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Autor: Van der Nüll, Eduard |
In: Österreichische Blätter für Literatur und Kunst - 2 (1845) 52. - S. 401 - 404 u. S. 411 - 414 |
Andeutungen über die kunstgemäße Beziehung des Ornamentes zur rohen Form |
Von Prof. Eduard van der
Nüll in
Wien Le beau est infini; c'est l'echelle de Jacob qui se perd dans les nuées célestes. George Sand les sept Cordes de la lyre. Indem ich diese Blätter der Öffentlichkeit übergebe, sei es mir erlaubt, über die gewählte Form und die Beweggründe, welche mich dazu veranlaßten, einige Worte voraus zuschicken. Ich hatte das Glück im vertrautesten Umgange mit einem Freunde und Kunstgenossen das Land der Poesie, Italien, zu durchziehen; die höhere Ausbildung meiner allgemeinen Begriffe über die Kunst wurde befördert und geläutert durch Mittheilung; das Resultat des wechselseitigen Austausches prägte sich unauslöschlich in unsere Seelen, doch die Erinnerung, durch welche Mittel diese Ideen zu einem klaren Ganzen sich vereinigten, ging verloren. Eine heitere Gesellschaft kräftig begabter dentscher Künstler zu Rom, in der Alle mit gleicher Freundschaft, Freimüthigkeit und Unumwundenheit gegenseitig zu Felde zogen, war der zweite Kampfplatz, anf dem unsere Ansichten erprobt wurden; da ich nun mlt manchem meiner Frenude, die in weiter Ferne zerstreut sind, in geistige Berührung trete, lege ich vor allen mit froher Erinnerung an jene schöne Zeit das Bekennutniß ab: den größten und besseren Theil der hier ausgesprochenen Ideen ihrem Umgange zu verdanken; es ist daher die Form des Ausdruckes so gewählt, als ginge die Tendenz dieser Blätter von Mehren aus, so wie denn auch wirklich unser künstlerisches Glanbensbekenntniß durch gemeinschaftlichen Austausch zur größeren Klarheit gediehen ist. Ich habe den Muth mich offen ohne Rückhalt zu änßern, weil ich ähnliche Überzeugung bei meinen Freunden voranssetzen darf; nicht Furcht vor Tadel veranlaßt mich, meine Persönlichkeit in den Hintergrund zu stellen, diesem entgeht der Gefeierte so wenig wie der Unbedeutende, sondern der Glaube, daß es angemessener sei, nur als Organ von Gesinnungen zu erscheinen, die, wie gesagt, nicht mir allein gehören; zugleich verliert dieser schriftliche Versuch dadurch den Charakter der Arroganz, als fühle der Einzelne sich berufen, abzuhelfen dem Gewühle der Baustyle aller Zeiten , in welchem die dürftige Gegenwart sich abmühet. Billig die neuesten Bestrebungen großer Männer anerkennend, ohne deren Leistungen die jüngere Generation noch im Dunkel des Zweifels befangen wäre, müssen wir uns doch aufrichtig gestehen, noch weit von dem Ziele entfernt zu sein, einen rationellen selbstständigen Ausdruck für die moderne Architektur gefunden zu haben: Wenn wir die Selbstsucht in der Ausübung der Kunst verbannen könnten, wenn jeder das Schöne aufrichtig anerkennen wollte, welches in den Werken Anderer niedergelegt ist, wenn eine innige Verbindung der Künstler möglich wäre, so müßte eine Vereinigung solcher Kräfte trotz dem engherzigen Geiste der Zeit manch' große erhabene Erinnerung unseres Wirkens zurücklassen. Die Absicht, einen wechselseitigen Austausch der Gedanken zu beginnen, entfernte Freunde zu begrüßen, vielleicht neue zu erwerben, hat diesen Aufsatz ins Leben gerufen. Die veranlassende Ursache aller Dekoration ist begründet in dem