nicht die beste, sie vermindert die natürliche Wärme, und verursachet manche kränkliche Zufälle. Wenn der große Fenelon die glückliche Lage einer Stadt beschreiben will, so beschreibet er die Stadt Tyrus also: Die Stadt Tyrus hatte eine anmuthige und vortheilhafte Lage; sie ward von den fruchtbarsten Meeres-Küsten umgeben, von Ländereyen, darauf Flecken und Dörfer fast an einander stießen. Gebürge an der Mittags-Seite der Stadt beschützten sie gegen die heißen Südwinde, hingegen ward die Luft in der Stadt durch die Nordwinde aus dem Meer abgekühlet. Wenn eine Stadt, so als Berlin London Paris, Wien und Copenhagen, Braunschweig, Hannover, Erfurt u. s. f. auf einem ebenen Boden angeleget ist, so unterscheidet sie sich an Bequemlichkeit für die Einwohner gar sehr von solchen Städten, die als Prag, Wetzlar und Marburg, auf Berg und Thal gebauet sind. Wenn aber auch eine Stadt halb auf einem Berge, halb im Grunde liegt, wie Altona, oder auf Hügeln liegt, als Hamburg, oder bergan schräge liegt, als Lübeck, und zum Theil Rostock, Salzburg, München, Stuttgard; so muß man durch so schöne Berg-Straßen, als die Schmißens Allee in Altona, oder durch so allmählige Erhöhung, als man in den abgenannten Städten antrifft, dieses natürliche Uebel, oder vielmehr dieser Unbequemlichkeit abzuhelfen, oder zu erleichtern beflissen seyn.


§. 9. Vom Grund und Boden einer Stadt

Zur Schönheit einer Stadt wird erfordert, daß sie einen nicht sandigten, wohl aber einen trockenen Boden habe, und daß die Erde ihres Gebietes zu mancherley Garten- und Feldfrüchten fruchtbar sey, und von Zeit zu Zeit durch den Stadtdünger fruchtbarer gemacht werden könne. Die Wirkung eines sumpfichten Bodens ist eine ungesunde dicke Luft; und die Folgen davon sind Krankheiten. Daß aber zu Bevestigung der Häuser in solchen Städten unglaubliche Kosten erfordert werden, kann jedermann in der berühmten Stadt Amsterdam erfahren. Ein sandigter Boden hingegen wird durch seinen Staub bey jeder Windbewegung den Bewohnern einer Stadt unausstehlich. Wie man aber diese Unvollkommenheiten in etwas durch Kunst und Bemühung vermindern könne, werden wir in den folgenden Abtheilungen anzeigen. Sehr vieles hingegen trägt es zur Vollkommenheit einer Stadt, wenn sie, wie Lübeck, Bremen, Hamburg, Frankfurt am Mayn, Leipzig und Wien, und wie die mehresten Haupt-Städte und Residenzen in den Europäischen Staaten, mit fruchtbaren Ländereyen umgeben sind, die zur Nahrung der Einwohner leichtlich Fleisch, Fische, Früchte und Lebensmittel hervorbringen, und bequem zu Wasser und zu Lande herbeyzuführen sind; Auch wenn es in und um denselben nicht an guten Quell- und Fluß-Wasser fehlet, welches sowohl zum Trinken und Kochen, als zu andern bürgerlichen Gewerben geschickt ist; Und endlich, wenn sie an fischreichen und schiffbaren Flüssen lieget, auch an genugsamer Feuerung keinen Mangel hat.


§. 10. Von der glücklichen Nachbarschaft

Zur besondern Glückseligkeit einer Stadt gehöret noch dieß, daß sie eine gesegnete und friedfertige Nachbarschaft habe, das ist, benachbarte Staaten, deren reiche Felder und fette Anger, Wiesen, Wälder, Bergwerke, Seen, einen solchen Ueberfluß an Producten liefern, der ihren Einwohnern Gelegenheit giebt, diese mit leichter Mühe herbeyzuholen, durch Manufacturen zu veredeln, oder gegen Vertauschung mit Silber, Gold, oder andern brauchbaren Waaren in die Fremde zu führen, oder von sich abhohlen zu lassen, und deren Regenten sich durch Verträglichkeit, Friedfertigkeit und Gerechtigkeit so sehr unterscheiden, daß sie Bedenken tragen, durch ihre Macht eine Stadt zu beeinträchtigen. Zur Erhaltung des Friedens zwischen Grenz-Nachbaren gehöret die genaue Bestimmung und Bewahrung der Grenzen auf Karten und durch dauerhafte Zeichen, daher jährlich billig Grenz-Beschauungen angestellet werden. Auch ist die Verbannung der Eifersucht die Beförderung der Absichten des Nachbaren durch Verschonung der benachbarten Unterthanen in Zöllen, Confiscationen u. s. f. ein die Eintracht bevestigendes Mittel. Wenn aber Irrungen entstehen, so befördert die Vereinigung gar sehr, wenn zu den Beylegungs-Versammlungen Männer erwählet werden, deren sanfter und scharfsinniger Geist sie von allen unterscheidet, und deren äusserliches Ansehen bereits Zuversicht einflößet. Glücklich ist eine Stadt, deren Vorgesetzte größtentheils aus Männern dieser Art bestehen!


§. 11. Von der vortheilhaften Lage

Endlich nennet man die Lage einer Stadt fürs bürgerliche Gewerbe vortheilhaft, wenn sie, wie in Deutschland Braunschweig, Erfurt, Magdeburg, Leipzig und andere dergleichen Städte, nicht weit von großen Heerstraßen entfernt ist, darauf die Bedürfnisse von Staaten in Städte geführet werden. Auch gewinnet eine Stadt dadurch, wenn ansehnliche Städte nicht mehr und weniger, als eine Tagereise, von ihr entfernet sind; denn es ist einer jeden Stadt sehr vortheilhaft, wenn sie gleichsam als eine Mutter vielen um sie liegenden kleineren Städten, Flecken, reichen adelichen Gütern und Dörfern, darinnen noch weiser Landesherrschaftlicher Verfügung keine bürgerliche Nahrung darf getrieben werden, den erforderlichern Unterhalt mittheilet, und hierinnen von keinem Nebenbuhler beeinträchtiget wird. Da wir unten von den allgemeinen Reitzungen einer Stadt noch mehreres zu sagen haben, so wollen wir, um alle Wiederholungen, so viel nur möglich, zu vermeiden, derselben hier weiter nicht gedenken.


III.     VOM EINTRITT INS GEBIETE

§. 12. Von Besetzung der Pässe

Ein jeder macht sich schon eine gute Vorstellung von der innerlichen Einrichtung einer Stadt, auch von der Weisheit und Aufmerksamkeit ihrer Regenten und Vorsteher, wenn gleich beym Eintritte in dem Stadt-Gebiete sich schon eine vernünftige Anordnung zeiget; Wenn zum Beyspiel an den Grenzen und Pässen die Besatzung aus wohl erwählter und bekleideter Mannschaft bestehet, auch wenn die Baraquen oder Wohnungen derselben von Ziegelsteinen oder sonst tüchtig gebauet sind, und wohl unterhalten werden, ja wenn selbst das Gitter-Thor am Paß nach seinem Geschmack angeleget, und wohl mit Farben versehen ist, und bey dunkeln Abend-Stunden vermittelst unterschiedlicher Nacht-Laternen erleuchtet wird. Besonders auch, wenn in Zeiten, da ansteckende Krankheiten graßiren, die Contumaz-Anstalten für die Pässe mit Ueberlegung und weisen Verfügungen besorget und eingerichtet, also geordnet sind, daß sich niemand über Bequemlichkeit, Aufwartung und Vorrath an Bedürfnissen zu beklagen Ursache hat. Billig müssen vor dem Eintritt des Paß-Thores Warnungs-Pfähle stehen, daran Tafeln bevestiget sind, darauf mit sehr deutlichen Buchstaben alle Warnungen, die Fremde angehen, zu lesen sind, z.B. daß kein Bettel-Gesinde eintreten darf, daß diese und jene Waaren nicht im Paß geführet werden dürfen, u. s. f. Weiter beweiset es eine wohl überlegte Anweisung, wenn die Paß-Besatzung so wenig bey Tage als bey Nacht die Reisenden lange vor den Thoren des Passes halten lassen, und die Ausschliessung verzögern darf; hiernächst aber muß sie jeden Ankömmling mit aller Bescheidenheit und Geduld um das Nothwendige befragen, insbesondere alsdann, wann feindliche Unruhen in der Nachbarschaft oder eine graßirende Seuche viele Fragen und Erforschungen nothwendig machen. Um die Richtigkeit meiner Grundsätze hier und im folgenden zu prüfen, weiß ich kein besseres Mittel vorzuschlagen, als daß man sich immer den Mangel der Anstalten, die ich für eine jede Stadt wünsche, lebhaft vorstelle, vielleicht wird man ihn mit Ekel und Empfindung verabscheuen.


§. 13. Von dienlichen Nachrichten für die Reisenden

Auch dürfen die Reisenden große Dankbarkeit für Vorgesetzte der Hauptstadt empfinden, wenn ihnen eine auf gemeine Kosten gedruckte Nachricht ohnentgeldlich, oder gegen ein willkührliches Geschenk in die Armen-Büchse an den Pässen mitgetheilet würde, darauf ein Verzeichniß contrabander Waaren, hoch impostirter und accisbarer Sachen, der Wirthshäuser in den Vorstädten und in der Hauptstadt, die Taxe für die Wirthshäuser, die Taxe der Fiackers und Miethkutschers, die ankommenden und abgehenden Posten und deren Taxen, und endlich die Nachrichten anzutreffen, durch welche bequeme Mittel man Leute zur Aufwartung in der Stadt erhalten könne, wer die obrigkeitlichen Personen in einer Stadt sind, woran sich Fremde bey aller Gelegenheit wenden können, auch zu welcher Zeit die Haupt-Thöre der Stadt eröffnet und verschlossen werden. Zuletzt aber dürfte es dem Nahrungsstande zum Vortheil gereichen, wenn dergleichen Anzeigen die Waaren und Sachen bezeichneten, die man in den Fabriken der Stadt, und bey diesen und jenen geschickten Meistern vorzüglich gut erhalten könne.


§. 14. Von Aufführung der Zollbedienten an den Pässen

Noch mehr aber werden Fremde in ihrer guten Meynung von einer Stadt bestärket, wenn den Zoll-Aufsehern, die oft, um Reisenden Trinkgelder und Bestechungen abzuquälen, durch grobes Betragen gerne ihren Befehlshabern bey Ankömmlingen das Ansehen grausamer Tyrannen geben mögten, Zaum und Gebiß angeleget ist, daß sie nicht ohne die höchste Nothwendigkeit die Reisenden beunruhigen, sondern sie entweder bey Bemerkung ihres vornehmen Standes gar mit einer genauen Untersuchung verschonen, oder doch nur wenigstens mit Verschonung ihrer Schreibekasten und Behältnisse der unentbehrlichen Bequemlichkeit an Zeug und Wäsche u. s. f. ihre Reisekasten besiegeln und plombiren. Oder wenn es Leute von anderm Gewerben sind, solchen auf alle Weise Leutseligkeit und Nachsicht beweisen, und mit ihrem Gepäcke verschonend und sittlich verfahren, ohne jedoch für diese ihre Pflicht absonderliche Belohnungen fordern oder annehmen zu dürfen.


§. 15. Von andern Erfordernissen an den Pässen

Von Rechtswegen müssen nahe an den Pässen Schmiede- und Wagenmacher-Wohnungen, auch etliche gute Wirthshäuser befindlich seyn, theils um erforderlichen Falls die beschädigten Wagen der Reisenden auszubessern, theils um denen durch die Reisen abgematteten Abkömmlingen eine Erfrischung auch wol eine gute Beherbergung genießen lassen zu können. Daß aber allen diesen Leuten eine Policey-Taxe vorgeschrieben sey, was sie für ihre Arbeit oder Bewirthung fodern dürfen, und daß bey entstehenden Zwistigkeiten die Wachthabenden Officiers nach einer ausdrücklichen Vorschrift jederzeit Vertheidiger der Fremden seyn müssen, vermehret die Vortrefflichkeit der Anstalten. Damit die Annehmlichkeit einer Stadt nicht durch Unachtsamkeit an den Pässen vermindert werde; so muß niemand darein gelassen werden, dessen Aufzug zu erkennen giebt, daß er zum Bettler-Orden gehöre. Sogar den Olitäten- und Arzney-Krämern, den Taschenspielern, wilde Thierführern, Raritätenkasten-Trägern, Gaucklern und Luftspringern, Leyer-Männern, Dudelsack-Pfeifern, abgedankten Soldaten müßte billig aus Ursachen, die sich auf Erhaltung der Bürger gründen, der Eintritt nicht leichtlich gestattet werden. Die Juden, welche sich nicht besonders legitimiren können, sind auch billig vom Eintritt ausgeschlossen. Eben so viele Aufmerksamkeit muß auch hier angewendet werden, daß ohne Vorzeigung der Pässe, zu Zeit einer Viehseuche kein Vieh durchgetrieben werden darf.


§. 16. Von den Paß-Brücken

Sehr oft paßiret man Brücken, die über Flüsse gebauet sind, welche ein Gebiet von dem andern scheiden, oder auch, die über kleine Flüsse und Moräste führen. Allezeit gereichet es zur Ehre einer Stadt, wenn diese, wie lang oder kurz sie auch sind, die gehörige Vestigkeit und Breite haben, auch wenn sie mit Brüstung, Geländer und Gitterwerk von Eisen, Steinen oder Holz wohl versehen, und wenn sie im Ietzterem Falle wohl mit Farben unterhalten werden. Denn ausser solcher Bevestigung müssen die Reisenden oft befürchten, von den selten gesitteten, mehrentheils aber besoffenen Fuhrleuten, durch unvorsichtiges Fahren ins größte Unglück gestürzt zu werden. Besonders gerathen die, welche des Nachts gerne reisen, oder nothwendig reisen müssen, in die größte Gefahr, bey Mangel des Geländers an den Brücken, ein Opfer der Unvorsichtigkeit zu werden. Wer wird sich aber alsdenn weigern, Brücken und Weg-Geld zu bezahlen, wenn jedermann siehet, wie gerecht dieser Beytrag Reisenden abgefordert wird? Mit vielem Schmerz bezahlen ihn Reisenden hingegen, wenn sie bemerken, wie wenig das Brücken- und Wege-Geld, das vielleicht ihre Väter schon erlegen müssen, zu diesen höchst nöthigen Anstalten verwendet geworden, und wenn (wie in manchen bekannten Ländern) vermoderte Brücken ohne Geländer, oder mit zerbrochenen Brüstungen, jedem Reisenden Lebensgefahr drohen.


§. 17. Von den Landstraßen zu den Vorstädten

So wie schlechte Wege zur Vorstadt üble Begriffe von den Befehlshabern des Gebietes, darauf man reiset, einflößen; so wirken das Gegentheil wohlgebauete, wohlgepflasterte und beständig im besten Stande unterhaltene, wenigstens wohlgebahnte, breite, von losen Feldsteinen gereinigte, und durch tiefe Pfützen nicht verunzierte und gefährlich gewordene, schnurgerade mit schattigten Frucht- oder andern Bäumen bepflanzte Landstraßen; jedermann segnet diejenigen, welche dergleichen gemeinnützige Anstalten erfunden und befohlen haben. Alsdenn aber bewundert man die Klugheiten dieser Anstalten noch mehr, wenn die Landwege also angeordnet sind, zuförderst, daß gewisse Wege für Frachtwagens, und andere Wege für Carossen und leichteres Fuhrwerk bestimmet sind; ferner, daß für die nach der Stadt fahrenden Wagen der eine, und für die von der Stadt kommenden Wagen der andere Weg nach einer an den Pässen und Stadt-Thoren befindlichen Anzeige genommen werden muß. Um London sind die Landstraßen Privat-Personen nach einer gewissen Vorschrift, gegen Genuß eines billigen Wege-Geldes, zum Unterhalt und zur Ausbesserung überlassen. Sowol hier, als wo sonst schlechte Wege ausgebessert werden sollen, wird dazu durch Bruch- oder Feldsteine ein sehr dauerhafter Grund geleget, und wenn nachhero das Pflaster mit Grieß-Sand oder Grauß von den Bruchsteinen beschüttet wird, so wird ein solcher Weg zuletzt so vest als Marmor. Die regelmäßige Abdachung dieser Landstraßen aber führet das Regenwasser in die daneben gezogene Wassergraben. Ueberhaupt ist es nothwendig, daß gewisse Wege-Aufseher besoldet werden, die bey Verlust ihres Dienstes, darauf zu sehen haben, daß jede geringe Beschädigung sogleich ausgebessert werde. An vielen Orten haben diese Aufseher (Turspiker) kleine Häuser, neben den Wegen, und müssen jeden geringen Verfall des Weges schleunig ausbessern. Nicht minder ist es ein großes Vergnügen, wenn man durch Hügel und Felsen, oder durch hole Wege reiset, wo die Breite der Landstraßen, welche mühsam durchgegraben, und durch Sprengung der Felsen geräumig gemacht, so eingerichtet ist, daß sich mehrere Wagen darinnen ohne Gefahr begegnen können. Oder, wenn die Beherrscher eines Gebietes die Wege an steilen abhangenden Bergen sowol breit machen, als beebnen, auch durch starke angeklammerte Geländer und nahe an einander gepflanzte Bäume befriedigen lassen. Nicht weniger ist es ein Beweis menschenliebender Regenten, wenn in den Marschländern, wo die Wege leicht tief und gefährlich werden, dicht an die Gräben Weidenbäume, zum Schutz der Reisenden, nahe zusammen gepflanzte sind; oder, wenn aus den hohen Dämmen an den Ufern eben dieses beobachtet ist. Glücklich sind die Länder, deren Beherrscher, oder deren Aufseher wenigstens jährlich nicht etwa mitten im trockenen Sommer, wenn alle Wege gut sind, sondern auch in rauherer Jahreszeit, wenn der fürs gemeine Wesen so schätzbare Kaufmann zu den Messen oder sonst reisen muß, ihre Landwege selbst in Augenschein nehmen, und die Gefahr der Reisenden, die ihren Staaten und Städten oft so große Vortheile zubringen, mehr nach eigener Ueberzeugung, als nach unsichern Berichten zu beurtheilen, oder nachläßige und unachtsame Wege-Commissarien oft zu schwerer Verantwortung zu ziehen sich bemühen. Auch beweiset es viele Menschenliebe, wenn in den Gegenden, wo die Flüsse, wie die Pleiße in Ober-Sachsen, die Unstrut, Gera und andere kleine Flüsse durch Sturzregen oder geschmolzenen Schnee an Gebürgen sehr leicht aufschwellen, in den Flüssen Zeichen von Pfählen gemacht werden; die es bemerken, ob man ohne Gefahr, und ohne sich zu beschädigen, hindurchfahren kann; und wenn dergleichen Wege, so lange Reisende Gefahr laufen, gesperret werden. Auch wenn man solche vortreffliche und den Reisenden so nutzbare Meilen-Säulen und Steine, wie in Chur-Sachsen, England und Dännemark errichtet sind, antrifft; sie gereichen den Landes-Beherrschern zur Ehre, und derselben beständige gute Unterhaltung ist ein sichtbarer Beweis würdiger Policey-Aufseher.


§. 18. Beyspiele schöner Landstraßen

Ungarn, Oesterreich, Frankreich, England und Dännemark, sind von mir selbst besuchte Länder, darinnen die Regenten sich die Anlegung guter Landwege angelegen seyn lassen. Besonders ist die Oesterreichische Landstraße, auch die sogenannte Bergstraße, die Zierde von Deutschland, und die Luft und Bewunderung eines jeden, der sie in den Sommer-Monaten paßiret. Eben als die guten und bequemen Anstalten auf der Landstraße von Hamburg bis Copenhagen ein schätzbares Denkmal einer unermüdeten Sorgfalt des verewigten Grafen von Bernstorf, aber auch das Modell für ganz Deutschland geworden sind. Beydes der Weg als auch das Fuhrwerk, die Fuhranstalten, die Beherbergungen und Begegnung auf dieser Route sind bis zu einer ziemlichen Vollkommenheit gebracht; und alle schöne Anstalten verdienen eine getreue Aussicht zur Unterhaltung. Inzwischen verkündiget eine edle Nacheiferung ganz Deutschland bald überall bessere Landstraßen und Fuhranstalten. In vielen Staaten siehet man schon die besten Vorkehrungen dazu gemacht, wie der Weg um Hannover, von Altenburg auf Leipzig, die Wege um Weimar, Cassel u. s. f. und noch manche andere Straßen im Reiche jedermann zu erkennen geben. Nur scheinen manche Wege-Aufseher noch hie und da zu viel deutsches Phlegma zu haben, welches sie verhindert, die Landstraßen oft zu untersuchen, und diejenigen unter strenge Zucht zu halten, die es verabsäumen, die geringsten Schäden in den Wegen, so weit ihre Nummer oder angewiesene Strecke gehet, schleunigst wieder herzustellen. Oft aber scheinet man vor Anlegung der Wege-Kosten gesparet zu haben, die besten und dauerhaftesten Materialien dazu herbeyzuschaffen u. s. f. Sollte man aber in folgenden Zeiten dennoch in Deutschland abscheuliche Wege antreffen, so muß man sich erinnern zuförderst, daß in manchen Provinzen die löblichen Stände sich lieber in einem Wege den Hals abstürzen, als in dessen Ausbesserung willigen; ferner, daß mancher Dorfjunker sich mehr um Hunde, als gute Wege bekümmert; und endlich, daß alle Länder die Materialien zu Ausbesserungen nicht nach Wunsch erhalten können.


§. 19. Anstalten gegen ungesittete Postknechte

Die ehemalige barbarische Unordnung in bekannten Staaten, da man durch unersättliche Finanz-Geiz angetrieben, die Post Taxa sehr oft, ohne Erwegung der nahr- und geldlosen Zeiten, und wirklich zur sichtbaren Verminderung des Reisens, oft auf den Anschlag eines bestochenen Rathgebers unbarmherzig, einigen geldhungrigen Pferdehaltern zu gefallen, erhöhete, und die Reisenden, die sich um Kleinigkeiten nicht zu beklagen Zeit haben, bey jeder nichtsbedeutenden Ueberfracht schändlich berupfte, und dagegen dennoch den Reisenden ohnbärtige, ohnmächtige Fuhrknechte zugab, und es diesem Gesindel zugestand, vor jedem Wirthshause sich entweder auf Kosten oder zum Kummer der Reisenden zu berauschen, ist bereits unter den mehresten weisen Regierungen in Deutschland, besonders da, wo Fürsten aufmerksame sich zum menschlichen Gefühl herablassende Gehülfen haben, abgeändert. Ja man hat durch Post-Fiscäle, die auf die Beobachtung der Post-Ordnungen sehen müssen, es schon so weit gebracht, daß die Fuhrknechte die Reisenden nicht ferner durch Tobackrauch oder durch Aufladung sich unterweges angebenden Gesindels, auch nicht einmal auf der ordentlichen Post beschwerlich fallen dürfen, und glücklich sind die Reisenden, da, wo ein erhabener Minister, ein von Derschau, über die öffentlichen Post-Anstalten in den Staaten des großen Friedrichs zu befehlen hat; da, wo ein aufmerksamer Ober-Postdirector Welck in Sachsen über das Postwesen gesetzet ist. Hier sind den Grobianen in mancherley Gestalten Zaum und Gebiß angelegt.


§. 20. Von den Fußwegen neben den Landstraßen

Damit aber auch die Fußgänger zu einer Stadt die Menschenliebe und Sorgfalt der Regenten empfinden, so muß aus wohleingerichteten Landstraßen ein absonderlicher mit schattigten Bäumen und mit Ruhe-Steinen besorgter Fußweg angeleget werden. Nichts ist nothwendiger, als daß diese Fußwege mit Steinen gepflastert, oder mit Grieß-Sand, mit einer Erhöhung in der Mitte bestreuet, und sehr stark gestampfet werden, damit sie bey oft lange anhaltendem feuchtem Wetter nicht unbrauchbar werden. Auch muß man sie gegen Eintritt des Viehes und der Reuter auf möglichste Weise durch Graben, oder Steine und Pfähle befriedigen. Wenn die Breite einer öffentlichen Landstraße acht Ruthen, und eines Nebenweges für die Fußgänger etwa eine und eine halbe bis zwey Ruthen breit ist; so wird niemand sich über Mangel gehöriger Bequemlichkeit zu beklagen haben. Auch können Bäume, wenn sie 16 Fuß von einander gepflanzet sind, schon schattenreich genug werden. Ueberhaupt aber ist die sorgfältige Unterhaltung solcher guten Anstalten von eben der Wichtigkeit, als ihre weise Anlage.


§. 21. Von Sicherheit der Landstraßen

Sehr edel würde es seyn, wenn, im Fall der Paß von der Hauptstadt nicht weit entfernet wäre, oder wenn etwa die Thore nicht sehr zeitig, sondern wie in Paris, London und Magdeburg, gar nicht, oder wie in Braunschweig, Wien, Berlin und Leipzig nur spät verschlossen werden, zum Nutzen und Sicherheit der hin und her Reisenden und Wandernden, zur Vorstadt führende Landstraßen hie und da in einer gewissen Entfernung in den dunkelsten Abenden mit angezündeten Laternen, oder auf eine sonst unschädliche Art mit Pechkränzen erleuchtet würden. Um der vortrefflichen Stadt London trifft man bey 20 Meilen solche Laternen-Anstalten; auch zwischen Schönbrunn und den Vorstädten von Wien sind dergleichen auf Pflöcken oder Pfählen zur wahren Ehre der Aufseher der öffentlichen Sicherheit angebracht. Daß auf dergleichen Landstraßen, so bald es dunkel geworden, beständig Reuter hin und her partoulliren, gehöret fast zur unumgänglichen Sicherheit der Reisenden; besonders zu Meß- und Zahlungs-Zeiten.


§. 22. Von schändlichen Gegenständen an den Landstraßen

Die Abdecker-Felder sind billig so weit von den öffentlichen Landstraßen zu entfernen, als nur immer möglich ist. Daß aber auch hier die abgedeckten Thiere zerstreuet und tief eingescharret werden müssen, wird in der dritten Abtheilung bemerket werden. Die Rabensteine, auch andere zum Blut- und Halsgerichte gehörige Plätze, müssen nicht minder in einer solchen Entfernung von den Landstraßen angeleget werden, daß man sie zwar deutlich erkennen, jedoch auch also, damit ihr Anblick und übler Geruch der Gesundheit der Reisenden nicht nachtheilig werde. Inzwischen beweiset es aufmerksame Aufseher weiser Anstalten, wenn dergleichen zur Bestrafung der Uebelthäter aufgeführte Gebäude um eine Stadt beständig im baulichen Stande, mit Farben und andern Ausbesserungen wohl unterhalten werde; so wie ein halb umgefallener Galgen sehr nachläßige Befehlshaber zu erkennen giebt.


§. 23. Von angenehmem Gegenständen an den Landstraßen

Wie reizend und vielversprechend ist nicht der Anblick, wenn man auf der Hinreise zu einer Stadt bemerket, daß beydes Natur und Fleiß bemühet gewesen sind, alle Plätze rund um der Stadt zum Nutzen der Gesellschaft zuzubereiten und einzurichten. Wenn man, wie um Wien, um Hamburg, Lübeck, Bremen, Hannover, Braunschweig, Magdeburg, Dresden und Leipzig und viele andere schöne Städte, wo man hinblicket, nichts als Meyerhöfe und Kirch-Dörfer siehet, solche, die von reichen Korn-Feldern, mit Vieh bedeckten Wiesen und Angern, von fischreichen Seen und Flüssen gleichsam eingeschlossen, und entweder mit lebendigen Hecken ähnlich-sehenden grünen Zäunen, oder mit steinernen Einfassungen befriediget sind. Wie entzückend ist es nicht, wenn man, wie um Erfurt, Weimar, Gotha, Cassel, Frankfurt, Salzburg, München, wie in den Vierlanden, im alten Lande, und in andern gesegneten Fluren um Hamburg, und fast durch ganz Holland, besonders zwischen Horn und Enkhuysen, in Nordholland, unabsehliche Felder erblicket, die den Küchengärten völlig ähnlich sehen, die, da sie bald mit Kohl, Kohlrabi und weissem Kohl, mit rothe Beten, Rüben, Wurzeln, Augurken und Kürbissen, bald mit Bohnen, Erdbirnen, Saflor, Krapp, Weid, Fenchel, Annies und Mohn bedecket sind, daß Auge durch diese abwechselnde Mannigfaltigkeit unendlich ergötzen. Wie zuversichtlich macht es nicht jedermann gegen die Strenge des Winters, wenn entweder die Torfmooren, die man hie und da erblicket, mit unzählichen Pyramiden von dem zum Austrocknen aufgesetzten Torf prangen, oder auch mastreiche Eichen- und Buchen-Hölzung hie und da mit Tannen- und Fichten-Wäldern abwechseln, und wie an der östlichen Seite vor Lübeck zu Israelsdorf, nach Kunst und Geschmack ausgehauen und eingerichtet sind. Wenn nahe an den Landstraßen dauerhafte Wasser-Behältnisse oder bequeme Teiche zum Tränken des Viehes, oder auch wol dem Wanderer den Durst zu löschen, sich antreffen lassen. Wahrlich! Gegenstände dieser Art sind einer jeden Stadt von einer unaussprechlichen Würde. Von allen Gegenständen aber sind keine nothwendiger, als die mit Gräben durchschnittene, mit Weiden und Pappel-Bäumen eingefaßte Viehweiden, die nahe an den Landwehren oder Linien zu seyn pflegen, und theils für die einer Stadt unentbehrliche Milch-Kühe, theils für das Schlachtvieh dienen, und endlich für die Pferde-Zucht von unschätzbarer Wichtigkeit sind, auch oft der Armuth in den Vorstädten zur freyen Weide überlassen werden. Wenn die Natur einen Theil des Gebiets der Stadt mit mineralreichen Berg- oder Steinbrüchen versehen hat, wie man solches zum Beyspiel bey Braunschweig, Salzburg, Erfurt also antrifft, so ist diese Abwechselung fürs Auge sehr reizend; und man preiset eine Stadt glücklich, weil man von ihren Vorgesetzten erwartet, daß sie solche Schätze zu Ausbreitung des Handels und zu Beförderung der Manufacturen weislich zu gebrauchen wissen werden*).

*) In einer neulich in Leipzig unter dem Vorsitz des Herrn Baron von Hohenthal vertheidigten akademischen Dissertation de ambitu politiae ejusque a justitia discrimine finde ich in der Anmerkung zum §. XLIV. des gelehrten und edeldenkenden Herrn Verfassers Bewunderung, daß von de la Mate in seinem weitläuftigen Werke von der Policey, und von mir im 1765. herausgegebenen Abregé de la Police der Land-Policey nicht gedacht worden. - -
Das bekannte Sprichwort: Wall und Mauer scheiden Bürger und Bauer, und der ohnehin weite Umfang der Stadt-Policey, mögen diese UnterlassungsSünde in etwas rechtfertigen. Wo aber eine Stadt Vorwerke in ihrem Gebiete hat, da ist die Land-Policey ein wichtiges Studium ihrer Vorgesetzten; und daß ich dazu in meinem 1771. zu Leipzig herausgegebenen Grundregeln und Anleitungs-Sätzen zu Beförderung der gesellschaftl. Glückseligkeit in den Städten, durch Anweisung der Schriften, woher man diese Erkenntnisse holen kann, von p. 334. bis 352. Anleitung gegeben habe, liegt den Besitzern dieses Scelet einer Städtschen Policey, und der daran gefügten Anleitung dieses wichtige Studium zu erlernen, vor Augen.


IV.    EINTRITT IN DIE VORSTÄDTE

§. 24. Von den Linien, Feld-Schanzen oder Landwehren

Daß Vorstädte nicht unentbehrliche Teile sehr schöner Städte sind, davon überzeugen uns sehr viele schöne Städte in Holland, wo man wenig von Vorstädten weiß, auch manche Städte Deutschlandes, insbesondere Magdeburg, Lüneburg, Wißmar, Rostock, Stralsund u. s. f. Ob inzwischen Vorstädte einer Stadt nicht große Dienste leisten, mögen die entscheiden, welche sich bemühen, folgende Sätze zu lesen. Wenn nun aber Vorstädte um eine Stadt sind, und alsdenn die Linien, die sie umschliessen, und die gemeiniglich aus aufgeworfenen Wällen und Bastionen bestehen, also, wie vor Hamburg an der ostlichen Seite der Stadt, von Unkraut und Gebüsch gereiniget, mit schattigten Bäumen bepflanzet sind, und nach den Regeln der Vestungs-Baukunst, sauber und wohl unterhalten werben, auch ihre Cavalliers, Katzen oder Bollwerke hie und da mit Mühlen besetzet sind, die nach Holländischer Art gebauet worden, so macht dieß einer Vorstadt in der Ferne ein sehr gutes Ansehen. Wälle dieser Art aber dienen alsdann sowol den Bürgern, als den Vorstädtern zu Lustwegen; man läßt es aber den Ziegen und leichtfertigen Buben nicht zu, diese Anstalten zu verderben. Wo aber die Vorstädte etwa nicht mit dergleichen Linien versehen sind, da sind sie doch billig mit Gräben und Pallisaden gegen den An- und Ueberlauf des verdächtigen Gesindels befriediget, wenigstens müßte es billig also seyn, weil dergleichen Landstreicher sonst in den Vorstädten die Pflanzschule zu Dieben und Bettlern in den Städten errichten. Auch vor dem Thore zur Vorstadt müssen Warnungs-Pfähle seyn, die jeden Bauer erinnern, keine unreife und erfrorne Früchte und Gewächse, kein geschlachtetes Vieh, keine alte Fische, oder sonst verdorbene Waaren, bey schwerer Strafe in die Vor- und Hauptstadt zu führen, wie wir in der dritten Abteilung von Erhaltung der Bürger erinnern werden. Wie viele Vorstädte eine Stadt haben müsse, Iäßt sich nicht bestimmen. Wenn eine Stadt nach allen Hauptgegenden Vorstädte hat, als Wien, so ist es desto besser. Wo aber die eine Hälfte der Stadt an ein Meer oder schiffbaren sehr breiten Fluß gränzet, als Copenhagen, Hamburg, da kann man jenes nicht erwarten.


§. 25. Von den Anstalten vor dem Eintritt in die Vorstädte

Der Eintritt durch die Feldschanze in eine Vorstadt, er gehe über hölzerne oder steinerne Brücken durch ein Thor, giebt jederzeit die guten Anstalten einer Stadt zu erkennen: Wenn die Brücke und das Thor dauerhaft sind, in der Breite von funfzehn Fuß, und jene in der Breite von 20 bis 24 Fuß, und mit erhöheten Fußwegen nach gutem Geschmack erbauet geworden, auch beständig mit heller wohlgewählter Farbe unterhalten wird. Auch wenn der Graben entweder klares und beständig gereinigtes Wasser hat, oder auch mit tüchtigen spanischen Reutern versehen ist. So kann man zur Ehre einer Stadt und ihrer Aufseher manche gute Schlüsse machen. Um einen kleinen Bezirk lassen sich dergleichen Pfähle zur Zierde der Linien mit rother Erdfarbe wohl unterhalten. In einem weitem Umfange aber dürfte diese Unterhaltung wol zu kostbar fallen. Die Berme um die Gräben pflegt man wol mit Weidenbäumen zu Faschinen, oder mit Dornhecken, die man beständig unter der Scheere hält, zu bepflanzen. Wo aber die Vestungen nach Vaubans Vorschrift angeleget sind, findet dergleichen nicht statt. Ob Schwäne, die Anzeiger des Friedens, einen Graben um die Vor- oder Hauptstadt mehr zieren, will ich nicht entscheiden. Da, wo schnelle und ansehnliche Flüsse gleichsam anstatt der Linie dienen, da pflegt man sie wol mit Schiffbrücken zu belegen, die beym Aufschwellen der Flüsse gute Dienste leisten, wie ich z. B. zu Rouen auf der Seine, auch zu Wien auf der Donau bemerket habe. Von welcher Art aber auch diese Brücken sind, so muß bey derselben Anlegung der fürchterliche Eisgang im Frühling den Erbauern beständig im Gedächtniß schweben. Daher sind die Brücken von einem einzigen Gewölbe ohne Pfähle, dergleichen im 163 Stück allgemein beliebten Hamburgischen Adreßcomtoir-Nachrichten von 1774. Num. IX. Erwähnung geschiehet, über Ströme ohne Zweifel die vortheilhaftesten.


§. 26. Von Zollunterschungs-Anstalten bey den Linien

Da bey den Thoren der Vorstädte oft die Untersuchungen der zur Stadt gebrachten Waaren bey Wandernden und Reisenden vorgenommen zu werden pflegen, so ist es nothwendig, daß man hier bequeme Eintritte anlege, darinnen die Güter aufs Trockene, ohne Schnee und Regen ausgesetzt zu seyn, gebracht werden, und darinnen sich die Ankömmlinge mit Bequemlichkeit aufhalten können. Man kann auch Lauben von bedeckten Bäumen, oder bedeckte Colonaden mit Bänken zu diesem letzten Endzweck anlegen, die gegen Regen und Schnee schützen, und im Sommer den Reisenden auf eine kurze Zeit den Aufenthalt angenehm machen. Was oben bereits von der erforderlichen Wohlanständigkeit der Besatzung und der Zollbedienten, von der zur Sicherheit und Bequemlichkeit dienenden Erleuchtung gesaget worden, daß insbesondene ihre wohlanständige Kleidung, und die sittliche höfliche Aufführung derselben gegen alle und jede Reisende und Ankömmlinge nur lediglich den Vorgesetzten einer Stadt Ehre macht, und höchst nothwendig ist, dasselbe muß auch hier angeführet werden.
Möchten doch die groben und strengen Zoll-Aufseher bemerken, daß ihre harte Ausführung entweder die Ankömmlinge abschreckt, oder den Kaufmann zum erfindungsreichen Zoll-Betrug verleitet, und ihren Vorgesetzten immer zur Schande und Verlust gereichet! Oder möchten ihre Vorgesetzten es für gut befinden, diesen Tyger-Menschen ein zugleich getreues und leutseliges Verfahren zu empfehlen! Aber auch was oben von Verhinderung des Eintritts des Bettel-Gesindels gesaget worden, ist hier zu wiederholen, nemlich, daß durchaus niemand der Fußgänger hereingelassen werden muß, dessen Anblick und Zeugnisse nicht bescheinigen, daß er kein Bettler sey. Sogar den wandernden oder ungeschenkten Handwerkers-Burschen wird billig beym Eintritt angedeutet, daß sie nicht betteln, sondern sich entweder beym Werkhause oder Allmosen-Amte melden müssen.


§. 27. Von Anstalten in den See- und Flußmündungen

Mit eben so vieler Sorgfalt für ihre Bequemlichkeit, muß den zu Wasser Reisenden, da, wo die Schiffe vorhero in den Mündungen der zur Stadt führenden Flüsse aus der See anlegen, auch in diesen kleinen Städten und Flecken, wo oft die Güter der Reisenden von Zollbedienten untersucht werden, alle Höflichkeit erzeigt werden. Auch hier muß es an guten Herbergen und billigen Wirthshäusern für vornehme und geringe Ankömmlinge und Abreisende, und an regelmässiger Anstalt nicht fehlen, durch gutes und billiges Fuhrwerk zu Wasser und zu Lande die Reisenden zur Hauptstadt bringen zu helfen.


§. 28. Von Hafen- und Fluß-Anstalten

So wie der Hafen und die Einfahrt in die Mündung, wenn sie mit tüchtigen Bollwerken versehen sind, und wenn die Einfahrt der Schiffe durch gute Lootsen-Anstalten, auch durch die Erhaltung erleuchtender Feuerthürme gesichert wird, den Regenten einer Stadt Hochachtung erwirbt, so gereicht es ihnen auch zum Ruhm, wenn die Flüsse, welche zur Stadt führen, durch Baggers oder Schlamm-Prahmen beständig rein und tief gehalten werden, auch wenn man durch Tonnen und andere Kennzeichen die Sandbänke und seichten Stellen in den Flüssen bemerket, und wenn Charten und andere dienliche Nachrichten in den herrschenden Sprachen die Veränderung öffentlich bekannt machen, die sich oft im Fahrwasser zutragen, und Tiefen in Bänke, und Sandhügel in Tiefen verwandeln; dahingegen aber müssen auch die Schiffer den Lootsen die eigentliche Fußmaaße ihrer Schiffe nie verheelen. Die vortrefflichen aber auch sehr kostbaren Anstalten der Admiralität der Stadt Hamburg in Betracht der Elbe-Fahrt, ist hierinnen preiswürdig und modellmäßig, und die deswegen gemachten weisen Verordnungen in dem gemeinnützigen Klefekerischen Sammlungs-Werke sind nicht ohne Nutzen und Vergnügen zu lesen. Die Stadt Bremen, auch reich an schönen Anstalten, hat eine Maschine dieser Art, die Wasser zu reinigen. Auch Rostock, eine durch Policey-Anstalten ausgearbeitete Stadt, hat durch dieses Mittel den Warnau-Fluß oft eintiefen lassen. In Holland aber versäumt man die beste Jahrszeit nicht, die zu den Städten führenden Canäle zu reinigen. An den Holländischen Ufern, auch an der Mündung der Elbe und Trave, sind die Blüsen, Baken oder Leuchten- und Feuerthürme Kennzeichen aufmerksamer Regierung. Dahin aber gehören auch die fürs Commerz-Wesen so ersprießlichen Anstalten, daß Flüße, deren Größe, Länge und Breite es nicht verhindert, im Winter durch Aufeisung fahrbar erhalten werden. Lübeck unterscheidet sich, wie durch manche zur Commerz-Beförderung dienliche, also durch Verfügungen dieser Art. Städte hingegen, die an Flüssen liegen, wie die Elbe und der Rhein ist, können dergleichen nicht veranstalten lassen.


V.     VON DEM INNEREN DER VORSTÄDTE

§. 29. Von den Einrichtungen und Gegenständen in den Vorstädten

Eine Vorstadt, die, in Betracht ihrer Plätze und Leim- und Stroh-Hütten, wegen ihres schlechten Pflasters, radbrechenden Knüttel-Dammes, und verdächtiger Bettler-Herbergen, den Mist-Monarchien in bekannten Ländern ähnlich sieht, verkündiget nicht viel sonderliches von der Hauptstadt oder von ihrer Vorgesetzten Aufmerksamkeit und Neigung zur Verschönerung. Dahingegen fällt es ungemein schön in die Augen, wenn man bey der Einfahrt in die Vorstadt durch eine breite an beyden Seiten mit schattigten Bäumen besetzten wohlgepflasterten Gasse das Thor der Hauptstadt in der Ferne erblickt, oder wenigstens auf solchen schönen breiten, durch Bäume beschatteten und mit Pfählen abgetheilten Straßen, durch so mancherley angenehme Gegenstände von Gärten, schönen Plätzen, Wiesen, Angern und Wasser-Behältnissen, Flüssen und Mühlwerken zur Hauptstadt gelanget, als diejenigen sind, die einen Reisenden auf allen Landseiten nach Hamburg von der Erfurter Seite nach Gotha, von Potsdam nach Berlin, von Friedrichsberg nach Copenhagen, und von St. Denis nach Paris, auch bis an die Thore vor Leipzig führen. Ueberhaupt muß eine Vorstadt so regelmäßig eingetheilet seyn, daß sie erforderlichen Falls ohne viele Umstände einen Theil der Hauptstadt ausmachen kann. Ist sie aber dennoch einmal, wie ein Irrgarten, verworren angeleget, so muß ihr die Erfindung durch Abwechselung, bald von regelmäßig gepflanzten Bäumen, bald durch geschorne Hecken, durch nach der Kunst angeordnete Wildnissen und Buschwerk, die man philosophische Gänge zu nennen pfleget, auch durch bemahltes Stacketwerk zu Hülfe kommen.


§. 30. Von Erleuchtung der Vorstädte

In den Wienerischen Vorstädten, auf den grossen Plätzen vor dieser Hauptstadt, machen die Nacht-Laternen, die an tüchtig gemachten Pfählen und Pflöcken bevestiget sind, eine wahre Zierde auf den Gassen, und sie werden es gewiß allenthalben machen, wo man Neigung und Vermögen hat, sie anzulegen; und da diese Anstalten, wie wir oben §. 21. bemerket haben, zugleich zur Sicherheit und Bequemlichkeit gereichen, warum sollten die Bewohner der Vorstädte, wenn sie zur Unterhaltung dieser Anordnungen gerne beytragen, nicht allenthalben berechtiget seyn, Verfügungen dieser Art zu wünschen? Daß aber auf Verletzung solcher vortrefflichen Anstalten eine strenge Strafe gesetzet werden muß, daß die Nachtwächter auf Erhellung der Laternen, als auch auf Unterhaltung des Lichts derselben alle zu sehen haben, darf ich nicht erst anführen, weil es sich von selbst verstehet.


§. 31. Von der Beschaffenheit der Häuser in den Vorstädten

Die Häuser an den wenigstens 6 Ruthen breit zu machenden Heerstraßen in den Vorstädten dürfen nicht, durch Bauerhütten, die von Leimen und Stroh zusammengesetzt sind, verunzieret werden, sondern sollten billig alle mit Ziegelsteinen aufgemauert und bedecket, oder wo die Ziegelsteine kostbar sind, wenigstens von überstrichenen Brettern aufgeführet und bedecket seyn, doch muß ihre Vestigkeit, Stärke und Höhe nur nach den Regeln der Kriegs- und Vestungs-Baukunst eingerichtet werden, die in einer gewissen Entfernung von den Vestungswerken, wenigstens keine hohe und starke Gebäude zuzulassen pflegen. Inzwischen hat es mit den von den Häusern entfernten Scheunen und Viehställen in manchem Betracht eine ganz andere Beschaffenheit. Diese werden nach den Grundsätzen der Landwirthschafts-Baukunst angeleget. Ich halte endlich dafür, daß man die Häuser in den Vorstädten nicht zusammen, sondern gegen Feuersbrünste in ziemlicher Entfernung vier bis sechs Ruthen von einander bauen lasse, ohngefehr in solcher Entfernung, als zu Saardamm bey Amsterdam die Häuserchen angeleget sind.


§. 32. Von Verzierung dieser Häuser

Wenn dergleichen Häuser in den Vorstädten also, wie es in Chur-Sachsen häufig zu geschehen pfleget, mit einer hellen Tünche oder Farbe überzogen und angemahlt sind, wenn vor jeder Thür dieser Häuser etliche Linden, Kastanien oder Quitzenbeeren-Bäume gepflanzet, und mit weiß übermahltem feinem Stacket umgeben sind, so giebt dieses der Vorstadt ein edles Ansehen.


