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Autor: Trzeschtik, Ludwig
In: Allgemeine Bauzeitung - 59 (1894); S. 1-3; 9-16; 25-28; 33-37; 49-53
 
Über moderne Bauprobleme II
 
INGENIEURISTISCHES BAUWESEN *)
von L. Tržeschtik,

1. Einleitung - Allgemeines

Ich habe in einem früheren Artikel in diesem Journale jene Bauprobleme besprochen, welche mehr in das Gebiet des Architekten und des Zivil-Hochbauwesens im Allgemeinen fallen und schon damals in einer Note angedeutet, dass ein zweiter Artikel folgen wird, welcher die ingenieuristische Sektion des Bauwesens umfasst; diesen Artikel, in einer Reihe von Studien und Aphorismen, lege ich hiermit dem Leser vor. Hier tritt im Allgemeinen die ästhetische Idee und ihre Einflussnahme noch mehr in den Schatten, hier greifen zwar keine Privatinteressen oder doch nur seltener ein, »die Kreise eines neuen Archimedes störend«, aber hier treten nur zu oft und seltsam genug die Behörden eines und desselben Staates, einer und derselben Stadt sogar einander hemmend und chikanös in den Weg.
Auch hier hat also der Ingenieur ebenso zu kämpfen mit den verschiedensten und konvergirendsten Interessen, wie dort der Baumeister und Architekt, doch sind sie anderer Art. Angesichts der vielen Parteianschauungen und Zerklüftungen, der Sonderinteressen der Militärbehörden und Zivilkörperschaften, von Stadt, Land und Staat, muss bei vielen Aufgaben dem projektirenden Ingenieur wohl schwül und bange werden und wo einmal ingenieuristische Aufgaben auch städtische Interessen berühren, hat er auch mit der »öffentlichen Meinung« — (dieser etwas sonderlichen Dame) — mit den Anforderungen von ästhetischen und Komfortabilitäts-Standpunkten zu kämpfen. Wie in der Medizin ein beliebiges altes Weib sich dieselbe Weisheit anmasst wie der gelehrteste und erfahrenste Arzt, so wird hinwieder in solchen öffentlichen Bahnbauten, Städteanlagen u. dgl. Jedermann flugs Ingenieur, wenigstens in der Einbildung ! und — was der Verstand der Verständigen nicht sieht, übt in Unschuld ein kindlich Gemüth — Jeder hätte es an des Ingenieurs Stelle besser getroffen; es ist ja eigentlich in Allem so; im Kriege wird jeder Schuster zu einem MoItke, jeder Schneidermamsell weiss in der Einbildung die Rollen einer Wolter besser zu spielen und kritisirt die Arbeiten eines Matejko oder Munkácsi, als wären es Jacken.
So hat denn der Ingenieur allerdings einen harten Stand; aber kein Stand schützt vor gerechter und billiger Kritik, denn alles menschliche Wirken ist mangelhaft und was der Eine nicht sieht, weil sein Auge in dem Berufstrubel erlahmt, das gewahrt bald ein Anderer, dessen Urtheil wenigstens in der einen Richtung unbefangen geblieben ist, der keiner sogenannten »Schule« angehört und der keine Rücksichten zu nehmen hat.
Auch in der ingenieuristischen Sektion des modernen Bauwesens ist in den letzten Dezennien — ungefähr seit dem gewaltigen Semmeringbahnbau, dem Stolz der österreichischen Ingenieure, wobei sie unverwelkliche Lorbeeren geerntet — wahrhaft Gewaltiges geleistet worden; nachdem man anfänglich an dem Bau von Gebirgsbahnen schier verzweifelt, baute
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*) Mit Ausschluss der militärischen und montanistischen, sowie spezifisch-industriellen Sektionen. Vergl. »Allgem. Bauzeitung«, Jahrg. 1892, Heft 5 bis  inkl. 9
Allgemeine Bauzeitung. 1894