Bedürniß des Menschen, der Form eine Bedeutung zu geben, und zugleich den Schönheitssinn zu befriedigen. Diese Behauptung durch Auseinandersetzung der geistigen Eigenschaften der Seele logisch zu unterstützen, liegt außer dem Bereiche dieses Aufsatzes, wir nehmen das Faktum als wahr und unbestreitbar an, uns nur vorübergehend berufend auf die Geschichte aller Völker, welche uns lehret, daß der Mensch im Naturzustande schon den Gang fühlet, die Roheit der Formen zu bewältigen, und mit dem Fortschritte der Kultur dieses Gefühl immer mehr und mehr ausbildet. Man sollte glauben, je näher wir der allgemeinen Ausbildung unserer geistigen Fähigkeiten rücken, desto bedeutender müßte die Form im Ausdrucke werden! Doch leider überzeugen wir uns vom Gegentheile. Nationen, welche in andern Beziehungen fern von europäischer Zivilisation geblieben, haben den logischen Sinn, im Vereine mit dem Schönheitsgefühle, viel bezeichnender bewahret, dagegen unsere Vielwisserei uns endlich dahin gebracht hat , jedem volksthümlichem Ausdrucke der Form entsagen zu müssen. Dem Übel zu steuern, eine vollkommene Regeneration der überbildeten Völker vorzunehmen, bleibt für jetzt noch der schönste Wunsch eines poetischen Gemüthes, doch der Künstler, welcher die Mängel seiner Zeit erkennt, und noch Kraft erübriget, dem Strome des Eigennutzes entgegen zu schwimmen, dem sei es heilige Pflicht, durch seine Werke das Streben auszudrücken, fühlende Menschen für die hohe edle Bedeutung der Kunst zu begeistern, und die Überzeugung zu wecken, daß neben den materiellen Interessen , deren e i n z i g e Beachtung uns herabwürdiget, auch die geistige Ausbildung der Pflege bedürfe. Uns mit einmal gewaltsam von dem Herkömmlichen loszureißen, wäre vergebene Mühe, Einzelne können jedensalls nur Steine zum Baue tragen; das Alte, Vortreffliche durchdringend, als nützende Lehre jede direkte Nachahmung vermeidend, werden wir vereint dem Bessern zuschreiten; denn sowie der Maier nicht durch knechtische Nachbildung der Natur oder alter Meister, sondern durch erneutes Erschaffen nach vorhergegangenen Eindrücken das höchste Ziel erreicht, so glauben wir, daß die Kunst, welche lehrt, die vom Menschen erdachte Form zu veredeln, die ihrer hohen Bedeutung wegen von den Griechen A r ch i t e k t o n i k genannt wurde; und deren ganzes Wesen mit dem O r n a m e n t e innig verflochten ist, auf demselben Wege zur möglichen Vollkommenheit gelangen sollte. Daß es jederzeit und aller Orten Künstler gegeben hat, welche dieser Ansicht gefolgt, glauben wir mit Bestimmtheit behaupten zu dürfen, sie wurden aber von der Masse des Unsinns, der auf sie losstürmte, erdrückt. In neuester Zeit hat uns ein Stern erster Größe vorgeleuchtet, ein Mann, dessen hohe Geistesgaben, dessen geniale Werke die Bahn zum Besseren gebrochen, der auch in uns das Streben nach Selbstverläugnung entzündete, und dem wir mit freudigem .Dankgefühle die schuldige Anerkennung zollen; wir nennen mit innigster Verehrung den zu früh geschiedenen Meister " S ch i n k e l . " Wir sind fest überzeugt, daß begabte Menschen, welche Gemüth, Verstand und Liebe zur Kunst in sich vereinigen, ohne selbe auszuüben, doch fördernd auf den Zeitgeschmack wirken können, wenn selbe die logische Seite der Kunst beleuchten. -- So wie Musik und Poesie, durch den Geist des fähigen Menschen geregelt, die