§. 33. Von ekelhaften Gegenständen in den Vorstädten

Mistberge und Behältnisse, Pfützen und Ableitungen von Viehställen und Abtritten, auch übelriechende Fabriken müssen von den breiten Landstraßen der Vorstädte entfernet werden, und so wenig in die Augen fallen, als der Geruch empfindlich seyn; sondern dergleichen wichtige Bedürfnisse müssen in einer verhältnißmäßigen Entfernung vom Haupt-Gebäude jederzeit entfernet bleiben. Korn-Behältnisse oder Scheunen und große Viehställe, Mistpfützen und Dünger-Behältnisse müßten nur billig immer an den äussersten Enden der Vorstädte, oder jedoch ziemlich entfernet von den Landstraßen, angeleget werden.


§. 34. Von Reinigung der Vorstädte

Es beweiset eine sehr mittelmäßige Aufsicht in der Vorstadt, wenn die Gassen, die man ebenfalls so nach der Schnur anlegen muß, als in der Hauptstadt, schlecht und höckrigt gepflastert aus Knüppel-Dämmen bestehen, oder wol gar hie und da eingefallen oder aufgerissen, und hiernächst mit Unflath überhäuft sind. Dahingegen gereicht es zur Ehre der Aufseher, und es ist billig und zur Gesundheit der Bewohner der Vorstädte höchst ersprießlich, wenn zuförderst das Pflaster besonders in den zum Thor führenden Hauptgassen mit großen Feldsteinen gepflastert und beständig wohl unterhalten wird, und wenn die Gassen täglich in den frühesten Morgenstunden eben so sorgfältig, als in der Hauptstadt, gereiniget werden, und der zusammengebrachte Unrath ausser der Linie, oder in die entferntesten Theile zeitig gebracht wird.


§. 35. Von Vertiefungen neben den Spatziergängen

Damit von Ergießungen bey häufigem Regenwetter, bey Schmelzung des Schnees u. s. f. die kleinen Gräben und Vertiefungen, die man oft in den Vorstädten zur Beschützung der Spatziergehenden und der Viehweiden verfertigen läßt, nicht dergestalt überfüllet werden, daß sie sogar die Gassen unter Wasser setzen, und nachhero wegen Mangel des Abflusses einen übeln Geruch von sich geben; so ist es höchstnöthig, daß dergleichen Gräben und Vertiefungen nach den Regeln der Wasserleitungs-Kunst eingerichtet werden, damit sie sich endlich in der Erde unbemerkt verliehren.


§. 36. Vor Staubdämpfungs-Anstalten

Jedermann weiß, daß der Staub, welcher sich auf den Landstraßen in den Vorstädten in trockenen Jahrszeiten erhebet, das Fahren, Reiten und Gehen unausstehlich macht, und beydes den Augen als auch der Lunge, und den Kleidern schädlich wird. Dahero sind die Anstalten sehr preiswürdig, die ich in den Wienerischen Vorstädten bemerket habe, in welchen man etliche mal des Tages im Sommer mit Wasser angefüllte große Tonnen herumführet, und durch gewisse Guß-Maschinen, die daran bevestiget sind, die Hauptstraßen der Vorstädte besprützen läßt, damit der feuchte Sand nicht mehr in Staub aufsteigen kann.


§. 37. Von Spatziergängen in den Vorstädten

Eine Vorstadt muß billig gezieret seyn zuförderst mit Spatziergängen, die jederzeit wohl beebnet, gestampft, beschüttet, und tüchtig unterhalten, auch dergestalt befriediget werden müssen, daß sie den Menschen und Schweinen nicht zugleich zum Spatziergang und Laufbahn dienen. Ihre Breite darf etwa 1 und ½ Ruthe ausmachen. Diese Spatziergänge müssen billig, wie alle dergleichen Lustgänge, in der Mitte dergestalt erhöhet seyn, damit das Regenwasser an beyden Seiten in Gräben oder Rinnen abfließen kann, auch müssen sie durch nach der Schnur in doppelten Reihen gepflanzte Linden- und Kastanien- oder Ypern- (nicht Weiden- und Pappel-) Bäume schattigt gemacht, und durch nebenhergehende Gräben trocken erhalten werden. Matt siehet es aber von selbst ein, daß obrigkeitliche Anstalten es verhindern müssen, daß in den gepflasterten Spatziergängen in den Vorstädten, die nicht zu den allgemeinen Landstraßen gehören, keine schwere Fracht- und Müller-Wagen fahren dürfen; wenigstens wird in allen wohleingerichteten Städten sorgfältigst dagegen gewachet.


§. 38. Von den Gras-Plätzen in den Vorstädten

Weiter müssen geräumige mit Gras bewachsene, wohl unterhaltene, und mit lebendigen geschornen Hecken eingefaßte viereckte, runde, oder dreyeckte Plätze hie und da in den Vorstädten zu sehen seyn, in deren Mitte Wasser-Behältnisse sind. Dergleichen Plätze werden zu den so wichtigen Weiden des Milch- und Schlachtviehes und der Pferde, oder auch wol zu Leinen- und Cattun- wie auch Wachs-Bleichen angewendet, auch wol zu Pferde- und andern Vieh-Märkten im Herbst bestimmet.


§. 39. Von den Wasser-Behältnissen

Ferner müssen hie und da in den Vorstädten zum Küchen-Gebrauch und Tränkung des Viehes, zum Begießen der Pflanzen, auch zu Löschung der Feuersbrünste, und wer weiß zu welchem sonstigen nützlichen Gebrauche, Baßins, oder ausgegrabene Wasserbehältnisse, von gesundem trinkbarem Wasser anzutreffen seyn; und wenn diese Behältnisse mit gedoppelten Reyhen schattigter Linden- oder Kastanien-Bäume umgeben sind, darinnen keine bequeme und mit Farben wohl unterhaltene Bänke fehlen, so machen sie der Vorstadt eine Zierde und deren Bewohnern viele ErgötzIichkeit. Auch Maulbeer-Plantagen werden zum Nutzen der Fabriquen in den Vorstädten angeleget. Weil aber bestäubte Blätter den Würmern schädlich sind, so werden dergleichen Bäume von den Landstraßen entfernet unterhalten.


§. 40. Von den Gärten in den Vorstädten

Gärten in den Vorstädten sowol zum Anbau der Lebensmittel, als auch zum Vergnügen, zu Beförderung der Gesundheit der Einwohner in den Hauptstädten, sind von größter Erheblichkeit. Jene nutzen und zieren zugleich, diese aber gereichen zur sichtbarsten Verschönerung einer Stadt. Glücklich ist eine Stadt, wenn Bürger, indem sie solche anlegen, sowol an den Wechsel des Glücks, als an das zum Erwerben ungeschickte Alter, als auch an ihre Kinder und Enkel gedenken. Denen, welche Lustgärten anlegen, muß man alle Bemühungen dazu erleichtern; insbesondere alsdann, wenn sie die Hauptstraßen durch mancherley Anlagen und Erfindungen zieren helfen, indem sie bald durch wohlgebauete Garten-Häuser, durch in die Augen fallende Blumen-Stücke, oder durch in lebendige Hecken eingeschlossene Gänge, durch Säulenwerke, Springbrunnen, Einsiedeleyen, Lustwälder, Gewächs-Häuser, Orangerien, Bildsäulen, Fisch-Teiche und künstlich ausgeschnittenen Buchsbaum u. s. f. sich jedermanns Bewunderung erwerben.


§. 41. Beyspiele schöner Gärten

Noch mehr aber macht es eine Vorstadt anmuthig, wenn wohlhabende Bürger und Einwohner aus der Hauptstadt, wie wir oben gedacht haben, nach einem feinen Geschmack Gärten und Garten-Häuser angeleget haben, und sowol ihren Mitbürgern als Fremden den Eintritt und die Bewunderung ihrer Einrichtungen gerne verstatten; ja wenn ihre Menschenliebe auch sogar durch Anlegung bequemer Ruhebänke vor den Gärten für die müden Wanderer gesorget hat; auch wenn sie, um nicht den Anblick des Gartens zu verhindern, ihm durch künstliches Gitterwerk jedermann gestatten. Dahingegen macht es kein gutes Ansehen, wenn die Bretter der Bänke angeschlossen, und die Gärten gegen allen Einblick bedecket werden. Wer die Vorstädte um Wien, Hamburg, Bremen, Lübeck, Leipzig und Braunschweig kennet, wird mit mir übereinstimmen, daß solche Gärten und ihre höflichen Eigenthümer eine Stadt verschönern. Noch ergötzlicher aber macht es die Vorstädte, wenn sie so gezieret sind, als Paris durch die schattigsten Elisäischen Felder, London durch den anmuthigen Spatzierweg in St. James Park und um den Parnaß zu Vauxhall, Wien durch die Favorite und den Eugenischen und Lichtensteinischen Garten, Hannover durch Herrenhausen und Montbrillant und dessen anmuthigen Spatziergang, als Utrecht durch die Maille Bahn, Amsterdam durch seine Gärten, Haag durch den Schevelinger Weg, Cassel durch die Aue, Weimar durch den Stern und Belvedere, Leipzig durch das Rosenthal, Altenburg durch seinen anmuthigen Wald, Berlin durch den Thiergarten, Copenhagen durch Friedensberg, und Hamburg durch Billwerder, Hamm und Horn, und S. Georgens-Vorstadt, auch durch die schattigten Spatziergänge zur St. Georgens-Kirche, auch neben der Alster ausser dem Thore, und am Fuße des Grabens am Deichthore und durch die anmnuthigen Spatzierwege in der Reperbahn vor Altona, und endlich durch die von einem scharfdenkenden Geist zeugende Lust-Anstalten in Wandsbeck, darinnen der Freyherr Henrich Carl von Schimmelmann nicht nur am Schlosse einen mit vielem Geschmack geordneten Garten, sondern auch im Gehölze eine schattigte Eremitage von unbeschreiblicher Reizung und Anmuth zu jedermanns Eintritt und Vergnügen, und zu Verewigung des Ruhms seltner Leutseligkeit anlegen lassen. Daß in den Fürstlichen Gärten Posten oder Schildwachten, alle Unordnung zu verhüten, ausgestellet sind, ist nicht unanständig; wohl aber, wenn Fremden, die dergleichen Garten besehen wollen, eine andere Begleitung, als die des Gärtners, zugefüget wird: wie man dieses in einigen wenig bedeutenden Fürstlichen Gärten bishero wahrgenommen hat; und wenn man bey jedem Schritt um neue Trinkgelder geplaget wird. Nichts vermindert diese Ergötzlichkeiten mehr, als jeder Anschein einer Gewinnsucht, sie habe ihre Quelle in dem Busen eines vornehmen oder geringen Menschen. Man wird vielleicht einmal dadurch das Gartenwesen vor den Städten zur größten Vollkommenheit bringen; man wird den Gärtnern Lust einflößen, ihre Gärten so ergötzlich und nützlich als möglich zu machen, wenn diejenigen, welche die schönsten Gewächse und Früchte in größter Menge am frühesten und besten besorgen, und ihre Gärten nach dem besten Geschmack einzurichten beflissen sind, dafür aus der öffentlichen Casse belohnet werden. Der glorwürdige König von Sardinien verminderte die Abgaben der Gärtner nach Maaße ihres vorzüglichen Fleißes in Verbesserung des Gartenwerks, und Verbesserung und Vermehrung der Gewächse und Früchte. Wien erinnert sich noch beständig mit Dank dieser Beförderung des Gartenwesens vom patriotischen Geist und von der erhabensten Großmuth des großen Held Eugens von Savoyen.


§. 42. Von Einfassungen der Kohl- und Küchengärten

Um dergleichen Anstalten zu unterhalten, um auch die Einfassungen der Kohl- und Küchengärten, die nicht minder in geschornen Hecken, angemahlten Geländern und Stacket-Werk mit schattigten Bäumen umgeben bestehen müssen, um endlich die Wege und Gassen zwischen den Gärten reinlich und wohl zu besorgen, müssen Anstalten gegen das Herumlaufen des Viehes, insbesondere der Schweine, gegen Aufthürmung des Mistes vor den Thüren vorgekehret werden, und die Aufseher der Vorstadt-Policey müssen von ihrer Vögte und Bedienten Aufmerksamkeit Rechenschaft fordern.


§. 43. Von botanischen Gärten

Wir werden unten zeigen, daß eine wohleingerichtete Apotheke eine wesentliche Anstalt einer wohl eingerichteten Stadt sey. Damit es nun derselben nicht an den besten Kräutern und Wurzeln fehle; so muß billig in der Vorstadt ein wohlgelegener und wohl eingerichteter botanischer Garten von den Vorstehern der Stadt besorget werden. Der botanische Garten zu Helmstädt ist der beste in Deutschland und könnte wol das Modell zu jedem Garten dieser Art abgeben.


§. 44. Von den Muster-Plätzen in den Vorstädten

Da die Besatzung in den Hauptstädten im Frühling oft pflegt in den Waffen geübt, auch untersucht und gemustert zu werden; auch in manchen Städten junge Bürger eine Lust daraus machen, sich in den Waffen üben zu lassen, um bey Empörungen u. s. f. brauchbar zu seyn; so ist es nicht mehr als billig, daß zu diesem Ende entweder in den Vorstädten, oder ausser den Linien, geräumige Plätze dazu geebnet und wohl unterhalten werden.


§. 45. Von den bürgerlichen Schützen-Plätzen in den Vorstädten

Auch ist es fast in den mehresten wohleingerichteten Städten gewöhnlich, daß sich im Sommer die Bürger theils zum Vergnügen, theils zu anderer weiser Absicht, in den Waffen durch Schiessen um Gewinne üben. Auch dazu müssen in den Vorstädten bequeme und sichere Plätze ausgesucht und bestellet und wohl eingerichtet werden. Besonders müssen sie an solchen Gegenden angeleget werden, wo durch die Scharfschüsse so wenig Menschen verletzet, als Pferde vor den Wagen scheu gemacht werden. Auch ist es nöthig, daß man auf den Schützen-Höfen schattigte Lauben oder bedeckte Colonaden, sowol für die Schützen, als für die Zuschauer besorge. Auch können diese Plätze zugleich zum Caroussel-Spiel mit hölzernen Pferden, zu Langebahn und Kegel-Plätzen, zum Fortun- und Ballonen-Spiel eingerichtet werden.


§. 46. Wichtigere Anstalten in den Vorstädten

Da die Vorstädte nicht allein zum Spatzierengehen und Ergötzlichkeiten, sondern zu weit gemeinnützigern Absichten angeleget werden; so ist es eine Schönheit, wenn auch diese Anstalten, die, ob sie auch gleich die Sinne nicht ergötzen, dennoch aber dem bürgerlichen Gewerbe so wichtig sind, auf den rechten Stellen in den Vorstädten angeleget werden, und dahin gehören besonders bey den See- und Handlungs-Städten, die Seiler- oder Reperbahnen, darauf die Schiffs-Seile zubereitet werden, und von welchen Theer-Kochereyen nicht weit entfernet zu seyn pflegen. Diese Bahnen, indem sie mit schattigten Bäumen bepflanzet werden, sehen den besten Spatziergängen oft ähnlich, und sind an den Tagen, da die Seiler nicht arbeiten, dazu zu gebrauchen. Die Reperbahnen bey Hamburg, Altona und Lübeck dienen diesen Städten zum Nutzen, und vielen Einwohner zum Vergnügen. Die übelriechenden Manufacturen der Gärber, Leimsieder, Seiffensieder, Thrankocher, Robbenfell-Bereiter u. s. f. auch die Vieh- und Schwein-Ställe und Schwemmen, die Plätze, worauf der Unrath, Mist und Steingraus aus der Stadt gebracht wird, auch die öffentlichen Schlachthäuser, die Plätze, woraus die nöthige Fabrik- und Bau-Erde und Sand geholet wird, wo man die Hanf- und Theer-Behältnisse anleget, wo der Vorrath von Holz und Torf aufbehalten wird, die Korn- und Frucht-Scheunen, und endlich die Plätze, worauf die Thodten-Aecker oder Leichen-Höfe und Behältnisse angeleget werden. Alle diese Dinge sind von mehrerer Erheblichkeit, als die Lustgänge. Sie gehören in die Vorstädte, und je mehr sie nach den Regeln der Klugheit auf die gehörigen Plätze angewiesen und angeleget sind, desto mehrere Ehre erwerben sie den Aufsehern der guten Ordnung. Ja wenn ich meine Wünsche entdecken darf, so sollten billig die Waysen- Kranken- und andere Häuser dieser Art, insbesondere die Blatter-Einimpfungs-Häuser und Hospitäler, ja, wie in London, Gefängnisse nur in Vorstädten angeleget werden. Nur würde ich einer Vorstadt nicht wünschen, daß man etwas bedeutende Pulver-Thürme darinnen anIegte. Bremens Unglück Ao. 1739. hat dagegen einen gar zu tiefen Eindruck gemacht. Wenn aber dergleichen Gebäude an den äussersten Theilen der Vestungs-Werke unter den Bastionen in mehrerer Anzahl verlegt und mit Ueberlegung von eisernen Stangen Bombenfrey und dergestalt bevestiget sind, daß ein Zufall der durch Blitz oder andere unglückliche Begebenheiten erreget würde, keine zu große Verwüstungen anrichten könnte, so dürfe man wol dagegen nicht vieles einwenden.


§. 47. Von Vorraths-Häusern für feuerfangende Materialien

Auch alle übrigen gefährlichen Vorraths-Behältnisse müssen, wenn sie mit keinem Graben umzogen worden, doch wenigstens ganz von andern Gebäuden abgesondert angelegt werden, damit, wenn sie etwan vom Blitze entzündet, oder sonst vom Feuer angegriffen würden, die Feuersbrunst andern Häusern nicht gefährlich werde. Aus dieser Ursache muß es auch verfüget werden, daß in den Gegenden, wo diese Behältnisse liegen, es nicht an guten Feuersprützen und andern Löschungs-Anstalten mangele. Hiernächst muß die strengste Verfügung gemacht werden, daß niemand Feuer-Röhre, Schlüssel-Büchsen in den Vorstädten abschiesse, auch daß bey schwerster Strafe niemand ohne Deckel auf den Pfeiffen Toback rauche.


§. 48. Von Feuerlöschungs-Anstalten in den Vorstädten

Ueberhaupt aber sind in den Vorstädten die Feuerlöschungs-Anstalten eben sowol nothwendig, als in den Hauptstädten. Was wir also in der dritten Abtheilung von den Anstalten, Feuersbrünsten vorzukehren und die Ausbreitung der Flammen zu hindern, sagen wollen, gilt auch hier. Daher ist eine nächtliche Feuer- und Sicherheits-Patrouille auch hier unentbehrlich. Auch hier müssen viele Wasser-Behältnisse, Brunnen-Pumpen angeleget, auch hier die Wasser-Behältnisse im Winter beständig aufgeeiset, die gemachten Löcher aber mit Kennzeichen bemerket, auch nahe an den Wasser-Behältnissen und an andern bequemen Plätzen, Häuser zu dem Feuerlöschungs-Geräthe erbauet, und die öffentlichen Anstalten des Nachts durch Laternen erleuchtet werden. Wenn auch schon, wie in den Hauptstädten, ausdrücklich Aufwärter und Feuerlöschungs-Knechte in den Vorstädten bestellet worden, davon einige sich immer in Bereitschaft halten müssen; so muß dennoch die Besatzung der Linien eben sowol, wie in den Städten, bey jeder Feuers-Gefahr hülfreiche Hand leisten. Die Wachthäuser an den Linien müssen eben darum mit genugsamen Feuer-Eymern, auch mit wohl unterhaltenen Feuersprützen, Schlangen und Anlegern versehen seyn. Auch müssen die Schornstein-Feger, sowol in den Vor- als Hauptstädten, für Unterlassung des öftern Schornstein- und Camin-Fegens Rechenschaft geben, wenigstens etlichemal die Woche ihre Bereitwilligkeit durch öffentliches Ausrufen zu erkennen geben. Da, wo Haupt- oder Nebengebäude mit Rieth oder Schindeln bedeckt worden, erfordert die Anlegung der Schornsteine und Camine eine gedoppelte Aufmerksamkeit. Kurz, alle Warnungs-Anstalten, die in den Hauptstädten vorgekehret werden, sind auch hier nothwendig. Wenn bey Tage oder Nacht Feuersbrünste in den Vorstädten entstehen, so muß die Hauptstadt in dieser Gefahr alle Hülfe leisten, und alles also veranstalten, wie wir unten, wenn von Erhaltung der Einwohner gegen Feuersbrünste geredet werden wird, bemerken werden. Auch muß beydes in Betracht der Belohnung für die getreuesten Helfer, als in Betracht der Beschützung der vom Feuer angegriffenen Häuser, alles eben also hier beobachtet werden, als in den Städten. Nicht minder müssen auch hier die Wegräumungs-Anstalten des Brenn-Schuttes und Grauses nicht verabsäumet werden. Die Sturmleitern und Feuerhaken werden in den Vorstädten sowol an den Kirchen-Mauern, als auch nahe an den Wachthäusern und an den Mauern der Gottesäcker auf behalten. Da die Häuser in den Vorstädten an den öffentlichen Brand-Gilden und Cassen so gut Theil haben, als die Häuser in den Hauptstädten; so ist auch hier eben die Aufmerksamkeit nöthig, als dort.


§. 49. Von Einimpfungs-Häusern in den Vorstädten

Die Zeiten sind vorbey, da man die Einimpfung der Blattern für eine Seltsamkeit hielte. Monarchen und Fürsten haben uns durch ihre Beyspiele erleuchtet: jetzo sinnet man nur auf weise Mittel, es dahin zu bringen, daß durch dieses heilsame Präservativ für das menschliche Leben nicht das Uebel in der bürgerlichen Gesellschaft beständig im Gange erhalten werde. Daher legt man ausser den Thoren der Städte Einimpfungs-Häuser an. Niemand müßte sich billig ausser diesen Pflegehäusern die Blattern einimpfen lassen. Aber hier muß auch alsdann eine solche Anstalt vorgekehret werden, wodurch den Kindern und Alten an Pflege und Besorgung nichts abgehet, und wo gesunde Luft, bequeme Behältnisse, Nahrung, Hülfsmittel von Aerzten und Wundärzten, nach allen Regeln der Nothwendigkeit und nach vestbestimmten Preisen, anzutreffen sind.


§. 50. Von öffentlichen Wasch-Häusern in den Vorstädten

Die Wasch- und Bleicher-Anstalten machen einen sehr wichtigen Theil der menschlichen Erfordernisse aus, und es kann keine Stadt auf den Namen einer Schönen Anspruch machen, wo sie nicht innerhalb und ausserhalb mit bequemen Plätzen oder Bleichen versehen ist, welcher die Wäscherinnen auch Fabrikanten zu Auslegung ihrer Zeuge sich bedienen können.
Aber daß man ein öffentliches Wasch-Haus an einen Fluß oder an ein reines Wasser-Behältniß erbauet, ist darum in einer Vorstadt von großer Erheblichkeit, weil es jedem Einwohner der Stadt und Vorstadt über alle Maaßen bequem ist, ohne Verunreinigung seines Hauses, gegen eine policeymäßig bestimmte Erkenntlichkeit, die Wäsche und anderes Hausgeräthe entweder von seinem eigenen Gesinde oder durch die Wasch- und Bleichmeister daselbst reinigen zu lassen. Zu welchem Ende denn insbesondere letztere angewiesen sind, die beste und unschädlichste Zuthat zu nehmen, damit die Reinigung das Leinen-Geräthe nicht zu Grunde richte. Daß dieses kein neuer Einfall sey, wissen die, welche diese und jene Städte oben im Reiche kennen.


§. 51. Von öffentlichen Brauhäusern

Oft sind die Hauptstädte Haufen von Pallästen, die nur von Hofleuten, vornehmen Herrschaften, Abgesandten, und von den reichsten Negotianten und Banquiers bewohnet werden, obschon die Höhe dieser Gebäude bis in die Wolken reicht. Vergeblich würde man in Hauptstädten dieser Art, davon man sich in Paris, Wien, Dresden und Leipzig einen ziemlichen Begriff machen kann, die zur Nothdurft und Bequemlichkeit der Menschen erforderlichen Handwerker, als Becker, Brauer, Beutler, Buchbinder, Buchdrucker, Bildhauer, Bürstenmacher, Büchsenmacher, Drechsler, Färber, Fleischer, Glaser, Goldschmied, Gelbgießer, Gürtler, Grobschmied, Kleinschmied, Hutmacher, Klempner, Kupferschmied, Kerzengießer, Kürschner, Knopfmacher Leinweber, Messerschmied, Mahler, Maurer, Radmacher, Schwerdtfeger, Schuster, Schreiner, Sattler, Seiler, Töpfer, Wagenmacher, Zinngießer und Zimmermann u. a. m. aufsuchen. Nur in den Gewölbern wohnen die Krämer, Balbier, und oft im höchsten Gipfel in der Nachbarschaft der Engel und schönen Geister Schneider, Posementirer und Peruckenmacher. Alle Gewerber und Profeßionen dieser Art wohnen dagegen in den weitläuftigen Vorstädten, und haben an den Marktägen etwas von ihrer Handarbeit hie und da ausgestellet. In Vorstädten dieser Art trifft man auch hin und wieder auf Plätzen, da sie nicht gefährlich angeleget sind, öffentliche Brauhäuser an; dahin sich diejenigen aus der Hauptstadt und Vorstadt wenden, die in einer gewissen Anzahl Maaße Bier begehren. Und hier wird sorgfältig darüber gehalten, daß jedermann das verlangte Bier nach dem Policey-Reglement in behöriger richtiger Güte und Maaße zugeführet wird. Auch hier ist es, wo für die Armuth für einen bestimmten geringen Preis das dünnere Bier jederzeit ausgezapfet, oder an den Bierschenker sowol das eine als das andere überlassen wird.


§. 52. Von den Mühlen-Anstalten in den Vorstädten

Da die Mühlenwerke für eine Stadt von der äussersten Wichtigkeit sind, so pflegen auch die Vorsteher derselben keine Sorgfalt zu sparen, daß Wind- und Wassermühlen zu mancherley Absichten und Bedürfnissen, auf den bequemsten Plätzen in den Vorstädten, jene entweder auf den erhabensten Stellen, oder nach HoIländischer Art, über aufgeführten Mauern und Häusern angeleget werden. Hierin ist Sardamm die Königin der Städte. - Dahingegen wird nur selten den Vorstädtern gestattet, der Brau-Nahrung in den Hauptstädten zum Nachtheil Handmühlen oder Querlen in ihren Häusern sich anzuschaffen und zu gebrauchen. Wo es möglich ist, so werden auch Flüsse zu Fabrik-Mühlenwerken auf gemeine Kosten geschickt gemacht. Und niemanden fällt ein Zweifel ein, daß dergleichen öffentliche Gebäude vor Privat-Gebäuden, in Betracht ihrer Dauerhaftigkeit und ihres äusserlichen Ansehens, hervorragen müssen. Jedoch beherzigen getreue Stadtväter bey jeder Anlage die Finanz-Umstände der Stadt und ihrer Bürger, und die Aussichten auf Nahrung und Gewerbe u. s. f. Von der Wichtigkeit der Schiffsmühlen beym Anschwellen der Flüsse werden wir unten das Nöthige bemerken. - Windmühlen müssen, um Pferde vor den Wagen nicht durch den Schatten der sich herumdrehenden Flügel scheu zu machen, durchaus nicht nahe an den Landstraßen angeleget werden.


§. 53. Noch eine Erinnerung

Aber auch die Walk- Kupfer- und Pulver-Mühlen müssen wegen des entsetzlichen dem menschlichen Gehör zugleich empfindlichen und schädlichen Geräusches willen billig so entfernet als möglich angeordnet werden; und ich glaube nicht zu fehlen, wenn ich den Kalk- und Ziegel-Brennereyen, den Glocken- und Kanonen-Gießereyen, auch einen entfernten Platz in den Vorstädten wünsche. Besonders ist der Dampf der Kalk-Brennereyen oft unausstehlich.


§. 54. Von andern wichtigen Erfordernissen in den Vorstädten

An Kirchen, Schulen, Apotheken, Aerzten und Wundärzten, an Wagenmachern und an den übrigen Gewerben, die dem menschlichen Leben unentbehrlich sind, Brauer, Becker, Fleischer, Schneider, Schuster, u. s. w. darf es so wenig in den Vorstädten als in den Hauptstädten fehlen. Den Vorstädten von Wien, Dresden, Leipzig und Hamburg mangelt es an diesen Nothwendigkeiten nicht. Es müßte auch insbesondere um derentwillen nicht seyn, die aus den Hauptstädten einen Theil des Jahrs in den Vorstädten zubringen. Die St. Georg- und Pesthofs-Kirchen vor Hamburg sind Modelle vortrefflicher Vorstadts-Kirchen in protestantischen Staaten.


§. 55. Von Aufsicht gegen Unordnungen

Aber auch die über die Vorstädte gesetzte Policey-Aufseher müssen sorgen, daß keine verdächtige Häuser und Huren-Herbergen sich in Vorstädten befinden, und nicht gestatten, daß sich loses Gesindel unter den Namen der Katzen- und Mäusefänger, der Gauckler und Taschenspieler, der Marktschreyer und Olitätenkrämer, der Thierführer und Leyrer, oder Krüppel und Preßhaften, und Bettel-Juden, in den Häusern der Vorstädte einnisten, oder sich, nachdem sie des Tages in den Hauptstädten herumgeschwärmet, des Nachts in die Vorstädte zurückziehen dürfen. Damit aber die Bewohner der Vorstädte so gut, als die Bewohner der Städte, gesichert sind; so müssen so gut da, als hier, Nachtwächter, sobald es dunkel geworden ist, unabläßig umhergehen, und ihre Wachsamkeit auf eine gesittete Art anzeigen, welche die Schlafenden nicht erschreckt und beunruhiget.


§. 56. Von den Herbergen in den Vorstädten

Die nöthigste von allen Anstalten in den Vorstädten ist wol diese, daß die Regenten der Hauptstadt dafür sorgen, daß es darinnen nicht an sehr guten Herbergen für Fremde und Reisende von jedem Stande und Gewerbe, aber auch nicht an Coffee- Wein- und Bierschenken und Gärten für die sich Ergötzung machenden Bürger aus der Hauptstadt fehle. Vielleicht wird in diesem Stücke Wien, Hamburg, Lübeck und Leipzig von keinen Städten in Deutschland übertroffen. Besonders sind in Wien das Stadtgut, der Prader, und in Leipzig manche Coffee-Häuser um der Stadt, als Golitz, auch Schönefeld und Raschwitz, Cunnewitz und Zeveker, um Lübeck die Laxwehre, und bey Hamburg die Rabe, Harvstehude, Mundsburg und Wandsbeck, zu diesen Ergötzlichkeiten der Bürger zu rechnen. Das Stadtgut bey Wien ist ein schattenreiches Gehölze. Der Prader bestehet aus einer Menge der regelmäßigsten schattigten breiten Spatzier- und Fuhrwege. Golitz empfiehlet sich durch seine äusserliche Pracht und jetzige sehr verständige Einrichtung. Die Gärten zu Cunnewitz, Raschwitz und Zeweker sind mit vielem Geschmack angeleget. Besonders ist das Coffee-Haus des erstern nach den besten Regeln angeordnet. Die Laxwehr nahe bey Lübeck ist ein Wirthshaus der besten Lage und Einrichtung. Die Rabe, Harvstehude und Mundsburg haben an der Alster Feld- und Wasser Gegenden, die jedermann entzücken. Der große Hagedorn hat die Anmuth von Harvstehude besungen. Die Einrichtung von Wandsbeck ist in Betracht der Anmuth und guten Einrichtung und Begegnung in den Wirtshäusern eine der ersten um Hamburg. Feld, Waldung, Gärten, die vortrefflichsten Spatziergänge, der Genuß aller sittlichen Freyheit, machen alles, was zu diesen Anstalten gehöret, reizend, wie wir oben bereits §. 41. bemerket haben. Nicht minder aber trifft man um diese ebengedachten Städte in den Vorstädten die bequemsten Herbergen an. Aber billig ist darüber zu halten, daß eine strenge Aufsicht den auf dergleichen Lustplätzen und in den Vorstädten wohnenden Schenken und Wirthen Gränzen setze. Eben so nöthig ist es auch, darauf halten zu lassen, daß die Gastwirthe ihre Gäste mit guten, gesunden Speisen und Getränke und reinlichen Betten versehen, und sich in allem Betracht in ihren Forderungen nach vorgeschriebenen Policey-Taxen richten, als auch, daß sie in ihren Häusern unter der Benennung von Aufwärterinnen oder Kellnerinnen, keine liederliche Nymphen halten, wodurch Unbesonnene verleitet, in Krankheit gestürzt und geplündert werden.


§. 57. Fortsetzung

Damit also die Gastwirthe in den Vorstädten, auch in den See-Mündungsstädten, desto Ieichter im Zügel gehalten werden, sich nicht zu einer Raubbegierde und Eigennützigkeit, dabey sie doch fast immer Bettler bleiben, verleiten zu lassen; Auch damit man den Reisenden, durch zuvorkommende Höflichkeit, den Vorgeschmack von dem mittheile, was sie an guter Ordnung in der Hauptstadt zu gewarten haben, so dürfte es zur Zierde der Wirtshäuser und Herbergen gereichen, wenn zuförderst kein Wirth ohne Bürgschaft, daß er den Policey-Gesetzen nachleben wolle, zugelassen würde; wenn ferner in den Vorplätzen der Wirthshäuser, nach obrigkeitlicher Verordnung, auf einer schwarzen Tafel zuförderst eine gedruckte Anweisung angeheftet würde, die nicht nur völlig gleichlautend mit der Nachricht seyn müßte, die bey dem Eintritt in den Paß den Reisenden mitgetheilet worden, (§. 15.) sondern auch die Nachricht enthielte, was der Gastwirth von den Reisenden für Beherbergung und Kost fordern dürfte. Was z. B. für eine absonderliche Kammer und Bette, für ein Nachtlager auf der Streu in der allgemeinen Gaststube, für Licht, für Coffee oder Thee, für Wein und Bier, für Butterbrodt, für eine ordentliche Mahlzeit aus Suppe, Fleisch und Gemüse, oder aus Fisch bestehend, für Pferde, Stallung und Futter, für Hafer, Heu, Hexel und Stroh, bezahlet werden müsse. In England ist dieser, die Rechtschaffenheit der Nation beweisende gute Gebrauch fast durchgängig eingeführet, und in Frankfurt am Mayn werden vom Reichs-Marschallamt Anstalten dieser Art bey jeder Kaiserwahl und Krönung vorgekehret.


§. 58. Von Bettler-Anstalten in den Vorstädten

So wenig man in den Hauptstädten von Bettlern beunruhiget zu seyn wünschet, so wenig wollen es die in den Vorstädten Wohnende, die auf den Gärten sich Aufhaltende, und die in den Lustgängen Spatzierende. Und doch findet sich dergleichen Gesindel nirgends häufiger, als in den Vorstädten, wenn die Paß- und Linien-Aufseher nicht aufs genaueste ihre Pflichten beobachten. Daher ist hoch nothwendig, gegen Betteley in Vorstädten Anstalten vorzukehren (§. 15.). Diese aber bestehen auch noch darinnen: daß sowol hier, als in den Hauptstädten, genugsame Gassenvoigte beständig, nicht nur des Tages, sondern auch des Abends, umhergehen, und von der Besatzung der Linien unterstützet werden: daß die Bettler aus den Linien und Päßen, oder nach den Arbeitshäusern gebracht, oder zu Schanzarbeiten geführet und angehalten werden. Das sicherste Mittel, Bettler vom Halse Ios zu werden, ist, von ihnen den obrigkeitlichen Erlaubniß-Schein ihres Bettelns zu begehren, an sie aber, ohne derselben Vorzeigung, nichts zu verschwenden, oder höchstens sie zur Arbeit in den Gärten anzuweisen.


§. 59. Von den Todten-Aeckern und Begräbnißplätzen in den Vorstädten

Daß übelriechende Manufacturen sowol als die Todten-Aecker und die Unraths-Plätze an den äussersten Theilen der Vorstädte anzulegen sind, ergiebt sich aus dem, was bereits angeführet worden; denn nichts kann Reisenden, oder denen, die in den Vorstädten frische Luft schöpfen und der Gartenluft geniessen wollen, empfindlicher seyn, als ekelhafte Ausdünstungen einzuathmen, und nicht selten ihres zur Gesundheit abzielenden Endzwecks zu verfehlen. Aber auch diese Todten-Aecker müssen nach gewissen Regeln angeleget werden. Man legt sie, gemeiniglich ins Gevierte an; man bauet an der hohen Mauer, die billig den Platz umgiebet, Arkaden, Gewölber und Leichen-Grüfte, haben oft die Künstler durch Erfindungen und Verzierungen, und schöne Geister durch Grabschriften sich ewige Denkmähler stiften. Wenn der große Platz dieser den Rest der Menschen gewidmeten Aecker so gartenmäßig eingerichtet wird, wie man solches bey den Colonien der Herrnhutischen Bruder-Gemeinden wahrnimmt, und ich zu Diedendorf und Barby gesehen habe, so verschönert solches diese Anstalt recht sehr. - -
Daß die Leichen tief eingescharret, und die Eingänge gegen den Einlauf der Hunde und des übrigen Viehes billig wohl gesichert werde, begreifft man von selbst. Weil die Naturkündiger den Lindenbaum da, wo üble Ausdünstungen sind, sehr nützlich halten, so würde es ein solches Leichen-Feld nicht verunzieren, wenn dessen Mauer mit Lindenbäumen umgeben wäre, oder wenn selbst solche zwischen den Gräbern angetroffen würden.


§. 60. Von anmuthigen Lustplätzen in einiger Entfernung von den Städten

Wer um Paris Versailles, Marly, St.Cloud, Fontaineblau, um London Windsor, Hemptoncourt, u. s. f. um Copenhagen Hirschholm, Jägerpreiß, Friedensburg u. s. f. um Berlin Charlottenburg u. s. f. um Braunschweig Salzdalum, Antonettenruh, um Wien Schönbrunn, um München Nymphenburg, um Stuttgard Ludwigsburg, um Hanau Philipsruh, um Erfurt Molsdorf, um Dresden Hubertsburg, um Hamburg und Lübeck Travendal, Ploen, Jersbeck, Wellingsbüttel, Ahrensburg, um Cassel den Carlsstein und Wilhelmsthal, und um andere Städte dergleichen Lustplätze gesehen hat, die für jeden Einwohner der Hauptstadt zur Ergötzlichkeit offen stehen, und unzählige Abwechselungen von Anmuth mittheilen, wenn er eine Reise von drey bis vier Stunden nicht achtet, wird gerne zugestehen, daß Ergötzlichkeiten dieser Art einer Stadt Anmuth sehr vermehren helfen. Wo diese Anmuth ist, da hat man sie zu schätzen; wo sie nicht ist, da wünsche ich sie zu Verschönerung einer Stadt und zur Ergötzlichkeit ihrer Einwohner, die, ohne Unbequemlichkeit davon zu haben, hier auf Kosten anderer tausendfaches Vergnügen genießen können. Daß eine Stadt mit ihrem besten Willen und Vermögen zu Anschaffung solcher Lustplätze nichts bewegen könne, bedarf keiner Erläuterung.


§. 61. Von Strand- und Gestade-Anstalten vor den See- und Flußstädten

Wenn man zu einer Stadt, vermittelst der See oder eines Flusses, kömmt, so gereicht es der Stadt zur Ehre und Verschönerung, zuförderst wenn da, wo Fluthen die Ufer oft beunruhigen, sich wohl eingerichtete Dämme und Deiche, oder Einfassung der Gestade und Ufer zeigen: von solcher flach anlaufender mit großen Feldsteinen eingezäunter Beschaffenheit, wie die Dämme und Deiche an der östlichen Meerküste vor Amsterdam sind. Nicht minder, wenn am Gestade, Ufer oder Strande, sechzig bis achtzig Schritte in den Fluß oder in der See reichende Bollwerke und Brücken und Pfähle zur Anlegung der Schiffe gemacht, und in Betracht ihrer Breite, Stärke, und Bequemlichkeit, wohl und tüchtig und verhältnißmäßig angeleget werden. Eben so tüchtig muß auch das Bollwerk des Gestades, woran die Schiffe sich Iegen, auch der Krahn oder die Winde gemacht werden, wodurch die schweren Güter aus den Schiffen gewunden werden. Ich habe nirgends solidere Krahn-Anstalten gesehen, als zu Copenhagen, Hamburg, Magdeburg und Rostock. Wer das prächtige Werk: Hafnia hodierna, besitzet, siehet die Abbildung des Copenhagener Krahns Tabella LXXXIV. Der Strand und die Brücken desselben zu Rostock haben in ihrer Art überhaupt etwas Vorzügliches. Besonders dient dieser Vorplatz zugleich zum anmuthigen Spazierweg. Um dem Herzog zu Mecklenburg, Friederich, da er noch Erbprinz war, ein Opfer der Ehrfurcht und Liebe zu bringen, ließ eben gedachte Stadt damals, in Erwartung einer gnädigen Aufmerksamkeit auf ihre demüthige Absicht, zu Beförderung des Vergnügens dieses Fürsten, hier eine wohlgeordnete Allee anIegen, und diese wird auch noch, zu jedermanns Ergötzlichkeit, unterhalten. - - -
Billig müssen auch am Strande einer Handelsstadt sichere, dauerhafte und geräumige Packhäuser angeleget werden, darinnen die Kaufmanns-Güter aus den Schiffen gebracht und aufbehalten werden. Häuser und Anstalten dieser Art habe ich nie besser angetroffen, als zu Rouen und in Magdeburg; hier an der Elbe, dort an der Seine. Nicht minder sind geräumige Plätze zum Schiffbau, und Docken oder Anstalten, solche in die Flüsse zu leiten, wenn sie gebauet oder ausgebessert sind, an den Stranden und Gestaden nothwendig; nirgends sind sie vortrefflicher als in Copenhagen. Gewiß, die Docken-Anstalten hier sind königlich; ich würde ermüden, solche weitläufig zu beschreiben; daher wünschte ich, daß meine Leser das LXXVII. Kupferblatt in Hafnia hodierna ansehen, und die dabey befindliche Beschreibung lesen mögen, um sich von der Vortrefflichkeit dieser erstaunlichen Anstalten zu überzeugen. Hier aber müssen gegen die Schiffbauer, die vielfältig bey ihrem Kochen, Bretter-Krümmen, mit Feuer zu schaffen haben, sehr strenge Befehle, zur Aufmerksamkeit gegen alle Unordnungen, ergehen, wodurch Feuers-Gefahr entstehen könnte. In wohl eingerichteten Seestädten werden Brücken-Meister, Strand-Voigte und Wasser-Schouten ernennet: diese sorgen für alles, was die Ordnung des Strandes und Gestades betrifft. Zum Theil halten sie das Schiffsvolk in solcher Ordnung, daß sie den Schiffer nicht bekümmern, und daß gemeine Wesen nicht durch üble Aufführung beunruhigen: auch die Strand-Sicherheit und Reinigungs-Gesetze nicht übertreten; insbesondre die Flüsse, durch Auswerfung des Ballastes der Schiffe, nicht verunreinigen und verschlammen. Eben die Aufsicht, welche gegen die Einschleichung der Landstreicher, die an den Pässen und Linien beobachtet werden muß, ist auch an den Ufern und Stranden nothwendig.


§. 62. Von der Sicherheit an den Strand-Ufern oder Gestaden

Wenn aber die Schönheit dieser Gestade sich der Vollkommenheit nähern soll, so müssen sie nicht nur so rein, als die Gassen in den Städten, unterhalten, und von Unflath, Kraut und Gras befreyet werden, sondern sie müssen durch nächtliche Patrouillen, und durch Befehle, welche gegen ruchlose Menschen und Feuers-Gefahr schützen, gesichert werden. Man muß sie mit so dauerhaftbevestigten Laternen versehen, daß die Flamme des Lichtes nicht leicht vom Wind und Sturm erlösche. Zu Lübeck besorget, wo ich nicht irre, die Schiffer-Gesellschaft, eine der zwölf Stadtzünfte, diese Sicherheits-Anstalt, und da sowol, als in Hamburg, ist dem Schiffer untersaget, nach einer gewissen Zeit nicht mit Feuer und Licht auf den Schiffen handthieren zu lassen.


§. 63. Von Fuhr-Anstalten in den Vorstädten

Wer eine Lust- oder Gewerb-Reise in der Nachbarschaft einer Stadt zu Lande oder zu Wasser machen will oder muß, und sein eignes Fuhrwerk hat, es auch der Mühe nicht werth hält, sich der Postfuhr zu bedienen, muß sich nach Fiackers, Parutschen oder Halbchaisen und anderm leichten Land-Fuhrwerke, oder auch zu Wasser nach Gondeln und Böten umsehen. In volkreichen Städten sind dergleichen auch bald zu haben. In Wien, Leipzig, zu Paris und London, erwarten sie, in unzähliger Anzahl, derer, die ihr Fuhrwerk begehren. Hier pflegt nun gute Policey diesen Halbmenschen Zügel anzulegen, und ihnen Preise von den Wegen vorzuschreiben. Nirgends kann diese Anstalt vortrefflicher, als in und um London seyn. Hier zeiget sich die Macht einer klugen Policey sichtbar. - Denn keiner der oft so ungesitteten Menschen darf, bey schwerer Strafe, einen Pfennig mehr fordern, als ihm seine vorgeschriebene Taxe erlaubet. - Gewiß, Anstalten dieser Art siehet man sehr selten, und wie leicht sind sie nicht allenthalben zu verfügen. Die Wagen und Gondeln der Vermiether müssen billig mit Nummern bezeichnet werden.