man bald eine nach der anderen, eine schwieriger als die andere; die Städte wurden vergrössert und verlangten ganz neue lokale Verkehrsanlagen. Durch die Ausbreitung und den Aufschwung des Handels und der Schifffahrt wurden Schifffahrtskanäle, Hafenanlagen und neue Leuchtthürme nothwendig, aber man lernte bei jeder neuen Arbeit und Aufgabe; man sucht Zeitaufwand, Mühe, Arbeit, Lohn, Materialkosten etc. zu ersparen und doch den gleichen Zweck zu erreichen; es entstehen verschiedene neue Anlageprinzipien; wie man nun nicht mehr oder kaum mehr einen »Great Eastern« bauen dürfte, so wird man auch nicht leicht mehr eine Bahn bauen, genau so wie die Semmerringbahn; sie können noch kühner, noch gewagter werden die Bauten der Zukunft, aber sie verlieren das Uebersolide, Klotzige, Titanenhaft - ZykIopische und werden dafür schlanker, luftiger, ohne deshalb der nöthigen Festigkeit zu entbehren, wozu die grossen Fortschritte des Eisenbahnbaues ungemein viel beitragen; man baut weder zu viel Tunnels, noch zu viel an den Berglehnen u. s. w. Gewaltiges haben uns unter Anderem die guten Alten an Wasserleitungsbauten überliefert, aber wir eifern ihnen nach und wir brauchen uns wahrhaftig nicht zu schämen und so geht es durch alle Branchen ! Aber doch gibt es zu tadeln. Nicht aus Ranküne oder Bosheit und Neid, sondern zur allseitigen Beurtheilung und Klärung der Situation.
Die Kunst des Bau-Ingenieurs befasst sich bekanntlich und vornehmlich mit der Ermöglichung und Erleichterung des Verkehres durch Herstellung von Transportwegen oder durch Anlagen von verschiedenen Wasserbauten, Ent- und Bewässerungen (Drainage etc.), Flussregulirungen und Schifffahrts- und Unrathskanälen, Hafenanlagen; die Kommunikationen zu Lande sind entweder Strassenbauten oder Eisenbahnbauten mit ihren Viadukten, Dämmen, Einschnitten, Tunnels etc.; die neuere Zeit mit ihren stets wachsenden Anforderungen hat eine Menge Sonderungen in Spezialfächern nöthig gemacht, als z. B. Hafenbau, Leuchtthurmanlage, Brückenbau etc.*). Es treten sodann auch Disziplinen auf, die nicht direkt, sondern sekundär (indirekt) dem Verkehre dienen, ja es sondern sich noch andere Separatfächer für besondere industrielle Zweige, Landwirthschaft, Bergbau, militärische Zwecke etc. ab, wir befassen uns hier aber nur mit jenen Sektionen, welche das eigentliche Zivil-Ingenieur-Bauwesen betreffen, wie alle Kommunikationsbauten, Städteanlagen, Städteerweiterungen, Wasserleitungen etc.
Wir wollen uns daher nicht zu lange mit Introduktionen abgeben, sondern gleich zur Sache selbst übergehen, wobei wir nicht unterlassen werden, in jeder Sektion historische Parallelen zu skizziren, um durch Vergleichung ein klareres Bild des seither gewonnenen Fortschrittes und des noch zu Erringenden und Verbesserungsbedürftigen zu erhalten.
Es erscheint naturgemäss, wenn wir mit dem Strassenbau beginnen, welchem der Eisenbahn- und Tunnelbau folgen sollen **)

*) Die Alten hatten bereits in Schifffahrtskanälen und Tunnels vieles Schöne geleistet; die Geschichte der letzteren tangiren wir später bezüglich der ersteren sei nur bemerkt, dass z. B. der Suezkanal schon zu Rames II.Zeiten (XIV. Säe. v. Chr.) geplant war. Diese Idee nahmen nacheinander mehrere orientalische Grosse auf andere verwarfen sie wieder; später mehr darüber.
**) Es schien angezeigt, dem Tunnelbau, welcher in neuesten Zeiten zu niegeahnter fabelhafter Vervollkommnung gelangte, besonders zu behandeln, umsomehr, als auch die Masse des Stoffes eine spezielle Behandlung nicht nur erlaubt, sondern sogar nöthig macht.