Macht verleihen, ein vollständig in sich abgeschlossenes Werk zu schaffen, so ist auch die bildende Kunst, dem Schöpfer sei Dank, nicht der Willkür Einzelner unterworfen, sondern sie gehorcht ewigen unabänderlichen Gesetzen, deren Modifizirung durch das individuelle Gefühl die unendliche Mannigfaltigkeit im Ausdrucke der Form hervorbringt. Diese Gesetze Allen zugänglich zu machen, ihnen das Wesen, die Aufgabe der Kunst, näher zu rücken, ist bis zu einer gewissen Grenze möglich, über die hinaus die Ausübung an die Stelle der Forschung tritt. Wohl Mancher, dem die Beziehungen der Kunst zum Leben weniger beachtenswerth scheinen, wird das Bedürfniß des Menschen läugnen, die Schönheit auf alle Gegenstände, die sein Geist erschaffet, zu übertragen;; für solche werden auch diese Zeilen größtentheils unverständlich bleiben. Wir haben die Absicht, dem gebildeten, dem fühlenden Menschen manche Vorstellung zu erleichtern, die innige Verbrüderung des Verstandes mit dem Gemüthe als Bedingung jedes vollendeten Kunstwerkes festzustellen, die Nebel auseinander zu theilen, welche sich insbesondere bezüglich der Architektur als förmliche Wolken vor dem menschlichen Geiste aufthürmten, Autoritäten, architektonische Universal=Rezepte zu bekämpfen, und die selbstständige Auffassung und Wiedergeburt als das einzige waltende Prinzip anzuerkennen. Ohne deshalb unsere Ansichten von Mängeln frei zu glauben, von Kunstverwandten gerne Berichtigung annehmend, sprechen wir das einzige Verdienst an: die persönliche Anschauung, welche durch fortschreitende Bildung sich jedem Künstlergemüthe von selbst aufdringet, in Worte zu fassen, "uns so zu geben, wie wir sind, offen, ohne Rückhalt." Ein für allemal bitten wir, mit Nachsicht der ungeübten Feder zu folgen; wir hoffen dies besonders von Schriftstellern, welche sich mit der bildenden Kunst näher befreunden, sie mögen bedenken, daß die Lebensaufgabe des Künstlers, im Vereine mit der geistigen Ausbildung zugleich eine praktische ist, und wenn derselbe seine Ansicht ohne Schmuck, nur verständlich vorträgt, er den Forderungen Einsichtsvoller genügen wird; diese Zeilen könnten ihnen dann eben so viel gelten, als die trauliche Mittheilung eines Gleichgesinnten, und wie gerne sind wir im gewöhnlichen Leben bereit, die Unvollkommenheiten des mündlichen Ausdruckes zu vergessen. Das menschliche Gemüth dürstet nach dem Schönen; nicht alle Menschen sind aber gleich begabt, es zu erkennen, die einfache Nachahmung der Natur fordert schon eine genaue Erkenntniß derselben; soll aber ein Kunstwerk in sich selbst vollendet erscheinen, so muß der begabte Künstler die Belehrung, die er sich aus den Schöpfungen der Natur für seinen schaffenden Geist abstrahirt, in sich verarbeiten, nur das Charakteristische und Schöne der Formen behalten, und diese Gestaltung seiner Einbildungskraft reproduziren, d. h. dasjenige, was er als schön erkennt, in einem vollkommenen Ganzen neu hervorbringen. Da jeder Einzelne mit einem eigenthümlichen Anschauungs-Vermögen ausgerüstet ist, so folgt Originalität eines jeden Kunstwerkes daraus von selbst; denken wir uns z. B. eine Gesellschaft der treuesten Nachahmer, und geben jedem dasselbe Motiv der Natur nachzubilden, so wird die individuelle Auffassung ihren Werken einen originellen Reiz verleihen. Um wie viel mehr müßte dies bei der Erfindung der