VI.     VON DER HAUPTSTADT

§. 64. Von den guten Kennzeichen einer Stadt vor den Thoren

Wie viele Thore eine Stadt haben müsse, laßt sich eben nicht bestimmen; eine bevestigte Stadt hat vielleicht nur ein Thor nöthig, andere sind mit mehreren versehen; ordentlich pflegt man gegen die vier Gegenden Thore anzulegen. - Es giebt prächtige Städte, die gar keine Thore, Wälle und Mauern haben, wie zum Beispiel London, Haag u. s. f. Man siehet also, daß es mit Anlegung der Städte als mit Anlegung der Häuser gehet. Die Absicht des Bauherrn ist das Directorium des Grundrisses. Wenn inzwischen Thöre vor einer Stadt sind, so läßt man selten die Ankömmlinge hinein, ohne sich nach ihren Nahmen und nach andern Umständen zu erkundigen, auch fragen und bekümmern sich hier die Zollbediente oft erst um die Reisekasten der Reisenden. - Hier macht es also einer Stadt Ehre, wenn man der Reisenden auf alle Weise schonet, und ihnen also begegnet, wie ich oben (§.26.) bemerket habe. Pygmalion machte sich, wie wir im TeIemach lesen, dadurch sehr verächtlich, daß er Reisende durch sehr viele ängstliche Fragen beunruhigte. - Während der Zeit nun, daß der Bericht der Reisenden angezeiget wird, hat ein forsches Auge oft Musse genug, die Klugheit und Aufmerksamkeit der Vorsteher der Stadt zu untersuchen. Es bemerkt, ob der Schlegel oder SchIagbaum dauerhaft gemacht, mit einer Kette oder mit einem Strick zum Auf- und Niederlassen versehen, und ob er tüchtig mit Farbe überstrichen ist; es bemerket, ob die Wacht- und Schilder-Häuser sowol hier, als auf den Wällen und übrigen Vestungs-Werken, die man in der Ferne erblicket, mit guter Wahl der Farbe bemahlt sind; ob das Gitter-Thor, durch welches man zur Vorwache in die Aussenwerke fähret, mit feinem Geschmack angeleget und wohI unterhalten wird; ob das Wacht- und Zoll-Haus vor der Zugbrücke nach gutem Geschmack erbauet worden; ob der Wachthabende Officier und seine Untergebene wohlgemachte Leute, und mit tüchtigen und reinlichen Kleidungsstücken versehen sind, und Gefälligkeit und Höflichkeit gegen die Ankömmlinge bezeigen. Es siehet auf die Schönheit der Thore, auf die Tüchtigkeit und dauerhafte Bedeckung und Einfassung und wohlabgemessene Abtheilung der Fahr- und Fußwege an den Zug- und Graben-Brücken, auf die Reinlichkeit und Breite des Stadt-Grabens, auf die kluge Auszierung und Bepflanzung der Berme um den Stadt-Graben. Findet es alles dieses wohl angeleget und wohl unterhalten, so, wie man es in Braunschweig, Magdeburg, Lübeck, Hamburg, Copenhagen und in vielen andern wohleingerichteten Städten antrifft, so empfindet er Hochachtung, und erhält schon im voraus eine gute Meynung von der Hauptstadt. Insbesondere, wenn es auch bemerket, daß man Wälle, Bastions, Hornwerke, Contrescarpen, Cronwerke reinlich und tüchtig unterhält, und wenn sich alles dieses, so viel als es möglich ist, der Vollkommenheit nähert. Wo das Schilf auf den Gräben die Besoldung der Obrigkeit ausmacht, wie leider zu - - da muß man seinen Anwachs befördern. - -
Sonst aber macht es kein sonderliches Ansehen, wenn damit der Stadtgraben bedecket ist. Die Vestungs-Werke von Nimwegen, von Magdeburg, auch von so vielen Städten in Braband und in Flandern, machen den Reisenden von dergleichen Vestungs-Anstalten die besten Begriffe. Daß in den Thören alles geschwinde Reiten und Fahren untersagt wird; daß man alle Unordnung der Hin- und Herfahrenden verhindern lasse, damit auf den Thorbrücken kein Zank und Aufenthalt verursachet werde; Daß man alle verdeckte und verschlossene Wagen vor der Abreise genau untersuche; daß man endlich in Vestungen Niemand mit Gewehr und Flinten in und aus den Thören lasse; daß man zu einer bestimmten Zeit vor dem Thorschluß jedermann die Sperrung oder Verschliessung durch Trommelschläge, oder durchs Geläute bekannt mache. Alles dieses sind Policey-Anstalten, davon, um die Gränzen meines Vorwurfs nicht zu überschreiten, ich hier nichts erörtern darf. Jedoch dieß will ich noch hinzufügen, daß es den Anstalten in Hamburg zur Ehre gereicht, daß beym Schlusse gewisser Thöre sich beständig Dragoner vor denselben postiren müssen, um alle Unordnungen abzuwenden. Aber auch dieß gehöret annoch zur Vollständigkeit guter Stadt-Anstalten, daß die Gräben um die Wälle, sobald sie mit Eis beleget werden wollen, davon befreyet werden. In Lübeck sind die Fischer, die zur Stadt gehören, zu dieser Aufeisung verpflichtet, und zwar dergestalt, daß sie durch beständig Hin- und Herziehen gewisser Maschinen allem Zufrieren des Grabens zuvorkommen.


§. 65. Von der empfehlenden Höflichkeit der Wachtofficiers

Nichts ist einnehmender, aIs wenn der Wachthabende Officier vor den Thoren ein sehr feiner Mann ist, der sich eine Lust daraus macht, den Reisenden Merkmale seiner Höflichkeit zu geben. In Halberstadt ließ, wie ich durchreisete, ohne mein Verlangen und Wissen, ein Preußischer Officier meinen unwissenden Fuhrmann durch einen seiner Untergebenen zur Herberge begleiten. In Copenhagen vertheidigte ein Officier von solcher guten Lebensart mich gegen einen unhöflichen Zollbedienten, und überredete ihn, in meiner Herberge meine Reisekasten zu untersuchen. Vor Dresden unterrichtete mich ein sehr feiner Sächsischer Befehlshaber aus eigenem Antrieb in manchen Dingen, die mir gewiß unbekannt geblieben wären; besonders gab er mir von einer Feyerlichkeit Nachricht, die an eben dem Abend meiner Ankunft vollzogen werden sollte. Warlich! eine solche gesittete Lebensart bezaubert einen empfindsamen Reisenden, und in Friedens-Zeiten macht ein so galanter Officier seinem Fürsten eben so viel Ehre, als ein tapferer Held im Kriege.


§. 66. Von Brücken, welche Vor- und Hauptstädte vereinigen

Nicht selten vereinigen Brücken von mancherley Bauart, bald steinerne, bald hölzerne, bald aber auch Schiffs-Brücken, die Vorstadt und Hauptstadt, wenn diese nicht mit Vestungs-Werken ganz umgeben sind, oder auch Flüsse die Vor- und Hauptstadt scheiden, so wie man in Berlin, Dresden, Prag, Bremen, Paris, London, Frankfurt am Mayn, Wien und Rouen wahrnimmt. Wo diese Brücken so vortrefflich angeleget sind, also von Quadersteinen ausgeführet, solche verhältnißmäßige Breite, solche bequeme Neben- oder Fußwege haben, und mit so zierlichen und dauerhaften Brüstungen und zur Erleuchtung dienenden Laternen versehen sind, und solche Aussichten geben und freye Abfahrt haben, wie die Westmünster-Brücke in London, die Elb-Brücke in Dresden, die Moldau-Brücke in Prag, und in Bremen die Weser-Brücke; Wo man sie so durch Bildsäulen der Helden, die vor Zeiten die Lust ihrer Völker waren, geschmücket hat, als die neue Brücke in Paris und zu Berlin die Spreebrücke gezieret ist, da machen sie auf jeden aufmerksamen Vorüberziehenden einen tiefen Eindruck. Der Dresdener prächtigen Brücke gereichet noch die Anstalt zur Zierde, daß der eine Fußweg derselben für die Hingehende und der andere für die Zurückkommende bestimmet ist. Die Schiffsbrücken erfordern, insbesondere beym Eisgang, die größte Aufmerksamkeit. (§. 25.) Oft aber sind es auch Zug- und Spring- oder Wipper-Brücken, durch welche die zur Stadt kommenden Schiffe paßiren müssen. Daß diese also angeleget werden, daß sie die gehörige Leichtigkeit zum schnellen Aufziehen, auch Breite, und Befriedigung gegen alle Gefahr haben, besonders alsdenn, wenn es glatteiset, verstehet sich von selbst. In Holland, und besonders in Gröningen, sind unzählige Modelle solcher Brücken; auch in Berlin, Potsdam und Copenhagen sind schöne Brücken dieser Art zu sehen, die, wegen ihrer geschmackvollen Bauart und beständiger Unterhaltung mit hellblauer oder weisser Farbe, den reinen Eckfälen ein schönes Ansehen machen.


§. 67. Von den Stadt-Thoren

Die Haupt-Thore zu den Städten verkündigen oft die Pracht der Stadt, auch oft die Dankbarkeit der Bürger, und die Weisheit ihrer Vorgesetzten. Da, wo Monarchen oder Fürsten herrschen, werden die Thore oft zu Ehrenpforten eingerichtet, darinnen man die Bildsäulen der größten Regenten, oder ihrer merkwürdigsten Thaten, durch halb erhabene Arbeit von den geschicktesten Händen ausarbeiten läßt. Die Thore zu Paris, die man die Pforten von St. Denis, St. Martin und St. Antoine zu nennen pfleget, das Wester- und Norder-Thor in Copenhagen sind solche Ehrenpforten. Man trifft der letzeren genaue Abbildung in Hafnia hodierna Tab. V. und VI. an, und kann sich durch diese Kupferstiche davon einen lebhaften Begriff erwerben. Auf die Thore der Republiken und anderer ansehnlichen Städte, wie z. B. Lübeck, Hamburg und Leipzig, weiß man durch bedeutende Bildsäulen, auch wohlgewählte Sinnsprüche, wie über dem Steinthore zu Rostock, oft vieles zu erinnern. Wo mehrere Thore in einer sonst regelmäßigen Stadt sind, da läßt man wol eines derselben zur Abwechselung nach Gothischem Geschmack bauen, wie z. B. das Jägerthor in Potsdam also errichtet ist. Eine Policey-Zierde der Thore ist, wenn darinnen die Anzeige der Verschliessung und Eröffnung angeheftet ist. Wer in Deutschland die wohlgerathene Nachahmung des Römischen Constantinischen Triumphbogens, das anstatt eines vortrefflichen Thores dienen konnte, sehen will, muß den Eingang des vortrefflichen von Schlüter zu Berlin aufgeführten Schlosses betrachten. Wer eine nähere Anleitung zu Anlegung der Stadt-Thore, Brücken u. s. w. verlanget, findet sie in Sturms Architectura civili & militari.


§. 68. Vom Eintritt in die Stadt-Thore

Oft haben die Thore nur eine Einfahrt, wodurch sowol Fahrende als Gehende paßiren. Weit bequemer aber sind die Thore, wo nebst den Haupteinfahrten, Eintritte für die Fußgänger sind, wie im Thor St. Denis in Paris, welche man durch Erhöhung und Pfähle von den Fuhrwegen absondert. Die ordentliche Breite eines Stadt-Thors ist 15 Fuß, mithin so breit, daß sich zwey Wagen darinnen schwerlich begegnen können; aber dieses wird auch nimmer zugelassen.


§. 69. Von der Thorsperrung

Die weisen Anstalten bey der nächtlichen Thorsperrung gehören mit zu der Zierde einer Stadt. Können sie so künstlich nicht angeleget werden, wie der Einlaß zu Augspurg, oder wie der Einlaß in der Vestung zu Haarburg an der Elbe, dadurch nur zur Zeit eine Person gehen kann, weil er nur vier Fuß breit ist; so müssen sie wenigstens so sorgfältig seyn, wie die um Wien, das ist, sie müssen die Breite haben, damit des Abends im Gedränge niemand beschädiget wird, sie müssen so erleuchtet seyn, daß fast jedermann zu erkennen ist, sie müssen endlich so wohl mit Wachen versehen seyn, damit allen Unordnungen aufs sondersamste vorgebeuget werde. Wo eine Hauptstadt von ansehnlichen Vorstädten umgeben ist, als Wien, Leipzig u. s. f. wo Städte zur Durchfahrt fast unumgänglich dienen, als Magdeburg, Erfurt u. s. f. wo in Städten große Messen gehalten werden, als in Braunschweig, Leipzig, Cassel, Frankfurt, da sind Thorsperrungen gar sehr nöthig, weil den Reisenden das Gegentheil Verdruß, Nachtheil und Aufenthalt verursachen würde. Wo nur der Einlaß für einzelne Personen aus den Vorstädten in den Hauptstädten gestattet wird, da darf niemand der Fußgänger etwas an Gepäcke mit sich führen u. s. f.


§. 70. Von den Stadt-Mauern, Zwingern und Trotzern

Wenn die Stadt-Mauern, welche nahe an die Thöre stoßen, so wohl und regelmäßig gebauet sind, wie die Mauern zu Berlin und Potsdam, auch wenn sie gegen Einsturz und starke Beschädigung von Regen und Wetter nach den Regeln der Baukunst stets unterhalten werden; so dienen sie mancher Stadt, besonders den Städten, die keine hohe Wälle und Vestungs-Werke haben, zur Zierde. Um eine Menge Steine bey Ausführung der Mauern zu ersparen, werden sie mit Mauer-Höhlen oder Nieschen versehen. Da die Beherrscher der Städte jetzo manche bequeme Mittel haben, ihre Städte im Zaum zu halten, und wenn sie zu muthig werden, sie durch sich nicht übereilende Commißiones und durch neue Steuern und Beyträge wieder in ihre Gleise zu bringen, und der unruhigen Bürger Blut zu verbessern wissen; so würde es zu unsern Zeiten keine Zierde seyn, so wie nahe an Leipzig und Rostock, Trotzer und Zwinger ferner anzulegen. Eben so thöricht als es wäre, den Stadt-Mauern mit Thürmern und Schwalben-Nestern ein lächerliches Gothisches Ansehen zu geben. Wo inzwischen dergleichen Ueberbleibsel des Alterthums sind, da läßt man sie oft den Liebhabern der Alterthümer zum Vergnügen stehen. Wenn sie aber abgebrochen werden, so erstaunet man über die Geschicklichkeit der Alten, das Zeug zum Aufmauern zu bereiten.


§. 71. Vom Innern der Thöre

Wo die Regeln der Bevestigung es nicht untersagen, da läßt man die Thöre dergestalt gerade bauen, daß der Reisende bereits vor dem Thore einen Blick in die Hauptstadt werfen kann; und je reizender dieser erste Anblick durch sinnreiche Erfindungen gemacht werden kann, destomehr wirket er auf die Augen der Einfahrenden. Vor Berlin und vor Paris genießt man dieß Vergnügen.


§. 72. Von der Einfahrt in die Stadt

Wenn also die Einfahrt oder der Eintritt in eine Stadt entzücken soll, so muß das erste, was den Eintretenden in die Augen fällt, ein weitläuftiger, wohl geebneter und wohl gepflasterter, und mit ansehnlichen Gebäuden umgebener regelmäßiger Platz seyn, in dessen Mitte entweder ein wohl eingerichteter Springbrunnen, oder ein Prachtkegel, oder eine wohl bearbeitete Bild- oder Spitzsäule stehet, oder aus welchem man in eine oder mehrere breite lange Gassen siehet.


§. 73. Von Reinigung der Eintritts-Plätze

Nichts aber wäre unanständiger, als wenn die Aufseher der guten Anstalten die Sorge verabsäumen wollten, solche vortreffliche Plätze beständig von Unreinigkeiten, Grase oder anderm Unkraute säubern zu lassen, und nicht zu verhindern, daß er nicht unreinen Thieren zum Aufenthalt oder unfläthigen Menschen zur Niederlage diene, oder zu besorgen, daß er bald, nachdem Landleute mit Holz, Stroh und Heu, oder andern Producten, darauf ihren Handel getrieben und ihn verunreiniget, wieder abgekehret werde.


§. 74. Von Beyspielen schöner Einfahrten

Die Einfahrt in Berlin ins Hallische, ins Potsdammer und Brandenburger Thor ist von einer solchen Art, als ich sie jeder Stadt wünschte, die sich gerne den Beynamen einer Schönen erwerben möchte. Fährt man in das erste Thor, so siehet man ein weitläuftiges mit schönen Häusern umgebenes Achteck vor sich, daraus man in drey sechs Ruthen breite prächtige Gassen, in die Wilhelms- in die Linden- und in die neue Friedrichs-Straße hinabsiehet. Die mittlere dieser Gassen, nemlich die Friedrichs-Straße, ist in einer Schnur über eine Viertelmeile lang, mithin, wie jeder leicht begreifft, von einer fast unabsehlichen Länge. Die Wilhelms-Straße hat an beyden Seiten nichts als schöne, und da, wo sie sich endiget, nämlich an der Linden-Allee, die prächtigsten Gebäude. Die Linden-Straße aber ist sehr breit, und an beyden Seiten nach einer Schnur mit Linden-Bäumen besetzet. Fährt man aber in das Potsdammer Thor aus Berlin, so kömmt man in ein wohlgepflastertes an beyden Seiten mit schönen Häusern umgebenes Rondel, und blicket in die sehr breiten und lagen Potsdammer- und Leipziger-Straßen, die an beyden Seiten entweder mit regelmäßigen vortrefflichen Gebäuden und Pallästen, oder mit durchgeschnitten breiten regelmäßigen Gassen, oder mit weitläuftigen öffentlichen Plätzen voll zierlicher Häuser prangen. Fährt man endlich ins Brandenburger-Thor, so ist es ein vierseitiger mit vortrefflichen Gebäuden umgebener Platz, der einen jeden in Entzückung setzet, und der Gesichtspunkt verliehret sich in der unabsehlichen Linden-Allee.


§. 75. Von der Breite schöner Gassen

Damit Fahrende, Reitende, mit der Karre Schiebende, Spatzierende, auch die Sänftenträger auf den Fahrgassen und aus den Nebenwegen an den Häusern auf keinerley Weise gehindert werden, oder damit gar, wie in den altväterisch-gebaueten volkreichen Städten es fast täglich zu geschehen pfleget, Kinder und alte Leute in Gefahr gerathen, von ungesitteten Reutern und Fuhrleuten und Kutschern, die oft mehr Bestien sind, als ihre Pferde, und deren man, wegen Mitleid der Richter und Edelmuth der Beleidigten, mehr, als sie verdienen, verschonet, nicht überfahren, überritten und beschädigt zu werden, so müssen die Gassen in einer Stadt auf das mindeste sechs Ruthen, zu zwölf Fuß gerechnet, breit seyn, und noch ausserdem an den Seiten der Häuser sechszehn bis zwanzig Fuß für die Fußgänger überley haben. Oder soll ich es nach bekannten Beyspielen bemerken, wie breit die Gassen in einer wohleingerichteten Stadt seyn müssen; so mögen die gedachten Gassen in Berlin, auch die neue Straße in Bruchsal, die Gassen in neu Hanau, die Zeile in Frankfurt am Mayn, die Französische Neustadt in Cassel, der Anger in Erfurt, der hohle Weg in Braunschweig, der breite Weg in Magdeburg, in Dessau die neue Gasse, und der Königin Straße auf Amalienburg in Copenhagen, zum Beyspiele dienen. In Hamburg hat der oberste Theil der Mühlen-Straße, wo das Freyherrliche Schimmelmannische Haus stehet, die Breite, die billig alle Hauptgassen haben müßten.


§. 76. Von Bepflasterung der Stadt-Strassen

Es gereicht zur Zierde einer Stadt, und es erfordert die Regel, daß alle Gassen nach der Schnur bepflastert werden; wenn aber diese Pflaster-Steine so geleget werden, daß ihre platte Seite oben kömmt, so gereicht es den Gehenden zu großer Bequemlichkeit. In London trifft man dergleichen Bepflasterung an. Die dazu gebrauchten ziemlich großen Feldsteine werden gespalten, und die gespaltene Seite oben geleget, und wohl eingerammet und bevestiget. Bekanntermaßen ist Florenz auf eine solche zugleich reizende und bequeme Weise gepflastert. Schlecht gepflasterte Gassen sind daran zu erkennen, wenn das Regenwasser darauf stehet und Pfützen machet. Schräge Hügel in den Städten muß man so sehr, als es nur möglich ist, in allmählig ausgehende Höhen verwandeln; alles Höckrigte aber muß geebnet werden. Wo aber dennoch sehr steile Anhöhen sind, da muß man der Bequemlichkeit der Gehenden durch bequeme Absätze und Auftritte, und breite bequeme Stuffen, oder wol gar durch Anfaß-Eisen, die auf Pfählen bevestiget werden, die so hoch sind, daß ein zehnjähriges Kind sich daran fassen kann, zu Hülfe kommen. Sind solche Anhöhen in breiten Gassen, so läßt man den Fuhrweg in der Mitte, und macht den Gehenden die Hülfe neben den Seiten der Häuser. Wie nöthig endlich die nächtliche Erleuchtung solcher schrägen Plätze und Absätze sey, ist leicht zu ermessen. - -


§. 77. Von regelmäßiger Anlegung des Pflasters

Daß die Stadt Gassen dergestalt in der Mitte erhöhet und mit einer Abdachung versehen werden, daß das Regenwasser leichtlich in den Rinnen und Gassen der beyden Seiten fließet, verstehet sich von selbst. Hiebey aber ist noch zu erinnern, daß diese Rinnen, welche die Hauptstraßen und Nebengänge an den Häusern scheiden, und darinnen das Wasser von den Dachrinnen durch die an die Häuser bevestigten Röhren fließet, mit vieler Einsicht und Ueberlegung angeleget werden, damit der Abfluß dieses Wassers beständig fortgehe, und nicht zum Nachtheil der Gesundheit der Einwohner stocke und in Fäulniß gerathe. Diese Rinnen führen das Regenwasser unter die Erde in Behältnisse, daraus sie insbesondere in Gräben und Canäle fließen, wie man in Leipzig dieß sehr weislich also angeleget hat, auch in Rostock die so genannte Faule Straße nach diesem Ermessen angeleget worden. Ohne die höchste Nothwendigkeit wird keine Rinne in der Mitte der Gasse angeleget; jedoch können es die Umstände in Rücksicht feuchter Plätze zum Nutzen der Fundamente der Häuser erfordern. Dieser Grundsatz aber setzet noch voraus, das jeder Boden, worauf gepflastert werden soll, erst durch Kunst oder Zeit völlig vest geworden, weil ein auf einem lockeren Boden angelegtes Pflaster immer der Beweis eines unvorsichtigen Baumeisters ist, wie eine jede Carosse oder schwer beladener Wagen jedermann davon belehret.


§. 78. Von den Folgen nachläßiger Bepflasterung

Es erhellet hieraus, wie wenig Dank die Aufseher der guten Anstalten verdienen, die zur Bepflasterung der Gassen entweder ungeschickte Stümper nehmen, oder auch sich sehr wenig darum bekümmern, wie viel Fleiß und kunstmäßige Geschicklichkeit an dieser dem gemeinen Wesen so nöthigen und sehr kostbaren Arbeit verwendet wird. Mit welcher Sorgfalt man das Steinpflaster lege und stampfe, und ob man es also dauerhaft pflastere, daß nicht jeder schwerer Wagen es eindrücket, oder daß empfindliche Füße die Einfalt der Steinleger auf den zu spitzigen Steinen empfinden, und mit welcher Aufmerksamkeit man jeden sich ereignenden Schaden wieder ausbessere. Die Beschüttung des Pflasters mit den Grieß- Kiesel- oder Sandsteinen, die in einigen Städten, z. B. in Wien, fast jährlich besorget wird, bindet das Pflaster, wenn es stark befahren wird, sehr; daß es dagegen aber einen unausstehlichen Staub errege, kann jedermann von selbst denken. Nach sehr weisen Verordnungen sollen in Hamburg statt der schweren Frachtwagen mit ihren in Eisen eingefaßten Rädern, nur Schleifen und Karren mit hölzernen Rädern die Kaufmanns-Güter ab- und zufahren, um des Gassen-Pflasters zu schonen; ich weiß nicht, ob dieses befolget wird. In Amsterdam wird, um des Steinpflasters zu schonen, nur wenigen Leuten die Erlaubniß gestattet, mit Carossen auf Rädern zu fahren; sondern sowol die Kutschen, als manches anderes Fuhrwerk, wird auf Schleifen gesetzt. Auch jedermann, der in Leipzig sich aufgehalten hat, wird bemerkt haben, daß man hier des Gassenpflasters dadurch ungemein schonet, daß man keine schwere das Pflaster eindrückende Müller-Wagen darauf zulässet, sondern sich der Esel zum Korn- und Mehlsäcke-Tragen bedienet. Leipzig hat dieser Anstalten auch darum desto nothwendiger, weil, wie wir oben gedacht haben, unter dessen Gassen-Pflaster mit vieler Klugheit angebrachte Rinnen sich befinden, die den Unrath aus sehr vielen Behältnissen aus der Stadt wegführen u. s. f. Anstalten dieser Art sind in allen Städten nothwendig, wo man das Gassen-Pflaster zu schonen gedenket; und es ist der Gassen-Schauer Pflicht, auf diese Anordnungen sehr aufmerksam zu seyn.


§. 79. Vom Seiten-Pflaster an den Häusern

An beyden Seiten der Häuser muß ein sehr bequemes aber nicht zu schräge ablaufendes Pflaster geleget werden, und die Breite dieses Weges muß, wie wir oben gemeldet haben, wenigstens ein und eine halbe Ruthe betragen. Kann, als wie in London, in Braunschweig und Göttingen dieser Nebenweg mit breiten Felsensteinen, oder mit sogenannten Fliesen, oder wie in den Holländischen Städten, in Amsterdam, Leiden, Haag, Alkmar, Gröningen u. s. f. mit platten Ziegelsteinen oder Klinkern belegt werden, so macht es der Stadt eine Zierde, und gereicht den Wandernden zum Vergnügen. Wo die Policey sehr aufmerksam ist, da werden diese Fußwege im Winter, insbesondere die zu den Kirchen führenden Wege, beydes in den Gassen als Vorplätzen, wenn sie mit Glatteis beleget sind, mit Sand oder Asche bestreuet, um Unglücksfälle sehr älter und schwangerer Leute vorzubeugen. Nie aber wird gestattet, daß die Gassenbuben durch ihre Spiele auf den Gassen oder Fußwegen Glitschen machen dürfen. Jedoch hievon werden wir in der dritten Abtheilung das Nöthige bemerken. Nur dieses will ich hier noch anführen, daß die hurtige Wegschaffung des gefrornen Schnees von den Haupt- und Nebengassen und Fußwegen fast ein untriegliches·Merkmal einer aufmerksamen Policey-Verwaltung in den Städten ist. Gewiß, wo man in diesem Fall die Policey-Aufseher mit aller ersinnlichen Hülfe zu unterstützen abgeneigt ist, da muß man an allem verzweifeln. Denn durch diese Vernachläßigung gerathen Bürger und die Ihrigen gar leicht in Gefahr, ihre Gesundheit zu verliehren. Billig müßten, eine Stadt von diesem Unrath sordersamst zu befreyen, alle Taglöhner, Brandknechte, und Leute, die Allmosen genießen und noch arbeiten können, mit Hacken und Schaufeln bald nach gefallenem nassen Schnee aufgeboten werden.
Billig müßte so gut, als bey Feuersbrünsten, eines jeden Bürgers Fuhrwerk dieser Anstalt zu Dienste stehen; Es wäre denn, daß man die Gesundheit und daß Leben der Mitglieder der Gesellschaft weniger, als ihre Güter, zu schützen verpflichtet wäre. Ein jeder aber mag entscheiden, welches fürchterlicher klinget: In der Stadt sind einige Häuser vom Feuer verzehrt; oder: in der Stadt haben über zwanzig Menschen den Winter auf den höckrichten Gassen Arme und Beine gebrochen. - -
Die Scheidung des Fußweges und der Fahrgasse wird durch starke, jedoch zierlich bearbeitete, schräg gesetzte Pfähle oder durch Steine bemerket, damit Wagen und Schleifen von den Fußwegen abgehalten werden. VielIeicht sind die beyden Städte, Amsterdam und Hamburg, nur die einzigen, wo das Pflaster wenigstens wöchentlich einmal dergestalt mit Wasser ausgespühlet und abgefeget wird, daß es nothwendig für Fußgänger sehr unbequem seyn muß. Wer es weiß, daß beyde Städte durch viele Flethen und Canäle durchschnitten werden, siehet die Ursache dieser Reinigungs-Beschäftigung zwar leicht ein; aber sehr oft scheint sie übertrieben. Amsterdam hat, um dieser unangenehmen Unbequemlichkeit abzuhelfen, oben gedachte Bepflasterung mit gebackenen Steinen sehr löblich besorget. Hätte sich diese übertriebene Reinigungs-Neigung nicht in Hamburg naturalisiret; so würde die Erinnerung seines ehemaligen Patrioten im 143 Stück des 3ten Theils, etwas dagegen ausgerichtet haben. Wie aber, wenn es der Gegend um eine Stadt an Steinen gebricht ? Alsdann muß man, wie in Peking, die Gassen mit Sand beschütten, mit Wasser befeuchten und sehr gut feststampfen; oder, wie in Jaßy, mit Bohlen oder Brettern belegen und beständig wohl unterhalten. Jedoch diese Zufälle sind seltener, als man gedenket.


§. 80. Von Gassen-Laternen

Gassen-Laternen von einer kunstmäßigen Einrichtung, so wie man sie in Braunschweig und in London antrifft die in einer gleichen und verhältnißmäßigen Entfernung von den Häusern, und in einer richtig abgemessenen Erhöhung und Weite von einander stehen, und auf wohlbearbeiteten angemahlten Pfählen, oder auf eisernen Stangen und Mauer-Armen bevestiget sind, und als in gedachten Städten auch in Wien und Leipzig, Paris und in andern Städten dieser Art auf das regelmäßigste unterhalten, gereiniget und erleuchtet werden, dienen der Stadt beydes zur Zierde und zur Sicherheit, und beweisen an jedermann sichtbar den Wohlstand einer Stadt und die Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten. Nirgends sind dergleichen Erleuchtungen nöthiger, als an den Canälen, wenn sie auch schon mit Geländer befriediget sind, und in den engen Gassen, wo oft verdächtiges Gesindel die Durchpaßirenden anpacket; auch in solchen Städten sind sie höchst nöthig, die durch Gräben und Thöre nicht befriediget werden. Hauptsächlich muß es in den Gassen, die steil oder schräge sind, oder darinnen sich die geringsten Absätze, Goß-Rosten, niedergelegten Pfähle befinden, die einen Fall der Gehenden verursachen könnten, durchaus nicht an genugsamer Erleuchtung fehlen, wenn nicht jedermann die Aufseher der guten Ordnung sorglos, und die Glücksumstände der Stadt jämmerlich nennen soll. Wie nöthig die Laternen um die Schauspielhäuser zu Erhaltung der Einwohner sind, die zu Fuß zu diesen Häusern gehen, werden wir in der dritten Abtheilung mit mehrerem erörtern müssen. Inzwischen darf man sich nur auch aus eben gedachten Städten, auch aus Paris unterrichten, um die Laternen-Ordnung zu Verschönerung einer Stadt kennen zu lernen. In bekannten Niedersächsischen Städten brennen die Laternen von der Mitte des Septembers bis zum Ende des Märzmonats, mit Abzug des Mondenscheins. Im September 123, im October 233, im November 246, im Dezember 282, im Januar 249, im Febr. 209, und im März 177 zusammen 1519 Stunden, und nach dieser Bestimmung lassen sich die Laternen-Kosten bald ausrechnen. Da, wo die besten Anstalten sind, da wird die Stadt erleuchtet, wenn und sobald es dunkel zu werden beginnet, ohne sich um Monate und Jahrszeiten armselig zu bekümmern, weil die Absicht der Erleuchtung, die Fußgänger vor dem Fall zu schützen, und zugleich die Sicherheit zu befördern, ja immer dieselbe ist und bleibet. In Wien stehen die Laternen, die keinem Einwohner etwas bedeutendes kosten, sondern vom Zoll ausländischer Weine, Oel und Wachs unterhalten werden, zwanzig Schritte ein über das andere, und sind vierzig Schritte an jeder Seite von einander entfernet, und aus eisernen Stangen an den Mauern bevestiget. Sobald des Abends eine Glocke geläutet wird, werden alle Laternen von den Hausmeistern angezündet, nachdem sie des Morgens in einem gewissen Hause vermittelst einer Maaße mit geschmolzenem Talg angefüllet worden. Diese Maaße aber enthält eben so viele Brenn-Materie, als nach Beschaffenheit der langen und kurzen Dunkelheit erfordert wird, denn nach dieser Beschaffenheit sind die Maaßen eingerichtet. Auf öffentlichen Plätzen, besonders vor Schlössern, Pallästen, an Canälen, vor Regierungs-Häusern, weiß man anstatt der Laternen-Pfähle, Bildsäulen, Mohren, Pilaren, Gruppen, welche die Lampen-Kugel halten, zu nicht geringer Verschönerung der Gassen anzubringen, wie man solches in Berlin am PalIaste des Prinzen Ferdinands, und in Hamburg vor dem Freyherrl. Schimmelmannischen Palais erblicket. Bey Setzung der Laternen-Pfähle ist es nothwendig, sie mit hohen Stein- oder Holz-Pfählen gegen jeden Anlauf zu bewahren. Gesetzt aber, daß es die Finanz-Umstände einer Stadt nicht gestatteten, Gassen-Laternen anzulegen und zu unterhalten, (wie ich doch immer glaube, das oft mehr Nachläßigkeit und noch niedrigere Ursachen als Noth diese wichtige Anstalten verhindern, weil in Fällen einer gedroheten Brandschatzung es selten an Mitteln, Geld zu schaffen, ermangelt, die aber gleichwol zur Sicherheit und Abwendung mancher Unglücksfälle, hier eben so nöthig sind;) so muß doch wenigstens an den öffentlichen Brunnen, Pumpen und Wasser-Behältnissen, um die Stadt-Wachthäuser, Rath- und Vorraths- und Feuerbehältniß-Häuser Laternen wohl angebracht und unterhalten werden. Aber die Laternen-Anstalten erfordern auch Befehle, welche jedermann die schärfste Ahndung ankündigen, der seine Hand ausstrecket, um die Laternen und Laternen-Pfähle durch Werfen oder Hauen, oder sonst zu verletzen. Aber auch eben so nöthig ist es, dafür eifrigst zu sorgen, daß sie täglich Vormittags mit Fleiß gesäubert, und alle Beschädigungen alsobald, wenn solche bemerket worden, ersetzet wird.


§. 81. Von Reinigung der Gassen

Die schönsten Gassen einer Stadt, würden ihre Schönheit, Zierde und Ansehen verliehren, wenn die Aufseher derselben gestatten wollten, daß nahe an den Gassen Abtritte angelegt würden, daß Goßrinnen Unrath aus Viehställen und Abtritten auf die Gassen führten, daß solche von Thieren mancher Art, als Schweinen, Enten, Gänsen, Hühnern, betreten werden dürften, um darauf zu wühlen, oder ihren Unflath darauf fallen zu lassen. Oder wenn nicht die strengsten Anstalten vorgekehret würden, daß diese Straßen täglich von aller Unreinigkeit gesäubert, und alle Unsauberkeiten, und auch der in den Häusern gesammlete Unrath, nach gewissen vorgeschriebenen Ordnungen, in der frühesten Tagesstunde, ja auch wol gar, bewandten Umständen nach, um Mitternacht von den Gassen ins Feld ausser der Stadt geführet würden. Im Winter müssen die Gassen, und ehe das Thauwetter einfällt, dergestalt vom Schnee befreyet werden, daß eine plötzliche Veränderung der Witterung die Gassen, besonders die Fußwege an den Häusern, nicht unbrauchbar macht. (§. 79.) In Hamburg sollen die Bauern, die Torf zur Stadt gebracht haben, ihre leere Wagen im Winter jedesmal mit Schnee anfüllen und solchen aus der Stadt hinwegführen. Ob dieses beobachtet wird, weiß ich nicht.
Ich kenne wohl eingerichtete Städte, darinnen man, unter Aufsicht der Bettel-Voigte, die, in gewissen Armen-Häusern, von den Armen-Anstalten lebende Männer und Weiber dazu gebraucht, täglich bald diesen, bald jenen Theil der Gassen zu reinigen, und wo jeder ankommender Bettler zu dieser Arbeit angetrieben wird, und ich finde die Anstalt nachahmungswürdig. Denn warum sollen nicht Leute, die von ihren Mitbürgern unterhalten werden, wenn ihr Stand es nicht verhindert, nicht ihrer Mitbürger Bequemlichkeit befördern helfen? Damit die Nebenwege auf den Gassen nicht verunreiniget und unsicher gemacht werden, so müssen nachdrückliche Policey-Befehle es jeden Einwohner untersagen, so wenig aus ihren Thüren, als aus den Fenstern, Unrath auf die Haupt- und Neben-Gassen zu schütten, oder wol gar Steingraus, Auskehrig und verrecktes Vieh darauf werfen zu lassen. In wohleingerichteten Städten wird von den Eigenthümern der Häuser für jede Auswerfung des Unraths von seinen Miethsleuten und Gesinde die darauf gesetzte Strafe ohne Verschonen eingefordert. Schnee aus den Dachrinnen muß in den Frühstunden ausgeworfen werden, alsdenn, wenn die Gassen noch nicht sonderlich betreten werden. Aller Unrath muß auf die Karrens und Wagens geschüttet werden, die in wohleingerichteten Städten täglich frühe herumfahren, die Gassen von allem Unrath zu befreien und zu dem Ende ihre Gegenwart durch Rufen, oder durch Herumdrehen einer Knarre, oder durch Pfeifen zu erkennen geben. Bey diesen ist noch zu bemerken, daß alle Anstalt und Aufsicht, die den großen Straßen, darinnen in den Städten oft die vornehmsten und obrigkeitlichen Personen wohnen, auch schlechterdings den engen kleinen Gassen zu widmen sey, besonders in Betracht der Schneewegräumung, weil sie sonst den Fußgängern höchst gefährlich werden. Am allerwenigsten aber müssen ausgebauete Keller-Austritte, oder Gallerien und Stacket-Werke, und die Aussicht und den freyen Gang verhindernde Gebäude an den Häusern in den Gassen geduldet werden, wie denn auch in den mehresten Städten die Vorsteher solches nicht gestatten, wenn sie nicht ausdrücklich einen Neben-Fußweg dabey voraus bedingen; oder sich die Verschreibung geben lassen, daß dergleichen Ausgebauetes wieder weggerissen werden soll, so bald es obrigkeitlich begehret wird. In den Jahreszeiten, da sich der Gassenstaub so leicht erhebet, und die Wanderer zu ersticken drohet, muß billig durch Policey-Befehle jeder Bewohner angewiesen werden, täglich etlichemal bis zur Hälfte der Gasse Wasser sprützen zu lassen.


§. 82. Von Beengung der Gassen

Ich halte dafür, daß es eine Stadt nicht verschönert, wenn Meß- und Marktzeiten hindurch die Gassen durch Kramladen und Boutiquen dergestalt beenget werden, daß sie alles Fuhrwerk und hin- und hergehen beschwerlich machen, und in Entstehung einer Feuersbrunst große Hindernisse anrichten würden: dergleichen Dinge gehören für die Märkte, und höchstens für breite Spatziergänge: hier benehmen sie den in den Häusern Wohnenden nicht die freye Aussicht, wie in den Gassen zu geschehen pfleget. Nichts ist endlich gegen die Beengung der Gassen nothwendiger, als Befehle, daß Niemand vor sein Haus Wagens, Holz und Baumaterialien aufbehalte.


§. 83. Von den Ecksteinen der Gassen

Noch ist bey den Gassen anzumerken, daß billig an einer jeden Ecke derselben Ecksteine angebracht werden, und daß daran eine eiserne Kette bevestiget werde, die dazu diene, sie über die Gasse zu ziehen, und solche mit der Kette des überstehenden Ecksteins alsdann zu vereinigen, wenn in einer Gasse das Pflaster aufgerissen und etwas gebessert werden soll. Ausser Rostock und Leipzig kenne ich wenige Städte, wo diese weise Anstalt, die auch bei Auflauf von großem Nutzen ist, anzutreffen wäre. Daß nahe an den öffentlichen Gebäuden einer Stadt Spritzen-Häuser und Spritzen, und neben daran Wasserküfen, beständig mit Wasser besorgt, stehen müssen, ist eine bekannte Nothwendigkeit, (wie wir solches unten bey der Erörterung der Abwendung der Feuersbrünste, zur Erhaltung der Bürger, bemerken werden.) Wo man aber an gewissen Ecken der Hauptgassen zwischen den Häusern und Ecksteinen die jederzeit wohl unterhaltene und angefüllte Wasser-Behältnisse anbringe, muß nach Beschaffenheit einer Stadt angeordnet werden. Auf jeder Ecke der Gasse muß die Benennung derselben deutlich auf einer eisernen Platte in der Landes- auch in der französischen Sprache, angeschrieben seyn, damit ein jeder Fremde sich ohne Umfrage bald finde. In Magdeburg, Braunschweig und manchen andern Städten habe ich diese Anstalt bewundert.


§. 84. Von Abtheilung der Gassen

Welche Form eine neue Stadt haben müsse, und wie eine Stadt durch Gassen abgetheilet werden soll, oder in wie viele Bezirke man sie abtheilen will, dieses ist so willkührlich für denjenigen Beherrscher, der es befiehlet, eine Stadt zu bauen und anzulegen, daß es sehr überflüßig und nichts bedeutend seyn würde, hievon etwas anzuführen. Dieses aber darf ich noch wohl erinnern, daß ihrer Natur nach eine Stadt, welche in der Ründe liegt, allem Ansehen nach für die Bewohner bequemer seyn muß, als eine ins Gevierte oder in der Länge erbauete Stadt. Von einem nicht sehr weitläuftigen Umkreise ist die wohl abgetheilte Stadt Neu-Hanau, die französische Neustadt in Cassel, oder die Friedrichsstadt in Hollstein, von einem noch größerem Potsdam und Mannheim, und von einem noch größeren Umfange ist die Dorotheen- oder Neu-Neustadt und Friedrichstadt in Berlin, das Beyspiel. Ich nenne darum diese Städte, weil sie nach den Regeln der Kunst angeleget sind. Wer diese Städte gesehen hat, der wird darinnen bemerket haben, wie schnur gerade und regelmäßig die Hauptstraßen, wie bequem, aber ebenfalls regelmäßig und schnurgerade die Neben-Gassen eingerichtet sind, und wie besonders die ersteren in Mannheim auf öffentliche Marktplätze führen. Ueberhaupt aber ist es eine Regel, daß die Gassen in einer Stadt einem durchgehauenen Thiergarten ähnlich sehen müssen, dessen Hauptwege alle auf einen großen regelmäßigen Mittelplatz zu führen pflegen. Wer auf den Mittelplatz des vortrefflichen Leipziger Rosenthals gewesen ist, und vermutlich nicht ohne Entzückung diesen regelmäßig durchgehauenen Wald betrachtet, und Mannheim besuchet hat, ist von dem, was meiner Idee gleichet, völlig unterrichtet, daß für Juden, wenn sie in einer Stadt geduldet sind, absonderliche Theile derselben bestimmet werden, gebiethet die Klugheit, und kann auch selbst den Israeliten, um manchem Anlauf und Aergerniß zu entgehen, nicht anders als sehr angenehm seyn. In Frankfurt am Mayn, in Prag, Amsterdam und Leipzig, auch zum Theil in Hamburg, hat man dieß beobachtet. Nichts ist billiger, als darüber zu halten, daß die Juden ihren Teil sehr sauber und reinlich halten. Da die Juden, bis auf die zu ihre Vortheile gereichende Handlungen, fast allezeit pflegmatisch oder nachläßig sind; so muß billig sehr strenge darauf gesehen werden, daß sie ihre Gassen täglich reinigen, und insbesondere Eis und Schnee im Winter bey Zeiten, auf eigene Kosten, so oft es die Noth erfordert, wegfahren lassen. Die Benennung der Abtheilung in einer Stadt ist willkührlich; doch pflegt sie nach den Haupt-Gegenständen ihre Beynamen zu erhalten, z. B. in Copenhagen hat man das Strand -, das Kleider Buden-, das Kaufmacher-, das Cristianshafner-, auch das Oster-, Wester- und Norder-, das Rosenburger-Quartier u. s. f. In vielen Teilen der Stadt muß man an den Seiten der Gassen Gegenstände erblicken, die ein Fremder nicht erwartete. Hier an der Seite einen öffentlichen viereckten Platz, wie dergleichen viele in London, als L’Incoln's Inn Fields, St. James Gros venorsquare, Coventgarden, u. s. f. zu sehen sind, und wie in Berlin der schöne viereckte Platz ist, worauf des großen Generals Schwerin Bild-Säule stehet. Dort muß man ein Baßin, oder einen schattigten Spaziergang, wie in Hamburg der Jungfernsteig an der Alster, wie in Potsdam die Esplanade und das Baßin, wie die Esplanade in Cassel, die Plantage in Amsterdam, die Linden-Allee in Berlin, der Hof in Brüssel; - bald aber ein öffentliches Kirchen- oder anderes hervorragendes Stadt-Gebäude antreffen. Dahingegen müssen unangenehme Gegenstände, als abgebrannte Häuser, oder ihre Ueberbleibsel, gleich weggeschaffet und die Plätze gesäubert, und baufällige, vorüberhangende oder sich umbiegende schiefe Häuser entweder bald ausgebessert, oder gar weggeschaffet werden. Kleine Buden und nichtsbedeutende von Leimen aufgeführte Häuser müssen billig so wenig in einer Hauptstraße angetroffen werden, als Lazarette und Armenhäuser. Mistkisten und Sandgruben müssen überall in keiner Stadt anzutreffen seyn. Da es auch die Anmuth einer Stadt sehr vermindert, wenn schöne Plätze mit mancherley Wagen, die entweder mit Unreinigkeiten oder Gütern, oder was es sonst sey, beladen gewesen, besetzet sind; so werden billig in wohleingerichteten Städten absonderliche Plätze angewiesen, wohin die Wagen von jeder Art, wenn sie abgeladen und befreyet geworden, gebracht werden müssen; und zwar solche Plätze, da die Wagen niemand hinderlich sind, oder wo sie öffentlichen Plätzen nicht zur Unzierde gereichen. - In vormaligen Zeiten ward der Umfang einer Stadt recht sehr durch die Manns- und Frauens-Klöster erweitert, jetzo dürften wenige neue Städte dadurch zu einer unmäßigen Größe gelangen.


§. 85. Von Canälen in den Städten

Die Städte, wodurch Canäle von frischem trinkbaren, oder sonst brauchbarem, oder von See- und Wrackwasser fliessen, müssen so rein gehalten, und so wohl mit Quader-Steinen gefüttert werden, oder mit hölzernen Vorsetzen und guten Brüstungen von Eisen, Stein und Holz unterhalten werden, als die Canäle um die Christiansburg in Copenhagen, in Potsdam, in Berlin und Gröningen, und eben so wohl gebauet und mit Farben unterhalten werden, auch müssen die darüber gelegte Zug- oder veste Brücken so, als sie im Haag, Rotterdam und in Hamburg, in Copenhagen, Berlin und Potsdam, über die Canäle, welche die Stadt durchschneiden, anzutreffen sind, eingerichtet werden. Schneiden aber dergleichen Canäle die Stadt durch, als in Hamburg, so müssen derselben Einfassung und Vorsetzen auch mit solchem Fleiß, als in dieser Stadt, durch Fleeten-Anstalten besorget werden. Hiebey aber sind die strengsten Befehle und die größte Wachsamkeit nöthig, daß Niemand, bey Tage oder Nacht, Unflath, Kehricht oder verrecktes Vieh, in Canäle, Graben oder Fleeten werfe. Sollen aber die Einfassungen solcher Canäle die größte Vollkommenheit erreichen, so müßten sie den Spatziergängen an den Canälen in Amsterdam, welche man die Kayser- Prinzen- und Herren-Grachten nennet, gleichen, die, in Betracht ihrer Bepflasterung, ihrer schattigten Bäume, ihrer Einfassungen, mit vielen nach der Landesart schön gebaueten Häusern nicht verbessert werden können. Da aber die Canäle in Amsterdam fast immer einer Cloack ähnlich sehen, und im Sommer den übelsten Geruch von sich geben, weil man alles hinein schüttet, so gibt dieß zu erkennen, wie selten menschliche Anstalten zur Vollkommenheit gelangen. In den Handlungs-Städten sind dergleichen Canäle von unschätzbarem Werth, sie erleichtern die Zu- und Abfuhr der Kaufmanns-Güter, besonders alsdenn, wenn die Vorraths-Häuser, wie in Hamburg, an die Canäle stoßen, und jedermann, ohne Geräusch und Aufsehen, seine Güter aus den Packräumen in die Schiffe und aus den Schiffen in die Vorraths-Häuser bringen kann. Man begreift von selbst, daß durch Anordnungen, welche die Reinlichkeit, Unterhaltung und Sicherheit der Canäle betreffen, solche allererst recht brauchbar fürs gemeine Wesen werden. Wenn an den Seiten der Canäle neben dem Geländer, welches sie einschliesset, häufig Wasser-Pumpen gesetzet werden, so zeiget sich insbesondere derselben Nutzen bey entstandenen Feuersbrünsten. Daß aber Leuchten so häufig, als es geschehen kann, hier angeleget werden, habe ich oben schon erinnert. Damit die Pferde in den Städten zur Tränke geführet werden können, so muß man sichere und bequeme Anstalten zu Pferde-Schwemmen hie und da in den Canälen anzubringen beflissen seyn. Nicht minder müssen bequeme Treppen und Absätze an den Brücken über die Canäle, zum Nutzen der Lebens-Mittel bringenden kleinen Schiffe und der Käufer, angeleget und besorget werden. Aber es müssen auch Warnungspfähle an den Canälen stehen, die jedermann erinnern, sie nicht zu verunreinigen, oder etwas hinein zu schütten.