diesen schliesst sich der Brücken- und Kanalbau an, letzterer theilt sich in Schifffahrtskanalbau und Unrathskanalbau; aus technisch-logischen Gründen wird der letztere erst bei den Städteanlagen zur Sprache kommen *); hieran schliessen sich die Regulirungsbauten. Die wichtigsten Regulirungsbauten sind zweifelsohne die Fluss- und die Städte- (Orts-) Regulirungen; letztere, nämlich die Städte -Regulirungsbauten, finden ihre Besprechung bereits bei den Städteanlagen; hierauf folgen dann noch die Wasserleitungen für Städte etc. und endlich der Bau der Häfen und Leuchtthürme.
Während Eisenbahnen z. B. etwas ganz Neues sind, wurde die Idee der Schifffahrtskanäle nur wieder aus dem Schutte der Zeiten hervorgesucht, um neuerdings eine grosse Anhängerschaft zu gewinnen, welcher sich die Sekundärbahnen z. B. nicht in demselben Masse erfreuen; ja, tertiär gebaute Schmalspurbahnen finden heute noch viel zu seltene Liebhaber.
Man sieht aus der Gesammtentwickung des Bau-Ingenieurwesens, dass trotz mächtiger Gestaltungsimpulse, die ganz objektivistisch auftreten, doch oft kleinliche Gesichtspunkte, Subjektivitäten, Tageslaunen und mechante Sonderpolitik den Sieg davontragen und nicht selten Besseres im Werthe verliert, trotz des sich immerhin oft bewahrheitenden Sprichwortes: »Das Bessere ist der Feind des Guten«.


II. Strassenbau

1. lm Strassenbau, das heisst im Bau der Land- und Gebirgsstrassen, Handelsstrassen, Reichsstrassen (Chaussée'n), Bezirksstrassen etc. hat man gegenwärtig dem Mittelalter und der Renaissance-Epoche gegenüber sehr viele, gegen das Alterthum dagegen nicht gar viele oder wenigstens nicht besonders erhebliche Fortschritte gemacht, nachdem zuerst der Bahn-Ingenieur vom Strassen-Ingenieur gelernt hatte, lernte später wieder der Ietztere, nachdem jener seinen Lehrer bald zehnmal überflügelte, vom ersteren und gewann sehr dabei.
Die ersten Strassen, von welchen man Kenntniss besitzt, waren im Orient; so baute Semiramis verschiedene Strassen; eine der bedeutendsten Kunststrassen jener Zeit war jene von Susa nach Sardes, 450 Meilen lang; die Karthager bauten Kunststrassen, ebenso die Chinesen; eine ihrer berühmtesten Kunststrassen ist bekanntlich jene auf dem Rücken der sogenannten chinesischen Mauer, welche zur Zeit der Tschehû-Dynastie (3. Jahrhundert v. Chr.) gebaut wurde; sie kann sich fast mit unseren ersten Kunststrassen messen **).
Ausser dieser Riesenstrasse besitzt China noch mehrere Kunststrassen, welche, obgleich von höchstem Alter, noch heute ganz fest und brauchbar erscheinen.
Zunächst haben die Griechen, besonders die Athener, vortreffliche Kunststrassen hergestellt, worunter besonders jene von Delhi und Kyrene zu nennen sind. Dass die Römer auf die bedeutenden Verkehrserleichterungen durch Kunststrassen stets sehr bedacht waren, ist wohl bekannt; wo sie Kolonieen und Stationen hatten, dahin wurden auch flugs Strassen gebaut, von welchen sich einige sogar bis heute, wenn auch nicht benützt, oder nur sekundär benützt, unter dem Namen »Römerstrassen« erhalten haben. Besonders unter der Regierung der Kaiser Augustus, Vespasian und Trajan wurden von Rom aus Strassen nach den entferntesten Theilen des grossen Reiches, selbst in sehr schwierigen Terrains gebaut.
Der moderne Strassenbau entlehnt noch Manches von der Technik der Römer; ihre Konstruktion für Strassen war zumeist folgende: die Hauptstrassenbahn lief zwischen parallel laufenden, nicht selten trottoirmässig erhöhten Fusswegen und bestand dann aus diese letzteren bildenden Widerlagerschaaren (Randsteinen); die Fahrbahn selbst war in polygonen Steinen sorgfäItig in flachem Segment angelegt; die Bettung dieser Steine bestand aus Kies (feiner Schotter). Auch die Etrusker pflasterten ihre Strassen meistens mit Basalt auf Kiesgrund. Doch treffen

*) Um nicht andererseits die Sache zu sehr zu zersplittern, habe ich die Unrathskanäle vor der Ortsanlage unmittelbar eingereiht.
**) Ihre Länge beträgt angeblich 300 Meilen bei einer Höhe von 25 Fuss und einer Breite von 11 Fuss an den schmalsten Stellen; sie besteht aus zwei Futtermauern, Erdfüllung dazwischen und mit Fliesen bedeckt, gegründet ist sie auf Hausteinen.