Fall sein, wo das Hinzutreten noch mehrer anderer geistiger Eigenschaften den eigenthümlichen Ideengang eines Jeden noch bestimmter bezeichnen würde. Wir haben oft von Laien, die sich mit dem Wesen der Kunst vertrauter machen wollten, die Frage stellen hören: " O b d e n n n i c h t d i e t r e u e s t e g e w i s s e n h a f t e s t e N a c h a h m u n g d e r N a t u r d a s h ö c h s t e Z i e l e i n e s j e d e n K ü n s t l e r s se i n s o l l t e ? " Wir können mit Rücksicht auf den vorgesteckten Zweck diese Frage nur nach einer Seite hin beantworten , hoffen aber auch in diesem beschränkteren Kreise etwas zur Aufklärung der allgemeinen Begriffe beizutragen. Es wäre also in dem Bereiche der D e k o r a t i o n, in dem wir uns in diesen Blättern bewegen, die sorgfältigste Nachahmung irgend eines passend scheinenden Elementes der Natur das H ö ch s t e , welches wir bei der Übertragung in die starre Form erreichen könnten! Diese irrige Ansicht zu widerlegen, sei unsere erste Sorge; um faßlich zu bleiben, können wir uns einfacher Beispiele nicht erwehren. Vor Allem erkennen wir jenen Künstler als den trefflichsten, dessen Erfindungdkraft sich gleichsam unmittelbar mit der Materie verbindet, die ihm zur Versinnlichung seiner Gedanken geboten wird. Es ist nicht einerlei, ob irgend ein ornamentales Gebilde in Holz, Stein, Eisen, aus gewobenen Stoffen 1. weil das Mosaik die innige Verbindung mit der Wandfläche und zugleich die Idee großer Dauer in uns erwecket; 2. weil je größer die Fläche, desto mehr das Verlangen in uns rege wird, ein Gefüge der Zusammensetzung zu entdecken; 3. weil die angebrachte Zeichnung durch diese Darstellungsweise s i c h t b a r der Fläche angehöret. Wir erinnern hier vorübergehend an einige der ältesten und besten ornamentalen Wandmalereien Pompeji's, da nach unserer Überzeugung die schwebenden Figuren auf farbigem Grund schon einer spätern, nicht mehr so reinen Periode der alten Kunst angehören; doch auch diese sind gleichsam nur hingehaucht und manche (wie die tanzenden Frauen u. m. a. im königl. Museum zu Neapel) zeichnen sich nur als Silhouetten in lebhaft anziehender Bewegung. Göthe bemerkt in seinen Propyläen, daß er glaube, die ausgeführteren Gemälde Pompeji's seien für sich eingesetzt, da selbe eine tüchtigere Hand verrathen, als die umgebende ornamentale Malerei; wir pflichten dieser Ansicht bei, auch wünschten wir von den Malern nicht mißverstanden zu werden! wir kennen keinen passendern Schmuck für die Wand als sinnige Gemälde, welche die Bestimmung eines Raumes näher bezeichnen und durch dekorative Anordnung mit den übrigen sich anschließenden konstruktiven Theilen verbinden; jedes gut angeordnete Gemälde wirkt perspektivisch in die Tiefe, und die Wand ist die Bildfläche, welche dem Maler zu Gebote stehet, es muß daher irgendwo eine Begrenzung Statt finden, weil die Wirkung eines guten Bildes nur für einen gewissen Standpunkt, eine bestimmte Entfernung und Größe berechnet sein kann. Jede andere bildliche u n b e g r e n z t e Darstellung kann logisch richtig nur als Silhouette angebracht werden! Was soll z. B. eine erhaben in der Fläche schwebend gemalte Figur sinnig bedeuten? sie gehört scheinbar nicht mehr der Fläche an, und wir überzeugen uns doch jeden Augenblick, daß sie in derselben liegt. Zwei widersprechende Forderungen in der Kunst