§. 86. Von Kennzeichen guter Häuser

Billig sollte man die Häuser in den Städten, und insbesondere die öffentlichen Gebäude, nach den kostbaren Ueberbleibseln Griechenlandes und Roms, einrichten, und so pünctlich, als thunlich oder möglich, oder die Beschaffenheit es zulässet, folgen. Von Rechts wegen aber müßte man sich auch mit größtem Eifer bemühen, die Bau-Materialien alt römisch oder tüchtiger auszuwählen und zuzubereiten, als es gewöhnlich zu geschehen pfleget. Ueberhaupt aber erhellet die Güte und Würde der Gebäude einer Stadt aus derselben Vestigkeit, Bequemlichkeit und Schönheit. Die Schönheit der Häuser muß mit ihrer Dauerhaftigkeit und Bequemlichkeit in genauester Verbindung stehen, und der Baumeister muß im Stande seyn, von allem, was er angiebt, Grund anzugeben. Daher nichts läppischer und gothischer erdacht werden kann, als der überflüßige nichts bedeutende Zierath von Laubwerke, von Schnörkel, von Menschen-Gesichtern und nicht aneinanderhängendem Gebälke u. s. f. womit man die Faciaten der Häuser in manchen Städten beklecket. Um allem diesem Uebel, daran oft mehr Verstand als Wille Theil hat, in den Städten abzuhelfen, oder dem Uebelstande geschmackloser Bauherren vorzukommen; so gehöret eine Bauversammlung, welche die Abrisse der Bauenden vorhero, sowol in Betracht des Aeusserlichen als des Inneren, genau untersuche, zur Vollständigkeit einer schönen Stadt. Diese Commißion hat aber ausserdem die Untersuchung der Abrisse der Grundanlage und anderer nothdürftigen Bequemlichkeiten, die Aufmerksamkeit gegen eine gefährliche zur Feuersbrunst leicht Anlaß gebende Bauart, in Betracht der Schornsteine, Camine, Rauchkammern, der Bedeckung der Dächer mit unter den Ziegeln gestecktem Strohbündel oder hölzernen Schindel u. s. f. noch als eine sehr wichtige Beschäftigung, welche ungemein vieles zum Anbau einer Stadt beyträgt: Sie entscheidet brevi manu alle Zwistigkeiten, die zwischen dem Bauherrn und den Bauhandwerksleuten, und zwischen den oft neidischen und unfreundlichen Nachbaren entstehen. Man erkennet aber von selbst, daß in dieser Versammlung Männer sitzen müssen, die gründlich vom Bauwesen unterrichtet sind, die beym Anblick eines Risses die Vestigkeit des Fundaments und der Mauern, die Anlagen der Schornsteine, der Camine, die Höhe der Stockwerke, die Beschaffenheit des Dachs, und alles, was zur Erythmie und Symmetrie gehöret, sogleich einsehen und beurtheilen können. Ich darf meine Leser nur auf die Anfangsgründe der Baukunst unsers Wolffs, auf die vortrefflichen Werke der bürgerlichen Baukunst eines Humbert, Mausards, Palladio, Marot, Blondel, Leblond, Girard, Le Clerc, und unsers Sturms hinweisen, und dieß ersparet mir die Mühe, abzuschreiben, wie ein Haus erbauet seyn muß, wie seine inneren Theile beschaffen seyn müssen, wenn man es schön nennen soll. Wollen aber meine Leser wirklich Häuser dieser Art ausserhalb Welschland in Deutschland und seiner Nachbarschaft betrachten; so wird Wien, Dresden, Berlin und Copenhagen davon einen ziemlichen Vorrath aufweisen, besonders ist diese letzte Stadt zu Zeiten des glorwürdigen Königs Friedrichs V. dafür fast bis zum Erstaunen angefüllet worden. Aber eben die Bau-Commißion muß auch dafür sorgen, daß bey Anlegung der Camine, Schornsteine, und bey Setzung der Oefen die Mauer- und Töpfermeister, wie es in Hamburg verordnet ist, selbst gegenwärtig seyn müssen, um allen gefährlichen und Rauch verursachenden Anlegungen zuvor zu kommen. Auch ist es ihre Sorge, daß jedes Gewerbe in den Theil der Stadt, dahin es gehöret, seine Häuser anlege. Geräusch machende, üblen Geruch verursachende, vielen Dampf und Rauch machende, Feuers-Gefahr drohende Gewerbe, als: Brannteweinbrenner, Talgschmelzer, Schmiede, Töpfer u. s. f. dürften schwerlich zum mittlern und besten Theil der Städte angewiesen werden. In gewissen Städten hatte vor Zeiten jede Profeßion sehr weislich ihre angewiesene Gassen. Daher kommt es, daß man in manchen Städten Schmiede- Pelzer- Gärber- Schlächter- Bürstmacher- Buchbinder- Glockengießer- u. s. f. Gassen findet und nennen höret. Daß aber in den Städten durchaus keine Scheunen und Schweinställe angeleget werden dürfen, siehet ein jeder ein, der mit Ekel wahrnimmt, wie in den kleinern und Land-Städten, wo es nothwendig geduldet werden muß, die Kühe, Schaafe und Ziegen, die von den Weiden in die Ställe getrieben werden, die Gassen und Plätze besudeln, und mit den Bürgern in gleichen Schritten gehen.


§. 87. Von Bau-Anstalten

Es beweiset aber auch noch große Weisheit der Vorsteher der Gesellschaft, wenn diejenigen, die sich der Berurtheilung einer solchen Commißion willig überlassen, die Bau-Materialien, oder das Zeug zu ihrem Gebäude, in einer geprüften guten Beschaffenheit für gemäßigte gute Preise aus den öffentlichen Bau-Magazinen der Stadt erhalten können. In Hamburg ist es eine wohlersonnene Anstalt, daß die in der Stadt Bauende den besten Kalk für ganz gemäßigten Preis von der Kalkbrennerey bekommen können. Hiedurch werden die Bürger abgehalten, zu Ersparung der Kosten, schlechte Mauer-Speise an ihren Gebäuden verarbeiten zu lassen. Auch ist der Befehl in Hamburg löblich, daß Häuser nur mit Eichenholz äusserlich versehen werden dürfen. Auch ertheilt die Stadt Rostock den Bürgern, die Häuser errichten wollen, den Vorzug, daß sie das beste Holzwerk dazu aus einer der Stadt gehörigen ansehnlichen Waldung für einen sehr gemäßigten Preis erhalten können. Noch ganz neulich ließ die Königliche Bau-Commission in Copenhagen einen großen Vorrath Bruchsteine aus Bornholm auf ihre Kosten und Rechnung herbeyführen. Ueberhaupt sorgen diese Bau-Versammlungen für allen Vorrath guter Bau-Materialien zu Erbauung der Gebäude.


§. 88. Von reizender Bauart in den Städten

In den breiten Gassen müssen nach der Regel keine zu niedrige, auch in den engen Gassen keine zu hohe Häuser gebauet werden, man muß auch nicht immer zulassen, daß ein Nachbar seines Nachbarn Haus zum Modell des seinigen erwähle, sondern das Erhabene muß in der Bauart mit dem edlen Einfältigen, das Zarte mit dem Starken, das Zierliche mit dem Prächtigen, das Gewöhnliche mit dem Seltsamen, ohne gar zu gewissenhafte Uebereinstimmung und zu große Einförmigkeit, sowol bey öffentlichen als Privat-Gebäuden, in einer beständigen Abwechselung beobachtet werden. Die Städte aber kommen selten zu hohen Stufen einer architectonischen Schönheit, da die Baumeister sich mit den majestätischen Anordnungen der großen Baumeister voriger Zeiten, Vignola, Palladio, nicht bekannt gemacht haben, und die vortreffliche Simplicität ihrer Meisterstücke und ihre mit kluger Wahl angebrachte Verzierungen ihnen zu altränkisch scheinen, Und wo sie im Neuen, in der Folgsamkeit einer feurigen Einbildungskraft, in einer regullosen Freyheit ihren Vorzug zu behaupten suchen. Berini war ein Baumeister dieser Art, und seine Schüler ahmen sehr oft seinen Eigensinn in Anhäufung der Zierathen mit wenigem Beyfall der Kennner nach. - -


§. 89. Beyspiel einer schönen Bauart

Ich beziehe mich abermals auf Berlin und Potsdam, auf so viele neue prächtige Gebäude, die der jetzige bewundernswürdige König hier in so vielen Gassen, und dort an der Linden-Allee bisher jährlich aus seiner eignen Casse, beydes zur Verschönerung der Städte, als auch zu Herbeyziehung und zum Unterhalt vieler hundert fleißigen Menschen, und zum Vergnügen und Nutzen hat erbauen lassen. Bald sind diese Häuser im ersten Stockwerk auf Rustick-Art gebauet, wenn die übrigen Etagen mit Corinthischen, bald mit Jonischen Pilastern geschmückt sind. Oft sind schon im ersten Stockwerk Jonische, und im zweyten Corinthische Säulen angebracht. Bald siehet man Frontons, woran Guirlanden über die Fenster hängen, bald sind Bildsäulen, bald Vasen oder andere Figuren über die Attica. Oft sind die Dächer mit Docken von Steinen eingefaßt oder umgeben, und deren Zinnen mit Gefäßen und Statuen besetzet. Was jene obengedachte Brandenburger Bauart noch mehr erhebet, ist dieses, daß man bey Anlegung des Grundes, worauf die Häuser stehen, es den Umständen nach nicht an eingerammten Pfählen, oder Rosten und an Bruchstein-Lagen ermangeln läßt. Wenn man aber dergleichen Vorsicht unter getreuer Aufsicht nicht gebrauchet, so kann man leicht erleben, daß ein Haus sehr bald sinket, sich vorne oder hinten überbieget, und indem es schief wird, die ganze Gasse verunzieret. Nicht minder wird dort hart darauf gehalten, daß sogar die Dächer nach der Beschaffenheit des Clima in gehöriger Schräge müssen angeleget werden, auch müssen die Dachrinnen den Regen durch blecherne Röhren, welche hart an den Häusern oder Mauern bevestiget sind, auf die Gassen in die Rinnen leiten. Hingegen werden Trauffen, die im Regen jeden Wanderer begießen und oft die Pferde scheu machen, indem sie mitten auf die Gasse die Regengüsse schütten, auch ausgebauete Erker, als eine Unzierde der Gasse, sowol hier als an vielen andern Orten betrachtet und nicht zugelassen, oder als höchst unanständig abgeschafft. Um aber den Beschädigungen der Dächer vorzukommen, wozu die herumfliegenden Tauben, nachdem sie sich hie und da niedergelassen, sehr behülflich sind, werden in wohleingerichteten Städten gerne die Anstalten eingeführet, daß niemand Taubenschläge anlegen und Tauben halten darf; denn diese Belustigung wird nur höchstens in den Vorstädten gestattet. In Paris, London, Wien, Leipzig u. s. f. findet man im Parterre unter den Häusern fast nichts als Krämer-Gewölbe und Boutiken zu allen ersinnlichen Waaren. Nirgends wird diese Einrichtung so ergötzlich, als in London, wo man, sobald es dunkel geworden, die mit den auserlesensten Lebensmitteln: Pasteten, Wild, Obst, Fleisch u. s. f. auch mit den schönsten Waaren ausgezierte Boutiken und Gewölber mit unzähligen Lampen und Lichtern erleuchtet, und damit bis um Mitternacht fortfähret, weil um diese Zeit Frauens von allen Ständen sich oft eine Lust daraus machen, selbst zum folgenden Tage einzukaufen.


§. 90. Von Uebermahlung der Häuser

Wenn man die Häuser in einer Stadt mit guter Wahl der Farbe und der Erfindungen aus frischem Kalk oder mit Oelfarben überziehet und bemahlet, wenn man sie mit Quadersteinen, mit Säulenwerk u. s. f. auf diese Weise verzieren Iässet, so siehet es nicht übel aus. Wo aber unschickliche Einfälle die Häuser unterscheiden, wo sie nur bunt seyn sollen, oder wo die Facciaten mit Persianischen Riesen, Schreck-Gesichtern, Laub- und Grottenwerk, biblischen Geschichten, Emblematen, und noch wol dazu mit vergänglichen Farben, ohne Bedacht, auf schlecht angeworfenen Kalk bemahlet sind. Wo man den Hausthüren und Fensterschlägen oder Bedeckungen sogar das Ansehen des Marmors gegeben hat, da siehet es eben so erbärmlich aus, als wenn die Häuser mit dunkelgelber anstatt strohgelber Farbe überzogen sind. In Augspurg, in München, Frankfurt am Mayn habe ich oft die Mahlerey an den Häusern sehr reizend, aber auch oft sehr komisch befunden. In den Sächsischen Städten aber findet man die Uebertünchung mit einer hellen gelben, röthlichen, grünlichen Farbe die mehreste Zeit mit gutem Geschmack angebracht.


§. 91. Von Arkaden oder Vorsprung der Häuser

Es gehöret auch zu der Abwechselung einer Bauart, wenn in einer breiten Gasse das unterste Stockwerk einen Säulengang oder Arkade vorstellet, darunter man trocken und im Schatten gehen kann, wie in Bologna und Modena, auch etwa wie in Paris, der untere Theil der Häuser um den Place de Vendome, auch wie die Häuser an der Stechbahn in Berlin, die einen Vortritt unter vielen auf Pfeilern ruhenden Schwibbögen haben, welche die darüber gebaueten Stockwerke unterstützen. Jedoch häufig müssen dergleichen Arkaden nicht angebracht werden, denn sie vermindern das schöne Ansehen der Vorderseite der Häuser. In Gassen helfen sie den untern Theil der Häuser sehr verdunkeln, und die Unsicherheit in den Wintermonaten vermehren. - -
Dahingegen sind Erker, die einer Stadt ein Gothisches Ansehen geben, voraushangende Schilder, vorspringende Wetter-Dächer, oder Gewölbe-Bedeckungen, nach großer Ueberlegung zu gestatten oder zu untersagen. In vielen wohleingerichteten Städten werden sie bey Erbauung neuer Häuser durchaus nicht gestattet; wol aber zierliche Balkons davon ausgenommen, die allerdings oft einem Hause ein anlachendes Ansehen geben. Noch zieret, besonders in Kauf-Städten, die Häuser, wenn der Nahme des Bewohners an einem daran gehefteten Schilde zu lesen ist.


§. 92. Vom Beyspruchs-Rechte bey Verkaufung der Häuser und Bau-Plätze

Es giebt Städte, da der Bewohner eines Hauses das nächste Kaufrecht an einen Bauplatz oder an ein erledigtes Haus hat, welches zunächst an dem seinigen lieget. Wer die Befugniß, von sich einen unangenehmen Nachbar abzuhalten, zur Annehmlichkeit seines Aufenthalts hält, wird diesen Vorzug in einer Stadt sehr hoch schätzen. In Altona wird über dieß Beyspruchs-Recht sehr genau gehalten.


§. 93. Von Baum-Pflanzung in den Gassen

Wenn der Raum hinter den Häusern es erlaubt, Gärten anzulegen, wie in Berlin an den Seiten der Linden-Allee, in Hamburg in der Neustadt, und in Altona an der Palemaille, in Bremen auf der Neustadt u. s. f. so ist dieses für die Einwohner sehr reizend, und vermehret den Werth einer Stadt und der Häuser. Auch wenn zur Abwechselung in einer Stadt eine breite Gasse in einer gewissen Entfernung von den Häusern nach der Schnur Linden, Castanien, auch wol gar Fichten- und Tannenbäume gesetzt werden, so macht dieses kein übles Ansehen, nur müssen die Bäume von den Häusern allezeit so weit entfernet bleiben, daß sie den Dieben und Verliebten nicht zu Erfindungen Anlaß geben, auch die Feuchtigkeit der Regen-Monate den Gebäuden nicht schädlich werden. Ja in Städten, die auf Morästen angeleget werden, dergleichen die mehresten in den Niederlanden sind, befördern gewisse Bäume die Verbesserung der Luft, und aus eben dieser Ursache werden die Gottesäcker so häufig mit Lindenbäumen bepflanzt. (§. 59.) Vielleicht war dieß die Ursache, daß man diese und jene Stadt-Wälle so stark mit Bäumen bepflanzet hat; nur verhindern diese, wenn die Wälle sehr hoch sind, die Vertreibung der Stadt-Dünste.


§. 94. Von öffentlichen Plätzen in den Gassen

Die öffentlichen Plätze einer Stadt gehören bald zu der Stadt wesentlichen Nothwendigkeit, bald allein zur Zierde derselben. Die Kaufmärkte, Allarm- und Parade-Plätze gehören zu jener, und Erlustigungs-Plätze zu dieser Art.


§. 95. Von Hauptmärkten in einer Stadt

Wenn Städte einen engen Bezirk haben, dergestalt, daß die ganze Stadt nur einen Kirchsprengel ausmacht, so wird, wie in Friedrichstadt und in vielen kleinen Städten dieser Art, nur ein öffentlicher Platz oder Markt zum Verkauf der Lebensmittel zureichen; Jedoch dann müssen die Marktplätze für gewisse Lebensmittel, um eine unangenehme Vermischung zu vermeiden, abgesondert den Verkaufenden angewiesen werden.


§. 96. Von Markt-Ordnungen in den Städten

Es müssen also besondere Fleisch-Schränge, besondere Fisch-Tische mit Einfassungen, die Wasser halten können, andere Plätze zu Milch, Obst und Zugemüse geordnet, ja wol absonderliche Bezirke für die Topf-Händler gemacht werden. Auch dürfte es einen Markt nicht verunzieren, wenn die hölzernen Pfähle, oder die Scheide-Steine, welche die Fußwege neben den Häusern von dem großen Markt-Platz unterscheiden, von der Höhe und Breite verfertiget würden, daß auf einen jeden dieser Gränz-Pfähle oder Steine auf den Markt-Tagen ein Verkäufer vom Lande Lebensmittel feil bieten könnte. Welchen schönen Anblick macht es, wenn geräumige, wohlgebauete, reinliche Fleischbänke mit weissen Decken bedecket sind, vor welchen sauber gekleidete Schlachter oder Fleischer wie Opferpriester stehen, und alle Arten frisch abgeschlachteten Viehes feil bieten! Wenn man in dazu erbaueten schattigten Schrangen das hohe und niedere Wild, Hirsche, Rehe, wilde Schweine, Haasen, Fasanen, und Birk- auch Rebhüner im Ueberfluß neben einander zum Verkauf hänget! Oder wenn auf den Fisch-Tischen an den Markt-Tagen mancherley Art lebendige Fische hüpfen, springen oder kriechen! Oder wenn der Obst-Markt, der Blumen- und Gemüse-Markt, mit allen Sorten Obst, mit Pomeranzen und Citronen, Melonen, Pfirschen und anderm Obst, unzähligen Bluhmen-Sträußen Pyramyden von Kohl, Kohlrabi, Augurken, Wurzeln und anderem Gemüse pranget! Wenn hiernächst die Boutiken so wohl geordnet sind, daß sie den Fahrenden und Fußgängern den Raum nicht beengen! Oder kurz, wenn ein Markt so mit Ueberfluß pranget, wie ich in meinen Nachrichten von Hamburgs Annehmlichkeiten vom Hamburgischen Hopfen-Markte, und dennoch sehr unvollkommen, im siebenten Briefe bemerket habe! Aber darauf müssen zur Ehre einer Stadt und ihrer guten Anstalten die Markt-Vöigte sehen, und scharf darüber halten, daß keine verdorbene Waare, altes Fleisch, vielleicht längst gepflückte Hühner, alte todte Fische, unreife Früchte, durch Regen oder anderes Wasser verdünnete Milch, auch keine übelriechende Lebensmittel, kein falsch Maaß und Gewicht weder auf diesen, noch auf andere Märkte gebracht werde; Auch das jeden Abend des Markt-Tages die Märkte von allen Boutiken und von allen Unsauberkeiten gereiniget werden. Daß hingegen ist die Sorge der Policey-Aufseher, daß alle Monate richtige Brodt- und Fleisch-, auch in Städten, wo man die Fische abzuwägen pfleget, Fisch-Taxen aufgezeichnet, und nebst Maaßen und Ellen an verschiedene öffentliche Plätze, besonders an den Rathhäusern angeheftet werden. Wenn die öffentliche Stadt-Waage und eine zuverläßige Wechselbank am Markte anzutreffen ist; Wenn an einer wohlausgesuchten Mauer, oder in der öffentlichen Waage das Regulativ der Elle und Maaß sich befindet; Wenn endlich die Brodt- Fleisch- und andere Preis-Taxen, nebst den deutlich abgedruckten Markt- und Policey-Verordnungen, hier an ein schwarzes Brett in einer mäßigen Erhöhung von der Erde angeheftet worden; so gereichet alles dieses den Anstalten einer Stadt zur Ehre. Nirgends kann bessere Ordnung auf den Märkten herrschen, als auf den Märkten in Straßburg. Zuförderst sind da alle Arten von Lebensmitteln zu bestimmten Plätzen angewiesen; ferner untersuchet ein Brigadier, mit seinen Gassen-Vöigten umgeben, die zu Markt gebrachte Lebensmittel nicht obenhin; sondern läßt sehr oft Körbe und Kasten ausleeren, und ohne Erbarmen durch die Gassen-Vöigte verdorbene unreife Waare vom Markt nehmen, um sie in den Rhein transportiren zu lassen. Rollin berichtet uns im IVten Theile seiner Geschichte: daß Lykurg den Ephoren oder Aufsehern der guten Anstalten in Sparta die größten äusserlichen Vorzüge einräumte, um sie und ihre Verrichtungen dem Pöbel ehrwürdig zu machen. Rom ahmte dieser Weisheit nach, und jedermann weiß, wie glänzend die Aemter eines Censors und Aedils in dieser Stadt waren. Frankreich folgt eben diesen Schritten, und ermuntert dadurch obrigkeitliche Personen, sich keiner öffentlichen Untersuchung zu schämen. Die weisesten Fürsten Deutschlandes unterscheiden die Policey-Aufseher ihrer Residenzen durch glänzende Vorzüge, besonders durch großes Vertrauen. Und wie sehr dürften sich die Unordnungen in den Deutschen Städten vermindern, wenn man dieser Klugheit nachahmte, wenn man durch Erfindungen dieser Art die Ephoren bewegen könnte, selbst sich bis zum Besuchen der Märkte der Becker- und Fleischbänke herabzulassen. - -
Vielleicht verzeihen es meine Leser, daß ich ein Modell einer Markt-Tabelle nach dem Modell des Leipziger sehr vollständigen Intelligenz-Blattes hier anhänge. Billig müßte monatlich eine Anzeige dieser Art jeden Kaufmarkt zieren; jedoch verstehet es sich von selbst, nach einer jeden Stadt Maaß, Gewicht, Vorrath und gewöhnlicher Benennung der Dinge, und Bestimmung ihrer Geld-Preise.

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§. 97. Von Markt-Tagen

In mancher wohleingerichteten Stadt ist in der Woche nur ein einizger, besser aber sind zwey oder drey gewisse Markt-Tage vestgesetzt. Dieses ist absonderlich zur Bequemlichkeit derer geordnet, welche die Lebensmittel von den Ländereyen zur Stadt führen. So wie nun dem Bauer, der durch seine ehrliche Gesichts-Falten leichter, als ein böser Jude betriegen kann, und mit allen Gaben eines Chinesers und schlimmen Juden dennoch reichlich ausgerüstet ist, scharf auf die Finger zu sehen ist; so muß hingegen alles zu derselben guten Aufnahme erleichtert und bestellet werden. Sehr löblich sind die Anstalten, wo sogar die, welche zuerst mit gewissen Lebensmitteln zur Stadt kommen, nicht nur gewisse Zollfreyheit, sondern auch überdieß noch andere kleine Belohnungen, um andere aufzumuntern genießen. Daß gewisse Ausrufer die Lebensmittel, die an den Markt- und andern Tagen zur Stadt kommen, auf allen Ecken der Gassen öffentlich ausrufen, gehöret zu den pflichtmäßigen Policey-Anstalten. Inzwischen ist der Vorkauf der Höcker mit äusserster Strenge billig von jeder redlich-gesinnten Obrigkeit auf den Märkten und vor den Thoren zu verhindern. Denn wenn dieses nicht eifrigst besorget wird, so gestattet man dem Eigennutz, seinen Mitbürgern nach Gefallen zu plündern, und ihn der Wohlthat des Himmels zu berauben. Preiswürdig sind die Städte, darinnen die Vorgesetzten und ihre Unterbedienten und Aufseher so redlich besoldet werden, daß den Bürgern der unselige Gedanke nicht einfallen kann: daß Beschenkungen und Bestechungen der Fleischer, Fischer u. s. f. die genaue Aufsicht auf die Unordnungen auf den Märkten vermindere. - -
In Städten, wo gute Policey herrschet, darf endlich kein Aufkäufer sich blicken lassen, bis der Markt-Aufseher ein gewiß Zeichen gegeben hat, welches bald im Stoße in eine Trompete oder Horn, bald im Aufstecken oder Abnehmen einer Stange oder einer Fahne bestehet. Oft aber geniessen auch Becker und Brauer und andere Profeßionen das Vorkauf-Recht in gewissen Jahrszeiten. Die öffentlichen Jahrmärkte und Messen erfordern eine absonderliche Aufmerksamkeit, sowol in Betracht ihrer Einrichtung, als ihrer anlockenden Vorzüge. In Leipzig, Frankfurt, Braunschweig und Cassel kann man sich davon genau unterrichten lassen. Dieses aber muß ich hier bemerken: daß geräumige Plätze für die Markt-Buden seyn müssen; daß man dazu lieber Märkte als Gassen bestimmet; daß die Boutiken, welche die Stadt unterhält und billig besorget, wie breite Gassen an den Märkten müssen geordnet werden; daß bey Tag und Nacht, so lange der Markt währet, Patrouillen herumgehen, und daß man des Nachts die Boutik-Märkte gut erleuchtet. Wenn Messen und Jahrmärkte gehalten werden, so ist es auch billig, daß täglich einige obrigkeitliche Personen in den Gerichts-Stuben versammelt sind, um kleine Meß- Markt- und andere Handlungs-Streitigkeiten aufs kürzeste zu entscheiden, und gegen entdeckten Betrug mit Maaß u. s. f. Beutel-Schneiderey und andere Wirkungen der begierigen Finger-Inhaftirungen und Anstalten ohne sonderliche Formalitäten zu verfügen. Auch in breiten Alleen lassen sich Boutiken zu Jahrmärkten bauen, wie man in Hamburg am Jungferstieg um Johannis und Martini siehet. Aber hier ist alsdann die Pflicht der Marktschauer, oder Alleen-Wärter, dahin zu sehen, daß beyde Seiten eines solchen Spatzierganges nicht besetzet, oder durch kleine Boutiken und Kram-Waaren beenget werden; oder daß, um einen Gewinn für die Aufseher zu erhaschen, die Bänke der Alleen nicht mit Glas und Bilderwaaren zum Nachtheil der Spatzierenden beleget werden.


§. 98. Von Entfernung des üblen Geruchs von den Märkten

Noch vor wenig Jahren war in Leipzig die weise Anstalt durch die Verfügung oder Besorgung eines berühmten öffentlichen Lehrers, der das Rectorat verwaltete, befördert, daß die, welche mit eingeweichtem übelriechendem Stockfisch handelten, anstatt auf den Markt-Tagen in den Gassen zu sitzen, in der Vorstadt ihre Boutiken zu diesem Handel aufschlagen mußten; und solche Aufmerksamkeit hilft jede Stadt verschönern, und macht den Beförderern bey aufmerksamen Leuten viele Ehre.


§. 99. Von Eintheilung der übrigen Märkte

Ist aber eine Stadt weitläuftig, ist sie in vier oder wol gar in acht Quartiere oder Bezirke eingetheilet; so ist es sehr gut, wenn eine jede besondere Art Lebensmittel ihren absonderlichen Verkaufs-Platz hat. Es ist gut, wenn die Stadt in einer wohlerwählten Abtheilung einen absonderlichen Fleisch- und Viehmarkt, und einen absonderlichen Fisch- Gemüse- und Getreide-Markt hat, ja wenn sogar ein absonderlicher Platz für die Trödler bestimmet ist. Ich vermeyne in Copenhagen auf dem sogenannten Uhlfelds-Platz oder Graubünder-Markt einen solchen Markt bemerket zu haben. Daß aber hier durchaus keine Kleidungsstücke der Besatzungs-Glieder dürfen verhandelt werden, und keine Kleidung, kein Geräthe, welches in verdächtigen Krankheiten Verstorbener getragen, müssen feil gestellet und verkaufet werden, gehöret zur Aufsicht der Policey-Gehülfen. In Hamburg ist ein Pferde- Gänse- Fisch- und Hopfen-Markt. Eine unumgängliche Erforderniß eines ansehnlichen und geräumigen Marktes ist es, solchen in vernünftiger Abtheilung durch Nacht-Laternen auf fein gebildeten Pfählen des Abends zu erleuchten (§. 97.). Man trifft hievon das Modell in Leipzig an. Diese Erleuchtung macht jemand, der sich auch mitten auf dem Markt befindet, kennbar, und befördert die Sicherheit ungemein. Besonderes bewahret sie die Gehenden für Beschädigung an den Pfählen, welche die Nebenwege an den Häusern vom Hauptplatze scheiden. Auch ist es zu Reinigung der Märkte fast unumgänglich nothwendig, daß auf deren Mitte ein Wasser-Behältniß, ein Springbrunnen, oder eine Wasser von sich werfende Bildsäule in ein Baßin mit wohlausgearbeiteten Pfählen eingeschlossen, befindlich sey. Aber auch dieß ist von großer Bedeutung, daß auf jedem Markte etwas von den zur menschlichen Unterhaltung unentbehrlichsten Lebensmitteln an Küchen-Gewächsen, an Obst, Küchen-Kraut, Eyern u. s. f. beständig anzutreffen ist, weil sonst diese Dinge wegen Entfernung der Märkte schwerlich herbeyzuholen seyn würden.


§. 100. Von Auszierung der Märkte

So wie die obengedachte gute Ordnung und Aufsicht der Markt-Vöigte den Märkten zur Zierde gereichet, so macht es dieselbigen noch schöner, wenn sie nach der Schnur regelmäßig figuriret, und etwa also, wie der große Markt in der Stadt Delft, gepflastert sind, und wenn sie also in der Mitte mit Bildsäulen gezieret sind, als der große Königs Markt in Copenhagen, und der Hof- oder Jesuiten-Platz in Wien, oder so schön sind, als der Amsterdammer Stadthaus-Markt, als der Berlinische Gens d`Armes- und der Copenhagener große Königs-Markt, und als die Gröningsche und Leipziger Märkte. Ich glaube, daß wenn um einen großen runden oder viereckten Markt-Platz eine solche gedoppelte Reihe von Lindenbäumen gepflanzet würde, wie man in Hamburg auf dem Fischmarkte siehet, hierdurch zum Theil der Markt gezieret, als auch gegen üblen Geruch manche Lebensmittel bewahret würden. Wenn er aber noch, wie zu London in Commons Garden, für Verkäufer und Spatzirende mit einer Colonade umgeben wäre, oder wenigstens mit einem bedeckten Spatziergange, wie ehedem in Griechenland und Rom, versehen würde, so würde er eine große Verschönerung ausmachen. In Parma vor dem Hause Anzianto ist ein ziemlich geräumiger bedeckter Platz für die Kornhändler zubereitet, die darauf für Sonnenschein und Regen beym Verkauf der Früchte gesichert sind.


§. 101. Von Allarm- und Parade-Plätzen

Die Allarm- oder Parade-Plätze sind in einer wohleingerichteten Stadt von der größten Wichtigkeit, und nie zeiget sich solches deutlicher, als wenn zu Dämpfung der Feuersbrünste und der Empörungen sich die Besatzungs- und Bürger-Compagnien versammeln, auch wenn die Feuer-Sprützen jährlich zu gewissen Zeiten untersucht werden müssen. Von Rechts wegen muß eine jede Hauptmannschaft in ihrem Bezirk oder Quartier einen absonderlichen Platz dazu angewiesen haben, und dieser Platz, wenn er ins Gevierte angeleget, mit Bäumen oder Arkaden umgeben ist, hilft die Schönheit der Stadt sichtbar vermehren. In wohleingerichteten Städten trifft man sowol vor den Thoren in den Vorstädten (§. 44.), als auch innerhalb oft öffentliche Exercir-Plätze an, wo Bürger und Besatzungs-Glieder im Gebrauch der Waffen geübt, und dadurch oft darinnen sehr geschickt gemacht werden. In Hamburg hat man dazu ein Gebäude und einen Exercirmeister. Man nennet hier dies Gebäude das Drillhaus. Man kann sich keine schönere Plätze zur Parade und zu andern nothwendigen Versammlungen verstellen, als den viereckten Platz vor dem Schlosse in Braunschweig, und als den vortrefflichen Dom-Platz in Magdeburg, und den Stadt-Markt in Gröningen. Die Aufseher solcher Plätze würden einer Stadt Schande machen, wenn sie nicht jederzeit dafür sorgen wollten, daß solche von Unrath, Gras und Kraut gesäubert wären.


§. 102. Von Pracht-Plätzen

Zur Verschönerung einer Stadt und zur Ergötzlichkeit der Einwohner gehöret es auch, wenn man solche öffentliche Plätze mit den Bildsäulen der erhabensten Monarchen gezieret, antrifft, als der Platz Friederich des Vten in Copenhagen, der von vier der prächtigsten Palläste eingeschlossen ist, oder als der Siegesplatz Ludewig des XlVten in Paris, oder als die Königliche und der Place de Vendome in eben dieser Stadt, denen es ebenfalls an prächtigen Gebäuden nicht mangelt.


§. 103. Von Ehren-Mälern

Aber auch andere ums gemeine Wesen oder um die menschliche Gesellschaft verdiente Männer sind der Ehre würdig, daß ihr Andenken auf immer erhalten werde. So hat Rotterdam seinem Erasmus, London seinem Händel, Friedrich der Große seinem Cocceji und Schwerin, Leipzig seinem Gellert Ehrenmähler errichtet. Und wer weiß, wie sich die folgenden Zeiten noch befleißigen werden, Nachahmer der Dankbarkeit und des erhabenen Geistes der Griechen und Römer in Deutschen Städten zu werden. Hamburg würden die Bildsäulen eines Fabricius, Wolff, Brockes, Hagedorn, Richey, Reimarus, Telemann und Carpfer gewiß nicht verunzieren. - -
Das sich durch so manche weise Anstalt unterscheidende Alterthum pflegte verdienten Männern in den Kirchen Ehrenmäler zu errichten. London, im Westmünster, Amsterdam, Rostock, Wismar, Lübeck, Hamburg, und viele Städte Deutschlandes zeigen dergleichen in den Gebäuden dieser Art, und nichts ist billiger, als solche reinlich und wohl zu unterhalten. Je bedachtsamer die Plätze zu solchen Monumenten auserwählet werden, je mehr man ihren Umfang zu versichern und reinlich zu halten, und selbst die Ehrenmäler zu beschützen weiß, desto mehr beweiset es Verstand und Aufmerksamkeit. Damit aber diese Zierathen nicht bloß die Luft eitler und stolzer Geschlechter sind; so werden nur sehr verdienten Männern solche von den Aufsehern der Kirche eingeräumet. Wo man dergleichen zu viel gestattet, machen sie einer Kirche ein theatralisches Ansehen. - -


§. 104. Von den Alterthümern in den Städten

Oft sind es verehrungswürdige Alterthümer, die einer Stadt Ansehen und Ruhm machen, wie uns davon Rom und manche Stadt in Frankreich und England überzeuget. Der Löwe auf dem grauen Hofe in Braunschweig, der Roland in Bremen und Halle, der Hansee-Saal in Lübeck, das Geburts-Haus des Erasmus in Rotterdam, das Monument in London, die güldene Bulle in Frankfurt, Luthers Angedenken in Erfurt und Eisleben, des 1341 in Hamburg gestorbenen Pabst Benedictus Leichen-Behältniß im Dom allda, Hugo Grotius Reliquien in Rostock u. s. f. gehören dazu. Die Plätze, worauf solche Alterthümer stehen oder ruhen, müssen wohl erhalten und unterhalten werden. Dergleichen Alterthümer aber, wenn sie in Bildsäulen und Gemählden bestehen, muß kein Einfaltspinsel durch glänzende Auszierung und Uebermahlung unkennbar machen dürfen.


§. 105. Von öffentlichen Bildsäulen und Gemählden

Wenn große Künstler und andere Ehrendenkmäler durch prächtige Bildsäulen und Gemählde in einer Stadt errichten, die oft auf öffentlichen Plätzen, in Kirchen, in Rath- und Zeughäusern, in Börsen und andern öffentlichen Versammlungs-Häusern aufgestellet werden, wie dem Welschland damit angehäufet ist, und Holland, die Niederlande, Frankreich und England beydes in den Haupt- als andern Städten daran keinen Mangel haben. So ist bey diesen Auszierungen ein Grundsatz zu beobachten, der zur Verschönerung einer Stadt kein geringes beträgt, daß nämlich nie von den Aufsehern guter Ordnungen gestattet wird: daß Aergerniß gebende, die Sittsamkeit beleidigende Gemählde oder Bildsäulen aufgestellet werden. Schon Aristoteles im 17 Cap. seiner Politik schärft diese Erinnerung den Vorgesetzten der Städte ein. Plinius, der sonst die Künste so sehr verachtet, spricht dennoch: Fuit Arcellius Romæ celeber, nisi flagitio insigni corripuisset artem. Propertius hält die Vorgesetzten einer Stadt verrückt, die der Schamhaftigkeit Tempel erbauen, und schändliche Bildsäulen auf den Gassen zugestehen können. Endlich spricht der große Seneka im 88 Brief: Non enim adducor, ut in numerum liberalium artium pictores recipiam, non magis quam statuarios aut marmoreos, aut cæteros luxuriæ ministros. Was werden also christliche Regenten nicht thun, um von ihren Städten die Schande der Unsittlichkeit mit ihren Urhebern zu verbannen. -


§. 106. Von Lustplätzen und Spatziergängen

Es ist eine Zierde einer Stadt, wenn zur Belustigung der Einwohner solche Lust-Gefilde darinnen anzutreffen sind, als der Ochsenmarkt in Gröningen, die Plantage in Amsterdam, der Gemsen-Wald in Brüssel, die Esplanade und Aue in Cassel, die Linden-Allee in Berlin, die Paillemaille in Altona, der Jungfernstieg und das Alster-Baßin in Hamburg, und der anmuthige Wald bey Altenburg, die Plantagen in Potsdam, besonders die, welche das Baßin umgiebt. Sehr weise handeln die Vorgesetzten einer Stadt, die jede gute Gelegenheit nutzen, um ihre Stadt zu verschönern. Sehr oft reizen dergleichen vortreffliche Anlagen Fremde, sich solche anmuthige Oerter zum Aufenthalte zu erwählen. Aber es ist auch die Pflicht der Aufseher der guten Ordnungen, Befehle zu ertheilen, daß jedermann sich sittlich in den Spatziergängen betrage, und niemand durch grobe Begegnung, Anlaufen, Anstoßen oder anderweitige Beschimpfung beleidige; Auch hiernächst muß darüber gehalten werden, daß die Geländer, welche solche Plätze nothwendig gegen den Anlauf der Thiere umgeben müssen, wohl erhalten und in Farben bewahret werden; daß man die Spatziergänge jährlich einigemal mit grobem Sande bestreue und sie stampfe; Daß man sie in der Mitte erhöhe, damit kein Wetter-Regen sie alsobald unbrauchbar mache; daß darinnen keine gemeine Weiden- und Pappel- oder ungestalte, sondern hochstämmige Linden- Ypern- und Castanien-Bäume gepflanzet und wohl gepfleget werden; daß man Colonaden mit welschen Hauben bedeckt, gegen plötzliche Regengüsse darinnen errichte; daß man bequeme Bänke darinnen anlege und wohl unterhalte, und daß dergleichen Bänke nicht von Bilder- Olitäten- und Glas-Krämern mit ihrem Vorrath beleget, und der Bequemlichkeit der Spatziergänger entrissen werden (§. 97.); und auch endlich, daß man keine Bettler und krüppelhafte gebrechliche Menschen und Gesindel zum Almosensammeln darinnen zulasse, alles dis sind Anstalten, die jeder wohleingerichtete Spatziergang erfordert.


§. 107. Von den Stadt-Wällen

Nachdem man viele Städte, anstatt der ehemaligen Mauern, mit einem Wall umgeben hat, so wird ein solcher Wall um die Städte beydes gegen den ersten Anlauf, als auch zur Ergötzlichkeit der Einwohner eingerichtet. Da Wälle, die zur Bevestigung einer Stadt dienen, ihr selten solche Zierde machen, als der Fürstenwall in Magdeburg, vielmehr einer Stadt oft den Verlust ihrer Zierden drohen; so rede ich nicht von diesen fürchterlichen Vestungs-Werken; Sondern von Wällen, die man anstatt einer Mauer von ausgegrabener Erde in einer gewissen Erhöhung rings um eine Stadt aufgeworfen hat, und deren unmäßige Höhe das Durchstreichen der Luft in einer Stadt nicht verhindert. Es können zwar dergleichen Wälle nach allen Regeln der Bevestigungskunst angeleget werden; jedoch sind sie wegen Mangel kostbarer Aussenwerke immer sehr davon unterschieden; ihr Endzweck ist nur, den Anlauf abzuhalten. - -
Wenn man also die Berme am Graben eines solchen Walles entweder mit Weidenbäumen zu Faschinen, oder mit Dornenhecken, die fleißig unter der Scheere gehalten werben, gezieret, oder auch wol mit Maulbeer-Bäumen und mit unzähligen Arten zu allen Jahreszeiten grünenden Gesträuchen und Buschwerk zu Spaziergängen besetzet, und gegen alle Gefahr mit dauerhaften Geländern befriedigen, die Gänge aber mit wohlgestampftem grobem Sande bevestigen lassen, etwa so, wie die schattigten Gänge nahe am Hamburgischen Fortifications-Hause, so lässet man auf den Wällen nach der Fortifications-Regel die Brustwehr nur so hoch aufwerfen, daß die Spatzierengehenden alle Gegenstände um die Stadt in Augenschein nehmen können. Ob es ein besseres Ansehen mache, diese Brustwehre mit Brettern, oder Rasen, oder Feldsteinen zu bedecken, mögen Kunsterfahrne entscheiden. Hiernächst wird nahe an der Courtine ein Fußgang in der Breite von etwa sechs Fuß erhöhet, angeleget, und solcher als ein Spatziergang auf dauerhafteste unterhalten. Auf der Terre plaine des Walles nahe am Fußgange pflanzet man in doppelten Reihen gerade und hochstämmige Linden, Castanien und Ypern. In den Bastionen werden an beyden Seiten der Gorge Wachthäuser für die Besatzung, und im Angel zwischen den Flanquen eine Baraque für die Artilieristen, in der Mitte aber eine mit einer welschen Haube bedeckte und inwendig mit Bänken besetzte Colonade für müde oder vom Regen überraschte Spatziergänger angeleget. Sogar die Cavalleries oder Katzen, welche gemeiniglich vor der Bastion pflegen aufgeworfen zu werden, können, wenn sie nicht mit Holländischen Windmühlen besetzt sind, wegen der weiten Aussicht, die man darauf hat, mit Ruhebänken unter einem Zirkel von Castanien-Bäumen, oder von Linden, die wie eine Kuppel zusammengeleitet und beschnitten sind, bepflanzet werden. Wenn etwa acht Bäume, deren jeder 8 bis 10 Fuß von einander entfernet ist, ein solches Rondell ausmachen, so wird er das gehörige Verhältniß haben. Die Gänge, so dahin führen, können wie Schnecken-Gänge eingerichtet und mit Buschwerk eingefasset werden. Der einsichtsvolle Preußische Friederich suchte die Anmuth in dem Thiergarten vor Berlin dadurch noch reizender zu machen, daß er hier in den schönsten Sommertagen durch Hautboisten Musiken veranstaltete. Wenigstens würde eine Verfügung dieser Art des Sonntags bey heiterer Luft auf den erhabensten Plätzen der Wälle deren Anmuth und die Schönheit einer Stadt nicht vermindern. Noch mehr aber erhebt sich diese Schönheit, wenn die Posten auf den Wällen angewiesen sind, vor jedem Vorübergehenden von einigem Ansehen mit scharf schulterndem Gewehr zu stehen, und ihm dadurch Ehre zu erweisen. In Hamburg gereicht diese Veranstaltung zur Ehre der Befehlshaber der Besatzung. Da aber Ehrliebenden oft Kleinigkeiten dieser Art eine Reizung sind und einen Eindruck auf sie machen: warum sollte man mit dergleichen zuvorkommenden Höflichkeits-Bezeigung sparsam seyn? Ueberhaupt muß man (wie wir in der zwoten Abtheilung zeigen werden,) in Städten, die man für Fremde anlockend machen will, mit Leutseligkeit und Herablassung, die der öffentlichen Casse so wenig kosten, nicht an sich halten. Wer es thut, beweiset, daß er nur ein Miethling und kein warmer Patriot sey.