wir bei manchen Römerstrassen eine Detailkonstruktion, die in ihrer Qualität von unseren modernen Strassen kaum überboten, ja manchmal sogar kaum erreicht wird, besonders — wenn's nicht viel kosten darf, wonach man damals nicht frug.
Diese Detail-Konstruktion betrifft nach ihrem eigentlichen Kern und organischen (vertikalen) Aufbau weniger die Führung oder andere Momente und besteht aus folgenden Elementen:
a) zuerst und zu unterst ein bis zwei Schichten in Mörtel gebetteter und verlegter Steine (statumen) *),
b) ein Lager gröbsten Schotter mit Mörtel (rudus),
c) eine Lage Feinschotter (gegenwärtig auch Ziegelbrocken) mit reinem Kalk als Mörtel (oder Zement) (nucleus); hierauf kommt nun
d) das eigentliche Steinpflaster, aus polygonen Steinplatten bestehend (summum dorsum).
Es sind schon unsere kostbarsten Strassen, bei welchen wir in ähnlicher Weise vorgehen, und meistens gibt es gar keinen Mörtel, sondern die Schottermassen werden roh übereinander gebettet, oben kommt dann statt des kostspieligen Pflasters sehr oft eine Art Macadam oder Estrich; solche Strassen sehen dann neu auch sehr nett aus, aber bereits nach kurzem Gebrauche und schlechtem Wetter erscheinen sie sehr stark abgenützt; übrigens hatten auch schon die Römer eine Art estrichartigen Macadam, indem die dritte Lage mit etwas grobem Schotterkies, nur etwas geebnet, als Kopfschichte verblieb.
Für bestimmte Strassen hatte man zu jeder Zeit und in den verschiedenen Ländern auch abweichende Konstruktionsarten; da ist zunächst zu erwähnen das System Tresaguet; es kam zu Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich auf und fand vielfache Verbreitung.
Der Vorgang hiebei ist, wie bekannt, folgender:
Man hebt aus dem Strassenkörper dessen sogenannte »Krone« in relativer und entsprechender Tiefe aus; an den Rand dieses Bettes und ungefähr 0'1 Meter versenkt, werden die 0'12 Meter starken und 0'3 Meter hohen sogenannten »Bordsteine« postirt, zwischen welchen sich eine Lage von zirka 0'12 bis 0'15 Meter hohen keilförmigen mit der Spitze aufwärts gerichteten Steinen auf dem Erdplenum auszubreiten hat; auf diese Keilsteine kommt Schotter mit zirka 0'04 Meter starken Schottersteinen; diese Schotterlage wird ein paarmal mit einer zirka 70 Zentner (oder ungefähr 3500 Kilogr.) schweren Strassenwalze gewalzt; endlich bringt man eine Schichte Schottergries und Sand darauf, welche die Strassenwölbung (»Lehre«) gleichmässig bedeckt und ebenfalls mit einer schweren Walze überfahren werden muss.
Dieses System wird noch immer vielfach angewendet, auch eventuell mit der Variante, dass man die letzteren Schichten mit Estrichmasse herstellt, was kostspieliger kommt, aber viel dauerhafter ist.
In den Jahren 1820 u. ff. trat ein Amerikaner J. Loudon, genannt »Mac Adam«, mit seinem Schotterstrassen-System auf, welches nach ihm auch benannt wurde und noch heute vielfach angewendet wird für sekundäre Chaussée'n, Bezirksstrassen, städtische Vorortestrassen etc.; ein neuer Beweis, wie wenig Neues auf diesem allerdings sehr beschränkten Gebiete vorkommt und erstrebt wird, so dass man sich stets mit dem Bestehenden begnügt.
Das Mac Adam`sche Verfahren besteht bekanntlich in Folgendem:
Zuerst bringt man eine 15 bis 25 Cm. hohe Schichte von Grobschotter auf, dessen Steine zirka 8 Cm. stark sind; diese Lagerung macht man nach der Mitte zu höher als nach der Seite und lässt sie durch schwere Walzen sehr fest walzen; hierauf kommt die zweite Beschotterung mit halb so grossen Steinen; ein gewisser Telfort verbesserte das Mac Adam'sche System, indem er mehr Schichten anwendete.
Alle unsere modernen Strassenbauten enthalten als Kern mehrweniger ein oder das andere Prinzip eingeschachtelt; es