können nie Gutes bewirken ; sobald wir die Täuschung unserer Sinne bezwecken, sollte selbe nie halb erfüllt werden, dies geschieht aber, indem die Malerei in Bund mit der Realität tritt, sie muß einen Theil ihrer Rechte aufgeben, um nicht mit sich selbst in Widerspruch zu gerathen. Noch glauben wir zur größeren Bekräftigung des hohen geläuterten Kunstgeschmackes gedenken zu müssen, der sich an den Vasengemälden der Alten manifestirt. Gewiß wäre es ihnen leicht gewesen, Relief zu malen, aber sie fanden es widersprechend, auf einer krummen Oberfläche so zu verfahren, da erhaben gemalte Gegenstände auf einem runden Gefäße doch jedenfalls durch die tangirenden Sehstrahlen Lügen gestraft werden. Vergleichen wir diese Leistungen der Vergangenheit mit den Bestrebungen der jüngsten Gegenwart in München, welche sich die Erreichung eines ähnlichen Eindruckes zur Aufgabe gestellt haben, so bemerken wir die Idee des Mosaiks verlassen, also dem Verstande die Bürgschaft der Dauer, dem Auge die ruhigere Wirkung des Zusammengesetzten und die Überzeugung wie es entstanden, benommen. Wir sehen eine glatte goldene Schale ohne uns Rechenschaft geben zu können, welcher Materie sie entsprechen soll:. Die Dekoration, den alten Motiven folgend, ist kunstgemäß durchgeführt, die Figuren sind schön und edel, auch viel korrekter als die alten, weil bei ihrem Entstehen schon das materielle Hinderniß des Mosaiks nicht im Wege stand: sie streifen jedoch in ihrer Wirkung viel näher an Naturwahrheit (ohne ihrem ernsten Styl zu nahe zu treten), weil selbe Relief ausdrücken, und rufen daher den Eindruck schön gemalter, ausgeschnittener Kartons hervor; ihre innige Verbindung mit der Fläche ist nicht sinnlich dargethan, und wir glauben hierin das Alte höher stellen zu müssen, weil jene Künstler der Vorzeit nie mehr machen wollten, als ihnen die Materie erlaubte. Dieselben Beobachtungen dringen sich dem unbefangenen Urtheile auf bei dem Abwägen der künstlerischen Forderungen, welche man an die Glasmalerei stellen sollte, sobald selbe in der Architektur als bezeichnendes Element mitwirket zum Organismus des vollendeten Ganzen. Es ist durchaus kein Verstoß gegen die Logik, wenn die Liebhaberei Einzelner Vergnügen daran findet, Werke alter Meister aus Glas übertragen zu lassen, und sich an dem erhöhten Farbenreiz zu ergötzen, da ein solches Gemälde, ein für sich abgeschlossenes Ganzes bildet, und wir in dem Moment der Betrachtung so wenig als bei andern Gemälden daran erinnert werden, das scheinbare Relief auf einer Fläche dargestellt zu wissen; wir überlassen uns ganz dem poetischen Eindrucke, und empfinden ungestörte Einheit. Sobald aber die Glasmalerei als wohltönender Akkord in das harmonische Gebilde eines Werkes der Architektur eingreifet, so ist die Forderung an dieselbe eine andere. Das Glas dient als Verschluß der großen Öffnungen, und gestattet nur dem Lichte in den geschlossenen Raum zu dringen, die Durchsichtigkeit desselben wird benützt, um eine dem Zwecke anpassende Dekoration darauf zu malen; die Materie drückt also eine gewisse Bestimmung aus, welche uns errathen läßt, die Malerei sei auf einer dünnen Fläche aufgetragen, es ist also ein logisches Verlangen des Verstandes an die Schönheit, diesem Eindrucke nicht zu widersprechen. Wir erkennen die Münchner Leistungen in diesem Fache als höchst gelungen