§. 108. Von Anstalten auf den Stadt-Wällen

Aber es ist auch nöthig, sowol, daß Wälle solcher Art, als auch die darauf befindlichen Spatzier- und Fuhrwege nicht minder die Bäume wohl unterhalten, als auch, daß man die Lavetten unter den Canonen, auch die Schilderhäuser und Colonaden mit wohlgewählter Farbe beständig versehen lasse. Endlich muß man nicht gestatten, daß dergleichen schöne und gemeinnützige Anstalten durch muthwillige Buben, oder durch Ziegen und andere Thiere beschädiget und zu Grunde gerichtet, auch daß die Brustwehren nicht bestiegen, und durch Gehen und Laufen beschädiget werden. Auch ist es nöthig, die Bänke auf den Wällen und Spatziergängen da anzuordnen, wo es am schattigsten ist, wo man die beste Aussicht hat, und wo man gegen Regen gesichert wird. Was endlich wegen Wegschaffung der Bettler aus den Spatziergängen bemerket worden, ist auch hier zu erinnern. Ueberhaupt müssen an den Spatziergängen und auf den Wällen Warnungs-Pfähle hin und wieder gesetzet werden, die jedermann bey nahmhafter Strafe die Beschädigung der Gänge und Bäume untersagen, und die es den Bettlern und anderm liederlichen Gesindel bekannt machen, was sie zu erwarten haben, wenn sie sich bey Tage, Abend oder Nacht hier antreffen lassen. Ueber alles dieses, müssen die Allee-Schauer beständig wachen, und dafür sorgen, daß die Uebertreter guter Ordnung behöriges Orts zur Rechenschaft gefordert werden. Die Fahrwege auf den Wällen müssen jährlich mit Steingraus wohl beschüttet, so wie die Spatzierwege mit grobem Sand bedecket und gestampfet werden. Pulver-Behältnisse gehören, wie wir bereits oben bemerket haben, unter die Bastionen in Gewölber, die gegen Bomben durch Bedeckung mit dicken eisernen Stangen gesichert sind. Wo Bäume zu dem Ende auf den Wällen gepflanzet sind, daß ihre Zweige und Aeste zu Faschinen oder sonst zum Vestungsbau jährlich angewendet werden sollen, da ist das Kappen derselben ein nothwendig Uebel. Wo es aber nur die Geschicklichkeit in der Ersparkunst erweisen soll, so wünschten vielleicht alle Schatten-liebende Spatziergänger, daß zwar jährlich dergleichen Bäume gelüftet und unter den Händen eines Verständigen gut unterhalten, nicht aber durch unbarmherziges Kappen ihrer Schönheit auf die beste Zeit beraubet würden. Jedoch die Ersparkunst stehet mit der Verschönerung und Barmherzigkeit selten in genauer Freundschaft. - -


§. 109. Beyspiele schöner Stadt-Wälle

Darf ich einige Wälle von schöner Einrichtung, die sich besonders meiner Aufmerksamkeit erworben haben, nennen, so stehen billig die Wälle von Hamburg und Lübeck oben an, und ich habe derselben Schönheit nach meinem Vermögen in den Nachrichten von Hamburgischen und Lübeckischen Annehmlichkeiten beschrieben. Hiernächst aber verdienen die Wälle um Antwerpen, auch zu Paris, um Zelle und um einen Theil von Braunschweig, auch der Magdeburburger Fürsten-Wall, mit Recht, daß man sie anmuthig nennet. Der Wall um Ruppin, daraus der jetzige König von Preußen, wie er Kronprinz war, eine Eremitage machen ließ, hat mich ehedem nicht minder entzücket. Sehr viele Städte in und ausser Deutschland, und besonders in Holland, auch der Wall um Copenhagen verdienen noch zu obgedachten Spatziergängen gerechnet zu werden. Die Hamburger und Lübecker Wälle haben noch dieses vor jenen voraus, daß jedermann nach seinem Gefallen darauf gehen, reiten und fahren darf.


§. 110. Von öffentlichen Gärten

Ich weiß nicht, ob es nicht beydes zur Verschönerung einer Stadt und zum gemeinen Vortheil gereichte, wenn auf gemeine Kosten, entweder in oder nahe um die Stadt, ein Garten angelegt würde, darinnen jedermann sich zu ergötzen erlaubet, und darinnen gegen alle Beleidigungen, Verletzung und Unordnung Wachen gestellet würden. Warum soll das Garten-Vergnügen die daraus für die Gesundheit entstehende gute Wirkung nicht sowol Geringen als Vornehmen zustehen, da doch wirklich der eine sowol zum gemeinen Unterhalt als der andere das Seinige beyträgt? Warum sollen nicht Mittel besorget werden, die manchen von Anlegung kostbarer Gärten abhalten? - Gewiß, die Gärten der Thuillerie und des Luxenburgischen Pallastes in Paris, in London die bekannten öffentlichen Gärten zu Grays-Inn, Lincoln's-Inn, am Tempel in Dagershall, der Rosenburger Garten in Copenhagen, Monbijou in Berlin, der sogenannte Dehnsche Garten in Braunschweig, der medicinische Garten in Amsterdam und Leiden u. s. f. befördern beydes die Schönheit der Städte, als das Vergnügen der Bürger und Einwohner, und verdienen, wo es geschehen kann, nachgeahmet zu werden. Diese Gärten sind zum Theil sehr geräumig und weitläufig. Ihre hohe schattigte Bäume, ihre Hecken, Espaliers, sind das Vergnügen der Spatzierenden, und ihre Anmuth wird bald durch Wasserkünste, Cascaden, bald durch Berge und Parnassen, bald durch Schneckengänge, durch grüne Schauplätze, bald durch Orangerien, Gewächs-Häuser, Grotten, Treillagen, Garten Saale, Irrgärten, und dann wieder durch Blumen, Lust-Stücke, Terrassen und Colonaden um Wasser-Behältnisse, auch prächtig ausgearbeitet Bildsäulen, Gruppen und Rasen-Stücke noch um ein grosses vermehret. Oft sind gar, wie in Braunschweig, Lustspiele, Carousels, Regelspiele u. s. f. in diesen Gärten angebracht. Die Thuillerie zu Paris, der Rosenburger Garten in Copenhagen, der Au-Garten in Cassel, ragen vor allen Gärten dieser Art hervor. Des Gartens zu Versailles will ich hier nicht gedenken, obgleich Versailles schon zu den Städten von ziemlichen Umfange gehöret. Dieser Garten ist der König aller Gärten in Europa, und besitzet zusammen alle obgepriesene Schätze. Wie sehr aber verschönern diese Gärten ihre Städte nicht! welche Ergötzlichkeit gewähren sie derselben Einwohnern! -


§. 111. Von Spatziergängen auf den Aussenwerken

Es giebt einige schöne Städte, die nicht mit Wällen umgeben sind, und denen es dennoch nicht an mancher Belustigung fehlet, z. B. Berlin, Potsdam, Leipzig, Haag, Altona. Auch hier weiß man die anmuthigsten Spatziergänge zu jedermanns Vergnügen und zur Zierde der Stadt anzulegen. Berlin mit dem hart an das Brandenburger Thor stoßenden Thiergarten, einem durchgehauenen mit prächtigen Bildsäulen und Abwechslungen prangendem Gehölze; Leipzig mit seinen Alleen, giebt davon das bekannteste Zeugniß. Denn unzählig ist die Anzahl der Menschen, welche hier jährlich die Anmuth um Leipzig ergötzet. Und wahrlich! wüßte ich auch nicht, was man sich zum Vergnügen der Einwohner noch Schöneres nahe um eine Stadt gedenken könnte, als den Spatziergang um Leipzig, der bald durch schattigte Linden-Bäume, bald durch an sich ziehende Maulbeer-Bäume, Hecken und Cabinetter, bald durch den Anblick einer schönen Stadt, bald aber alter seltsamer Vestungs-Werke, dann durch das Geräusch der Mühlen in der Pleiße, wiederum durch die mit dem feinsten Geschmack angeordnete Apelsche, Bosische, Richtersche, Wincklersche, Fregersche, Löhrsche Gärten, und endlich durch den Anblick der prächtigsten Gebäude in einer vortrefflichen Vorstadt, jeden Spatziergänger, der menschliche Empfindungen hat, entzücket, und auf den hie und da wohl angebrachten Bänken zu mancher guten Betrachtung Anlaß giebet. Es ist zwar andem, daß ein Theil des Grabens um Leipzig im Sommer diese Anmuth um etwas vermindert; aber wo ist in der Welt etwas vollkommenes anzutreffen? Ich wüßte endlich nicht, warum in vielen Städten, die keine Belagerung fürchten dürfen, nicht die Aussenwerke, oder Glacis, zum Theil nahe an der Contrescarpe mit Bäumen bepflanzet, und nachdem sie diesen äussersten Rand wohl mit Lattenwerk befriediget, zu Spatziergängen für die Einwohner zubereitet werden könnten. Von Anstalten dieser Art ist für mich jederzeit der Fußweg am Graben in Hamburg zwischen dem Deich- und Stein-Thore entzückend gewesen. Die Spatziergänge vor oder um Altona und Potsdam sind in der That königlich schön. Ich rechne hier den Weg nach Sans-Souci und den Spatziergang zum neuen Palais; dort aber die Wege aus der Höhe der Elbe hinter Oevelgönne und Neumühlen. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, daß die Aussicht hier von einer mit Korn-Feldern bedeckten Höhe auf die mit kleinen und großen Schiffen angefüllten Elbe, und jenseits derselben auf die gesegnetesten Inseln, Anger und Fluren, Dörfer und Städtchen, eine der ersten in Europa sey. Gewiß, sie wären eines königlichen Lustschlosses würdig. - -
Eben so gewiß aber ist es, daß sich um Potsdam majestätische Unternehmungen mit allen Regeln der Baukunst, in Anlegung des Gartenwerks, der Spatziergänge, der Anlagen bald prächtiger Gebäude, bald Römischer Alterthümer, Aegyptischer Obelisken, Chinesischer Pagoden, Griechischer Tempel , Babylonischer Pracht-Gebäude, u. s. f. vereiniget haben. Hier ist es, wo man auf einem Platze so viele kunstreiche aus allen Theilen Europens zusammengebrachte Bildsäulen findet, als vielleicht in Provinzen von Welschland kaum angetroffen werden. - Nichts ist betrübter, als wenn ein phlegmatischer, unempfindlicher, oder wol gar ein menschenscheuer National-Character Spatziergänge in und um den Städten von Spatziergängern entblößt, und dadurch die Absichten der sorgfältigen Anleger vereitelt. - Denn nicht nur die vortrefflichen Anlagen, sondern der Zusammenfluß von Menschen machen die vollkommen Verschönerung aus. Haag ist so reich an anmuthigen Spatziergängen, daß es kaum seines Gleichen hat; aber der Mangel an Spatziergängern beweiset es, daß man hier oft nicht Empfindung genug hat, Vorzüge dieser Art zu erkennen. In Berlin ward es ehedem allen, die eigenes Fuhrwerk hielten, vom Hofe anbefohlen, zu gewissen Zeiten um die Linden-Allee Spatzierfahrten anzustellen.


§. 112. Von Erleuchtung der Spatziergänge

Jedermann weiß es, daß in der Jahreszeit, da man annoch der anmuthigsten Witterung genießet, die jedermann zum Lustwandeln aufmuntert, sich dennoch schon dunkele Abendzeiten einstellen. Da nun ungesittete Menschen eben diese Zeit erwarten, um in den öffentlichen Spatziergängen ihren Muthwillen auszuüben; so ist es dahero fast eine Nothwendigkeit, daß diese Ergötzlichkeits-Plätze durch wohlgeordnete Lampen oder Laternen erleuchtet werden, und daß die Aufseher und Gassen-Vöigte um diese Zeit nicht minder, als bey Tage, aufmerksam sind, damit das ungesittete Gesindel in dergleichen Spatziergängen keine muthwillige Streiche ausübe (§. 106.).


§. 113. Von bedeckten Spatziergängen und Reitbahnen

Da das ganze Jahr hindurch sich Tage finden, die den Bürgern und Einwohnern in einer Stadt die so nöthigen Leibesbewegungen in den schattigten Baumgängen nicht gestatten, insbesondere aber die kalten Wintermonate für dergleichen Ergötzlichkeiten nicht gemacht sind; so sind die bedeckten Spatziergänge, oder Colonaden, in einer Stadt von einer fast unumgänglichen Nothwendigkeit. Sie sind eben so wichtig in den Städten, als wohl geordnete Reitbahnen, die dazu dienen, in den Wintermonaten mancher Menschen Gesundheit erhalten zu helfen, und jeder Stadt eine wahre Zierde geben. Wie aber Lustgänge von dieser Art beschaffen seyn müssen, kann man gar leicht aus den Büchern lernen, die uns von den Griechischen und Römischen Alterthümern wörtlich und bildlich davon unterrichten: denn in Griechenland würde man eine Stadt sehr unvollkommen gehalten haben, der es an dergleichen bedeckten Gängen gefehlet hätte. Ich sehe wohl ein, daß auch Städte ohne dergleichen Bewegungs-Oerter gut seyn können, auch gut, sehr gut sind. In meinem Ideal aber ist die Rede vom Besseren, von Verschönerung der Städte. Hamburg, Berlin und London sind das auch nicht jederzeit gewesen, was sie jetzo durch die Weisheit und Sorgfalt ihrer Regenten und Vorgesetzten geworden sind. - -
Die Klostergänge bey allen Klöstern sind ohne Zweifel in dieser weisen Absicht angeleget. Auch die Kaufmanns-Börsen, besonders die, welche ich in London, Rouen, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam, Bremen, Hamburg und Lübeck u. s. f angetroffen habe, sind zu dergleichen Leibesbewegungen über alle Maaßen geschickt. Die Hamburgische Börse stehet jederzeit jedermann dazu offen, und hat noch dazu die Vortheile, daß sie des Abends sehr wohl erleuchtet, und durch eine sehr preiswürdige Verfügung im Winter zum Theil mit Brettern auf dem Fußboden beleget ist. Die Börsen in Rouen, in Bremen und Lübeck sind gegen alle üble Witterung gesicherte Salons, und zur Bewegung sehr bequem eingerichtet. Modelle von Reithäusern trifft man in allen grossen Städten, und besonders in Residenzen und auf hohen Schulen an.


VII.     HAUPTGEBÄUDE IN EINER STADT

§. 114. Einleitung

Man darf eben nicht Welschland sehen, um sich davon zu belehren, wie sehr die öffentlichen Gebäude der neueren Zeiten sich von den Wundergeschöpfen der Jahrhunderte geschmackloser Unwissenheit unterscheiden. Sehr oft trifft man in einer Stadt die ältesten Gothischen, und Gebäude des neuesten Geschmacks als einen seltsamen Contrast an. Die nach Gothischem Geschmack aufgeführten Gebäude sind zwar sehr dreist und vest, aber fast immer unregelmäßig, und ohne Symmetrie und richtige Abtheilung angeordnet. Man bewundert an diesen Maschinen und unförmlichen Klumpen von dicken Mauern, die mit Thürmchen und Erkern besäet und beheftet sind, und daran man nichts als Schnörkel und Krausemünze antrifft, und die fast alle das Ansehen haben, als ob sie nur zur Sicherheit errichtet wären, fast nichts, als die Spuren der Verwegenheit, des Eigensinnes und einer ängstlichen Geduld der Künstler. Dahingegen ist unsere neue Bauart nichts, als Erythmie und Symmetrie, darinnen Weisheit, Schönheit und Stärke herrschet, und darinnen man nach den Regeln billig nichts, als Erhabenheit und regelmäßige Beurtheilung und Abtheilung antreffen soll. Einige der schönsten Städte Europens geben ihren Einwohnern den Unterscheid des alten und neuen Geschmacks sehr deutlich zu erkennen. Man betrachte zum Beyspiel in London die prächtige Pauls-Kirche und halte die Westmünster-Gebäude dagegen; man betrachte in Paris das Louver- und das Invaliden-Gebäude, und erwege dagegen die Cathedral-Kirche und den so genannten Palais; man erwege die Bauart des Amsterdamschen Stadthauses und des Hofes von Holland in Gravenhaag; man halte in Wien die Stephans-Kirche und die Kirche des heil. Caroli Baromäus zusammen; man vereinige in Copenhagen, wenn man kann, die unzähligen öffentlichen Gebäude des neuern Geschmacks mit der Kaufmanns-Börse und des Grafen Steinbocks ehemaligem Hause am Strande; und man wird durch den Unterschied in Erstaunen gesetzt. Wer sich inzwischen diesseits der Alpen von prächtigen durch architectonische Zusammensetzung hervorragenden öffentlichen Gebäuden unterrichten will, der muß die vortrefflichen Europäischen Städte, Petersburg, Stockholm, Warschau, Berlin, Wien, Dresden, Braunschweig, Hannover, Cassel, Manheim, Paris, Copenhagen u. a. m. entweder selbst besuchen, oder sich auch durch getreue Abrisse ihrer prächtigsten Gebäude die nöthige Anweisung ertheilen lassen. Ich darf von Copenhagen nur die Christiansburg, das General-Commissarithaus, den prächtigen Friedrichs-Platz, und die Königin-Straße mit ihren Fürstlichen Pallästen und Gebäuden nennen; und wer diese glänzenden Gebäude und die Anlage zu der neuen von Nordischem Marmor angelegten Friederichs-Kirche in dieser Gegend gesehen hat, wird mir gerne einräumen, daß sich schwerlich eine bessere Copie der prächtigsten Römischen Gebäude, oder bessere Erfindungen der neuen Baukunst gedenken lassen. Ich beziehe mich zu Rechtfertigung meiner Versicherung in Betracht der alten und neuen Gebäude auf die IX. X. XII. XXIII. XXVIII. XLVIII. und LXXIV. Kupferbilder in dem mehr gepriesenen Hafnia hodierna. Siehet man nun noch das Innere der hier eben angeführten Gebäude, wie alles nach dem feinsten Geschmack abgetheilet ist; wie regelmäßig die Communicationen, und wie klug die Degagements in jenen PalIästen angebracht sind; wie alles darin so schmackhaft mit Marmor und Structur-Arbeit verzieret ist; so wird man unterrichtet, wie erhaben und majestätisch der neue Geschmack ist. Turin scheinet jenseit den Alpen die Königin der Städte zu seyn. Die Bauart in dieser Stadt ist, nach des Peter Guarini Abrissen zu urtheilen, bezaubernd. Gassen, wie die Rue de Po 1100 Schritte in einer Schnur lang und 25 breit; Plätze, wie der St. Carl, mit Arkaden von Toscanischen Säulen umgeben; Palläste, deren Faciade entzückend an Erhabenheit und majestätischer Einfalt, deren Vorplätze, auf welchen die Haupt-Treppen sich befinden, mit prächtigen Pilastern unterstützet; Höfe hinter dem Haupt-Eingange, deren Wände bald architectonisch, bald theatralisch bemahlet sind, und aller Vorbeygehenden Augen an sich ziehen können - Oeffentliche Gebäude von unbeschreiblicher Structur und Schönheit zieren Turin; und alles dieses sind die Früchte geschmackvoller Epochen.


§. 115. Von den Nahmen der Hauptgebäude

Die nothwendigsten öffentlichen Gebäude einer wohleingerichteten Stadt sind die Regierungs- und Rathsversammlungs-Häuser, Kirchen, Schulen, Vorrathshäuser, Stadt-Apotheke, Schlachthäuser, Lombart, Waage, Münz- Zoll- und Posthäuser, Waysenhäuser, Hospitäler, Zuchthäuser, und andere dergleichen mehr, deren Benennung man in der Folge antreffen wird.
Ich habe allerdings auch der Schauspiel- Concert- und Tanz-Häuser, der Gesellschafts- Coffee- und öffentlichen Wein-Häuser gedacht, aber sie nicht zur ersten Classe der nothwendigsten Gebäude gerechnet. Daß überhaupt dergleichen Gebäude vor Privat-Gebäuden, in Betracht ihrer Dauerhaftigkeit und ihres guten Ansehens, hervorragen müssen, ist gewiß; und aus den Rechten ist es bekannt, daß, mit billiger Schadloshaltung des Eigenthümers, Privat-Gebäude weggerissen werden können, wenn man der Plätze zu öffentlichen Gebäuden bedarf. Inzwischen werden dennoch jederzeit weise Stadtväter, bey Errichtung öffentlicher Gebäude, ihrer Stadt Bedeutung und Vermögen zu Rathe ziehen: (§. 3.) auch bis auf das Aeusserste den Glimpf versuchen, wenn die Nothwendigkeit neue Anlagen in ihrer Stadt erfordert, dabey der Privat-Gebäude nicht geschonet werden kann. Salus publica suprema lex esto.


§. 116. Von Regierungs- und Rathhäusern

Regierungs- und Rathhäuser müßten billig jederzeit, zur Ehre der Regenten und obrigkeitlichen Personen, ein glänzendes und wohlausgesuchtes Ansehen haben; dabey ich ihren recht sehr dauerhaften Grund und Anlage zum voraus setze. Eben so gerecht wäre es, daß diese Häuser in der Mitte der Stadt, an die ansehnlichsten, prächtigsten, erhabensten und freyesten Plätze erbauet würden; so wie zum Beyspiel das Amsterdammer Rathhaus. Da ich unter Regierungshäusern solche Palläste verstehe, darinnen entweder der Beherrscher der Stadt residiret, oder sein Statthalter wohnet; so kann man leicht ermessen, daß ich hierunter ein sehr vollkommenes Gebäude begehre; ein Gebäude, das zugleich wohnbar, auch mit dem bequemsten und prächtigsten Hausgeräthe, zur Bewirthung Durchlauchtiger Gäste, versehen ist: zugleich aber auch bequeme Gelegenheit zur Versammlung der Regierungs-Mitglieder darbeut, und mit so vieler Aussicht besetzet ist, daß darinnen ohne Bedenklichkeit Urkunden und andere Schätze aufbehalten werden können. Ein geräumiger Platz vor dem Pallast, ein Avant-Cour zur Zierde, zur Parade, zu Karossen. Ein Saal zur Leibwache, unterschiedliche Vorgemächer, Audienz-Zimmer, Cabinetter, Schlaf-Cabinetter und Garderobben, erfordern Palläste dieser Art. Ja wenn sie sich ausnehmen sollen, so sind Erbauungs-Kapellen, Säle zu Bällen und feyerlichen Gastmahlen, Gallerien, und endlich geräumige Gärten, mit Hecken, Bildsäulen, Wasser- und Grottenwerke daran sehr schätzbar. Nie sahe ich bessere Statthalter-Gebäude, darinnen auch Königliche und Fürstliche Herrschaften aufgenommen werden könnten, als in Erfurt, Magdeburg und Stralsund. Die Rathhäuser in den Städten Amsterdam, Antwerpen, Augsburg, Potsdam und Rostock sind innerlich so wohl eingerichtet, und äusserlich so glänzend gebauet, daß man sie wol modellmäßig nennen kann. Das Potsdamsche Rathhaus ist nach dem Amsterdammer gebauet, das Amsterdammer Rathhaus aber ist aus den Beschreibungen fast jedermann bekannt, und von Zesens Nachrichten sind in jedermanns Händen. Das Rostockische Rathhaus, wenn man ihm auch seine alten Wahrzeichen, die sieben Thürmchen gelassen hat, ist eines der regelmäßigsten und schönsten Gebäude in Mecklenburg, und eine wahre Zierde der Stadt Rostock. Es ist nach Welschem Geschmack ausgeführet, mit sieben Bild-Säulen der Tugenden gezieret, und mit Fleisch-Farbe nach guter Wahl überzogen. Es hat oft zu ansehnlichen Landesversammlungen, auch wol zu Redouten gedienet, und ist dazu sehr gut eingerichtet. Es hat aber auch merkliche Fehler, die ich, aus Hochachtung für den Baumeister Voigt, der ehedem mein Lehrer war, jedermann selbst aufzusuchen überlassen will. Die Regierungs-Versammlung Gemächer, sowol in Regierungs- als Rathshäusern, müssen sehr geräumig, und also angeleget seyn, daß den versammelten Gliedern der Aufenthalt in den warmen Tagen durch Sonnenschein nicht unausstehlich gemachet wird. Und eben so bequem und nach den Regeln des guten Geschmacks müssen die nahe mit den Rathsstuben zu vereinigende Conferenz- und Commissions-Stuben seyn, darinnen oft die Unter-Gerichte gehalten werden, angeordnet werden. Sowol in Republiken, als andern Städten, muß billig alles also eingerichtet werden, daß das obrigkeitliche Amt einen Glanz erhält, der ihm die Ehrfurcht seiner Untergebenen erwirbet. Dahero ist nichts billiger, als daß die Rathsversammlungs-Säle mit gutem Geschmack prächtig ausgezieret werden; und Lübeck hat hierzu sehr billig das Geld nicht gesparet. Die Urkunden- und Pfand-Protocollen-Behältnisse, und die Cassen der öffentlichen Einkünfte und niedergesetzten Gelder müssen durch Gewölber, durch eiserne Thüren und gedoppelte Wache beständig gegen Flammen und Raub in größte Sicherheit gesetzt werden. In Lübeck schreibt man die Pfand-Protocolle auf Pergament. Ich halte dafür, daß dieß ein nachnahmungswürdiger Gebrauch ist. Die Vorplätze in den Rathhäusern müssen billig sehr geräumig seyn, so geräumig, als sie in Amsterdam und Leipzig sind. Man tapezirt sie gemeiniglich mit mancherley obrigkeitlichen Befehlen und Verordnungen, die aber alsdann nur der Weisheit der Stadt-Regenten Ehre machen, wenn sie mit Ernst, Nachdruck und Standhaftigkeit ausgeführet werden, und nicht den Maschinen ohne Gewicht und Triebfedern gleich zu achten sind. - -
In der Schweiz sind gewisse bekannte Cantons, darinnen im Jahre zu gewissen bestimmten Tagen die Hausväter nebst ihren Kindern und Gesinde sich entweder in Kirchen oder auf öffentlichen Rathhaus-Plätzen versammlen müssen, um die Vorlesungen der kurzzusammengefaßten Policey-Gesetze anzuhören. Glückseliger Gebrauch, um richterliche Sprüche zu rechtfertigen! Vielleicht werden öffentliche Rathhaus-Plätze nirgend heiliger, als da, angewendet. Ein wohlausgearbeiteter Balcon, oder Austritt, gereichet der Faciade eines Rathhauses zur Zierde; er ist aber auch zugleich bequem, wenn dem Volke gewisse Nachrichten bekannt gemachet werden sollen; auch wenn man die Feyerlichkeit gewisser merkwürdigen Tage durch Musik erhöhen will. Daß aber auch eine prächtige Uhrscheibe und Glockenspiel die Zierde eines solchen Gebäudes ausmachen kann, weiß jeder, der in Rostock und Amsterdam gewesen ist. - -
Die Versammlungs-Häuser der Land- oder Stadt-Stände gehören mit zu den Regierungs-Häusern einer Stadt. Wenn dergleichen Gebäude so prächtig eingerichtet sind, als das Landschafts-Haus in Hannover, so darf man sie ohne allen Zweifel modellmäßig nennen. Nach alter Bauart ist hiezu der Schütting in Bremen ein Ueberbleibsel. Man siehet die Abbildung des ersten Gebäudes auf dem Titulblatte des 3ten Jahrganges der überallgeschätzten Hannöverschen Sammlungen.


§. 117. Vom Aeußerlichen der Kirchen

Die äußerliche Anlage der Kirchen auf den erhabensten Stellen der Städte, ihr felsenmäßiger Grund, tüchtige Mauern, verhältnißmäßige Fenster und Thüren, proportionierte zierliche mit Kupfer bedeckte Dächer, Thürme und Spitzen, prächtige Domen und Kuppeln, und selbst der auf den Spitzen der Thürme angebrachte vergoldete Zierath, Windfahnen u. d. gl. gereichen einer Stadt in der Ferne und in der Nähe zur größten Zierde. Wer die Kuppel der Pauls-Kirche in London, der Invaliden-Kirche in Paris, der neuen Kirche in Dresden, und der Dreyfaltigkeits-Kirche in Berlin gesehen hat; Aber auch wer die nach Babylonischer Bauart aufgeführte Thurm-Spitze der Christianshafener, auch die übrigen prächtigen Thurm-Spitzen in Copenhagen; wer hiernächst den Nicolai- und Catharinen-Thurm in Hamburg, den Jacobi-Thurm in Lübeck, die Doms-Kirche in Hildesheim, und die vortrefflichen Thurm-Spitzen in Amsterdam, Gröningen und Potsdam gesehen hat, wird sehr wenig gegen meine obige Versicherungen einwenden. Man verachtet in unsern erleuchteten Zeiten zwar die Gothische Bauart; dennoch aber sind wir den Gothen unendlichen Dank schuldig, daß sie uns die Bauart der hohen gewölbten auf Pfeilern ruhenden Kirchen ehedem aus dem heißen Spanien zugebracht haben. Ihre Höhe schützet gegen Hitze, und gegen Dünste der in Verwesung gerathenen Leichen. Wenn sie mit so viel Zierlichkeit erbauet sind, als die Dom-Kirche in Magdeburg, als die Marien-Kirchen in Rostock und Lübeck, und als verschiedene Kirchen in Wißmar, Stralsund, Hamburg, Hildesheim, Braunschweig, Halberstadt, Hadersleben u. s. f. so vermindern sie wahrlich nicht die Zierde einer Stadt. Das aber gereichet wirklich einer Stadt zur Zierde, wenn ihre Staatsverfassung es zulässet, daß darinnen die Anzahl der Kirchen durch Duldung mancher Religionsverwandten vermehret wird. London, Amsterdam, Berlin, Dresden und Altona würden ausserdem manches schöne Gebäude vermissen.


§. 118. Vom Inneren der Kirchen

Die äußere und innere Schönheit einer Kirche bestehet darinnen, wenn sie auf einem dauerhaften Grunde in einem trockenen Boden, nach allen Regeln der Baukunst aufgeführet ist, und wenn ihre inneren Theile die gehörige Weite und Höhe haben, also daß es nie an genugsamer Luft, aber gänzlich am Zugwinde fehlet. Die erforderlichen Theile einer Kirche hier weitläufig zu erörtern, gehöret nicht zu meiner Absicht; man muß in den Anleitungen zur Baukunst davon Nachricht suchen. Also muß aber nothwendig eine Kirche eingerichtet seyn, daß es ihr nicht an genugsamen Lichte fehlet, auch daß hiernächst alle Religions-Handlungen und Reden von jedermann deutlich bemerkt und gehöret werden können; und endlich, daß arme und geringe Leute mit den Reichen und Vornehmen gleiche Vortheile und Bequemlichkeiten zu ihrer Erbauung genießen. So wenig als Hunde, Schwalben und Sperlinge in eine Kirche kommen und sie verunreinigen müssen, eben so wenig müßten billig üblen Geruch ausdünstende Todten-Gräber in den Kirchen, als Todtengebein-Häuser auf den Kirchen-Plätzen anzutreffen seyn, wie wir davon in der Dritten Abtheilung ein mehreres reden werden. Gewölber unter den Kirchen anzulegen, wie man in Bremen unter dem Dom antrifft, und wie der Baumeister Sonin in Hamburg unter der Michaelis-Kirche veranstaltet hat, ist zwar dreist und anscheinend; aber ich befürchte, daß alsdann üble Ausdünstungen der Luft den Vorplätzen, wenn sie nicht wenigstens etliche Tage in der Woche gesperret werden, keine Vortheile bringen. - -
Ist aber jener Fehler in einer Stadt unheilbar, so muß wenigstens die Kirche, darinnen man Leichen beerdiget, täglich mit Weyrauch, Myrrhen, oder mit Agt- oder Bernstein, oder mit Wacholderbeeren ausgeräuchert, und im Frühling und Sommer der Fußboden fleißig mit frischem Grase bestreuet werden. Nicht minder erfordert es die Sorgfalt, daß Fenster und Thüren, ausser den gottesdienstlichen Tagen, zur Verbesserung der Luft eröffnet werden, auch daß man die Vorplätze solcher Kirchen häufig mit Lindenbäumen bepflanze (§. 59. 94.) Fast befürchte ich überflüßig zu seyn, wenn ich die öftere Reinigung der Kirchen vom Staub, die öftere Abspülung der Fußböden mit Wasser, oder derselben Besprengung mit Eßig alsdann, wenn Leichen darin beerdiget werden, für preislich und zur Vollständigkeit der Schönheit einer Kirche nothwendig erkläre: denn wer weiß dieses nicht von selbst? - Als Seltsamkeiten will ich noch einige hie und da eingeführte Kirchen-Policeyordnungen anführen; ob sie eine Kirche verschönern oder verunzieren, mögen meine Leser entscheiden. Die Sittsamkeit und äusserliche Ruhe in und um die Kirchen wird hie und da so sehr geschützet, daß Kirchen-Vöigte in den Kirchen und auf den Vorplätzen darüber halten müssen; zu Leipzig werden sogar während der Predigt Ketten über die Gassen gezogen. Bürgerliche Gewerbe in Kirchen zu treiben, Kramläden darinnen aufzuschlagen, verabscheuet man in den mehresten Städten. - -
Mit Fahnen und Kriegsrüstungen werden jetzo nur Besatzungs-Kirchen ausgeschmücket. Das die Andacht störende Allmosen-Sammeln unter dem geistlichen Vortrage ist in vielen Städten gänzlich abgestellt. An den Thüren der Ausgänge stehen die Allmosen-Sammler, die milden Gaben entgegen zu nehmen. Gaukelspiel auf den Orgeln ist in vielen Kirchen gänzlich untersagt. An den Altären wird hie und da aller Vortritt und Rang verabscheuet. - -
Den Predigern ist alles Poltern, Schmähen und Personalisiren u. s. f. hie und da aufs strengste verboten. Ja sogar ist es in der Rendsburger Kirchen-Policeyordnung ausdrücklich befohlen, daß die geistlichen Lehrer, um Schwangeren und kränklichen Personen nicht beschwerlich zu seyn, ihre Vorträge und Fürbitten u. s. f. zusammen nicht über eine Stunde ausdehnen sollen u. s. w.


§. 119. Von den glänzenden Schönheiten einer Kirche

Wenn ein geistlicher Lehrer, der beydes sowol durch seine Reden als durch seine sittliche Ausführung prediget, der die Gabe der Deutlichkeit hat, und dessen eigenes Gefühl des Vortrages mehr, als mechanische Künsteley, aus seinen geistlichen Reden hervorleuchten, auch ohne Predigtstuhl die getreuen Warnungen und süssen Verheißungen der Religion bekannt machte und verkündigte, und sich bis zu der über alle Vorträge wirksamen Kinderlehre herabliesse; so würde sein Vortrag, seine Beschäftigung der Andacht beliebt seyn. Noch hervorragender aber ist es, wenn Männer dieser Art auf Predigtstühlen, an Taufsteinen und Altären ihr Amt verrichten, die nach einem feinen Geschmack verfertiget sind, und wenn vollständige und wohleingerichtete Orgeln durch sanfte Musik die Andacht der Gemeine befördern helfen. Ob aber Beichtstühle zu der Zierde einer Kirche gehören, will ich nicht bestimmen, damit ich denen von unsern geistlichen Lehrern nicht ärgerlich werde, die Beichtgelder für Sauerteig des Aberglaubens öffentlich erklären; und damit ich die Gebräuche in Amsterdam und in vielen andern Staaten und Städten nicht zu verachten scheine, nach welchen man ohne Beichtstühle den Bußfertigen die göttliche Vergebung öffentlich versichert. Wenn es den Beherrschern der Städte gefällt, ihre Mausoläen oder Begräbnisse in den Kirchen anzuordnen; so erhebet derselben Pracht und Einrichtung oft das Innere einer Kirche. Die Potsdammer Garnison-Kirche zeiget davon. Fenelon, der große geistliche Lehrer und Weltweise, will, daß man Gold, Silber und Purpur weniger zur Pracht und Eitelkeit der Menschen, als zur Ehre der Gottheit in den Tempeln verwende; und der aufmerksame und getreue Verfasser der historisch-kritischen Nachrichten von Italien, D. Volkmann, schreibet: daß der äusserliche Anblick des Gottesdienstes in Italien so prächtig und feyerlich scheine, daß er die Seele gleichsam zu Gott erhebt, und daß man das vollkommenste aus allen Theilen der Welt hervor gesucht habe, um damit den Tempel vor allen Gebäuden dadurch ein majestätisches Ansehen zu geben. Daß inzwischen aber auch Bethhäuser ohne Pracht nach seinem Geschmack die Zierde der Religion und der Städte sind, wenn nur der kirchliche Gottesdienst mit Weisheit zur Beförderung der Erbauung eingerichtet ist, davon geben viele Kirchen der Reformirten ein unwidersprechliches Zeugniß. Auch trifft man dergleichen Ueberzeugung in der Pesthofs-Kirche vor Hamburg an, welche unter der Anordnung des Baumeisters Kopp in allem Betracht fein und modellmäßig eingerichtet ist. Diese Kirche hat alles Reizende, Bequeme und Vortheilhafte; sie ist nur weiß bemahlet, auch nur lediglich der Altar, daran der Predigtstuhl angebracht ist, hat einige Zierathen. Auch in Copenhagen ist die unter Aufsicht des verdienten geistlichen Lehrers Lork auf Christianshafen eingerichtete neue Kirche ohne alle glänzende Zierathen von der vortrefflichsten Anordnung und Bequemlichkeit. - -
Das aber scheinet mir eine wesentliche Erforderniß einer Kirche zu seyn, daß man für die Beherrscher und Vorgesetzten einer Stadt und der Kirchen absonderliche Plätze mit äusserlichen glänzenden Unterscheidungszeichen veranstalte, damit auch dieses dem Volke Eindruck zur Ehrfurcht einflöße, das sich so sehr durch die Sinne lenken läßt. Der alte levitische Gottesdienst war nach diesen Grundsätzen sehr weislich eingerichtet. Es ist keine übertriebene Liebe zu meiner Vaterstadt, wenn ich erkläre, daß ich in diesem Stücke nirgends bessere Verfügungen, als in Rostock, gesehen habe. Hier ist in der Haupt- oder Marien-Kirche, eines wahrlich majestätischen Gebäudes des Alterthums, der Landes-Herrschaft zu Ehren, ein mit vieler Pracht ausgeführter Kirchensitz errichtet, auch sind für das erste und folgende Glieder des Magistrats Plätze und Gestühlte angeordnet. Der glorwürdigste Herzog, Christian Ludwig, hatte sich, durch ausnehmend väterliche Liebe und Leutseligkeit, die Herzen der Rostocker so eigenthümlich gemacht, daß sie ihn fast anbeteten: und um diese Lust der Menschen zu vergnügen, ersparte die Kirche keine Kosten, durch den französischen Baumeister, Leger, diesen sehr prächtigen Fürstensitz nach feinstem Geschmack erbauen zu lassen.


§. 120. Von der Zierde um den Kirchen

Wenn ich hier der Zierde um die Kirchen gedenke, so verstehe ich darunter nicht nur große, geräumige, wohlgeebnete und gepflasterte Vorplätze, Plätze worauf die Fuß- und Fahrwege durch Pfähle oder Steine abgesondert sind, und darauf den Gassenbuben nimmer zugelassen wird, Muthwillen zu treiben, und sie zu besudeln, sondern auch zierliche Mauern und Pforten, sie gegen verunreinigende Thiere, Schweine, Gänse u. s. f. zu beschützen. Endlich aber verstehe ich noch darunter insbesondere wohleingerichtete Prediger- und Prediger-Wittwen-Häuser. Merkmahle, daß man in einer Stadt die Religion hochschätze, sind wahrhaft Zierde einer Stadt; denn, sie flößen jedermann Hoffnung ein, daß viele Treue und andere Tugenden anzutreffen sind, wo man die Gottheit ehret. Die Hochschätzung für Religion legt sich aber auch unter andern dadurch zu Tage, wenn man, mit einer Wärme des Herzens, für die gute Bequemlichkeit der dem Staat so wichtigen Lehrer der Religion und ihrer Angehörigen sorget. - -
Billig müssen die Prediger-Häuser von keinen Geräusch machenden Gewerben umgeben seyn. Billig müßten Prediger-Häuser gegen den Anlauf der Bettler durch Vorhöfe gesichert werden. Billig müßten sie endlich, zur Erquickung ihrer Bewohner, mit Gärten versehen seyn, wenn Raum und die Beschaffenheit einer Stadt es gestattet. Rostock, auch Hamburg, zeigen sich auch hier bey manchen Kirchen von einer glänzenden Seite. Zu Potsdam sind die Prediger-Häuser der Nicolai-Kirche sogar nach dem Muster des Pallastes des Cardinals Quirini in Rom ausgeführet.


§. 121. Von Schul-Gebäuden

Es würde in einer Stadt sehr mißlich, in Betracht der Sittlichkeit und der Erkenntnisse ihrer Bürger und Einwohner, aussehen, wenn nicht Erziehung und Erlernung der Wissenschaften aus rohen, harten, unhöflichen, raubbegierigen und widersetzlichen Menschen, polirte, empfindsame, höfliche, enthaltsame und folgsame Glieder der Gesellschaft umgeschaffen hätte. Wer will also in Abrede seyn, daß weise Schul-Anstalten in einer Stadt von der größten Erheblichkeit sind? Ich würde meinen Kreis überschreiten, wenn ich hier von der innerlichen politischen Einrichtung einer Schule reden wollte: denn diese Anstalten gehören zu der Art Zierde einer Stadt, die in gegenwärtiger Abhandlung zu erörtern mein Zweck nicht erfordert. Jedermann weiß überdieß, daß Sorgfalt für gute Schul-Anstalten, bey getreuen und einsichtsvollen Vorstehern der Gesellschaft, den ersten Platz einnimmt, auch daß diese Sorgfalt durch Treue, Ehrfurcht und Folgsamkeit der anwachsenden Bürger reichlich belohnet wird. Und wo die Anstalten und Einkünfte einer Stadt auch nur mäßig sind, da wird dennoch von den Vorgesetzten derselben mit äusserster Bemühung dafür gesorget, daß die Wahl der Schullehrer nicht allein auf gottesfürchtige und wohlgesittete, oder in der feinern Lebensart der Welt wohl unterrichtete, sondern auch auf solche Männer falle, deren glückliche Vermischung von Leutseligkeit und Ernst, und deren Gabe der Geduld, Herablassung und Deutlichkeit, sie zu dieser über alles verehrungswürdigen Amtsführung geschickt machet, und deren Trieb, das Schullehrer-Amt zu suchen, sich mehr auf preiswürdigen Enthusiasmus, als auf Kummer, gegründet hat. Meine Sache ist nur, hier mit Wenigem der billigen Beschaffenheit der öffentlichen Schul-Gebäude in einer Stadt zu gedenken. Oeffentliche Schul-Gebäude müssen also zur Gesundheit auf einem erhabenen und trockenen Theil der Stadt, und, zu Abhaltung einer strengen Kälte und Hitze, mit dicken Mauren aufgeführet werden. Billig muß ihre Lage in der Mitte der Stadt seyn, damit ein langer Weg den Schülern nicht unbequem wird: dennoch aber müssen die Lehrsääle also angeleget werden, daß kein äusserliches Geräusch auf den Gassen Lehrer und Schüler irre machen kann. Die Lehrsääle müssen billig geräumig und hoch eingerichtet, und durch genugsame Fenster erhellet werden. Man pflegt die Brüstungen dieser Fenster wol etwas höher, als gewöhnlich, anzulegen, damit nichts die Jugend von der Aufmerksamkeit abhalte. Daß dergleichen Fenster hie und da mit Ventilatoren versehen sind; daß die Oefen und Camine in dergleichen Säälen also eingerichtet werden, daß sie die gehörige Wärme schaffen, ist eine Sache, die sich von selbst verstehet. In Betracht des empfindlichen Sonnenscheins in den Sommer-Monaten würde die Lage der Lehrsääle gegen Norden sowol den Lehrern als Schülern zu statten kommen. Wie dieß aber auch sey, so erfordert es die Sorgfalt für die Gesundheit, daß für die Reinigung und Lüftung dieser Lehrsääle ohn Unterlaß gesorget werde. Den Nutzen davon werden wir in der dritten Abtheilung erörtern. In England habe ich Schul-Gebäude angetroffen, in deren Lehrsäälen die Bänke und Tische der Schüler mit einiger Erhöhung in Halbzirkeln, als ein Amphitheater, eingerichtet geworden; und zwar also, daß der Aufmerksamkeit des Lehrers keine Handlung der Schüler verborgen bleiben kann. Ob dieser Gebrauch unsern Schul-Anstalten angemessen sey, kann ich nicht entscheiden. Da die Wissenschaften Heiligthümer sind, die nur edlen Seelen mitgetheilet werden; so werden die, welche sich dieses Genusses unwürdig machen, billig von der Gesellschaft ausgeschlossen, nicht aber in Gefängnisse eingesperret: daher sind diese in Schulen, die keine Zuchthäuser seyn sollen, kaum mehr anzutreffen. - -
Billig müßten um öffentliche Schulen geräumige Plätze und bedeckte Gänge zur Leibes-Bewegung und Ergötzlichkeit der Jünglinge seyn. Auch dürften Reitbahnen, Tanzsääle und Fechtböden, die nach den Regeln der Baukunst eingerichtet worden, die Schul-Anstalten nicht verunzieren. Selten sind öffentliche Schulen von einiger Bedeutung, darinnen nicht zugleich Anweisung zur Musik und zur Zeichenkunst ertheilt wird. Auch die dazu bestimmten Sääle müssen von einer vollkommenen Bauart seyn, und billig jedermann so wol zum Unterricht, als zur Bemerkung des Fleisses der Schüler offen stehen. Diese löblichen Anstalten der Akademien habe ich in Paris, Copenhagen, Antwerpen und Leipzig, und in noch viel andern berühmten Städten, nicht ohne Entzückung angesehen: und allenthalben haben mich die Lehrer und Vorgesetzten dieser Anstalten versichert, daß die Hoffnung der Ehren-Belohnungen von oft sehr geringschätzigem Wehrt, der einzige Sporn des Fleisses ihrer Akademisten wäre. Was kömmt aber der Aufmunterung gleich, wenn die holdseligste Kayserin-Königin, die Lust nicht allein ihrer Unterthanen, sondern aller Menschen, die unvergleichliche Maria Theresia, sich herablässet, zu Schönbrunn die von ihrem erhabensten Geist angeordnete und eingerichteten Schulen selbst mit Ihrer allerhöchsten Gegenwart zu beglücken, den Fleiß da zu belohnen, und die Talente der Deutschen aufzufordern. Da die öffentlichen Reden und Vorstellungen der Jünglinge von ausserordentlicher guten Wirkung auf eine wohlanständige Dreistigkeit in künftigen öffentlichen Vorträgen sind; so werden dahero wohleingerichtete Schul-Gebäude, wenn es möglich ist, mit geräumigen Hörsäälen versehen. Gleich wie nun auf hohen Schulen diese fast jederzeit also eingerichtet werden, damit jedermann darinnen nach seinem Stande und Bedeutung den gehörigen Platz einnehmen könne, wie dazu die Sorbonne in Paris im Großen ein vortreffliches Modell ist; so muß gleichergestalt auch ein Hörsaal bey niedern Schulen mit dieser wohlanständigen Einrichtung angeleget werden, wenn die Aufseher öffentlicher Anstalten für weise Männer gelten wollen. Aber endlich ist es auch nothwendig, daß die Wohnungen der öffentlichen Schullehrer nicht weit von den öffentlichen Schulen entfernet und also eingerichtet sind, daß man daraus bemerket, wie viele Achtung die Vorsteher des gemeinen Wesens für Männer haben, welche in meinen Augen die wichtigsten und würdigsten Glieder der bürgerlichen Gesellschaft sind.