*) Man gräbt auch gegenwärtig noch bei Staats-Chaussée'n das Alluvium bis auf den Untergrund (terra firma) ab und füllt die Vertiefung mit Steinen aus; nach Einigen heisst dies schon substratum pavimentum; dieselben werden festgerammt und darauf kommt eine Schichte mit Schotter und Kalk oder Béton, zirka 20 bis 30 Cm. hoch, dies wäre dann erst das eigentliche statumen; dann kommt kleiner Kieselschotter mit Kalk vergossen, 15 bis 25 Cm. hoch (rudus) etc.

sind meistens nur Varianten früherer Systeme, worunter die allerältesten (römische und chinesische) keine geringe Rolle spielen; in jeder bautechnischen Branche wird mehr Neues produzirt als hierbei. Vielfach trifft man, besonders in Städten, Vororten etc., bétonirte und asphaltirte Strassen, neuestens auch vielfach Strassen mit bituminösem Kalkstein (Asphalt comprimé, Pseudo-Asphalt) oder Holzstöckelpflaster; diese Arten genügen wohl sehr gut durch ihre Sauberkeit, Reinlichkeit und Geräuschlosigkeit für Städte, Vororte und kurze ebene Bezirksstrassen; soll aber das System der Asphaltstrassen grössere Anwendung finden, besonders auch für Chaussée'n und Bergstrassen, so muss die Konstruktion eine bedeutende Abänderung erleiden *). Die Estrich- und bituminösen Kalksteinstrassen leiden nämlich an dem Uebelstande übergrosser Glätte; um dem zu begegnen, überzieht man die Zement-Estriche oder (echten) Asphaltflächen, so lange sie noch

*) Gewöhnliche Asphaltstrassen sind bekanntlich so konstruirt, dass man auf die gewöhnlichen Schotter- oder Makadam Schichten Ziegel legt und auf diese den echten Asphalt ausbreitet im warmen Zustande natürlich; statt der Ziegel nimmt man auch vielfältig Béton, oder, was dasselbe ist, Zement-Estrich oder Flötz als Unterlage.

frisch und eindrucksfähig sind, mit einer ganz dünnen Schichte mittelfeinen Sand, den man mit einer Walze einwalkt; dadurch ist dann die übertriebene Glätte genommen und dann eignen sich solche Strassen selbst für's Gebirge *). Da seit dem Inslebentreten der Eisenbahnen die Strassen lange nicht mehr so abgenützt werden, wie einst, als ganze Kolonnen schwer bepackter Frachtwagen beständig alle Strassen okkupirten, so kann man sich in Zukunft eher mit Konstruktionen leichterer Art hiefür begnügen, welche dann ihren Zweck genügend erfüllen; auch muss man in unseren sozialistischen Zeitläuften darauf bedacht sein, alle überflüssige manuelle (daher theuere) Arbeit möglichst zu vermeiden; man benützt jetzt schon Dampfmaschinen zur Erdaushebung, zur Stampfung, Dampfstrassenwalzen und selbst zur Materialzufuhr hat man kleine Feldbahnen mit Dampfbetrieb nach Sekundär- oder Tertiärsystem, wie selbe unter Anderem z. B. bei der Wiener Donau-Regulirung vorkamen.

*) Für kleinere, wenig frequente Strassen, die nicht zu steil sind — (1:30 Maximum), kann der Asphalt comprimé (kalkig-erdiger Asphalt) mit Vortheil angewendet werden.
(Fortsetzung folgt.)


ÜBER MODERNE BAUPROBLEME II.
INGENIEURISTISCHES BAUWESEN *).
von L. Tržeschtik, (Fortsetzung)