an, doch wünschten wir unserm Gefühle nach eine mehr musivische, sich blos durch geschmackvolle Farbenwahl und einfache Zeichnung trennende Anordnung des figuralischen Theiles, denn die Wirkung eines perspektivisch angeordneten Gemäldes ist in diesem Falle nicht am gehörigen Platze, und wir denken uns die alte Vorstellungsart, durch eine Mosaik farbiger Gläser bildlichen Sinn in die durchsichtige Fläche zu bringen, dem Verstande und Gefühle gleich zusagend. Die ornamentale Anordnung hat eine hohe Vollendung in diesen Werken moderner Kunst erreicht, und mit Stolz wird jedem Deutschen das Herz höher schlagen, wenn er dem Könige, der so erhabene Werke ins Leben rief, ein freudenvolles Lebehoch bringet. Wir haben nun hoffentlich die innige Verbindung der Materie mit dem Charakter und der Bestimmung des ornamentalen Kunstwerkes erläutert. Andeutungen über die kunstgemäße Beziehung des Ornamentes zur rohen Form Wenn unsere Leser mit dem Gesagten einverstanden sind, so wird ein Rückblick auf die Vergangenheit im Vergleiche mit der Gegenenwart sie belehren, daß die Erbärmlichkeit unserer s o g e n a n n t e n Pracht, welche ihre Motive aus den verschiedenen Glanzepochen der Kunst zu leihen nimmt, und selbe in Pappe, Leder, Hanf, Zink 1. Die logische Beurtheilung der Materie, mit der wir zu schaffen haben; 2. die wissenschaftliche Bildung, welche zur verständigen Konstruktion befähiget; 3. die Gabe, den Zweck der durch den Verstand hervorgerufenen noch rohen Form näher zu bezeichnen, und durch den Schönheitssinn zu veredeln. Diese drei Bedingungen, sich innig durchdringend, schaffen das Ganze, nach Möglichkeit vollendet. Ist ein Werk der Architektur als Monument unserer Zeit der richtenden Zukunft bestimmt, so wird der Verstand bei der Wahl der Materie die solidesten Mittel zur Erreichung dieses Zweckes wählen, und das Gefühl wird den Ausdruck der Solidität in der Form zu erreichen suchen. Die nähere Bestimmung des Zweckes eines Gebäudes (nicht dieser oder jener Styl füherer Epoche) bedingt die Wahl der Konstruktion. - Wir werden uns bemühen, die als zweckmäßig befundene Konstruktion so viel wie möglich sichtbar zu machen , das Feine, Magere vermeiden, das Würdige, Imponirende vorziehen, und schon in der rohen Form uns bestreben, die wirkende Ursache der konstruktiven Theile zu zeigen ; die hinzukommende Veredlung der Form kann nur die Befriedigung des Beschauers begünstigen, denn wir setzen ja voraus, daß der Zweck durch die ornamentale Behandlung noch näher bezeichnet werde. Die Materie und die Bestimmung des Gebäudes, beide zusammen, werden das Charakteristische desselben entschieden bedingen; wir haben schon im Eingange bemerkt, daß ein gewaltsames Losreißen von dem Alten, Vortrefflichen uns nur auf Irrwege führen würde. - Wir werden den Geist der Profilirung, die Vertheilung der ornamentalen Anordnung und vieles Andere vortheilhaft zu nützen wissen, aber die neuen Konstruktionen werden auch immer neue Charaktere erzeugen, und wir glauben, nur auf diesem Wege könne die Gesammtheit der jüngern Talente sich immer mehr nähern und einigen, bis endlich nach vielen Jahrzehenden die Charakteristik neuerer Konstruktionsweise durch die Kunst geadelt, den Nachkommen Anstoß geben wird, auf diesem Wege fortzuschreiten, und so zu einem wirklich originellen und nationalen Baustyle zu gelangen. |