§. 122. Von Kindererziehungs-Anstalten

Wenn eine gute Erziehung, die in Einflößung der besten sittlichen Grundsätze in Anleitung zur kindlichen Gottesfurcht und zu Bezwingung übler Leidenschaften, in Aufmunterung zur Höflichkeit und Demuth, in Anhaltung zur Arbeitsamkeit und Reinlichkeit bestehet, ohne Widerrede würdige Glieder der Gesellschaft bildet; So möchte man wol zur Glückseligkeit der Staaten und Städte allen zarten und anwachsenden Mitgliedern vortheilhafte Anleitung und Erziehung wünschen. Da nun aber dergleichen Anweisung und Unterricht Lehrer und Aufseher erfordern, welche die Kunst verstehen, bald durch weise Lehren, bald durch eigene Beyspiele die Herzen der zarten Jugend zu bilden, und diese Geschicklichkeit so selten in den bürgerlichen Häusern, und fast gar nicht unter den geringen Menschen angetroffen wird; so entstehet daher das unglückliche Schicksal, daß in der bürgerlichen Gesellschaft, besonders in den untersten Classen, ein großer Haufen Kinder so übel gerathen, und also zu verwildern pflegen, daß man, ausser dem menschlichen Angesichte, sehr wenig Menschliches an ihnen und in ihren Gesinnungen und Beschäftigungen antrifft. Wie sehr machen sich dann nicht edle Seelen um die Menschheit und um die Gesellschaft verdient, wenn sie ihre Sorgfalt und Vermögen dazu anwenden, für Kinder jeder Art in einer Stadt Erziehungs-Anstalten zu befördern! Wahrlich, sie befördern dadurch die sittliche und sichtbare Schönheit einer Stadt dergestalt, das diesseits des Grabes keine Belohnung zureicht, ihren Patriotismus zu vergelten. Erziehungs-Häuser, die etwas bedeuten sollen, erfordern bey ihrer Anlage einen gesunden geräumigen Platz und solche Anstalten, daß jeder Pensionair in einem absonderlichen Bette schläfet, jedoch nicht von der Aufsicht der Aufseher entfernte wird. Die innere Einrichtung erfordert zwey wesentliche Stücke. Zuförderst eine Anlage, dabey nicht Gewinn und Erwerb das Augenmerk ist, sondern die Wärme der Herzen aus reiner uneigennütziger Menschenliebe diese wahre Beförderung der bürgerlichen Glückseligkeit veranstaltet. Endlich aber so erfordert die Unternehmung sehr seltene Lehrer, das ist, solche, die von einem gewissen Enthusiasmus belebet, aus Liebe und Trieben, dazu Noth und Gewinnsucht nicht die Quellen sind, auch ohne Begierde höherer Beförderung, die Auferziehung der jungen Pflanzen begehren. - Der unermüdete Basedow scheinet diese vortreffliche Anstalt in Dessau befördern zu wollen. Die Vorsehung beglücke jede gute Absicht warmer Herzen. - In Dresden, in der Hauptstadt der feinen Sitten Deutschlandes, scheinet die Vorsehung selbst diese gute Anstalt angelegt, und dazu den Unterhalt beschleuniget und die Lehrer und Aufseher berufen, und das edle Unternehmen der drey Freymaurer-Logen in Dresden, Leipzig und Görlitz gesegnet und unterstütztet zu haben. Zu unsern Zeiten, fast in Jahres Frist, 17000 Rthlr. zu bringen, um damit wohl zu thun, das ist Gottes Finger. Aber nachdem so viele tausend Menschen in der Hungersnoth 1771 und 1772 damit erquicket worden, zum Preise Gottes, und zur Ehre so vieler Wohlthäter in und ausser den Logen, den Rest zu einem Erziehungs-Hause für arme Kinder anzuwenden, macht der Arbeit der Freymaurer eben so viele Ehre, als vor Zeiten die Anlegung des Fündlingshauses ihr in Stockholm machte. Dreißig arme Kinder werden jetzo in dem geräumigen Erziehungs-Hause in Dresden unentgeldlich unterhalten und damit aller Welt die Uneigennützigkeit dieser Anstalt ins Auge leuchte, so wird, ausser 6 Rthlr. Eintrittsgeld, jedes Kind unbemittelter Eltern monathlich für 2 und einen halben Rthlr. darinnen unterhalten, und nach den Grundsätzen der Religion und der jetzigen gesitteten Welt, ohne Verzärtlung und ohne alle Strenge und Härte erzogen. Der Himmel erhalte und segne dieß Werk seiner Ehre!


§. 123. Von öffentlichen Bücher-Sälen und Sternwarten

Einer vollständigen Stadt muß es billig beydes zur Zierde als zu Vermehrung der Erkenntnisse nicht an einer öffentlichen Bibliothek, an einer ansehnlichen Sammlung von natürlichen und künstlichen Seltenheiten, und an einem erhabenen hervorragenden zu manchen Beobachtungen der Himmelskörper eingerichteten Gebäude, oder an einer Sternwarte fehlen. Die Büchervorraths-Säle und die Kunstkammern sind Schulen, darinnen uns todte Lehrer unterrichten: und darum habe ich die Anzeige ihrer Nothwendigkeit zur Verschönerung einer schönen Stadt unter einer Aufschrift vereiniget, und verbinde sie billig mit den öffentlichen Schul-Anstalten. Im Betracht der Bauart und Einrichtung, ja selbst in Erwegung ihrer Aufseher, müssen beyde Anstalten fast auf gleiche Weise besorget werden. Ein Bibliothecarius und Kunstverwalter, der seinem Posten und seinen Beförderern Ehre machen soll, muß, wie ein jeder selbst begreifft, eine über alle Maaßen ausgebreitete Erkenntniß in todten und lebendigen Sprachen, und fast in allen Theilen der Wissenschaften und Künste besitzen; oder jeder Besuch kann von ihm ein beschämendes Bekenntnis seiner Unwissenheit erzwingen. Ein unordentlicher, mürrischer, träger, unverständlicher und gewinnsüchtiger Kunstverwalter vermehret auch eben so wenig die Schönheit einer reichen Kunstkammer, als ein Bibliothecarius von dieser Beschaffenheit ein wohlerwählter Aufseher eines Bücher-Schatzes ist. Sogar zu den Gehülfen dieser Männer, welche die Wißbegierde der Besuchenden befriedigen helfen sollen, und die auf alles und jedes auf Bücher- und Naturalien-Sälen genau Acht zu geben haben, müssen Leute von sich unterscheidender Geduld und Bescheidenheit seyn. Nicht übel passen sich dazu Leute, die in der Buchbinder- und Kunstdrechsler-Kunst erfahren sind. Die Beobachtungen bey Anlegungen der Bibliotheken und Kunstkammern sind endlich fast auch einerley. Denn beyde öffentliche Gebäude müssen auf einem freyen offenen und sehr trockenen Platz angeleget werden. Ich habe dahero nirgends, als in Wolffenbüttel und Copenhagen, die Bücher-Säle, und das grüne Gewölbe in Dresden, nur wenig über dem Erdboden erhaben angetroffen. Inwendig müssen beyderley Gebäude gegen Feuchtigkeit, Staub, Motten, Ratten und Mäuse mit äußerstem Fleiße bewahret werden. Dieß ist eine mit von den Ursachen, warum die Mauern solcher Häuser mit Kalk ausgemauert werden, den man mit Mehl von zerstoßenen Sandsteinen vermenget: auch darum werden die Fußböden mit zusammengekütteten Steinen oder Marmor beleget, und die Wände darinnen mit feinstem Gips überzogen, und die Decken mit Sotiti oder Spiegel-Decken, oder als Platfonds angeordnet.
Die Bücher und Raritäten müssen endlich mit gleicher Klugheit aufgestellet werden. Ein jedes Buch und eine jede Seltenheit müssen nur in ihrem gehörigen Fache und Reiche angetroffen werden. Die Bücher sollten billig nur so hoch aufgestellet seyn, daß zur Noth jedermann derselben Aufschrift und Nummer erkennen könnte. Daher trifft man in den größten Bibliotheken, wie zum Beyspiel in Kayserlichen zu Wien, in der Königlichen Copenhagen, und wo mir recht ist, auch im Panteon zu Wolfenbüttel, Chöre, Auftritte oder Gallerien an. Doch ist es keine wesentliche Erforderniß, und Göttingen, Leipzig, Hamburg und Strasund u. s. f. hat ohnedies schöne Bücher-Säle. In den Kunstkammern werden daher die größten Seltenheiten oben, und die kleineren unten rangiret. So viel aber bleibt nothwendig, daß so wenig aus den öffentlichen Bibliotheken, als Kunstkammern, nachdem die sonst beständig mit dunklen Decken behängten Fenster eröffnet sind, es nicht an genugsamen Lichte fehlen muß. Ein gedrucktes Verzeichnis der Schätze in beyden Vorrathshäusern, mit einer Anzeige der Nummern auf den Büchern und Seltenheiten, dazu nach Beschaffenheit des Anwachses beyder Teile Supplemente kommen könnten, erhebet die Schätzbarkeit einer Bücher- und Raritäts-Sammlung. Der Nutzen aus solchen Verzeichnissen müßte aber billig ihren Aufsehern zufließen, und er kann nicht geringe seyn, weil jeder Neubegierige diesen Catalogus nothwendig haben muß. - -
Ein Verzeichniß dieser Art, wie ich vor Zeiten zu Dresden beym grünen Gewölbe angetroffen habe, giebt den Wißbegierigen zum voraus zu erkennen, was sie vorfinden werden; den Aufsehern aber vermindert es sehr viele Mühe, weil auch ihre Gehülfen vermittelst der Nummer einen Besuchenden vergnügen können. Ein öffentlicher Bücher-Saal hat viele kleine Tische, Schreibpulte und Stühle zum notwendigen Hausgeräthe vonnöthen; auch muß es da nicht an Papier, Tinte und Federn fehlen. Zwey Erfordernisse hat noch eine Bibliothek. Zuförderst, daß man nie nach einem Buche, welches im Catalogus verzeichnet stehet, vergeblich frage, so muß keines der Bibliothek-Bücher mit oder ohne Bürgschaft an jemand vom Bücher-Saale geliehen werden; und endlich muß ein öffentlicher Bücher-Saal im Sommer nicht Nachmittags, sondern des Vormittags früher, und im Winter später, zwey oder drey Tage in der Woche, zwey oder drey Stunden jedesmal eröffnet stehen. Alles, was ich von Bücher-Sälen und Kunstkammern bisher gesaget habe, sind keine Chimären, sondern es sind wirkliche Beobachtungen aus dergleichen Vorraths-Sälen und Cabinetten, die ich vorzüglich in Copenhagen, London, Paris, Wolffenbüttel, Wien, Göttingen, Cassel, Braunschweig, Dresden und Leipzig, und in vielen andern berühmten Städten unsers Vaterlandes angetroffen habe, davon jedoch die Kayserliche Bibliothek in Wien, der Panteon in Wolfenbüttel, die Herzogliche Bibliothek in Weimar, und die Königliche Bibliothek in Copenhagen, unter den Kunstkammern aber die Copenhagener Kunstkammer, das Dresdner grüne Gewölbe, und das mit seinem Geschmack angeordnete Kunst-Cabinet in Braunschweig und Cassel obenanstehen. Dem großen Vorrathe der Hamburgischen Bücher auf den dortigen Bücher-Sälen wünschte ich einen weitläuftigeren Platz. Auch diese wünschte ich der dabey befindlichen Naturalien-Sammlung. Die Commerz-Bibliothek in Hamburg hat ein angenehmeres Verhältniß. Die Kunstkammer in Copenhagen ist das ganze zweyte Stockwerk eines ungemein ansehnlichen Gebäudes. Dieses Stockwerk bestehet aus acht Abtheilungen von zwey Cabinettern einer Gallerie und fünf auf einander folgenden großen Säälen, welche alle von oben bis unten mit den schätzbarsten Dingen behangen und besetzt sind. Man tritt zuerst in eine Perspectiv-Kammer, darauf in eine lange mit kostbaren Gemählden behangene Gallerie, hierauf in ein reiches Medaillen-Cabinet, ferner in einen großen Naturalien-Saal, wiederum in einen eben so großen Artificial-Saal, alsdann folget ein Saal von vielen ausländischen Seltenheiten, und hierauf ein Saal mit Antiquitäten angefüllet, zuletzt aber ein Helden-Saal oder eine sehr geräumige Kammer, darinnen man unter andern Abbildungen der größten und berühmten Helden, Abgüsse einiger der berühmtesten Dänischen Monarchen in Wachs in Lebensgröße antrifft. Daß Sternwarten in der Höhe angeleget werden müssen, damit sie um sich herum einen freyen Horizont haben, verstehet sich von selbst; und man erkennet so viel daraus, daß es nicht eben dasselbe ist, in welchen Theilen der Stadt dergleichen Gebäude errichtet werden. Ein mit vieler Bereitwilligkeit begabter und mit den auserlesensten Maschinen und Sehröhren versorgter Aufseher ist die Seele einer Sternwarte. Die schönsten Plätze, die ich zu dergleichen Anstalten angetroffen habe, waren zu Copenhagen auf dem sogenannten runden Thurm, in der Nachbarschaft einer sehr geräumigen Bibliothek über der Decke einer Kirche, und zu Paris auf dem Königlichen Observatorio. Auf letzterem habe ich insbesondere die seltentsten zur Astronomie und Physik gehörigen Maschinen noch ausserdem vorgefunden. Die sogenannte Burg in Leiden, ein über alle Maaßen ehrwürdiges Alterthum und eine vortreffliche Erhöhung in einem platten Lande, hat von allen freyen Plätzen, die ich kenne, die schönste Lage zu astronomischen Beobachtungen; und wo erhabene Plätze dieser Art in einer Stadt sind, wie zum Beispiel der Schloßberg in Presburg, der Ratschin in Prag, der Petersberg in Erfurt, das Schloßgebäude in Gotha, da lassen sich Sternwarten mit glücklichem Erfolg ausführen.


§. 124. Von öffentlichen Vorraths-Häusern mit Packräumen

Ein oder mehrere Vorrathshäuser für Lebensmittel sind in einer wohleingerichteten Stadt fast unentbehrlich. Denn sind sie nicht da, so verdienen zur Zeit des eindringenden Mangels die Vorsteher einer Stadt aller Vernünftigen Vorwürfe. Aber auch ebenfalls gegen alle Feuers-Gefahr von Brand-Mauern aufgerichtete Packräume oder Vorraths-Häuser, die den Kaufleuten zu Aufschüttung ihrer Früchte und Bewahrung ihrer eigenen oder ihrer Anverwandten Güter gegen billige Zinsen oder Miethe dienen, sind in wohleingerichteten Städten höchstnothwendige Gebäude. Häuser von dieser Art müssen nothwendig eine trockene und gegen Feuers-Gefahr gesicherte Lage haben; sie müssen sehr dauerhaft erbauet seyn; es ist aber auch nothwendig, daß sie nicht von andern hohen Gebäuden eingeschlossen werden, damit der durchziehende Wind nicht gehindert wird, die Kornböden zu durch streichen. Es ist sehr gut, wenn in einer Stadt unterschiedliche kleinere Gebäude dieser Art angeleget sind, damit das gemeine Wesen nicht zu sehr darunter leide, wenn etwan eines dergleichen durch Blitz oder andere Zufälle eingeäschert würde. Daß Häuser dieser Art nothwendig bey Tage und Nacht bewachet werden, daß sie herum mit Laternen umgeben sind; daß Behältnisse mit Feuer-Geräthschaft nicht ferne davon seyn müssen, verstehet sich von selbst. Eben als es sich verstehet, daß der Vorrath an Früchten oft in dergleichen Häusern untersucht, und gegen Verderb beschützet werde. Die Fenster müssen in dergleichen Häusern viel eröffnet, und durch mancherley Erfindungen gegen Einfliegen der Vögel gesichert seyn. In Hamburg hat mir die kluge Anstalt wohl gefallen, daß man auf den Wällen in einer Bastion nahe an die Wachthäuser Feuerungs-Vorrathshäuser zum Nutzen armer Bewohner errichtet hat. Will man aber die Abbildung eines zugleich prächtig und dauerhaft gebauten Vorraths-Hauses sehen; so ist das General-Commisariathaus in Copenhagen, welches auf der XXII. auch LXXIV und LXXV. Tabelle von Hafnia hodierna zu erblicken ist, zu betrachten.


§. 125. Von öffentlichen Apotheken

Wenigstens muß in einer etwas bedeutenden Stadt eine öffentliche Apotheke anzutreffen seyn, zu deren ersten Aufseher ein Mann von sehr geprüfter Geschicklichkeit, Treue und Aufmerksamkeit gesetzet wird. Dergleichen öffentliche Apotheken haben dieß vor andern voraus, daß die Armen unentgeltlich Arzeneyen erhalten. In Turin sind sogar zehn Aerzte und Wundärzte bey der öffentlichen Apotheke zu Besorgung armer Kranken bestellet. Eine gegen Norden belegene Officin von ansehnIicher Höhe, deren Vasen oder Materialien-Behältnisse von der Beschaffenheit sind, daß sie wegen ihrer Reinlichkeit und guten Eintheilung anlachend sind, empfiehlet sich jedermann. Daß ein solches Haus auch mit Gewölben, trockenen Kellern, geräumigen Vorraths-Säälen und Böden zu Aufhebung der Kräuter und Wurzeln versehen seyn muß, begreiffet jedermann; eben als, daß die Laboratoria mit größter Rücksicht auf unglückliche Folgen der Unvorsichtigkeit sehr bedachtsam, mit weiten Caminen und Schornsteinen angelegt werden müssen. Wenn die Stadt-Apotheken also erbauet würden, daß sich drinnen zugleich die Gesundheits-Besorger versammeln könnten; Wenn auch eine Zergliederungs-Kammer, die zugleich zum Unterricht der Hebammen dienete, daran befindlich wäre, auch ein Naturalien-Cabinet damit vereiniget würde; so glaube ich, daß solche Anstalten wol zu der Verschönerung einer Stadt gerechnet werden könnte.


§. 126. Von öffentlichen Zergliederungs-Häusern

Wer es zugestehet, daß die gründliche Erkenntnis der inneren und äusseren Theile des Menschen eine Wissenschaft von ausgebreiteten Vortheilen für alle Glieder der Gesellschaft, insbesondere für diejenigen ist, die als Aerzte und Wundärzte, auch als Geburtshelfer den Gebrechen und Mängeln der Menschen zu Hülfe kommen, der wird es gewiß für die Zierde einer Stadt halten, wenn da sehr oft Gelegenheit ist, sich in dieser Wissenschaft unterweisen zu lassen. Ist aber dieß, so müssen dazu bequeme Gebäude und Zergliederungs-Sääle mit Zubereitungs-Kammern eingerichtet, auch geschickte Prosectores oder Zergliederer erwählet werden. Da man dergleichen Gebäude beständig auslüftet und mit Spezereyen ausräuchert, so darf man sie da anlegen, wo sie am bequemsten sind. Wie aber der Zergliederungs-Schauplatz beschaffen seyn soll, ist niemand unbekannt, der eine hohe Schule besuchet hat. Wer aber den Leidenschen und Hamburgischen gesehen hat, kennet die vortrefflichen Modelle zu dergleichen gemeinnützigen Anstalten. Die Hamburgische mit sehr vielem Geschmack angelegte Anatomie-Kammer aber hat noch dieses voraus, daß darauf Zuschauer sich begeben können, ohne bemerkt zu werden. Zur Schande gereichet es solchen Anstalten, wenn der Eigennutz ihrer niedrigen Bedienten sogar alle Wohlanständigkeit hintenansetzen, und Fremden oder Reisenden den Zutritt durch diese Niederträchtigkeit erschweren darf. - -


§. 127. Von öffentlichen Schlachthäusern

Daß in einer Stadt zur Beruhigung und Sicherheit der Gesundheit der Einwohner, ein Schlachthaus angeleget werde, darauf man alles Vieh schlachtet, das öffentlich in den obbemerkten Fleisch-Schrangen auf den Märkten verkauft werden soll, und darauf man die gute und gesunde Beschaffenheit des geschlachteten Viehes policeymäßig untersuchen lasse, ist nothwendig; aber eben so nothwendig ist es auch, daß solches an den abgelegensten Theilen der Stadt, und wo möglich, nicht weit von fließendem Wasser entfernet liege, damit der üble Geruch auf demselben niemand zum Nachtheil seiner Gesundheit gereiche. Dennoch aber würde es eine Stadt sehr verunzieren, wenn man nicht dafür sorgen wollte, daß ein solches öffentliches Haus bey Endigung eines jeden Schlacht-Tages auf das fleißigste abgespühlet und ausgekehret würde, und daß man allen Abfall und Unreinigkeit entweder in die Vorstadt oder ausser die Linien führe, wenn es ein fließender Strom nicht etwa abführet.


§. 128. Von den Leihe- und öffentlichen Ausrufshäusern

So wie es einer Stadt zu weniger Ehre gereichet, wenn jedermann die Befugniß hat, durch jüdisches Geldleihen gegen Pfänder von seiner armen Mitbürger Jammer und Elend auf eine grausame Weise, durch Annehmung ausschweifender Zinsen Nutzen zu ziehen, oder Verschreibungen von dem Bedürftigen zu erpressen, die ihn bald genug um sein versetztes oft schätzbares Unterpfand bringen; so sind dagegen montes pietatis oder öffentliche Leihehäuser, darinnen man gegen sichere Unterpfänder und für die billigsten Zinsen eine Anleihe erhalten kann, einer jeden Stadt zur Unterstützung mancher Bürger und Fremden nothwendig. Diese Gebäude erfordern auch sowol eine Lage, welche denjenigen nicht hinderlich ist, die verborgen mit der Leihbank zu schaffen haben wollen; als auch da, wo es nicht an genugsamer Sicherheit und Bedeckung fehlet, und ich glaube, wo ich nicht irre, den Lombard in Hamburg als ein weislich angeordnetes Modell von Leihehäusern nennen zu können. Billig müssen alle Bedingungen des Leihehauses an einer Tafel vor den Lombard zu jedermanns Unterricht angeheftet seyn. Die Einkünfte solcher Leihhäuser sind fast immer zu guten Anstalten bestimmet. Aber auch die Anstalten, daß in einer Stadt alle Monate ein öffentlicher Ausruf gehalten wird, dahin jedermann sein überflüßiges Hausgeräthe senden kann, und daher jeder aus einem gedruckten Verzeichnis sich, was er bedarf, kauffen kann, ist um so mehr von Erheblichkeit, weil die Procente, welche als Auctions-Gebühr abgezogen werden, den Armen oder andern öffentlichen Anstalten sehr zustatten kommen. Zu dieser Verfügung muß ebenermaßen in einer Stadt ein geräumiges Haus anzutreffen seyn, ein Haus, darinnen unter genugsamer Aufsicht die mit der Nummer des Verzeichnisses bemerkten Sachen einige Tage vor dem Ausruf genau können untersucht werden. Wer in Leipzig gewesen ist, weiß, daß hier diese Anstalt in Vollkommenheit anzutreffen ist.


§. 129. Von Waage- Münz- und Zollhäusern

Eine absonderliche öffentliche Waage, wo, um Streit zwischen Käufern und Verkäufern zu vermeiden, zu Vermehrung öffentlicher Einkünfte, um vestbestimmten Waagelohn, alle Waaren von beeydigten Wägern gewogen werden können, ist ein sehr wichtiges öffentliches Gebäude. Es kann zugleich zum Magazine dienen, und wenn es dieses soll, so kenne ich in Deutschland dazu kein prächtigeres und wohleingerichteteres Modell-Gebäude, als die Waage am Anger zu Erfurt. Es verstehet sich, daß alle Preise des Wägens öffentlich angeheftet sind. Das Münzhaus in Berlin, auch das neue Münzhaus in Altona scheinen sehr vollkommene Gebäude zu seyn. Die Anstalten in Berlin sind wenigsten vortrefflich, besonders da ein Fluß der Münze zu Hülfe kommt. Glückselig sind die Städte, die so prächtige gerändete und aufrichtige Münzsorten haben, als Lübeck und Hamburg! Es giebt Staaten und Städte, die ohne Imposten, Accise und Zölle auf die Kaufmanns-Güter u. s. f. nicht bestehen könnten, und wo dieses Einkommen den Bewohnern Schutz und Sicherheit schaffet, auch wo der Kaufmann weniger durch dergleichen Abgaben verliehret, als seine Mitbürger, die ihm alles reichlich wieder ersetzen müssen. Ein ansehnliches Zollhaus gehörtet also zu den wichtigsten öffentlichen Gebäuden einer Stadt. Eine bessere äusserliche Faciade von Zollhäusern kann kaum ein Zollhaus haben, als das Customhaus in London, und vielleicht keine klügere Einrichtung, als die Berlinische Accise-Kammer. Ersteres kann man in allen Nachrichten von London im Kupferstich sehen; von dieser will ich aber eine kurze Nachricht mittheilen. Ich setze voraus, daß niemand daran zweifle, daß diese Anstalt in Berlin alle ihre gehörige Directores, Ober- und Unter-Aufseher, Schreiber, Buchhalter, Gehülfen und Untersuchungs-Bedienten habe. Jeder ankommende Fuhrmann und Schiffer muß dem Buchhalter seine Frachtbriefe zum Anschreiben vorlegen, und alsdann werden die Frachtbriefe mit dem Folio des Eintrags-Registers bezeichnet; und wer den Frachtbrief vom Fuhrmann und Schiffer erhält, zeigt dem Buchhalter an, ob die Waare in der Stadt bleibt, ob sie ins Magazin geleget, oder weiter im Lande oder über die Grenze versendet werden soll. Im ersten Fall erhält der Vorzeiger des Frachtbriefes einen gedruckten Zettul, der ihn zum Estimateur weiset, der den Betrag der zu erlegenden Accise bestimmet, und sie sowol registriret, als der Buchhalter, dem die Schatzung bekannt gemacht wird, und der die Ordre zu Untersuchung der Tonnen, Kisten und Packen ertheilet, da denn die Güter zum Visitations-Saal gebracht, eröffnet und untersucht werden; die Accise aber wird alsdann nach Tariff-mäßigen Sätzen bezahlet, und nunmehro der freyen Disposition des Eigenthümers überlassen. Die Güter, die ins Magazin niedergelegt werden sollen, müssen, nachdem sie der Buchhalter aufgezeichnet hat, dem Aufseher des Magazins gegen Empfangs-Schein eingehändiget und im Niederlags-Register eingezeichnet, und wenn sie zurückgefordert werden, zuförderst zur Untersuchungs-Kammer zurückgesendet. Die aber zum Transito bestimmt sind, plombiret und mit einem Begleitungs-Schein versehen werden; dieser aber wird am Orte der Bestimmung oder an der Gränze abgegeben, und zum Accise-Amt zurückgesendet.


§. 130. Von Weisen- Armen- und Krankenhäusern

Waysen- Kranken- und Armenhäuser sind in einer wohleingerichteten Stadt so unumgänglich nöthig, als Zuchthäuser und Gefängnisse. Die Ursache hievon darf ich meinen Lesern nicht erst erklären. Nur wäre es zu wünschen, daß alle dergleichen Häuser, insbesondere auch die Anstalten für die mit Gemüthskrankheiten behaftete Menschen, in den Vorstädten, oder in solcher Entfernung, als Bedlam zu London, angelegt würden, theils darum, weil die Plätze in den Hauptstädten kostbarer, auch weil die Lebensmittel oft hier theurer als dort sind; insbesondere aber weil die Luft in den Vorstädten frischer und für Kinder und für die beides am Leibe als am Gemüth Kranke gesunder ist, weil da für Alte und Junge erfrischende Spatziergänge angelegt werden können; und zuletzt, weil selbst viele Krankheiten aus diesen Häusern, besonders Kinderblattern und andere ansteckende Seuchen, den Einwohnern der engen Städte gefährlich werden können. Wer den National-Character einer Stadt kennen will, muß ihre Kranken- und Armenhäuser besuchen, und ihre Invaliden-Häuser für die, welche in Stadt- und Herrschaftlichen Diensten krank oder alt und grau und unvermögend geworden, besehen. Wer aber es erlernen will, wie man sie einrichten soll, damit sie eine Stadt wirklich verschönern, muß sich die alte Männer- und alte Frauen-Häuser in Amsterdam zeigen lassen, und deren Einrichtung sorgfältig erforschen. Es kann freylich durch Wittwen-Cassen, insbesondere, wenn sie mit so vieler Einsicht und Ueberlegung angeleget werden, und wenn sie so richtig im Abtragen sind, als die berühmte Wittwen- und Waysen-Casse der beeydigten Christen-Mackler in Hamburg ist, mancher elenden Person in einer Stadt geholfen werden. Da aber noch viele bedürftige würdige Wittwen und Armen nachbleiben, so verdienen auch diese alle Fürsorge und Bequemlichkeit. Nur wäre, als eine höchstwichtige Sache, zu wünschen: daß von Arglist und Schmeicheley, in einer Larve von scheinbarem Elende, den würdigsten Armen, die zum Betriegen, Kriechen und Schmeicheln sich nicht gewöhnen können, manche nothdürftige Bissen nicht vor der Nase weggeschnappte würden - -
Häuser, die zu solchem Ende innerhalb, oder, welches weit besser ist, ausserhalb einer Stadt erbauet werden, müssen sehr geräumig und verhältnismäßig hoch angeleget, auch reinlich unterhalten werden. Sie müssen mit einem Beth-Saal, auch allgemeinen Arbeits-Saal für Männer, und einem solchen Saal für Weiber, mit einem Saal für gesunde alte arme Männer, auch einem Saal für solche Weiber, auch mit absonderlichen Säälen und Kammern für kranke alte Leute jedes Geschlechts, mit einer Apotheke, und Arzt auch Wundarzt, und endlich mit genugsamer Aufwartung versehen seyn. An grünen und mit Bäumen besetzten großen Plätzen muß es zu Bewegung dieser Leute auch nicht mangeln, und hiernächst müssen Behältnisse vom reinsten Wasser an solchen Gebäuden sich nothwendig befinden. Nichts ist endlich der Gesundheit dieser Armen wichtiger, als daß sie beständig in reiner Wäsche sorgfältig unterhalten werde. Das große Hospital in Mayland ist nach den Volkmannschen Nachrichten also eingetheilet, daß jede besondere Art Krankheiten, venerische Blattern, hitzige Fieber-Patienten u. s. f. ihre absonderlichen Sääle haben. Diese kluge Einrichtung wünschte ich allen Hospitälern. - -
Wer das Hotel Dieu zu Paris, ein Heilungs-Gebäude für 4 bis 8000 Kranke, das Quetsch-Haus in Copenhagen, die Charité zu Berlin gesehen hat, und ihre weise Einrichtungen zu Versorgung der Kranken (darinnen insbesondere das Kranken-Haus in Copenhagen in der Königin-Straße modellmäßig ist,) sich zeigen lassen, braucht nicht mehr, um zu wissen, welche Anstalten dieser Art einer Stadt Schönheit vermehren helfen. Die Apotheke, das Laboratorium bey jetztgedachtem Kranken-Hause ist nach den besten Regeln eingerichtet. Ein jeder Kranker hat eine Nummer, die sich an seinem Bette und auf den Arzeney-Gläsern befindet; zu Bedienung der Kranken sind Wärterinnen, Näherinnen, Wäscherinnen u. s. f. im Ueberfluß vorhanden; und ohne viel Schwierigkeit werden Kranke darinnen aufgenommen.


§. 131. Von einem modellmäßigen Waysenhause

Wo man solche Einrichtungen in den Vorstädten anlegen will, so wüßte ich keine modellmäßigere Anstalt dieser Art gesehen zu haben, als das vortreffliche Waysenhaus zu Glaucha vor Halle, ein ewiges Denkmal des unsterblich-verdienten Frank. Alles, was zur Vollkommenheit eines solchen Gebäudes erfordert wird, am Aeusserlichen und Innerlichen, ist hier anzutreffen. Insbesondere ist die Sorgfalt für Reinlichkeit und Gesundheit hier so weit getrieben, als sie von warmen Herzen getrieben werden kann, und durch die große und berühmte Buchhandlung dieses Waysenhauses, durch ihre überall gepriesene Arzeneyen, und durch mehrere Unterstützungen dieser Art, ist bis auf ewig für die Erhaltung dieser Anstalt gesorgt. Ist aber die Rede von einem öffentlichen Hospitale vor der Stadt; so muß man das große Krankenhaus vor Hamburg, welches man den Pesthof nennet, als eine Einrichtung der ersten Classe in dieser Art betrachten. Am Leibe und Gemüthe Kranke werden hier willig aufgenommen, und unter Aufsicht ausgesuchter warmer Menschenfreunde mit ersinnlichster Sorgfalt verpfleget. Geistliche und leibliche Hülfsmittel werden hier von den geschicktesten Männern ausgetheilet, und diese Anstalt raget so hervor, daß die Rußische Monarchin sich davon einen genauen Abriß und Beschreibung zum Modell mittheilen lassen.


§. 132. Von Einrichtungen der Waysenhäuser

Wo aber dennoch dergleichen Häuser in Städten gebauet werden sollen, so sucht man dazu die gesundesten und abgelegensten Plätze aus, und entfernt sie von den edlen Theilen der Stadt; man bauet die Bewegungs-PIätze, auch die Speise- und Schlafkammern, so geräumig und hoch, als es nur die Regeln der Baukunst immer zulassen. Insbesondere wird dafür gesorgt, daß in den Schlafkammern nicht mehrere Kinder in einem Bette liegen dürfen. Kurz, man legt sie so klug an, und unterhält sie so reinlich, als es in den Brüder-Gemeinden der Herrenhüter gewöhnlich ist, und ich sie in Barby und Diedendorf zu meinem inniglichen Vergnügen angetroffen habe.


§. 133. Von Fündlings-Häusern

Um armen Eltern zu Hülfe zu kommen, deren dürftiger Zustand nicht zuläßt, die Früchte ihrer Liebe zu ernähren. Um manchen verzweifelten Unternehmungen vorzukommen, werden Anstalten in wohleingerichteten Städten vorgekehret. Daß Kinder solcher Ehen ohne Nachforschung insgeheim gewissen Leuten überliefert werden, nachdem sie zu solchem Ende in gewisse Behältnisse, Torno genannt, geleget worden, woraus die dabey wachenden Aufseher den Fündling sogleich zur Hebe und Pflege zu sich nehmen; und niemand wird daran zweifeln, daß dergleichen Fündlings-Häuser Zierde der Stadt sind. Häuser dieser Art müssen billig Modelle der Reinigkeit und guter Ordnung seyn; auch muß man sie auf gesunde Teile der Städte anlegen, und insbesondere für gesunde Ammen, wenns möglich ist, verehelichte Weiber, sorgen, die wenigstens bald, nachdem die Kinder im Torno angetroffen, sie bestens verpflegen. Daß es aber den Kindern vortheilhafter sey, ausser diesen Häusern getreuer Leute Aufsicht übergeben zu werden, hat längst allgemeinen Beyfall gefunden. Das Torno, welches in der Mauer an einer eisernen Spindel bevestiget ist, siehet einem großen Korn-Scheffel ähnlich, und kann umgedrehet werden, so bald der Deckel davon genommen wird; das aber pflegt zu geschehen, sobald es dunkel geworden. - -


§. 134. Von Invaliden-Häusern

Læso & invicto militi, hat der erhabenste Stifter des Berlinischen Invaliden-Hauses über dessen Eingang schreiben lassen; und gewiß, es ist nichts grausamer, als wenn der Soldat und Matrose, der sein Leben um ein geringes Gehalt für den Staat zu Lande oder zu Wasser aufgeopfert hat, nicht alsdann, wenn ihn seine Wunden oder sein Alter zum fernern Dienste untüchtig machen, nicht durch die beste Pflege die Früchte der Dankbarkeit seines Beherrschers oder des gemeinen Wesens geniessen soll! Ich müßte eine Abhandlung schreiben, wenn ich die vortreffliche Einrichtung von den Invaliden-Häusern, in Wien, Berlin und Paris, und von Greenwich Hospital bey London beschreiben wollte. Das Invaliden-Haus in Paris nebst dessen prächtigen Kirche ist vielleicht bisher die Königin dieser Anstalten; dieß Haus verewigt Ludwig XIV. mit mehrerem Glanze, als seine Siege und prächtige Werke zu Versailles und Marly.


§. 135. Von öffentlichen Werkhäusern

Die Werk- und Zuchthäuser in einer Stadt sind das Mittel, die fleißigen Armen zu unterstützen, eine Stadt von Bettlern zu befreyen; aber auch den Gottlosen eine Furcht einzujagen, daß sie die Rechtschaffenen nicht beunruhigen; endlich auch die Kuppler und liederlichen Weiber zu bessern Beschäftigungen, als sie bishero getrieben, anzuhalten. Es würde dahero eine Stadt, ohne solche Anstalten, einen recht sichtbaren Mangel haben. Daß man die Werkhäuser für fleißige Menschen von Zuchthäusern für die, welche zur Arbeit durch Urthel und Recht gezwungen sind, dergestalt unterscheide, daß man die Belohnung- und Strafwürdigen nicht mit einander vermische, wird jedermann für die höchste Pflicht der Aufseher guter Anstalten erkennen. Daher es auch sehr wohl gethan ist, wenn Werk- und Zucht-Häuser von einander unterschiedlich angeleget werden. In Amsterdam findet man daß schönste Modell zu einem Werkhause. Die ganze Stadt muß hier zu einer öffentlichen Anstalt beytragen; dieses macht, daß si zu ihrer größten Zierde fast keine Bettler kennt; daß jeder, der in die äusserste Armuth gerathen, und nur seine Hände bewegen kann und will, hier nach seinen Kräften beständig Arbeit findet, dadurch er mit möglichster Bequemlichkeit sich Nothdurft, Hülle und Fülle erwerben kann. Sollte es aber den Vorstehern an Gelegenheit fehlen, denen Fleißigen Arbeit für Manufacturen zu verschaffen, solche Arbeit, die bald in Farbereiben, bald in Werkpflücken, bald in Raspeln gewisser harten Hölzer, in Wollkämmen und Spinnen, in Netzestricken u. s. f. bestehet; so lassen sie, durch den Beytrag der Bürger unterstützet, von diesen Leuten, auf Speculation zum Versenden, zum voraus mancherley Dinge zubereiten. Dieses Haus ihr geräumig, und wird endlich sehr reinlich gehalten. Es sind durch patriotische Besiegungen vier dergleichen Werkhäuser seit verschiedenen Jahren in Sachsen veranstaltet worden. Auch ist bekannt, daß der Preußische Friederich sein Leben mit Anlegung des vollkommensten Werk- und Armenhauses in Berlin zu krönen beflissen ist, und dazu ein Capital von 500000 Rthlr. als ein königlich Geschenk bestimmet hat *).

*) Man lese die sehr weise Anordnung aus Berlin vom 20. December 1774.


§. 136. Von Zucht- Spinnhäusern und Gefängnissen

Die Zuchthäuser und Gefängnisse müssen in den abgelegensten Theilen der Stadt, aber doch also angeleget werden, daß sie von den Augen der wachenden Besatzung nicht zu weit entfernet sind. Wenigstens müssen sie rund herum gegen die unerforschlichen Erfindungen der Gefangenen mit Wache wohl versehen seyn, und die Klugheit und Vorsichtigkeit befiehlet, daß diese Häuser ihre Kammern, die Fußböden und Bodendecken, die Camine und Abtritte, auch Schornsteine dergestalt mit dicken eisernen Stangen durchflochten und gefüttert werden, daß es sehr schwer wird, auszubrechen. Die Menschlichkeit hingegen will, daß in diesen Gebäuden es nie an frischer Luft, und auch insbesondere nie an reinlicher Unterhaltung fehle, auch daß den Gefangenen nicht die Gelegenheit mangele, in Schwermuth und Krankheit geistliche und leibliche Hülfe zu finden. Nichts wäre daher billiger, als daß erbauliche, sittliche, auch zum Unterricht und sittlicher Ergötzlichkeit dienende Bücher den Unglücklichen als eine Belohnung mitgetheilet würden, wenn sie sich durch geduldiges Betragen und Fleiß darum verdient machen. Denn nichts ist so sehr die Pflicht der Leutseligkeit, als jedermann seinen Kummer erleichtern zu helfen. Um sich von dem Zustande dieser von allen Menschen verlassenen Elenden genau zu unterrichten, müssen die Vorsteher der guten Anstalten keine Sorgfalt und weise Verfügung verabsäumen, sondern hier eben ihre Seelengröße beweisen. Ich weiß kein Gebäude dieser Art vollkommener gesehen zu haben, als das Raspelhaus in Amsterdam. Bey Häusern dieser Art pflegen auch Kirchen erbauet zu werden. Nie habe ich eine modellmäßigere Kirche zu dergleichen Häusern gesehen, als die Spinnhaus Kirche in Hamburg, die der Baumeister der obgerühmten Pesthofs-Kirche angeleget hat.


§. 137. Erinnerung

Wenn obgedachte Häuser nach den Regeln der Baukunst äusserlich und inwendig gut eingerichtet sind, auch sonst durch gute Ordnung sich unterscheiden, so reizen sie nicht selten Fremde, solche zu besehen. Weil nun oft von den Aufsehern dieser Anstalten den Fremden ungesittete Leute zugegeben werden, deren Eigennutz kaum zu sättigen ist; so ist es, um Beleidigungen vorzukommen, gut, daß, wie in London und Amsterdam, gewisse Belohnungen für dergleichen Begleiter bestimmet werden.


§. 138. Von Besatzungs- und Casernen-Anstalten

Daß eine wohldisciplinirte Besatzung einer Stadt beydes zum Schutz und zur Zierde diene, wird niemand leugnen. In vorigen Zeiten pflegte man nach eines Soldaten und seiner Vorgesetzten Härte und Unempfindlichkeit seinen Heldenmuth abzumessen; jetzo hält man jeden Bramarbas, jeden unpolirten Soldaten und stolzen Officier, für einen Poltron. Kurz, die jetzigen Grundsätze der Kriegeskunst machen niemand in der bürgerlichen Gesellschaft liebenswürdiger, als einen disciplinirten Soldaten und Officier; er beschützet und zieret die Gesellschaft zu gleicher Zeit. Es kann ferner niemand in Abrede seyn, daß eine Besatzung die Glückseligkeit des Nahrungsstandes unaussprechlich vermehre, indem Höcker, Marquetenter, Schuster, Schneider, Becken, Brauer u. s. f. und wer weiß, welche Gewerbe dabey täglich gewinnen? Dahingegen gereicht es wiederum der Besatzung zum Vergnügen, wenn an einem gesunden Theil der Stadt wohl und räumlich eingerichtete Casernen, beydes für die Gemeinen, als ihre Vorgesetzte, ja auch für die Artilleristen, erbauet sind, auch sowol die Gebäude, als die Gassen, daran sie liegen, reinlich und im baulichen Stande beständig unterhalten werden; wenn hiernächst nahe an die Casernen Marquetenter-Märkte von Höckern aller Art angeleget werden. Eben so nothwendig aber ist es noch, das die Policey auf das strengste darüber halte, daß Becker und Höcker und andere Leute dieser Art durch falsches Maaß und durch schlechte Waaren die nicht hintergehen, die für einen so sehr geringen Gold ihre Ruhe und ihr Leben dem Staate aufopfern. Wo es aber auch nur einigermaßen die Umstände gestatten, da müssen die Besatzungs-Glieder des Bürgers Nahrung nicht schmälern; wol aber, wenn sie Zeit dazu haben, in allen Fällen seines Gewerbes ihm hülfreiche Hand leisten dürfen. Wie Berlin und Potsdam in manchen Theilen der Policey nachahmungswürdig sind; so sind sie es eben auch in gedachtem Betracht. Die Casernen zu Berlin sind besonders mit so vieler Weisheit geordnet, als nur die Baukunst vorgeschrieben hat. Die Casernen des zur Admiralität gehörigen Volks in Copenhagen verdienen nicht weniger viele Aufmerksamkeit und Nachahmung in Casernen-Anstalten. Dieses glaube ich noch mit Billigkeit hinzufügen zu können daß in Besatzungs-Städten nichts gerechter wäre, als bey allen der zur Policey gehörigen Aemtern vorzüglich alten, geprüften und verdienten Gliedern der Besatzung vor allen den Vorzug einzuräumen; Theils darum: weil niemand mehrere Beförderung verdient, als ein rechtschaffener Soldat, der für geringen Sold sich so lange für die öffentliche Sicherheit aufgeopfert und abgenutzet hat; theils, weil niemand so sicher zur sittlichen Aufführung, zur Aufmerksamkeit und zur Subordination oder Folgsamkeit gewöhnet ist, als ein Mitglied des Kriegs-Standes, der lange unter den Befehlen vernünftiger Befehlshaber gedienet hat. Wenn eine Stadt so glücklich ist, daß ihre Bürger zureichen, entweder überall, oder nur bey der Nacht die nothwendigen Posten zu besetzen und Patrouilles zu besorgen, so muß man nur allein bey ihren Anführern gute Kleidung und Ordnung erwarten. Wenn aber sich eine ordentliche Besatzung in einer Stadt befindet, so würde es zur Verschönerung derselben nichts beytragen, wenn diese Mannschaft nicht ausgesucht wäre, und wohl in Kleidung, oder nicht in bester Zucht unterhalten würde. Denn es kann nichts widersprechender seyn, als Soldaten zum Schutz der Sicherheit zu unterhalten, und es gleichgültig anzusehen, daß sie die innerliche Ruhe und Sicherheit der Bürger verletzen. - -
Daß Soldaten, die beständig in einer Stadt zur Besatzung bestimmet sind, nicht durch Einräumung zu vieler Bequemlichkeit so sehr verzärtelt werden, daß sie denen zum Feld-Dienst bestimmten anstößig sind, verstehet sich von selbst. Aber das hält menschenliebende Vorsteher der bürgerlichen Gesellschaften nicht ab, sie mit erwärmenden Kleidungen zum Winter, mit Mänteln oder Ueberröcken, und mit dem Unterhalt und mit der Feuerung zu versehen, die das menschliche Leben erfordern. Lübeck und Hamburg geben hierinnen nachahmungswürdige Beyspiele. - -


§. 139. Von Hauptwachen

Wie eine wohleingerichtete Stadt nicht ohne Paradeplätze seyn kann, wo täglich zur vestgesetzten Zeit die Glieder der Besatzung erscheinen müssen, um auf bestimmte Posten angewiesen zu werden, und die zur Sicherheit dienende Befehle entgegen zu nehmen, und bald durch Janitscharen- bald auch andre Musiken, und durch ansehnliche Märsche die Augen und Ohren der Zuschauer zu ergötzen; so muß auch in keiner wohleingerichteten Stadt eine Hauptwache fehlen, diese ist gleichsam das Herz der Besatzung. Wenn es geschehen kann, so wird dergleichen Hauptwache in der Mitte der Stadt, wenigstens auf einem der geräumigsten Plätze, angeleget, und damit sie das freye Ansehen eines Platzes nicht verhindere, so wird sie, obschon freystehend, doch an einer Seite des Marktes angebracht. Sie wird, nach den Regeln der Baukunst, zierlich und stark angeleget, und mit Arkaden versehen: auf der Attica solcher Gebäude pfleget man symbolische Zierrathen, als einen Straußvogel, oder dergleichen zu setzen. Daß die Paradeplätze ganz und überall immer rein und sauber gehalten werden müssen; daß die Wachthäuser für den Befehlshaber sowol, als für den Soldaten wohl eingerichtet sind, verstehet sich von selbst. Nicht minder aber auch, daß sie für Arretirte von höherm und niederem Stande tüchtig und wohl ein gerichtet werden.