2. Die bedeutenden Strassen erhalten eine Breite von zirka 10 Meter *), selten darüber, häufig aber darunter; Minimalmaass für eine annehmbare Strasse ist 5 Meter, Gebirgsstrassen sind selten viel breiter und man gibt ihnen Ausweichstellen von 5 respektive 7 bis 10 Meter Breite; auch in England sind viele Strassen schmal; desgleichen in Frankreich.
Die Strassen sollen in der Ebene möglichst in gerader Trace geführt werden, ausgenommen man hat Gebäuden, Oekonomieterrain, Sümpfen etc. auszuweichen. Im Gebirge ist man in neueren Zeiten stets bestrebt gewesen, grössere Steigungen möglichst zu meiden; man gibt daher in der Regel bei 100 Meter Strassenlänge höchstens zirka 3 bis 5 Meter Steigerung, nach Anderen 10 Meter; mittelst der sogenannten Serpentinen (Zickzacklinie, Schlangenlinie) hat man in den Alpen die schwierigsten Pässe und Höhen überwunden (Stilfserjoch z. B.). — Die ältesten Bergstrassen nach mehrweniger römischen Provenienz (oder wenigstens Prinzip) waren alle sehr schmal und steil, dagegen aber gegen das Scheuen der Pferde, Umkippen der Wagen, oder Abstürzen derselben etc. viel besser gesichert, als die modernen Kunststrassen (besonders in der Schweiz), wobei die diesbezüglichen Sicherheitsvorkehrungen in sehr spärlich gesetzten miserablen kleinen Prellsteinen bestehen — oft in Entfernungen von 3 bis 4 Meter — so dass nicht nur ein Postwagen, sondern sogar deren zwei oder mehr bequem zwischen durch hinabkoIlern können dem eventuellen Abgrunde zu ! Ein Beispiel einer alten miserablen Bergstrasse ist die sogenannte »Viamala« in der Schweiz u. m. A.
Ist die Strassentrace ausgemittelt, so nimmt man die nöthigen Nivellirungen, Durchstiche, Einschnitte, Böschungen, Stützmauern, Unterfahrungen für den Abfluss der Tagwässer etc. **) vor und verwendet das dabei gewonnene Material zu vorkommenden Ausfüllungen (Profilergänzungen etc.) und Anschüttungen (bei Dämmen).
Zu beiden Seiten der eigentlichen Fahrbahn legt man gegenwärtig allenthalben aus mehrfachen praktischen Gründen (unter Anderem auch zur Konservirung der Strasse selbst — Abflussgräben für das Regenwasser an, welches eventuell noch durch besondere Kanäle unterhalb weitergeleitet wird.
Anmerkung. Man unterscheidet genau genommen, bei ordentlichen Strassen zweierlei Strassengräben, parallel zwischen Fahrbahn und den Gehwegen ein schwach vertieftes Rinnsal, von welchem Abflüsse hergestellt sind zu den eigentlichen Strassengräben ausserhalb der Fusswege respektive der Gesammtstrassentrace; diese Rinnsale erhalten nur eine Breite von wenigen (15 bis 25 Cm.) und alle 3 bis 5 Meter lang einen Ablaufkanal, der zum grossen Strassengraben führt; die letzteren macht man gegenwärtig ⅓ bis 1 Meter breit und zirka ⅔ Meter tief; die Böschung der Chausséewand 1:1'5 bis 2 Meter; das Gefälle des Grabens selbst nicht unter 1:700; wird etwa ein natürliches Gerinne für diese Zwecke benützt und führt dies etwa durch bewohnte Orte oder Anlagen durch, die geschützt werden müssen, so empfiehlt es sich wohl, besonders wenn das natürliche Gerinne oft die Neigung hat zu versumpfen, dasselbe

*) Einige andere Autoren bestimmen als Minimalbreite 6 Meter inklusive Fussweg; soll aber die Kronenbreite mindestens 3'5 Meter betragen, so gibt dies mit Einschuss der Barrièren, Prellsteine, Chausséegräben und Fusswege minimal zirka 9 Meter.
**) Diese Unterfahrungen mit ihren Geröllen, Rinnsalen etc. werden in neueren Zeiten viel solider hergestellt als einst, meist in Bruchsteinen; hier hat wieder der Strassen-Ingenieur sehr viel vom Bahn-Ingenieur gelernt.
Allgemeine Bauzeitung 1894.

einzuwölben und mit Pflasterung oder Bétonirung; zu versehen; bei drohenden häufigen Ueberschwemmungen müssen diese Gerinne genügende Weite erhalten, eventuell 1⅔ Meter breit, 1 bis 1'5 Meter tief und mehr, je nach Umständen und Lokalverhältnissen. Es mag noch erwähnt werden, dass man auch in der Gegenwart wieder aus verschiedenen Gründen die Fusswege zur Seite der Strassen, wie es schon die Römer hielten (s. Früheres) erhöht; auf diese Weise ist den Fuhrwerken die Möglichkeit, auf die Fusssteige zu fahren, genommen und die Fussgänger sind geschützt.
Man macht gegenwärtig die Strassenwölbung nicht stärker als ¹/15 bis 1/18 Breite als Maximum, besonders im Gebirge und bei kritischen Lokalverhältnissen; doch gehen Manche weiter: aber eine zu starke Wölbung bringt bei starken Kurven *) und Fall leicht ein Umkippen der Fuhrwerke mit sich, was zu vermeiden ist; ist aber die Fahrbahn zu wenig gewölbt, so kann das Regenwasser nicht gut ablaufen; man ist also unbedingt auf die goldene Mittelstrasse angewiesen.
Kommt man bei der Trace auf felsiges Terrain, so wendet man, wie auch beim Bahnbau gegenwärtig, Dynamit zum Sprengen an, wodurch man viel bedeutendere Effekte erzielt, als mit dem Schiesspulver; leicht lösliches Erdreich aber an Berglehnen sucht man dadurch zu festigen, dass man eine Bepflanzung mit stark wurzeltreibenden Stauden und Sträuchern innerhalb von durch kreuzweise gebildetes und eingesetztes Flechtwerk oder Pflasterung vornimmt; zur Abrutschung geneigtes Terrain muss durch Rigolen und Stollen entwässert werden. Auch dieses Verfahren wurde zuerst bei Eisenbahnen angewendet und hat sich sehr nützlich erwiesen.
Wenn vordem bemerkt wurde, dass man die Trace der Strassen möglichst gerade führen soll, so hat dies doch seine Grenzen; man macht gegenwärtig die Strassen, welche nur ein schwaches Gefälle haben, so, dass, wenngleich dies Gefälle eben nicht über 1:100 geht **), die gerade Richtung in diesem Gefällsgrade nicht über 200 bis 300 Fuss (70 bis 100 Meter) beibehalten wird, und man ein Planum (Horizontale) einschiebt, auf manchen Strecken lässt sich aber oft ein stärkeres Gefälle kaum vermeiden.
Man greift dann umso lieber zu Krümmungen (Kurven), welche namentlich bei Gebirgsstrassen das Hemmen und Anhalten der Wägen begünstigen, wenn selbe etwa bei Versagen der Bremsen fortzurollen Gefahr laufen; in der Gegenwart nimmt man überhaupt lieber zu Umwegen (Entwickelungen) Zuflucht, als die Strassen zu steil zu halten; einst kamen jedoch Steigungen bis zu 30° vor. (Man hält sich gegenwärtig vielfach auch an das Verhältniss von 1:25, eventuell 1:15 als Maximum im Durchschnitte.

*) Der Krümmungsradius für Strassenkurven (Strassenwendungen, besonders bei Serpentinenanlage) ist von den meisten der neueren Strassenbautechniker mit 50 bis 60° (= 16 bis 20 Meter als Minimum angesetzt; es wird gut sein, an sehr gefährlichen Stellen sogar förmliche Wendeplateaux oder Terrassen zu machen mit einem Radius von 75 bis 100° und mehr (= 25 bis 33 Meter und mehr), wenn es anderweitig technisch und ohne zu grossen Kostenaufwand möglich ist, solche Wendeplateaux finden sich in der That bei mehreren neueren splendid gebauten ärarischen Strassen Oesterreichs.
**) Man geht jetzt überhaupt beim Strassenbau prinzipiell so vor, dass man die Steigungen sehr mässig macht (also dementsprechend den Fall, die Senkungen); die Ausführung ist allenthalben viel solider als in manchen älteren Strassenbauten (besonders bis zum 18. Jahrhundert) und den meisten Anforderungen genügend. Bei allen konstanten bedeutenderen Steigungen wendet man Kurven abwechselnd an, um eventuelles Abrollen von Wägen hintanzuhalten.