§. 140. Modelle schöner Hauptwachen

Wer das Modell einer vortrefflich gebaueten und wohleingerichteten Hauptwache sehen will, wird es zu Kopenhagen auf dem neuen Holm und auf dem großen Königs-Markt antreffen. Und wenn er durch den äusserlichen Anblick befriediget werden kann, so wird Tab. LIII. und LXXXIII. in Hafnia hodierna dieses ausrichten. Daß aber Officiren zum Vergnügen Bibliotheken in Hauptwachen angeleget worden, wie in Hamburg damit der Anfang gemacht ist, dürfte sehr selten angetroffen werden; würklich aber gereicht diese Anstalt dem Urheber und den Beförderern zur Ehre. Inzwischen ist es, um vieles Uebel vorzubeugen, nothwendig, daß in den Hauptwachen sehr auf Reinlichkeit gehalten; daß der Auffenthalt der Arrestanten wenigstens ein- oder etlichemal in der Woche gereiniget werde; auch daß die Fenster in dergleichen Kammern, wie überhaupt in den Gefängnissen, mit Ventilatoren wohl versehen sind. Es macht einer Hauptwache kein übles Ansehen, wenn ein paar Kanonen vor derselben mit aller Zubehörde stehen. In Städten, wo man leicht Unruhe und Auflauf befürchtet, werden auch Frisische Reuter, das ist, mit spitzigen und mit Eisen beschlagenen Queer-Hölzern gespickte sechseckigte Bäume, zur allenfalsigen Sperrungen der Gassen diesen beygefüget. Die Gerüste aber, welche man zu Bestrafung der Soldaten zu errichten pfleget, müssen an den Stellen angelegt seyn, wo sie dem guten Ansehen des Gebäudes nicht zur Unzierde gereichen.
Daß aber nahe an den Hauptwachen beständig mit Wasser angefüllte Küfen stehen; daß Feuer-Sprützen, daß Wasser-Eymer da ständig bereit sind, u. s. f. befehlen die Regeln der Klugheit. Nicht minder dürfte es dazu gehören, wenn dergleichen Gebäude mit kleinen Thürmen versehen wären, deren Glocke es anzeigete, wann die Schenken verschlossen werden müssen; wann die Thore verschlossen und eröffnet werden sollen; wenn eine Feuersbrunst entstanden; oder sich sonst eine ausserordentliche Anstalten erfordernde Begebenheit zugetragen hat.


§. 141. Von Zeug- und Rüsthäusern

Die Rüsthäuser und Arsenäle, die oft nur mit Denkmählern voriger unsichern Zeiten, oft aber auch mit Verteidigungs-Werkzeugen angefüllet sind, müssen nicht sehr weit von den Plätzen entfernet angelegt werden, da die Wachthäuser sind; auch müssen sie mit Laternen umgeben seyn. Daß Zeughaus in Berlin ist ohne Zweifel eines der schönsten Zeughäuser, die man sehen kann. Es bestehet, wie alle Vorrathshäuser von Rechts wegen gebauet seyn sollten, aus einem großen, von allen Seiten freyen, langen Viereck, von beynahe zweyhundert Fuß. Drey Facaden an diesem Gebäude sind einander gleich, jedoch die nach Süden liegende ist die schönste. Das erste Stockwerk dieses Gebäudes ist nach Rustik-Art aufgeführet, und scheinet aus ansehnlichen Quader-Stücken erbauet. Die Schwibbogen über den Fenstern geben gleiches Ansehen. Der Schluß-Stein daran stellet einen Helm mit einem Federbusch vor. Rund um das zweite Stockwerk trifft man Dorische Säulen an, und in der Mitte der obgepriesenen Facade vier freystehende Dorische Säulen, die ein dreyeckigtes Fronton tragen, welches ein schönes halb erhabenes Schnitzwerk zieret, welches den Mars mit Siegeszeichen und verketteten Sclaven vorstellet. Beym Haupt-Eingang siehet man vier große Bild-Säulen, welche die Rechen- Meß- Hebe- und Feuerwerkerkunst vorstellen. Das Bildniß des hochseligen Königs auf einer vergoldeten Schaumünze ist an dem Aufsatz vom Thore, vom Gerüchte und Siege umgeben, wohl angebracht. Die Vertäflung des ganzen Gebäudes endiget sich mit einem Geländer, dessen Bild-Stühle Siegeszeichen tragen. Daß unterste Stockwerk ist zur Abhaltung mit Pfählen, die aus der Erde hervorragende Kanonen sind, umgeben. Diese Ketten gehen Festonweise von einem Pfahl zum andern. Ich habe dies Gebäude mit Vorsatz so genau beschrieben, weil es ohne Zweifel in seiner Art das vollkommenste in Europa ist, und an guter Erfindung vielleicht von seinem Gebäude in Deutschland übertroffen wird. Der große Baumeister und General in Frankreich, Blondel, hat dazu den Entwurf hergegeben. Ausser den figurirten Zeughäusern in London, Bremen und Braunschweig, habe ich keine schönere Einrichtung, als in diesem Zeughause bemerket. Jedoch darf ich in Erwägung der richtigen Abtheilungen für alle Arten der zum Kriege erforderlichen Dinge, das Copenhagener Arsenal, auch das in Wien, zu rühmen nicht vergessen. Das Nürnberger Zeughaus wird als ein Modell aller Zeughäuser gepriesen. Jedoch diese sehr berühmte Stadt gehöret unter die sehr wenigen ansehnlichen Städte Deutschlandes, die ich, zu meinem Verdruß, bis jetzt nicht besucht habe. Daß die Aufseher solcher Zeughäuser alles reinlich halten, und gegen den Rost bewahren, ist ihre Pflicht. Auch pflegen dergleichen Häuser, wegen des üblen Geruchs von Pech und Theer, Leder und Jufften, sehr oft ausgeräuchert zu werden.


§. 142. Von Prangern und Blutgerüsten

Daß ein Blutgerüst in einer Stadt sey, darauf Verbrecher gezüchtiget oder abgethan werden, ist vielleicht nützlich, aber nicht nothwendig. In Amsterdam und Paris werden sehr löblich solche alsdann, wenn man sie gebraucht, errichtet, und gleich nachher wieder abgerissen. Der Eindruck, den Moses und die Propheten, und die für eines jeden Ruhe und Glückseligkeit so ersprießliche Grundsätze unser Religion nicht in die Gemüther machen, macht dergleichen alltäglicher Anblick noch vielweniger. Sollen aber solche Gerüste dennoch in einer Stadt auf beständig errichtet werden, so müssen sie um der weniger neubegierigen als empfindsamen Gemüther zu schonen, nahe an den Zuchthäusern und Gefängnissen und Frohnereyen, nicht aber in der Mitte und auf den schönsten Plätzen der Stadt, angeleget werden.


§. 143. Von öffentlichen Abtritten

Da die Sauberkeit der Städte derselben Hauptschönheit ausmacht, so ist es eine der wichtigsten Verfügungen, daß man in den Theilen der Stadt, die so weit als möglich von den besten Gegenden entfernet sind, da, wo alle Unreinigkeiten der Stadt zusammenfließen, auch in den Fluß-Städten an den Stranden und Ufern für so viele Menschen, die keine eigene Wohnungen und Bequemlichkeit haben, öffentliche Abtritte anleget. Es ist diese Anstalt um desto nothwendiger, weil ausserdem manche Plätze der Stadt, besonders, welche nahe an Kirchen und öffentlichen Gebäuden liegen, auf eine ekelhafte Weise besudelt und entehret werden. Daß aber auch für Reinigung und dauerhafte Unterhaltung dieser Bequemlichkeiten gesorget werde, gehöret um so mehr zur Vollständigkeit des Ganzen, weil geringe Leute zu blöde und nachläßig sind, sich über Mängel solcher Anstalten zu beklagen. Den Gassenreinigungs-Knechten gebühret eigentlich die Aufsicht auf dergleichen Gebäude; und die Unter-Policeybediente müssen diese Leute in Ordnung halten.


§. 144. Von Wasserleitungs-Anstalten

Zu den höchstwichtigen Theilen einer Stadt, die man wohleingerichtet nennen soll, gehören die Wasserleitungs-Anstalten. Denn wie wichtig sind nicht diese zur Nothwendigkeit und Bequemlichkeit, ja auch wol gar oft zur Zierde einer Stadt! Kornmahlen, Brauen, Backen, Kochen, Waschen, Färben, Feuerlöschen machen dieses Element unschätzbar; und daher muß auch an solchen Anstalten, die schönes Wasser in die Stadt, bald auf die öffentlichen Plätze, bald in die Höfe der Häuser, bald in die Küche befördern, nichts, durch Grabung der Brunnen, durch Leitung der Röhren, durch Anlegung künstlicher Druckwerke ersparet werden. Die Leitungen in die Gassen müssen billig also eingerichtet werden, zuförderst, daß wegen gewisser Zufälle, die eine Sperrung der Thore gebieten könnten, in der Stadt es nicht an Wassermühlen fehle. Weiter, daß bey Entstehung einer Feuersbrunst auf öffentlichen Plätzen und in den Hauptstraßen aus den Röhren und Leitungen das Wasser zum Feuerlöschen zu ziehen ist. Bremen, Lübeck, auch Leipzig, haben Kunstleitungen mit schweren Kosten besorget. Besonders sind sie in London auf eine seltsamen Weise zum Nutzen der Einwohner bewirket, und ein Reisender, der sich zum Nutzen seines Vaterlandes unterrichtet, muß dergleichen Anstalten mit vieler Aufmerksamkeit betrachten. Hamburg aber hat auch die vorzügliche Veranstaltung gemacht, daß fast in allen Gassen, ohne daß es den Gehenden anstößig wird, aus den Leitungen Wasser zum Feuerlöschen kann gezogen werden. Diese wohleingerichtete Stadt hält sich beständig Kunst- und Röhren-Meister, deren Geschäfte es ist, die Leitungen bey Sommer und Winter in gutem Stande zu halten, und ihre dazu unterrichtete Gehülfen anzuführen. - -
Bey dieser Gelegenheit muß ich noch hinzusetzen, daß bey entstehenden Ergießungen und Ueberschwemmungen, zu einer Zeit, da die Wassermühlen unbrauchbar sind, und oft die Windmühlen wegen einer Windstille ebenermaßen keine Dienste verrichten, die Roß- und Schiffsmühlen, wovon ich unten mit mehrerem reden werde, ein wichtiger Theil der Beobachtung für wohleingerichtete Städte sey.


§. 145. Von Feuergeräths-Behältnissen

Zu den öffentlichen Gebäuden einer Stadt gehören auch die Behältnisse der zum gemeinen Nutzen dienlichen Feuer-Geräthe, als Sprützen und beständig mit Wasser angefüllte und auf Schleifen bevestigte Küfen und Kümmen, auch Behältnisse, darinnen man zum Winter-Feuerlöschen, wo es zu haben ist, Salzsohlen-Wasser aufbehält. Dergleichen Behältnisse können in einer Stadt nicht genug seyn, und nie kann genugsam für deren Unterhaltung, und überhaupt für die zum Feuerlöschen dienliche Anstalten gesorgt werden. Wo es in den Städten der Platz zulässet, besonders an Mauern, welche die Kirchenplätze umgeben, auch an Mauern großer öffentlichen Gebäude, Vorraths-Häuser u. s. f. werden Feuer-Leitern und Haaken unter Schirm-Dächer geleget.


§. 146. Von Bau-Plätzen und Wagen-Remisen

Zu den nothwendigsten Erfordernissen einer Stadt gehöret auch ein geräumiger Bau-Platz, worauf die neuen öffentlichen und Privat-Gebäude zubereitet werden können. Es wäre aber sehr überflüssig, anzuführen, daß ein solcher Platz nur am äussersten Theil der Stadt, wo nicht gar wol besser in den Vorstädten, anzuordnen. Daß aber auch in den äusserlichen Theilen der Stadt weitläuftige Gebäude sich befinden, die bald dazu dienen, die der Stadt gehörigen Pferde zur Reuterey, zur Bequemlichkeit und Fuhrwerk der obrigkeitlichen Aufseher, zum öffentlichen Bauwesen, zu Reinigung der Gassen aufzubehalten; bald aber die der Stadt- auch Privat-Personen gehörige Wagen und Carossen zu beherbergen, ist nicht überflüssig anzuführen. In Städten, wo man auf gute Ordnung hält, sind sogar abgelegene Plätze, dahin zu Schonung des Gassen-Pflasters, und um die Beengungen zu verhindern, alle mit Kaufmanns-Gütern beladene Frachtwagen halten, und ihre Last durch SchIeifen sich abnehmen lassen müssen.


VIII.     VON ÖFFENTLICHEN ERGÖTZLICHKEITEN

§. 147. Von Schauspiel- Concert- und öffentlichen Tanzhäusern

Nachdem wir der wichtigsten Gebäude einer Stadt gedacht haben; so werden wir mit gewohnter Einschränkung auch der Anstalten gedenken, die vielen Einwohnern und Fremden zum Vergnügen, zur Erholung von wichtigen Geschäften, ja auch zu der im Winter so sehr nothwendigen Leibesbewegung, oder auch zur Ergötzlichkeit und Bequemlichkeit dienen. Ich sage wohlbedächtlich vielen, weil es mir wohl bekannt ist, daß sehr löbliche Grundsätze, Temperamente, Beschäftigungen, von nützlicher Art; oft aber auch Ekel an bis zum Ueberfluß ehedem genossenem Vergnügen; endlich aber äusserlicher Wohlstand, aber auch wol Geiz und Mangel; und zuletzt noch thörichte Heucheley, manchen Einwohner und Fremden vom Genuß dieser Anstalten ausschliessen. Wenn ein Schauspiel- ein Singspiel- ein Redouten- und Concert-Haus die Schönheit einer Stadt vermehren soll; so müssen, nach meinem Grundsatze, folgende Kleinigkeiten dabey nicht aus der Acht gelassen werden. Die Schau- und Singspieler beyderlye Geschlechts müssen Leute von auserlesener Geschicklichkeit und von vieler Sittsamkeit seyn; und nichts ist dann gerechter, als daß sie, wie in Frankreich, geehrt, und als in England, belohnt werden. In Wien ward ehedem den Schauspielerinnen alle unordentliche Lebensart, auch Aergerniß gebende Kleidung bey Gefängniß-Strafe untersagt; auch in Rom ist dieses in den ältesten Zeiten geschehen. Zu Florenz und in Amsterdam treiben die Schauspieler, um manchen Versuchungen, dazu der Müßiggang Anlaß giebt, zu entgehen, ausser den Vorstellungs-Stunden und Tagen ein gutes bürgerliches Gewerbe, dadurch sie aber keinesweges von Erlernung ihrer Rollen abgehalten werden. Die Vorstellungen auf der Schaubühne müssen so gut, als die zur Presse bestimmten Schriften, vom Sittenrichter vorher untersucht und nur mit dessen Beyfall aufgeführet werden. Dieses war ehedem ein Theil der mir vom Könige Friedrich V. aufgetragenen Pflichten, und ich habe mich immer bemühet, Aergerniß gebenden Witz nicht zuzulassen. - -
Geschmack verderbende Vorstellungen, Marionetten-Spiele, Positurmacher und Gauckler dieser Art, Thier-Hetzungen und andere der Menschen Grausamkeit und Thorheit beweisende Zeugnisse gehören billig nicht zu den erlaubten Vorstellungen. Schauspiele müssen, wie es in Copenhagen, Amsterdam, London u. s. f. der Gebrauch ist, lediglich in den Herbst- und Winter-Monaten zugelassen werden. Sowol in den Schau- als Singspiel- und Redouten-Häusern müssen, wie in Frankreich in vielen Städten geschiehet, Anstalten gegen alle unsittsame Aufführungen vorgekehret werden. Was die Gebäude zu diesen Ergötzlichkeiten betrifft, so sind sie billig gegen eindringende Kälte sehr dauerhaft aufzuführen. Insbesondere muß der Saal und Schauplatz sowol, als die Logen, gegen alle Zugwinde völlig gesichert seyn, aber dennoch muß der Dampf der Lichter und der Ausdünstungen sich über der Decke verlieren können. Die Logen müssen sehr solide unterstützet seyn, sie müssen billig, den Badewannen ähnlich, nicht viel vorausstehen, und dennoch also angeleget werden, daß man alles wohl hören und bemerken kann. Das Parterre muß zum Theil mit Bänken für die Zuschauer besetzet werden. Mit einerley wohlgewählter Farbe das Aeussere der Logen zu übermahlen, nach dem Modell des Opern-Hauses in Berlin, erhält viele Aufmerksamkeit für die Zierden des Schauplatzes. Je weiter das Proscenium, oder die Vorderbühne, ins Parterre gehet, desto deutlicher und vernehmlicher wird die Vorstellung. Der Saal und das Aeussere der Logen muß billig gar nicht mit Lichtern besetzet seyn, sondern alle seine Erleuchtung von den Lichtern und Lampen der Seiten der Vorderbühne erhalten. Im neuen Palais bey Sanssouci, habe ich dieses also beobachtet. Die Lampen aber sind durchaus nicht mit stinkendem Oel anzufüllen. Die Lampen des Bodens des Prosceniums müssen also bedecket seyn, daß der Schein der Lichter den in den Logen Sitzenden nicht beschwerlich falle. Zu Wien ist über der Vorderbühne unter der Decke ein Uhrzeiger vermittelst einer Erleuchtung sehr wohl ausgedacht angebracht. Ueberhaupt weiß ich kein Schau- oder Singspiel-Haus, dessen Einrichtung sich meine Aufmerksamkeit mehr erworben hätte, als der Opern-Saal im Palais bey Sanssouci. Das große berühmte Schauspielhaus in Parma, dessen Inneres nach Römischem oder Olympischem Geschmack amphitheatermäßig eingerichtet ist, scheinet das Model zu dieser Anlage gewesen zu seyn. Das Aeussere der Schau- und Singspiel-Häuser betreffend, so müssen bey jeder Vorstellung billig Glieder der Besatzung nicht weit davon entfernet seyn, um Unordnungen zu verhindern. Sprützen müssen beständig um das Schauspiel-Haus, und selbst eine angefüllte Sprütze hinter dem Schauplatz stehen. Ein Schauspiel-Haus muß billig viele weite doppelte Thüren haben, die bey jedem Wink sogleich eröffnet werden können. Um das Schauspiel-Haus her muß alles geräumig seyn, damit genugsamer Platz für hin- und herfahrende Wagen, und absonderliche Gang für die Fußgänger sey, damit diese von jenen nie beschädiget werden können. Es muß bey und um die Ein- und Ausfahrt, Ein- und Ausgängen der Häuser dieser Art nicht an genugsamer Erleuchtung fehlen. Hier die Leuchten ersparen heißt, Menschen in Lebensgefahr stürzen. An manchen Orten ist es Gebrauch, daß die Redouten in den Schauspiel-Häusern gehalten werden, nachdem der Fußboden des Parterre aufgeschraubet worden. Auch Concerte werden auf den Schaubühnen gemacht. Dieß ersparet mir die Mühe, davon absonderlich zu schreiben. Es wird fast überflüßig seyn, zu bemerken, daß alle unanständige Aufführung, alle scheusliche ungesittete auf geistliche und obrigkeitliche Personen anspielende Belarvungen, und sonst alles, was Aergerniß geben könnte, bey diesen Ergötzlichkeiten vorher öffentlich pflegt untersaget und nicht zugelassen zu werden. Der prächtigste Redouten-Saal ist in Wien. Sein Inneres ist geräumig, als ein Tempel; viele Berg-Chrystallene Kronen-Leuchter, prächtige Säulen und Bildsäulen, etliche Chöre Musikanten helfen diesen Platz noch mehr verherrlichen. - Der Concert-Saal in Hamburg ist einer der besten, die ich kenne.


§. 148. Von Gesellschafts-Häusern

Vom Patriotismus belebt wetteifern die Franzosen und Italiäner um den Vorzug, Fremde anzulocken, und ihnen den Aufenthalt in ihren Städten angenehm und reizend zu machen. In den Französischen Städten bezaubern sowol derseIben Vorgesetzte, als Bürger, jeden AnkömmIing durch zuvorkommende Höflichkeit, durch schmeichelhafte HerabIassung, durch wohlersonnene mehr freundschaftliche, als schwelgerische Gastmahle und durch witzige Spiele und scherzhafte Unterredungen. Die Häuser der Franzosen sind Tempel der Freundschaft, der Geselligkeit und einer Iebhaften Unterhaltung; und ihre Weiber scheinen die Opfer-Priesterinnen zu seyn, die jeden Fremden zu den Altären führen, um im Heiligthume der Freundschaft eingeweihet zu werden. Eben daher übertreffen die schlechtesten Jahreszeiten in den Französischen Städten in mancher Betrachtung den Sommer an Lust und Ergötzlichkeit. Der Franzose nimmt einen sich unterscheidenden Fremden von guter Lebensart und äusserlichem Ansehen, ohne deutsche ängstliche Sorge für Wohlstand, für übel nehmen, für dieß und für das, ohne Mistrauen und ohne Eifersucht bey sich auf, und macht ihn gleichsam zum MitgIiede seines Geschlechts; zu jeder Tagezeit stehet den Bekannten sein Haus offen. Kurz, wer in einer Französischen Stadt sich aufhält, und mehr scherzhafte, witzige, als gewinnsüchtige Spiele oder Unterredungen liebet, darf keinen Mangel eines geselligen Umganges befürchten. O welche Zierde und Schönheit der Städte! Ein vertraulicher Umgang dieser Art und freundschaftliche Gastmahle nach Französischer Weise, sind weit seltener in Welschland anzutreffen, und doch ist man ebenso begierig in diesem, als in jenem Lande, den Fremden zu locken und zu fesseln. Damit nun die scharfsinnigen Italiäner zu ihrem Endzweck gelangen, so erwählen sie andere Mittel, jedem Menschen von Geschmack den Aufenthalt unter ihnen beliebt zu machen. Die erhabensten Werke der Kunst, beydes der jetzigen und Iängst verflossenen Zeiten, in Betracht der Bildhauerey und Mahlerey, ergötzen einen Fremden von Gefühl und Geschmack den einen Theil des Tages, wenn man darauf sinnet, den letzten Theil desselben, besonders in den Winter-Monaten, durch angestellte öffentliche Lustbarkeiten ebenfalls reizend zu machen. Auch machen in diesem urältesten Wohnsitz der guten Lebensart und seinen Sitten sich die Vornehmsten ein Verdienst daraus, in ihren Pallästen und Landhäusern, zum Genuß eines jeden wohlgekleideten Menschen, öffentliche Versammlungen anzuordnen, wo man sich bey einer mäßigen Erfrischung bald durch Musik, bald durch theatralische Vorstellungen, bald durch Betrachtungen und Unterredungen von Werken der Kunst, und von Ueberbleibseln des Alterthums, bald durch Anhörung scharfsinniger und gelehrter Rede-Uebungen unentgeldlich ergötzen darf. Der Umgang ist bey diesen Lustbarkeiten auf einen angenehmen Fuß eingerichtet und ungezwungen; hier ist der Ton der Gesellschaft frey und offenherzig; man bemühet sich hier, Fremden sehr höflich zu begegnen. Jedoch das Beste, was man in den vornehmsten Städten antrifft, wodurch jedermann ergötzet werden kann, und was gleichwol niemand zu einiger Beschwerde gereichet, ist der Gebrauch, öffentliche Versammlungs-Häuser anzulegen, die unter dem Namen Casino bekannt sind. Diese Häuser locken in den Winter-Monaten, sobald es dunkel wird, durch Erleuchtung und Musik jedermann in die geräumigsten Sääle, davon einige zum Stillsitzen, andere zum Hin- und Hergehen, und zu Erhaltung dieser und jener Erfrischung eingerichtet sind, und wo es einem jeden freystehet, zu kommen und davon zu gehen, wenn es ihm gefällt. Ob die mehresten deutschen Städte, in Betracht der Begegnung gegen Fremde, und in Betracht der Sorgfalt, sie an sich zu locken und zu unterhalten, der einen oder der andern gepriesenen Nation ähnlich sind, kann ich nicht entscheiden. Ich habe nur zwo Städte in Deutschland gefunden, die sich der Lebensart der Franzosen nähern, die beflissen sind, Fremden und wohlhabenden Einwohnern den Aufenthalt angenehm zu machen. Das aber weiß ich desto gewisser, daß viele Fremde und Deutsche von Geschmack, deren Geister sich aber nicht nach Spiel und Schwelgerey sehnen, den deutschen Städten öffentliche Versammlungs-Häuser von Welscher Einrichtung wünschen. Die berühmten Häuser in London, Rennelagh und Panteon, sind Versammlungs-Häuser jener Art, wo jedermann nach Erlegung eines gewissen Eintritts-Geldes, die Erlaubniß hat, sich eben also als in einem Welschen Casino nach eigener Neigung zu ergötzen, und in den langen Winter-Abendstunden durch Spatzierengehen und anmuthige Unterhaltungen in einem durch und durch mit Wachskerzen erleuchteten Tempel-mäßigen Saal gegen die Angriffe der Hypochondrie zu bewaffnen. Zu Leipzig im Hotel de Saxe sind auch Anstalten vorgekehret, daß in den Winter-Monaten in einem geräumigen und wohlerleuchteten Saal Versammlungen obgedachter Art, jedoch mit großem Unterschiede des Eintritts-Geldes, gehalten werden. Man gehet zu dieser Versammlung nach fünf Uhr, man bezahlet wenige Groschen beym Eintritt, und man kann ohne die geringste Vorschrift alle Arten Erfrischungen, nach einem vestgesetzten Preis, so wenig und so viel, als man will, sich reichen lassen. Wem es gefällt, der kann sich mit einer Spiel-Gesellschaft verbinden, sich mit andern im Spaziergehen unterreden, auch sich mit einer Abendmahlzeit bewirthen lassen. Die Ersten und Vornehmsten der Stadt in Leipzig beweisen dadurch, daß sie an diesen Versammlungen Theil nehmen, wie weit sie sich über daß alte Gothische Vorurtheil erheben, welches die städtischen obrigkeitlichen Vorzüge oft in einer tödtenden Steifigkeit und Enthaltsamkeit von vermischter Gesellschaft setzet, und sich aus entfernten Zeiten, da manche Glieder der Gesellschaft durch unmäßiges Saufen oft zur Ausschweifung verleitet wurden, herschreibet. Zum Beweis eines Kayserlichen Wohlgefallens an dem gesellschaftlichen Umgange in den Städten, um den oft alt-spanisch- und schweizerisch-gesinnten Obrigkeiten in den Städten durch einen herablassenden Vorgang ein Beyspiel zu geben, und um den gesellschaftlichen Umgang in den deutschen Städten zu befördern, geruhete vor Jahren der glorwürdigste Kayser Franz selbst ein Versammlungs-Haus obbeschriebener Art in Wien zu besuchen. Vielleicht halten endlich viele meiner Leser dafür, daß die Bewirkung eines Versammlungs-Hauses dieser Art ein Patriotismus sey, der einer jeden edelgesinnten Seele die größte Ehre macht, und ihr den Dank des Gesellschaft-liebenden Publicums auch die Verbindung vieler kränklichen Menschen, und insbesondere mancher Fremden und Reisenden, erwirbet, und ich trete ihrer Meynung bey. Man hat in Welschland noch eine andere Art von öffentlichen Gebäuden, die insbesondere den feyerlichen Gastmahlen gewidmet sind. Man nennet ein Haus dieser Art in Italien Chalcidium. Häuser von dieser Art sind in den deutschen Städten nicht so selten. In Hamburg ist das Baumhaus, und das sogenannte Eimbeckische Haus, auch die Weinhändler- und Kramer-Amtshäuser, und in Lübeck die Schafferey zu diesem Endzweck angeleget und eingerichtet; auch hat der Englische Boßelhof in Hamburg den Endzweck der Ergötzlichkeit, daß vereinigte und abgeredete Gesellschaften sich zu Gastereyen und zum Tanzen hier versammeln können. Auch sehr viele Rathhäuser in Deutschland sind also eingerichtet, daß feyerliche Gastmahle und Tanz-Versammlungen darauf gehalten werden mögen. Vielleicht aber rechnet nicht jedermann diese Anwendung der Regierungs-Häuser zu den schönsten Anstalten einer Stadt.


§. 149. Von den öffentlichen Weinhäusern

Zur Ergötzlichkeit der Einwohner und Fremden gehören die öffentlichen Weinhäuser in einer Stadt. In Deutschland hat man fast in allen etwas vorstellenden Städten Raths- oder Stadt-Weinschenken und Keller; und da, wo sich die Vorgesetzten um alle gute Ordnungen bekümmern oder bekümmern dürfen, da sind jederzeit Kellermeister geordnet, die nicht nur für die Erhaltung und Unterhaltung der Weine und deren Verkaufung, Versendung; sondern auch für gute Ordnung und Aufwartung und Bedienung der Gäste aufmerksam sind. Und weil dazu fast jederzeit Leute von guter Lebensart genommen werden, so ist es sehr billig, daß es ihnen Pflicht gemacht wird, den Gästen mit vieler Leutseligkeit zu begegnen, und in Ermangelung anderer Gesellschaft, sie im Gespräch zu unterhalten. Die Raths-Weinkeller oder Schenken sollten billig dieß voraus haben: zuförderst, daß man nicht etwa nur Rhein-Mosler-Wein, Secte, und andere Spanische Weine, sondern auch alle gewöhnliche Sorten dieser Art Getränke erhalten könnte, weil es gewiß sehr seltsam ist, Einwohner oder Fremde in ein Stadt-Weinhaus nöthigen, um Wein zu trinken, dazu er nicht gewöhnt ist, und den er nicht liebet. Ferner, so müßte man völlig gesichert seyn, in den Stadt-Schenken und Kellern keine verdorbene, unreife oder verfälschte Weine zu erhalten. Ich bin vielleicht der letzte unter den deutschen Weintrinkern. Inzwischen ist mir dennoch bekannt, daß die Raths-Weinkeller in Lübeck, Bremen und Hamburg, in Betracht der Vortrefflichkeit der alten Rheinweine, vielleicht den Rang vor allen öffentlichen Häusern dieser Art haben, und noch dazu für die gemäßigten Preise in großen und geringen Maassen jedermann diese vortrefflichen Getränke zukommen lassen. Die Senate der Hanse-Städte haben zu der Zeit, da ich meine Betrachtung über die deutsche Hansa und über den Werth ihrer Geschichte heraus gab, mir edelmüthige Geschenke von etlichen Ohmen ihres vortrefflichen Vorraths gemacht, dafür ich hiedurch aufs neue meinen Dank feyerlichst abstatte, und mich noch oft bey dem Genuß ihrer Güte erinnere. Von diesen öffentlichen Stadt-Weinhäusern ist noch dieses zu bemerken, daß es zur Zierde einer Stadt gereiche, wenn sie beständig sauber unterhalten werden, damit ihre Gesellschafts-Stuben und Gewölber nicht das ekelhafte Ansehen der Gefängnisse haben. Auch sind die Gesetze dieser Zusammmenkunfts-Häuser sehr gerecht, daß so wenig darinnen irgend ein Spiel, als das Tobackrauchen zugelassen wird, weil der Tobacks-Dampf für viele Menschen unausstehlich ist, und weil sich zu Spielern und Weintrinkern fast immer der dritte, das ist, Zank oder Schlägerey gesellen. Ueberhaupt ist es ein Grundsatz, daß in allen Schenken und Weinhäusern kein Spiel zugelassen werden muß. Auch gehöret es zu einer regelmäßigen Policey, daß um zehn Uhr alle dergleichen Schenken und Häuser verschlossen werden, oder daß die Schenk-Wirthe dafür Rechenschaft geben müssen.


§. 150. Von Caffee- und Billard-Häusern

Man stelle sich eine Stadt vor, darinnen unbeweibte Männer leben, denen der Umgang in einer Haus-Familie fehlet; oder auch, darinnen Hausväter nach vollendeten Geschäften sich nach einer ermunternden Abwechselung sehnen, ohne solche in Weinhäusern zu suchen; oder man bilde sich Fremde in einer Stadt ein, die des Tages ihre Geschäfte verrichtet haben, und sich nachhero eine Erquickung wünschen, die so wenig in ihren Herbergen, als sonst, anzutreffen ist; gewiß, wo nicht in einer Stadt ein oder mehrere Caffee-Häuser angeleget werden, so wird dieser ergötzende Endzweck schwerlich erreichet. Daher sind dergleichen Anlagen in einer Stadt unschätzbar, insbesondere wenn sie regelmäßig eingerichtet sind. Das ist: Wenn Caffee-Häuser geräumige Sääle und Neben-Unterhaltungszimmer haben, da man nicht von Tobackrauch erstickt zu werden befürchten darf, und darinnen niemand die Billard-Spieler hindert; Wenn sie geräumige, wohlangelegte Camine haben, daran sich viele im Winter erwärmen können; Wenn sich die besten Erfrischungen an Caffee, Chocolade, Thee, Abavaroise, Punsch, Bischop, abgezogen Wasser, Orgade, Limonade u. s. f. da gegen billige Bezahlung antreffen Iassen. - -
Und wenn daneben alle zur Lectüre und Nachrichten dienliche Monats- und Wochenschriften und Intelligenz-Blätter, endlich aber Zeitungen von den berühmtesten Gegenden Europens da angetroffen werden. Die Caffee-Häuser in Paris, Haag, Wien u. s. f. sind die berühmtesten unter andern in Europa. In Betracht der inneren Einrichtung und Pracht dürfte wol das neue Richtersche Caffee-Haus in Leipzig vor allen obenanstehen. Hier ist es, wo in den Messen die auserlesensten Concerte abwechseln, und wo man Aufwartung und alle Erfrischungen nach Wunsche antrifft, und wo vielen Hunderten die Abendstunden in den Messen verkürzet werden. In einigen Städten, besonders in Welschland, sind gewisse Spiele in den Caffee-Häusern bey schwerster Strafe untersaget. Ob dergleichen Befehle und ihre ernsthafte Beobachtungen zu Verschönerung einer Stadt dienen, mögen meine Leser entscheiden. Zu den Ergötzlichkeits-Häusern dieser Art darf man auch wol die Häuser in und vor den Städten rechnen, die man Ballhäuser und Kegelbahnen zu nennen pflegt, und wo, außer Caffee und warmen Getränken, auch Biere von der vortrefflichsten Art verschenket werden. Sowol der geringe als vornehme, sowol der bemittelte als nicht bemittelte Bürger, sowol der gelehrte als commecirende, oder Fabrik- und Handwerktreibende Bürger muß Gelegenheit haben, sich zu ergötzen und sich anmuthige Leibesbewegungen machen zu können. Daher ist nichts billiger, als daß für Anlegung und Unterhaltung dieser Anstalten angelegentlich in den Städten gesorget wird. In Holland sind sogenannte Doolhäuser die Lust der Bürger von allen Ständen.


§. 151. Von Buchhandlungen

Man hat Mühe, sich eine Stadt als vollkommen wohleingerichtet vorzustellen, wenn gelehrte und ungeIehrte Einwohner und Fremde zum Unterricht und zu ihrer Ergötzung die erforderlichen Bücher alter und neuer Zeiten darinnen nicht zu Kauf oder zur Anleihe erhalten können. Daher sind Buchhandlungen, oder wenigstens eine etwas bedeutende Buchhandlung, in einer Stadt von großer Nothwendigkeit; aber zugleich ist es auch nöthig, daß sie wohl mit obgedachten Schriften versehen sind, damit man nicht immer vergeblich frage, damit die Neubegierde bald befriediget werden kann. Zugleich aber ist es Schönheit einer Stadt, wenn jeder Gelehrter in den Buchhandlungen, wie zu Leipzig, einen Zutritt hat, um sich nach den neuesten Journälen und Büchern umzusehen, auch wenn eine solche Bücher-Niederlage den gehörigen Raum und Bequemlichkeit hat. Nicht minder ist es eine große Bequemlichkeit, wenn sogenannte Antiquarii in einer Stadt wohnen, wo jedermann nach seiner Absicht eingebundene Bücher, Journäle, Zeitungen aus allen Gegenden gegen eine gewisse bestimmte Vergeltung erhalten kann. Eine Stadt, die einen Beherrscher hat, der eine Buchhandlung durch besondere Privilegien begünstiget, der dieser ein absonderliches Recht giebt, die Calender, oder Adreß-Blätter und Zeitungen zu verlegen, auch diesen und jenen vortheilhaften Verlag durch Vorschüsse unterstützet; Der einem Antiquario etwa ein ausschliessendes Privilegium ertheilen kann, u. s. f. die darf nur ihre Wünsche ihrem Beherrscher kund machen, und hat Hoffnung, sie erfüllt zu sehen. Andere Städte aber muß man nur erst volkreich und nahrhaft zu machen suchen, und alsdann werden sich schon alle Gewerbe, auch ansehnliche Buchhandlungen aller Art darinnen niederlassen; ja sobald Fremde und Lehrbegierige nur oft nach den neuesten Journälen und Schriften sich erkundigen, so wird die Erwerb-Begierde bald Bürger aufmuntern, um eines zu hoffenden Gewinnstes willen das herbey zu schaffen, was verlanget wird.


§. 152. Von Anstalten zum Vergnügen hoher Gäste

Auch von den Franzosen und Welschen muß man die Kunst erlernen, wie man eine Stadt hohen Gästen beliebt machen und sie derselben Huld empfehlen soll. Vor Zeiten, damals, da man noch Vorzüge in langen Zügen suchte, pflegte man nur hohen Gästen mit Geschenken von Wein entgegen zu gehen; aber jetzo läßt man es dabey nicht bewenden, sondern man sorget zuförderst für derselben bequeme Wohnung (§. 116.), und für gute Häuser für derselben Gefolge; man errichtet ferner, besonders wenn es Landesfürsten und derselben nächsten Angehörigen sind, Ehrenpforen; man verordnet nächtliche Erleuchtungen; man besorget große Concerte, Bälle, Gastmahle, Sing- und Schauspiele, Carousselle, Wasserfahrten, Schlittenfahrten, Kunstfeuer-Spiele. Man sucht das Gefolge der Fürsten mit allen Bequemlichkeiten und Vorzügen den Aufenthalt angenehm zu machen. Man ordnet die Magistrats-Glieder von der feinsten Lebensart den Gästen zur Aufwartung. Die obrigkeitlichen Personen sinnen auf alle Mittel, wenn ihre Häuser und Gärten dazu eingerichtet, dieser Gäste Vergnügen zu befördern. Der Churfürst von Cölln besuchte ehedem Hamburg, und ward vom schönen Geschlechte empfangen. Der Landgraf von Cassel besuchte Hamburg, und man suchte nicht nur alles hervor, dem Fürsten sich zu empfehIen, sondern man beschüttete die Iebhafte Gasse vor seiner Wohnung so sehr mit Sand, daß der hohe Gast nicht vom Geräusch der Wagen beunruhiget ward. Wer erinnert sich endlich nicht aus den neuesten Zeiten und Nachrichten: Mit welcher Aufmerksamkeit und Unterscheidung der vortreffliche Churfürst von der Pfalz und Herzog von Würtemberg in Rom empfangen und bewirthet wurden, und wie sich alles zu derselben Zufriedenheit bemühete? Und wer hat den feinen und geschmackvollen Empfang und Bewirthungs-Anstalten der Städte, Wismar und Rostock, für ihre Cronen-würdige Prinzeßinnen nicht bewundert? - Und wer kann ohne Entzückung an die Erleuchtung der Altonaischen Palemaille gedenken, wenn ehedem die Väter ihrer Unterthanen Altona durch ihre Gegenwart beglücken? - Kurz, eine Stadt, die das Glück hat, von hohen Gästen besucht zu werden, muß darauf sinnen, ihre Anstalten von der besten Seite zu zeigen. Die Kanonen-Schüsse vor der Einfahrt und nach der Ausfahrt müssen alsdann nicht gesparet werden. Wo Schiffe sind, da werden sie, solange sich der hohe Gast aufhält, mit Flaggen gezieret, auch wol oft erIeuchtet. Besucht der Landesherr und ein Monarch eine Stadt, so werden schön mondirte Garden voraus gesendet, auf die Gassen des Durchzuges, auch vor dessen Hoflager gestellet, auch wol die Schlüssel der Stadt-Thore auf kostbare Polsters von Sammet, mit Gold oder Silber besetzt, zu derselben Füßen geleget, Musiken gebracht, und diese höchsten Gäste von allen ansehnlichen Collegien der Stadt durch wohlausgearbeitete jedoch sehr kurze Reden bewillkommet, auch wol zu derselben Verehrung feyerliche Reden öffentlich gehalten. In vorigen Zeiten, da Geistliche von bürgerlichem Herkommen fast nur allein die Herzen der Fürsten lenkten, durften die Städte nicht so besorgt seyn, wenn sie diese und jene Aufmerksamkeit versäumten, als jetzo, da der Adel die Fürsten fast allein umgiebt, und durch Empfehlungen die Schicksale der Städte lenket. -


§. 153. Von öffentlichen Musiken in den Städten

Da bereits Plutarch und Quintilian der Musik die Kraft zuschreiben, den Menschen zu edlen Thaten zu bewegen; was kann mich dann abhalten, sie, wenn man in einer Stadt jedermann daran Theil nehmen läßt, für eine wahre Schönheit der Städte zu erklären? Aber alsdann setze ich auch dabey zum voraus, daß so großen Meistern in dieser Kunst, wie vor Zeiten Händel und Telemann waren, und noch jetzo Bach, Haß und Graun sind, in einer Stadt die Oberaufsicht darüber anvertrauet sey. Die öffentlichen Musiken in den Städten ergötzen die Ohren der Einwohner auf mancherley Weise, wenn dazu die gehörigen Anstalten vorgekehret werden. Zuförderst sind es die Kirchen-Musiken, die in manchen Städten alle Sonn- und Festtage, in andern aber nur zu gewissen bestimmten Zeiten aufgeführet werden. Von allen Anstalten, die mir von dergleichen Musiken bekannnt geworden, habe ich keine angetroffen, die klüger angeordnet wäre, als die Sonntäglichen Kirchen-Musiken in dem Sachsen-Gothaischen Städtchen Ronneburg. Hier ist der Rector der Schule zugleich Director der Musik, die von ihm und seinen untergeordneten Collegen und den in der Musik unterrichteten Schülern mit Sängern und Instrumenten alle Sonntage aufgeführet wird, ohne daß dabey das gemeine Wesen Kosten tragen dürfte. Hierauf folgen die Instrumental-Musiken mit Pauken und Trompeten, die fast in den mehresten wohleingerichteten Städten, darinnen man fast durchgängig Stadt-Pfeiffer zu Hochzeiten und andern Feyerlichkeiten zu unterhalten pflegt, an den Sonn- und Festtägen, auch wol in der Woche, von den Kirchthürmern, auch wol aus den Fenstern und von den Balkons der Rathhäuser pfleget angestellt zu werden. Je geschickter hier die Musikanten sind, desto größere Ehre machen sie einer Stadt. Die Thurmbläser in Hamburg, die nicht nur bey Feyerlichkeiten, sondern überdieß Vormittags, auch des Abends von den Thürmen blasen, sind die mehreste Zeit Virtuosen in ihrer Kunst; sie ergötzen und reizen zugleich zu erbaulichen Betrachtungen, sie vermehren die Annehmlichkeit von Hamburg und machen der Stadt Ehre. Auch die Chorsänger in den Städten, wenn sie aus ausgesuchten Musik-verständigen Jünglingen bestehen, und unter guter Anführung vor den Thüren angesehener Einwohner musiciren, gereichen eben so gewiß einer Stadt zur Zierde und Schönheit *) ,als das Herumlaufen der Bettelbuben, deren wildes Geschrey den Nahmen Gottes entheiliget, und den Verächtern der christlichen Religion zu Spöttereyen Anlaß giebt, einer Stadt wenige Ehre bringet.

*) Als eine sehr bemerkenswürdige, zum Ruhm des großen Friedrichs gereichende Sache, finde ich in der zu manchem practischen Gebrauch und zur Ehre großmüthiger Berliner gereichenden lesenswürdigen Büschingischen Geschichte des Berlinischen Gymnasii im grauen Kloster von 1774. p. 28. Daß der König die Chor-Sänger in Berlin nicht abgestellt wissen wollen.


Wie überhaupt die Thüringer einen großen Hang zur Musik haben, so habe ich auch nirgends bessere Chorsänger, als in Erfurt angetroffen. Ueberhaupt muß eine Stadt, die den Nahmen einer Schönen verdienen will, dafür besorget seyn, geschickte Musikanten zu mancherley Feyerlichkeiten zu erhalten, weil deren Mangel fast jederzeit einen schlechten Geschmack der Vorgesetzten zu erkennen giebt. Endlich machen die Glocken-Spiele und selbst das Glocken-Geläute in einer Stadt viele Anmuth und geben zu manchen erbaulichen Gedanken Anlaß. Wenn die Glocken-Spiele geschlagen werden, wie zu Potsdam auf der Guarnisons-Kirche, und zu Hamburg auf der Nicolai-Kirche, so werden dazu große Meister erfordert: wenn sie aber durch Triebwerk von selbst spielen, wie die Glocken-Spiele in Amsterdam, Alckmar, Gröningen, Berlin, Darmstadt, an der Petri-Kirche in Hamburg, und an der Marien-Kirche in Lübeck, so muß an der ersten Einrichtung billig nichts ersparet werden, damit dergleichen Musik musikalischen Ohren nicht empfindlich und unausstehlich werde, und die Anstalten eine Stadt lächerlich machen. - -
Das schönste Glocken-Geläute, welches ich kenne, ist das von der berühmten Glocke im Dom zu Erfurt: wer zum Frohnleichnams-Feste da gewesen, wird nur Beyfall geben.


IX.     VON BEQUEMLICHKEITS-ANSTALTEN

§. 154. Einleitung

Endlich so kommen in einer guten Stadt, oder zu ihrer Vollständigkeit und Verschönerung, billig alle Anstalten in Erwegung, die zur Bequemlichkeit, ja auch zur Beruhigung der Einwohner und Fremden, etwas beytragen. Dahin gehören Post- und Fuhr-Anstalten, Kalender, Adreß- und Zeitungs-Einrichtungen, die Besorgung guter Wirthshäuser, Garküchen, Gesinde- und Hausgeräths-Vermiether, die Stadt-Uhren, auch Nachtwächter-Anstalten. Alle diese guten Einrichtungen werden endlich durch kluge Wegschaffung der Bettler gekrönet. Da wir aber der Werk- und Zucht-Häuser oben (§ 58. 135.) gedacht haben, so haben wir dadurch zugleich bemerkt, wohin diese Leute gehören. Getreue Bettelvoigte und standhafte Unterstützung derselben von den Besatzungen, machen hiernächst alles zu diesen Anstalten aus. Man beschuldige mich keiner Verabsäumung, wenn ich hier von Unterscheidungs-Kleidern beydes der Obrigkeiten, als der Stadt-Bedienten, deren weise und wohlüberlegte Anordnung allerdings einer Stadt zur Ehre gereichen; auch wenn ich von Hochzeits- Kindtauf- und Begräbniß-Anstalten und Proceßionen u. s. f. hier nichts geredet habe. Ich bin der Meynung, daß diese Anstalten zu meinem Zirkel weniger, als zu einer Beschreibung dessen gehöret, was Ehrbarkeit und Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft erfordern.


§. 155. Von Post- und Fuhr-Anstalten

Ohne Post- und Fuhr-Anstalten würde es einer Stadt an den größten Bequemlichkeiten fehlen. Ein allgemeines Posthaus muß billig mitten in der Stadt liegen. Es muß durch eine Wache bedecket seyn, oder wenigstens muß des Nachts vor den Thüren des Haupt-Comtoirs Wache gehalten werden. Die Fenster des Behältnisses, wo man die zum Absenden gebrachten Güter niederlegt, müssen mit eisernen Gittern und ausserhalb mit Laternen wohl versehen seyn. Auch die Vorplätze dieser Häuser müssen wohl erIeuchtet werden, hiernächst die Anzeigen aller Post-Nachrichten angeheftet, und gegen Beschädigung gesichert seyn. In den Posthäusern sind folgende Anstalten nöthig, als: eine Passagier-Stube, darinnen die Ab- und Zureisenden abtreten können, und die im Winter beständig warm erhalten wird, und darinnen alle Nachrichten, deren wir oben (§. 15, 56.) gedacht haben, angeheftet sind. Es müssen ferner Pack- und Wage-Stuben für Güter und Gelder, auch Brief-Stuben, nicht minder Brief-Kasten für unfrankierte Briefe in den Posthäusern seyn. Diese Brief-Kasten müssen von den Augen der Postwachen nicht weit entfernet angeleget werden. Die Post-Bothen müssen alle durch besondere Kleidung und Kennzeichen unterschieden werden; Billigkeit nach der ihnen vorgeschriebenen Träger-Taxe, Treue und Geschwindigkeit und Klugheit in Erforschung der Fremden müssen ihre Eigenschaften seyn. Wie überhaupt die Höflichkeit und Redlichkeit der Post-Bedienten um so mehr eine große Tugend ist, weil diese Leute oft durch abgeschmackte Fragen leicht aufgebracht werden können, auch viele Gelegenheit haben, im Fordern des kleinen Porto unrechtsmäßig zu handeln; so bleibt es allzeit gewiß, daß hierinnen gute Ordnung und Anstalt die Zierde einer Stadt ist. Die Posthäuser in Braunschweig, Erfurt, Berlin, Wien, Hannover, ZelIe, Leipzig, Copenhagen u. s. f. sind Modelle guter Einrichtungen. Denn in allen diesen Städten ist nur ein Haupt-Posthaus. Wenn endlich, wie wir oben (§. 36.) bemerket haben, sogar in den Vorstädten Fuhr-Anstalten nöthig sind, so verstehet es sich von selbst, daß zur Bequemlichkeit der Einwohner und Fremden, in den Hauptstädten gar nicht vermissest werden müssen. Unter den Fuhr-Anstalten aber verstehe ich zuförderst Post- und Curier-Pferde, die der Wagemeister bey dem Fuhrwesen gegen eine vestgesetzte Vergeltung, eine halbe Stunde, nachdem sie vorher bestellet, mit einem tüchtigen Fuhr- oder Reitknecht verschaffen muß. Vortrefflich ist es, wenn die Postwagen gegen Regen und Unwetter bedeckt, nach Engländischem oder Brandenburgischem Fuß eingerichtet, und so bequem, als möglich, für die Reisenden gemacht werden. Hierher gehören ferner die Fiaker und Remise-Wagen, deren Anzahl, nach Beschaffenheit einer Stadt, von dazu privilegirten Leuten, beydes zur Bequemlichkeit der obrigkeitlichen Personen, als auch der Bürger, Einwohner und Fremden, billig in einer Stadt gehalten werden müssen. Endlich aber gehören dahin auch die Fuhrwagen, welche den Bürgern, auf Verlangen, Güter, Bau-Materialien und Feuerung von einem Ort zum anderen bringen müssen; auch dergleichen müssen in einer wohleingerichteten Stadt billig nicht vergeblich gesucht werden. Und alle ihre Fuhrleute, auch die Praam- und Everführer, nicht minder die Sänftenträger, sollten alle ihre von der Policey vestgesetzten Preise haben: und diese Preistaxe muß von Rechts wegen in den öffentlichen Calender eingeschaltet werden; das Fuhr- und Trag-Geräthe dieser Leute aber muß, bis auf die Schiebkarren, billig mit Nummern bezeichnet seyn, damit man die Ungesitteten desto geschwinder zur Rechenschaft fordern kann. Die Mietkutscher und Sänftenträger pflegten sich fast in allen Städten um den Vorzug zu streiten, wer es unter ihnen am höchsten in der Grobheit bringen kann, und sie sind es, die es fast jederzeit zuerst einem Fremden entdecken, wie viel Phlegma oder Feuer bey den Policey-Aufsehern anzutreffen ist; aber eben daher ist eine strenge Aufsicht gegen diese Leute desto nothwendiger. Besonders muß den Kutschern Völlerey und unverständiges Jagen bey schwerer Strafe untersaget werden. - -
Nichts ist billiger, als daß, wie es in Berlin gebräuchlich, diese Fahr- und Trage-Anstalten ihren besondern Commissarius haben.


§. 156. Von Calendern, Adreß- und Zeitungs-Anstalten

Wenn diese Anstalten so eingerichtet sind, wie es sich gehöret, so sind sie die Zierde einer Stadt, und befördern der Einwohner Bequemlichkeit ungemein; ja sie werden oft dazu angewendet, die gemeinnützigen Anlagen zu unterstützen. Ein Calender kommt fast in jedermanns Hände. Daher muß darinnen nichts zugelassen werden, was den Aufsehern der guten Sitten keine Ehre macht. Leichtsinnige Anweisungen, wann Arzeneyen zu gebrauchen sind, kindische und abergläubische Vorherverkündigungen muß man nicht drinnen antreffen; wohl aber, ausser den Tagen und Abwechselungen der Zeiten, ein Verzeichniß der guten Anstalten in der Stadt, der vornehmsten obrigkeitlichen Personen und der Stadt-Bedienten, der großen Fabrikanten und Künstler u. s. f. der kurz zusammengefaßte Einhalt der Policey-Verordnungen und alle Taxen, welche die Policey gesetzet hat, öconomische Anweisungen, bewährte Hülfsmittel gegen diese oder jene Krankheiten, Post- und Thor-Tabellen u. s. f. Alle diese Dinge machen einen Calender wichtig. Ich kenne keine vollständigere Einrichtung dieser Art, als den Hochgräfl. Schaumburg-Lippischen privileg. Calender. Anzeigen und Intelligenz Blätter dienen dazu: obrigkeitliche Verordnungen und öffentliche Anzeigen kund zu machen, was verkauft, vermietet werden soll; wer sich zum Dienst und zur Vermiethung anträgt und Arbeit suchet; was einer gerne kaufen mögte. Hiernächst dienen sie, gelehrte und öconomische Neuigkeiten, Erfindungen, Beobachtungen, Warnungen, Nahmen gebohrner, beförderter, verehelichter, verstorbener Personen; Korn- Mehl- Brodt- Fleisch- Fisch- Bier- und andere Taxen bekannt zu machen; auch andere öffentliche Vorfälle; die Nahmen der Angekommenen und Abgereisten; endlich aber auch Handlungs-Neuigkeiten aus der Nähe und Ferne jedermann mitzutheilen. Wien, Dresden, Leipzig, Berlin, Braunschweig, Hannover, Hamburg, Glückstadt, ja alle Städte von eigener Bedeutung versorgen sich mit dieser dem gemeinen Wesen so ersprießlichen Anstalt. Aber endlich sind auch wohleingerichtete Zeitungs-Einrichtungen, sowol die, welche gelehrte als politische Neuigkeiten mittheilen, von der ersten Würde, insbesondere alsdann, wenn edelmüthige bedachtsame Männer von reifen Erkenntnissen in Wissenschaften, deren Abhandlungen sie beurtheilen wollen, dazu auserwählet sind, und wenn sowol gelehrte als politische Zeitungen vorher der Censur einsichtsvoller alle persönliche Beleidigungen verabscheuender Personen vorgeleget werden müssen. Jedermann weiß, welche gelehrte und politische Zeitungen in Deutschland sich jedermanns Beyfall erwerben. - -


§. 157. Von Wirthshäusern

Nichts zieret eine Stadt so sehr, und giebt ihre weise und scharfdenkende Obern so deutlich zu erkennen, und empfiehlet sich den Fremden mehr, als wohleingerichtete öffentliche Wirtshäuser, besonders wenn solche an den besten öffentlichen Plätzen der Stadt, oder in den lebhaftesten Gassen, und für jede Art der Fremden bequem angelegt sind. Damit man, wie in gewissen Staaten und Städten geschiehet, den Fremden, die nicht vorher bedungen haben, das Fell nicht über die Ohren ziehet und plündert; so ist nichts billiger, als daß in dergleichen Häusern, wie wir oben (§. 56.) angeführet haben, eine öffentliche angeheftete Policey-Taxe jeden Ankömmling belehret, was er zu bezahlen habe. Aber dergleichen Belehrung ist sehr überflüssig und nichtswürdig, wenn die Policey nicht zu erforschen beflissen ist, mit wie vieler Aufrichtigkeit und Folgsamkeit die Gastwirte auf die ihnen gemachte Vorschrift achten. Daß Häuser dieser Art wohl gebauet und inwendig mit hellen und bequemen Treppen angelegt sind; das jeder hier im Sommer geräumige und im Winter zum Heitzen bequeme Zimmer haben kann; Das diese Häuser des Abends innerhalb und ausserhalb erleuchtet sein müssen; daß sie einen Haus-Hofmeister, oder zum mindesten einen getreuen Hausknecht haben müssen, der alle Gewerbe und Bestellungen an Fremde annimmt und aufzeichnet; daß jedes Zimmer seine Nummer haben muß; daß der Wirth für die in seinem Hause befindlichen Lehnlaquayen einstehe; daß der Anlauf des Bettel-Gesindels in solchen Häusern verhindert werde; Daß Wagen und Stallraum und Fütterung in dergleichen Häusern anzutreffen; daß die Wirthe solcher Häuser höflich seyn, gesittetes Gesinde halten; hiernächst alle Anzeigen und Zeitungen der Stadt für Fremde halten müssen, sind längst bekannte Wahrheiten. Daß aber bey der geringsten zwischen dem Wirth und seinen Gästen entstehenden Zwistigkeiten der Bezirk- oder Policey-Commissarius ohne alle Formalitäten entscheiden muß, ist hier noch anzuführen. Wenn, wie ich oben (§. 15.) bemerket habe, den Reisenden bey der Einfahrt in die Pässe oder Vorstädte das Verzeichnis der Wirthe und die ihnen vorgeschriebenen Taxe eingeliefert wird, und wenn die Wirthe den Policey-Befehlen so gehorsam seyn müssen, als sie es in Berlin und Potsdam und fast durchgängig unter Preußischer Regierung sind; so wird ein Reisender sehr wenige Ursache haben, sich über die sonst in Deutschland so bekannte Uebersetzung zu beklagen. Billig müßten Posthäuser in den Städten zugleich zu Wirthshäusern eingerichtet seyn, wie man es sehr löblich also im Hollsteinischen findet.


§. 158. Von Garküchen

Wie erwünscht sind nicht durch obrigkeitliche Verfügung angeordnete Garküchen, wie sie in Wien, Paris, London, Amsterdam, Copenhagen, u. s. f. häufig angetroffen werden, und wo nicht nur Einwohner und Fremde durch solche Küchen-Veranstaltungen zu Gastmahlen bald und um billige Preise gelangen können, sondern auch Vornehme und Geringe gegen mäßige Bezahlung mit Speise und Getränke bedienet werden, und wo Tafeln aufgehangen sind, die es täglich bezeichnen, welche Speise man um billigste Preise erhalten kann; wo man aber auch auf das reinlichste und höflichste bewirthet wird; woher endlich auch jedermann in seine Wohnung die Speisen erhalten kann, die er begehret! Ohne Veranstaltung der Policey, ohne Aufmerksamkeit derselben gelangen dergleichen Häuser entweder selten zur Vollkommenheit, oder die übertriebenen Forderungen verwandeln sie bald in ihr voriges Nichts. - Die Folgerung ergiebt sich von selbst. - -
Sogar die Eisgruben, dafür man in wohleingerichteten Städten zu mancher Absicht sorget, gehören zu den wohlanständigen Veranstaltungen.


§. 159. Von Aufwärtern

Wie preiswürdig sind nicht die Verfügungen, daß man, gegen policeymäßige billige Bezahlung wohlgekleidete, feine Bediente und Aufwärter bey allen Feyerlichkeiten erhalten; daß man zuverlässige Miethbediente auf so viele Zeit, als man will, erlangen kann; und daß insbesondere dazu geordnete Leute, auf Verlangen der Herrschaften, gegen bestimmte Vergeltung, für Anschaffung des Gesindels sorgen müssen!


§. 160. Von Gesinde-Vermiethern

Zur Nothwendigkeit und Bequemlichkeit der Fremden und der Einwohner einer Stadt gehören die Gesinde-Vermiether. Hierzu müssen unter Bürgschaft treue Leute von den Aufsehern guter Ordnungen bestellet werden, bey welchen sich Herrschaften und Gesinde melden, und jene gegen bestimmte Erkenntlichkeit Leute erhalten können, von deren voriger Aufführung die Vermiether genaue Nachrichten müssen geben können. Damit aber die, welche sich um Dienste bewerben, alsdann, wenn sie diesen Leuten nicht opfern wollen, nicht betrübet werden, so muß billig eine schwere Strafe auf dergleichen Bestechung gesetzet werden: weil außerdem Herrschaften mit schlechtem Gesinde, die den Vermiether bestochen haben, versehen werden. Dahingegen müssen die Vermiether dem zum Vermiethen geneigten Gesinde den Vorzug vor allen geben, welche die größte Sicherheit ihrer Treue stellen können.


§. 161. Von Vermiethern des Hausgeräths

Damit ein Fremder, der in eine Stadt kommt, sich sogleich mit Hausgeräthe versehen kann; daß es bey Feyerlichkeiten jedermann leicht wird, zu anständigen Kleidungen, zu schwarzen Mänteln u. s. f. zu gelangen, ohne sich in große Kosten zu setzen, so sind zu Vermiethung dieser Sachen Leute billig herbeyzuschaffen und zu unterstützen.


§. 162. Von den Stadt-Uhren

Daß aber auch die Richtigkeit der öffentlichen Stadt-Uhren, die sich entweder an den Schlössern, an den Rathhäusern und an den Kirchthürmen befinden, und wenn dergleichen Uhrscheiben wohl verguldet sind, und die Glockenzeiger die Stunden richtig bemerken, einer Stadt zur Zierde gereichen, und besonders den Handwerksleuten und Tagelöhnern sehr bequem seyn, wird niemand in Abrede seyn. Man stelle sich nur das Gegentheil hiervon vor, daß es in einem Theile der Stadt Mittag ist, wenn in einem andern Theile die Glocke die Morgenzeit anzeiget; so wird man die Wichtigkeit der Richtigkeit einer guten Uhren-Anstalt bald einsehen. Ueberhaupt müssen alle Uhren auf öffentlichen Gebäuden von geschickten Uhrmachern, nicht von Kleinschmieden, nach der Sonne billig gestellet und eingerichtet, und bey Anschaffung der Stadtglocken kein Geld gesparet werden, weil eine schlecht klingende Glocke einer Stadt wenig Ehre bringet.


§. 163. Von Nachtsicherheits-Anstalten

Meine Leser mögen es entscheiden, ob es einer Stadt wahre Ehre macht, wenn die Einwohner des Nachts befürchten müssen, von Dieben und durch schon überhandgenommene Feuersbrünste geängstiget, und von unanständigem Geschrey muthwilliger Menschen, und vom Geheul der Hunde beunruhigt zu werden; oder wenn sie dieß alles nicht befürchten dürfen, ja wenn sogar die Wachenden, von der Stadt-Glocke Entferneten, die Stunde der Zeit angezeiget wird. Dieß letzere ist da, wo gute Wächter-Anstalten sind; wo diese Leute auf den Gassen beständig sich begegnen und patrouilliren, und die Wohnungen der Einwohner beobachten, sich eräugende Feuersbrünste anzeigen, das Geschrey der Muthwilligen und Geheul der Hunde verhindern, und nachdem sie den Vers eines baulichen Liedes abgesungen, ohne Entsetzen verursachen des vom Schlaf erweckendes plötzliches Geknarre und Geblöcke, jede Stunde, auch wol jede halbe Stunde anzeigen müssen. In Betracht der Wächter- und Feuerlöschungs-Anstalten ist Hamburg ein Modell. Viele hundert Nachtwächter und Feuer-Bediente patrouillieren des Abends bereits wenn es dunkel geworden, bis zum Morgen, in allen Gassen hier herum, und tragen zur Beruhigung der Einwohner vieles bey. Die gute Kleidungs-Anordnung dieser Leute ist selbst eine Zierde dieser Stadt. Die Nachtwächter ziehen des Abends, wie eine Besatzung, in Uniform auf, und die Feuerwächter sind mit nummerirten eisernen Hüthen, weißen Kitteln, auch mit Stäben versehen, mit welchen sie durch Stoßen auf das Pflaster ihr Daseyn zu erkennen geben. In manchen Seehäfen und Städten müssen die Wächter sogar jedesmal anzeigen, aus welcher Gegend der Wind wehet. - Wenn man diese Leute des Nachts ohne Blend-Laternen gehen läßt, so setzet man zum voraus, daß der Nachläßigkeit oder dem niederträchtigen Geiz nicht gestattet wird, das Oel in den Gassen-Laternen also zu ersparen, damit solche schon um Mitternacht in der Stadt erlöschet sind. - Ueberhaupt dürfen die Nachtwächter des Abends keine Bettler, und nach einer bestimmten Zeit keine Menschen, die etwas tragen, auf den Gassen zu lassen; ja in manchen Städten müssen sie sehr genau auf alle Nachtschwärmerey in Krügen und gemeinen Häusern dieser Art acht geben, und wo sie solches vorgefunden, an der Hauptwache anzeigen.


§. 164. Von Vorzügen der Residenzen

Die bloße Nachricht, daß eine Stadt die Residenz eines Monarchen und Fürsten sey, erwirbt ihr bereits Hochachtung und die besten Meynungen von ihren inwendigen schönen Einrichtungen, und sehr selten betrügt man sich. In Städten, wo Rath- und Bürgerschlüsse die gesetzgebende Macht heißt, in Städten, die von den Höfen entfernet sind, ist jede Verschönerung bewundernswerth, und zeuget von einem unermüdeten Geist, von großer Geduld und Herablassung des Directoriums, und von gesitteten und geschmackvollen Bürgern; oder auch von einer großen Geschicklichkeit, sich den Beyfall der Finanzkammern zu erwerben und sich um derselben Zutrauen verdient zu machen. Wien, Dresden, München, Berlin, Potsdam, Copenhagen, Hannover, Braunschweig, Cassel u. s. f. würden ihre Schönheiten, die Palläste des reichen Adels und mancher adlicher Bürger nicht besitzen, wenn nicht so große Fürsten sie für ihre Lieblings-Städte erkläret hätten. Wie viel es aber auf die Neigung der Vorgesetzten ankommt, Städte zu verschönern, beweisen Hamburg und Lübeck. Wer letztere Stadt vor 25 Jahren sahe, traf die Spatziergänge vor dem Burg-Thore und vor andern Thoren so wenig, als manche andere Annehmlichkeiten, welche dieser Stadt jetzt zur Zierde gereichen. Auch Hamburg ist alle Tage beflissen, sich durch neue Anstalten zu verschönern: denn die Lustgänge auf der Berme am Fortificationshause, die neue schattigte Allee nach Eimsbüttel, die verschönerten akademischen Gebäude, das Eimbeckische Haus, das Amtshaus der Weinhändler, auch das neuerbaute Kramer-Amtshaus; Gebäude, wodurch das Ansehen dieser Stadt so sehr verschönert wird, auch andere nach seinem Geschmack errichtete Häuser, das neue Opernhaus, der schöne Concert-Saal, die neuen Kirche, u. s. f. alles dieses zeuget vom Verschönerungsgeist unserer Zeiten, der uns Ehre macht. Wie aber Rom auf einem Tage nicht erbauet oder verschönert ist, so muß man Schritt vor Schritt von zehn zu zehn, von funfzig zu funfzig Jahren, ohne alle schädliche und gefährliche Uebereilung, dergleichen löbliche Verschönerungen nur erwarten, also, wie etwa die Aufseher der guten Anstalten von gutem Geschmack sind, wie sie die gute Gelegenheit wohl zu nutzen, ermattende Vorsteher zu ermuntern, und sich das Vertrauen der Beherrscher zu erwerben wissen.


§. 165. Bekanntes Beyspiel dieses Vorzuges

Deutschland hat eine Stadt, die sie in Betracht ihres Umfanges, wenn man Berlin ausnimmt, vielleicht zu einer ihrer größten rechnen kann. Diese Stadt hat seit hundert Jahren erfahren, was es heiße, das Glück zu genießen, von Fürstlichen Regenten, die königlich denken und väterlich herrschen, besorgt zu werden. Braunschweig ist diese glückliche Stadt. Wer ihren Hanseatischen Zustand aus der Geschichte und ihren jetzigen aus dem Anblick kennet, siehet ihre Verwandelung mit Erstaunen. Sie war vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Schauplatz der bürgerlichen Thorheit, und jetzt ist sie das Modell einer verschönerten Stadt. Die Gassen, die ehedem mit Gras bewachsen waren, sind jetzo die schönsten, die man siehet; aus alten Gebäuden sind prächtige Facciaden oder Palläste geworden; der graue Hof, das Prinzen-Haus, das Carolinum, das Posthaus, die neue Apotheke, das Zeughaus, worauf die Maruralien-Cammer ist, zeigen den Geschmack der neuen Baukunst. Die Waysen- Arbeits- und Zuchthaus-Anstalten, die Sorgfalt für die auserlesenste Besatzung, für Nacht- und Schaarwächter, für Ordnung bey Becker und Brauer, geben die vortrefflichste Policey zu erkennen. Die ehemalige Aufnahme der französischen Flüchtlinge, die vortrefflichen Meß-Anstalten, die Gelindigkeit beym Visitieren der Waaren, die Hülfe, die man den Manufacturen leistet, haben Braunschweig volkreicher und glänzender gemacht, als es damals war, da sie eine Republik zu seyn glaubte. Das Opern- und Pantomimen-Haus, der Spatziergang auf die Wälle, die Gärten vor dem Petri- und anderen Thören, Salzdalum, Antonetten-Lust, geben den Braunschweigern Anlaß, ihrem Beherrscher für so manche Sorgfalt für ihre Ergötzung zu danken. Die gelehrten Männer, die ihr Landesherr und wahrer Stadtvater zu Lehrern an Kirchen und Akademien herbeygezogen, machen Braunschweig, ja selbst Deutschland Ehre. Kurz, Braunschweig ist die Stadt, die es beweiset, daß nur der erhabene Geist eines Carl und sein edelmüthigster Vorsatz dazu erfordert werde, um aus einer der ältesten Städte eine der schönsten Städte zu machen, und das ehrwürdige alte Braunschweig zu verjüngen. Was aber eben so glücklich heißt, ist dieß, daß dieser geschmackvolle liebreichste Geist auf dem Durchlauchtigsten Erbprinzen ruhet. Ich wüßte aber nicht, ob nicht sehr viele Städte in Deutschland auch solcher merklichen Verschönerung fähig wären. Das doch meine geliebte Vaterstadt Rostock, deren alten Ruhm kein Schicksal vermindert, deren vortheilhafte Lage an der Ostsee vor so vielen berühmten Städten Deutschlandes zum Commerz und Manufactur-Wesen Vorzüge hat, auch alles des Glücks genösse, dessen sie fähig wäre!


§. 166. Von Bauherren

Die Namen aller der Gehülfen und Bedienten zu nennen, die zu den Anlagen und Verschönerungen, auch zu Unterhaltung derselben in einer Stadt erfordert werden, ist überflüßig (§. 5.), weil man aus den Verfügungen selbst leichtlich erkennet, wer diejenigen seyn müssen, welche über die guten Anstalten zu wachen haben. In manchen Städten sind die Glücks-Umstände so beschaffen, daß man zu einer jeden Bedienung und Aufsicht einen absonderlichen Menschen nehmen kann. Die Städte, welche dieses Glück nicht genießen können, sind zu beklagen, weil die mehreste Zeit die guten Anstalten darunter leiden, wenn viele Aemter und Aufsichten von verschiedener Art nur einem einzigen anvertrauet sind. Das die Aediles oder obrigkeitlichen Bauherren, oder deputirte Bürger des Bauwesens, von Grundsätzen der Baukunst eine gründliche Erkenntnis haben, muß man billig zum voraus setzen. Denn wie kann jemand von Baurissen, Erythmie und Symmetrie urtheilen, und die Beschaffenheit der Grundlagen, die richtigen Anordnungen der Feuerstellen, und alles sonst zum Bauwesen Erforderliche untersuchen? Wie kann er die Ränke, womit oft Baumeister, Zimmer- und Mauerleute, die einen Bau in Verding nehmen wollen, und andere, die oft anlockende Anschläge machen, genau untersuchen, um nicht zum Spott zu werden, und die öffentliche Casse, dazu Wittwen und Waysen das Ihrige beytragen, der kriechenden und sich einschmeichelnden Arglist zum Raube zu überlassen, wenn ihm die Grundregeln der Baukunst ganz und gar unbekannt geblieben? Wie kann jemand, der keine Einsicht von allem diesen hat, und dem die mangelnde Einsicht aus der Ursache nicht zur Last gelegt werden kann, weil ihm vielleicht in seinen jüngern Jahren nie eingefallen ist, das Amt zu verwalten, dazu ihn das Schicksal gelenket hat, die Baumaterialien prüfen und schätzen, oder die Geschicklichkeit der Bauleute untersuchen? Oder wie kann der wol gar einen Geschmack an Verbesserungen und Verschönerungen finden, dessen Erkenntnissen es an so manchem mangelt? Diesem allem nun zu Hülfe zu kommen, ist das Amt eines erfahrnen, gereiften, und wegen seiner Treue und scharfen Einsicht längst geprüften Baumeisters in einer Stadt von der äußersten Nothwendigkeit. Und ein Mann von dieser Art, der in Eydes Pflichten genommen wird, den man durch ein reichliches Gehalt aus der Nothwendigkeit setzet, schädliche Nebenvortheile zu machen, und dem man nicht zulässet, selbst den Verding eines Baues über sich zu nehmen, und mit Baumaterialien zu handeln, oder mit den damit handelnden in Mascopey zu stehen, ist einer der wichtigsten Gehülfen zu Verschönerung der Städte.


§. 167. Von den Baumeistern

Ein Stadt-Baumeister ist derjenige Bediente einer Stadt, dem es obliegt, nach Pflicht und Gewissen die vortheilhaftesten und ansehnlichsten Risse zu den Brücken und übrigen öffentlichen Gebäude der Stadt zu verfertigen, und die bey den Bauversammlungen übergebene Risse zu untersuchen, und seine Erinnerung darüber den Versammelten mitzutheilen. Er ist es, der die Landstraßen, Fußwege und Spatziergänge, die Gassen, Lust- und Pracht-Plätze, nach den Regeln der Kunst und des schönen Geschmacks anleget, nachdem sein Riß und seine Vorschläge von den Beherrschern oder Vorstehern der Stadt untersucht und gebilliget worden. Die Canäle, Bollwerke, und alles, was in dieses Fach der guten Ordnung gehöret, wird nach seinen Anschlägen angeordnet, unterhalten oder verbessert; ja sogar die Wasserleitungen und die Mühlenwerke können ohne die scharfsichtigen Augen eines solchen Mannes kaum bestehen. Er ist es endlich, der es zum voraus nach Pflicht und Gewissen berechnen muß, was diese oder jene Anlage, Verbesserung und Unterhaltung kosten dürfte; und zuletzt müssen die Oberaufseher des Bauwesens nothwendig auf eines solchen Mannes Einsicht und Treue, bey Bestellung der Gassen-Pflasterer der Bau- und Arbeitsleute das größte Vertrauen setzen.


§. 168. Von den übrigen Gehülfen zu Ausführung guter Ordnungen

Schon in den ältesten Zeiten sahe man es ein, daß ohne Anzeigen und Ausforschungen der Uebertreter der guten Ordnungen die besten und gemeinnützigsten Verfügungen allen Nachdruck verlieren. Ob das ehemalige und noch nicht gänzlich erloschene Rüge-Gericht diese Nothwendigkeit zur Ursache gehabt, weiß ich nicht; wol aber, daß in Venedig der bekannte offene Löwenrachen, und in manchen Städten die sogenannten Denunciations-Kasten, darin alle Anzeigen gesteckt werden können, die Absicht haben, daß jeder auf sein ihm anvertrautes Amt aufmerksam sey. Da endlich alle die Anstalten, welche zu Verschönerung einer Stadt, in Betracht der Landwege, der guten Einrichtung in den Vorstädten, der Verschönerung der Wälle und Spatziergänge, in guter Anlegung der Gassen und der öffentlichen Gebäude gemacht sind, wenig oder nichts bedeuten, wo nicht auf deren Dauer und Unterhaltung gesehen wird (§. 4.); so ist dahero nothwendig, zuförderst, daß die Oberaufseher der guten Anordnung alle diese genannte und dahin gehörige Dinge oft selbst ihrer Betrachtung würdigen (§. 96.); Hiernächst aber keine Belohnung ersparen, um Nachrichten einzuziehen, ob die niedrigsten Aufseher aller und jeder öffentlichen Anordnungen, ob die Wege und Gassen-Schauer, ob die Strand- Hafen- und Brückenmeister, ob die Nachtwächter und Stundenrufer, ob die Fleeth- und Canal- die Wall- und Promenaden-Aufseher, ob die Quartermeister, Markt- und Schlacht-Aufseher, ob die Wäger und Messer, die Policey-Fiskale und übrige Stadt- und Gefängniß-Bediente, und endlich ob die Gassen- und Bettelvöigte ihre angewiesene Pflichten auf das genaueste erfüllen. Um aber der Unteraufseher gutem Willen zu Hülfe zu kommen, so dürfte es sehr gut und wirksam seyn, wenn die ersten Aufseher der Policey solchen gedruckte Raport-Zettel mittheilten, welche sie wöchentlich mit Nachrichten ausgefüllt einzuliefern verpflichtet wären. Ich habe dieß selbst acht Jahre hindurch von unglaublichem Nutzen befunden.


§. 169. Beschluß dieser Abtheilung

Wenn man sich bemühet, eine Stadt bey ihrer Anlage so reizend als möglich einzurichten; oder eine durch Alter, Krieg und Feuersbrünste verwüstete Stadt zu verschönern, auszubessern und aus der Asche und Ruinen wiederhervorzuziehen, so soll der Nutzen davon vermuthlich dieser seyn, sie ihren Einwohnern reizender, auch sie anlockend für Fremde zu machen. Beyde Absichten sind warlich gleich wichtig. Um aber die letzere noch mehr zu befördern, so ist es nöthig, daß die Vortheile und Annehmlichkeiten einer Stadt, ihre gute Einrichtungen, allenthalben durch getreue Nachrichten ausgestreuet werden.  Der große Staatslehrer in Göttingen, der geheime Justizrath Pütter, der Verfasser von Hafnia Hodierna, auch Pontoppidan im zweyten Theile seines Atlasses eller Konge Riger Dännemark, auch der Autor der Nachrichten von Cassel, Berlin und Potsdam, haben sich durch ihre getreue Berichte große Verdienste um diese Städte gemacht.

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Kurze Nachricht vom Anwachs der Verschönerung der Stadt Rom

Rom, die berühmteste aller Städte, war nicht immer das prächtige Rom. Vor Tullus Hostilius Zeiten war Rom in einem Walde ein sehr mittelmäßiger Bezirk von schlechten Hütten, darinnen sich ein Gemische von Latinern, Sabinern und Volskern, und anderm losen Gesindel aus ganz Welschland aufhielt, ein Volk, das nur beflissen war, sein geraubtes Gut zu beschützen, mit geraubten Schaufeln und Aexten Löcher zu graben und Bäume zu fällen, um Hütten zu errichten. Man lese davon, wie Roma quadrata in luco beschaffen war. Juvenal S. 8. v. 272. Zu Tullus Hostilius Zeiten war das erste Geschlecht des Raubgesindels dahin, und die überwundenen Albaner hatten schon feinere Sitten, und legten den ersten Grund zu Verschönerung der Stadt Rom. Sowohl nach der Einäscherung der neuen Stadt, 346 Jahr nach ihrer Erbauung, als auch nach dem ersten Punischen Kriege, bekam Rom durch Erbauung schöner Palläste und Tempel erst ein rechtes städtisches Ansehen, und die Römer bildeten von nun an ihren Geschmack nach griechischen architectonischen Regeln. Set des Consul Marcellus Zeiten und seit der Eroberung von Carthago und Syrakus, erhielt Rom, in Betracht seiner Schönheit, einen fast unglaublich schnellen Wuchs seiner Annehmlichkeiten. Augustus verwandelte endlich die Ziegelsteine zu Rom in Marmor, und die Anzahl der prächtigen Palläste stieg unter dessen friedfertigen Regierung bis auf etliche tausend. Ich darf es nicht erzehlen, was jedermann weiß, nämlich daß die Pracht von Rom an Tempeln, Amphitheatern, Bädern, bedeckten Gängen, Uebungs- und Kampfplätzen, Ehren- und Siegespforten, Obelisten, Bildsäulen, und so ferner, von Zeit zu Zeit erstaunlich zugenommen habe.

Romæ tantum legimus suisse Statuarum copiam,
ut alter adesse populus lapideus diceretur.

Inzwischen weiß aber auch jedermann, durch welche barbarische Verwüstungen, die dem Geschmack der nordischen Völker keine sonderliche Ehre machen, die Verschönerungen in Rom so unkenntlich geworden sind. Etliche Jahrhunderte hindurch schien Rom sich seiner gänzlichen Vernichtung zu nähern; die vorige Pracht lag unter Ruinen; barbarische Völker hatten seine Herrlichkeit nach Saraceulscher Art zerstöret. Aber seit den Zeiten Pabst Paul II. bis zu Benedictus XIV. hat sich die alte Gestalt des verwüsteten Roms ganz verwandelt. Es sind in Rom eine Menge Kirchen und Palläste erbauet, neue Plätze und Gassen angelegt, Monumente und Springbrunnen errichtet, unzählige Bildsäulen des Alterhums aus den Ruinen hervorgezogen, und allein die Petri-Kirche, auch die daran befindliche Colonade, der Obelisk und die Springbrunnen übertreffen alle Schönheiten der vorigen Jahrhunderte. Kurz, es heißt mit Recht jetzo von Rom:

Qui miseranda videt veteris vestigia Romae,
Hic poterit merito dicere: ROMA FUIT.
Ast qui celsa novæ spectat palatia Romae,
Hic poterit merito dicere: ROMA VIGET.

Von der Stadt Rom alten Anlage und Einrichtungen

Zu des ältern Plinius Zeiten sowol, als noch jetzo, waren gegen Osten ager Tarquinii, und gegen Westen das Grabmahl Cestus die Gränzen der Stadt Rom. Zu Augustus Zeiten wurde Rom in XIV. Quartiere eingetheilet, und noch jetzo sind noch eben so viele Bezirke in Rom. Kayser Aurelianus ließ 270 Jahre nach Christi Geburt die Mauern, die noch jetzo zu bemerken sind, um Rom aufführen. Acht Brücken waren über die Tyber gebauet; die älteste stehet zum Theil noch; sie heißt Pons Sublicius, und ist von Ancus Marcius angeleget. Sowol der Welsche, als der durchscheinende Capadocische Marmor, den die Römer durch Sägen und Sand nach Plinius Bericht, zu den dünnesten Platten zuzubereiten wußten, deckten die Ziegel und Bruchsteine, womit die Häuser in Rom aufgeführet waren, nachdem man sie lange genug von Holzwerk erbauet hatte. Und nach eben diesem Bericht wurden die Wände in den Pallästen mit polirtem oder glänzendem Marmor überzogen, die Thürschwellen und Einfassungen aber von Afrikanischem Marmor verfertiget, und die Fußböden anfänglich mit im gegossenen Gyps gelegten Glas und Onyt, endlich aber mit Mosaik-Arbeit gezieret, die Decken in den Gemächern waren gewölbt, und, so weit es sich anbringen ließ, nicht minder mit glänzendem Marmor überzogen. Anfänglich waren die Häuser nach morgenländischer Art, nur ein Stockwerk hoch. Augustus und Trajan mußten endlich ihre Höhe bis zu 60 und 70 Fuß bestimmen. Neben den Häusern und Pallästen fand man bedeckte Spatziergänge, deren gewölbte Dächer auf Marmor-Säulen ruheten, und diese waren Columnæ stadiatæ, das ist, 125 Schritte lang, oder semistadiatæ, das ist, halb so lang, oder die Römer nannten sie nur schlechtweg stadiates u. s. f. Die Römer hatten hinter ihren Pallästen Gärten, oder Viridaria, darinnen es nicht an schattigten Sommer-Lauben, an Myrten-Büschen und Taxus-Hecken, und an Springbrunnen, Wasser-Behältnissen und kühlen Grotten und Einsiedeleyen fehlete. Aber auch über den Dächern der Häuser, nachdem man solche mit marmornen Platten beleget hatte, die mit einem von Pech, Wachs und Blut zubereitetem Kütt verbunden waren, fand man vortreffliche Gärten und schattigte Lustwälder von Orangen- und andern immer grünenden Bäumen, deren Bewässerung man durch Triebwerke zu bewirken wußte. Obschon die Römer ausser der Stadt ihre Leichen beerdigten, so hatten doch die Vornehmen oft hinter ihren Pallästen ansehnliche Begräbniß-Gebäude, darinnen die Aschen-Töpfe aufbehalten wurden. Alles, was wir bishero erzählet, haben wir aus den Nachrichten des Plinius, Vitruvius, Martial und Livius, und was wir noch berichten wollen, ist aus eben diesen Quellen geschöpfet. Romulus bauet nur vier Thore in Rom, diese aber sind nachhero bis auf 37 vermehret. Der Censor Appius legte die erste große Wasserleitung an; sie kam von Praeneste, 11 Meilen von Rom, und das Aqua martia ward immer für das beste Wasser in Rom gehalten. Ueberhaupt belief sich die Anzahl der Aquæ ductus, woraus die vornehmen Römer täglich Wasser holen liessen, auf vierzehn; die gemeinen Römer aber schöpften täglich aus 1352. Lacubus puplicis, oder öffentlichen Wasser-Behältnissen, davon Agrippa allein 700 anlegen lassen. Die Aquarii trugen eben also, wie es in Paris noch geschiehet, täglich das Wasser zum Verkauf in ledernen Schläuchen herum. Die Straßen in Rom waren alle mit steinernen Fliesen belegt, und diese waren so dicht gefuget, daß kein Wasser durchdringen konnte. Damit aber kein Wasser auf den Gassen stehen blieb, so waren darinnen Oeffnungen gemacht, die das Wasser in die Cloaken oder Schlamm-Gewölber führete. Eben also waren die öffentlichen Landstraßen bepflastert; nur waren hier die Quaderstücken fünfeckigt. Diese Straßen waren 63 Fuß breit, alle zwölf Schritte mit Ruhesteinen, und alle 1000 Schritte mit Meilen-Säulen versehen. Trajan und Aurelian ließen die Ufer der Tiber mit eben so vest verbundenen Steinen einfassen. Die Fora, oder Märkte in Rom, worauf zum Theil Comitia gehalten wurden, waren mit ansehnlichen bedeckten Spatziergängen versehen; eine jede Art Lebensmittel, als Oel, Brodt, Fisch, Fleisch, Obst, hatte seinen absonderlichen Markt. In Rom waren beynahe 424 Tempel, ohne die Ædiculas und Sacella, oder Capellen; man traf in Rom über 50 öffentliche Spatziergänge, 22 warme, und 856 kalte Bäder, 14 Excubitoria, oder Hauptwachen, und ausserdem sehr viele öffentliche Uebungs-Plätze für beyderley Geschlechter, auch ansehnliche Amphitheatra und Naumachias, darauf man Seeschlachten vorstellete, an. In Betracht der öffentlichen Schulen ward im Jahr 872. nach Erbauung der Stadt Schola publica angeleget, vom Kayser Aelio Adriano aber ein Athenaum errichtet. Sogar die Schauspieler in Rom hatten Pädagogia, darinnen sie sich übten, um nicht in die Hände der strengen Sittenrichter zu verfallen. Das große Schulgebäude in Rom hatte zwey Abtheilungen; die erste bestand aus einem sehr geräumigen Saal, der die Gestalt eines Amphitheaters hatte. Hierauf unterrichteten die ausgesuchtesten Lehrer aus Griechenland und Rom in der Redekunst, in der Weltweisheit und in der Disputirkunst; die zweyte Abtheilung hatte die Eigenschaft einer Realschule. Alle diese Schulen konnten ohnentgeldlich besuchet werden, weil die öffentlichen Lehrer aus den öffentlichen Schätzen ansehnlich belohnet wurden. Oeffentliche Krankenhäuser waren in Rom nicht, wol aber Valetudinaria, oder Krankenstuben, worinnen besonders die kranken Knechte wol besorget wurden. Ancus Marcius ließ ein öffentliches Gefängniß vinculum publicum in Rom bauen, welches von Quadersteinen aufgeführet ward, und mit sechszölligen eichenen Bohlen ausgefüttert war, und dahero Robur, auch Tullianum genannt ward; es diente für die groben Missethäter; in den Custodiis liberis, oder Arresthäusern aber war alles ziemlich bequem eingerichtet. In den ältesten Zeiten sorgte man bereits in Rom für Unterscheidungs-Zeichen und Kleider der Senatoren und anderer ansehnlichen Stadtbedienten. Nur die Aediles durften zu Raths-Versammlungen durch die so wohl bepflasterten Gassen fahren, und daher nannte man sie Curules (§. 96.). Die Senatores trugen purpurne Kleider mit Gold gestickt, rothe Schuhe mit einem silbernen C. besetzt, welches sich auf die ehemalige Anzahl bezog; und endlich gebührete den Rathsherren der Vorzug im Orchester auf marmornen Bänken in den Schauspielhäusern zu sitzen.

Einige von Roms Policey-Anstalten

Sehr viele Gesetze, die man in Rom einführte, hatten keine andere Absichten, als das äusserliche Schöne in dieser Stadt zu befördern und zu unterhalten, und nach Maße des Anwachses dieser Stadt die zunehmende Nahrung und den Flor der Gewerbe zu unterstützen, oder auch durch Aufrechthaltung der guten Sitten Rom reizender zu machen. Romulus verordnete: Deos patrios colunto; externas superstitiones aut fabulas ne admiscento; nocturna sacrificia pervigiliaque amoventor; ne quid in auspicato publice gerunto, u. s. f. Romulus erklärte die Stadt-Mauern um Rom heilig und unverletzlich. Er erlaubte den Männern, sich von ihren ungesitteten Weibern zu scheiden. Er verbot es den Weibern, keinen Wein zu trinken. Er räumte den Vätern die höchste Gewalt über ihre Kinder ein. Eben dieser große Stifter der Stadt Rom verordnete, daß die Bürger lange Kleider tragen sollten, und daß die vornehmsten derselben nicht mit unfläthigen Gewerben, sondern entweder mit dem Ackerbau, oder mit der Kriegskunst sich beschäftigen sollten. Numa, dieser erhabene Geist, ordnete den äusserlichen Gottesdienst, und verordnete die öffentlichen Feyertäge. Er untersagte die Verschwendung und Verwendung großer Unkosten auf die Abend-Gastmahle und auf die Begräbnisse. Servius verordnete, daß kein Bürger seinen Nebenbürger um Schulden willen in Ketten und Banden legen sollte. Durch die zwölf Tafeln breitete sich der Geist der Griechen über Rom aus, und erhob die Anstalten dieser Stadt bis zu einer bewundernswürdigen Höhe. Billig stehet die Abkürzung des gerichtlichen Verfahrens oben an. Davon heißt es auf der achten Tafel: Nisi paciscantur in comitio aut in foro ante meridiem, causam conjunctiunto. Weiter: Post meridiem præfentibus ambobus, litem admittito. Endlich: Sol occafus five occidens extremus terminus esto. Und nach dieser Vorschrift mußte in Entstehung eines gütlichen Vergleichs die Streitsache Vormittags im Gericht, oder in der bürgerlichen Versammlung vorgetragen und vor Sonnen-Untergang entschieden werden. Das siebende Gesetz auf der eilften Tafel, welches verordnete: daß die gestohlnen Sachen in einem Hause von Nachsuchern nur aufgesucht werden mußten, die von allen Kleidern entblößet waren, bewies scharfsichtige Erkenntniß eines boshaftigen National-Characters. Das Gesetz, welches für jeden abgehauenen Baum dem Abhauer 25 Römische Pfund zu erlegen zuerkannte, war das Mittel, die Zierde der Stadt, die schattigten Spatziergänge und Gärten zu erhalten. Die Liebe und Sorgfalt für eine unschuldige Geburt bestimmte auch für die im 10ten Monat nach des Vaters Tode zur Welt gebrachte Kinder das gehörige Erbtheil. Eben so weise und anpassend waren die Gesetze, die ungetreue Vormünder mit den Dieben in eine Classe setzten. Wie unterstützend sind nicht für den guten Glauben die Worte: Jurisjurandi adstringendam fidem maxima vis esto! Wie policeymäßig war endlich nicht das Gesetz, keine Leiche in Rom zu beerdigen, oder zu verbrennen. Der Raum will nicht zulassen, hier mehrere Nachrichten dieser Art mitzutheilen.