Die seitlichen Versicherungen sind gegenwärtig auf gewöhnlichen Landstrassen (Chaussée'n) in der Ebene sogenannte Prellsteine in der Form der bekannten Barrièrrestöcke aus Granit oder sonstigem festem Gestein; wo Steine schwer zu haben sind und Holz billiger kommt, nimmt man Pflöcke von Holz; bei gefährlichen Gräben bringt man laufende Barrièren an aus Stein- oder Holzpflöcken mit Holz- oder Eisen-Verbindungsstücken, oder vollkommenes Mauerwerk; die Prellsteine sollen bei gefährlichen Gebirgsstrassen, wo die Gefahr des Absturzes sehr nahe liegt, abgesehen von doppelter eiserner Querverbindung, nicht weiter als auf zirka 2 Meter Distanz von einander entfernt postirt werden; viel empfehlenswerther aber ist für die Sicherheit, an solchen gefährlichen Stellen solide gemauerte Brustwehren anzubringen.
Anmerkung. Die erwähnten Prellsteine und Barrièren müssen, um volle Sicherheit zu gewähren und den Anprall von zum Umkippen geneigten Fuhrwerken zu paralysiren, eine gewisse Massivität haben; man macht daher einfache Prellsteine (bei der angegebenen Entfernung von 2 Meter) aus Stein am besten ⅓ Meter dick und mindestens über 1 Meter über Bodenniveau ragend, mit einer Neigung nach aussen von 5 bis 10°; Holzpflöcke, einzeln postirt, müssen ebenso wirksam sein, doch genügt oft eine Stärke von zirka 1/6 Meter. Bringt man nun solche gemauerte Brustwehren an, so müssen sie selbstverständlich gut und sicher fundirt werden und erhalten eine Stärke von mindestens ⅓ Meter, besser ⅔ Meter und mehr bei einer Höhe von 1 bis 1 ⅓ Meter; Mauern aus rohen Bruchsteinen sind wenig empfehlenswerth, besser lagerhafte Bruchsteine, Quader oder gut gebrannte grosse Ziegel; Mörtel soll kein anderer als Zement bester Qualität verwendet werden; wenn Raum genug vorhanden ist, so bringen einige der älteren Strassen-Ingenieure noch ausserdem Prellsteine an, damit die Last kippender Frachtwagen z. B. nicht direkt die Mauer trifft, oder scheu gewordene Pferde den Wagen nicht gleich direkt an der Mauer schleifen, sondern dass dieser womöglich durch die Prellsteine abgehalten wird; manche machen auch Auslassungen in solchen Mauern, so dass auf je 2 bis 3 Meter Mauer eine ⅔ bis 1 Meter weite (lange oder breite) Auslassung folgt, dann kommt wieder Mauer; je zwei solcher Mauern sind dann durch solide (ein bis drei Stück) Eisenstangen (rund oder viereckig) von mindestens 3'5 bis 5 Cm. Stärke zu verbinden; ist die Fundamentirung dieser Mauern schwer zu bewerkstelligen (bei Felsengrund muss man ein Fundirungsbett aussprengen), so macht man eiserne Stützen von der Form einer verkehrten 4, nämlich , welche zum Theile weit eingemauert, respektive in den Felsengrund versenkt und mit Blei vergossen werden; natürlich findet man heutzutage solche Vorsichtsmassregeln nur auf sehr solid und splendid gebauten Strassen, am allerwenigsten in der Schweiz oder in Ungarn, am ehesten noch im westlichen Oesterreich; es ist traurig genug, dass das Leben des reisenden Publikums so; geringen Werthes abgeschlagen wird ! (Die alte Methode, besonders bei Saumstrassen im Gebirgsterrain, die hölzernen Barrièren auf zur Strassenachse senkrecht gelagerte, in das Strassenbett selbst befestigte Querschwellen zu befestigen, wird jetzt meist fallen gelassen und man hilft sich mit Mauerwerk und Eisenkonstruktion; nur ältere Strassenbau- Ingenieure machen noch Anwendung von diesem Zimmermannskunststückchen.)
Sind Gebirgsstrassen von Felsabstürzen und Lawinen oft bedroht, so sind Schutzdächer, eventuell gemauerte oder hölzerne Galerien (aus ⅓ bis ½ Meter starken Balken) erforderlich, wie selbe auch sehr häufig bei Gebirgsbahnen (Semmering, Sierra Nevada) vorkommen; auch ist man nicht selten genöthigt, zur Fortführung von Strassen, wenn Umwege nicht möglich sind, Tunnels in Anwendung zu bringen, was natürlich dann eine solche Strassenanlage sehr kostspielig macht.
 Die nach amerikanischen Prinzipien konstruirten Lawinen-Schutzdächer (Galerien) sind etwas anders beschaffen als solche Schutzvorrichtungen gegen Felsabrutschungen. lm Querschnitte haben die meisten Lawinendächer ein mansardeartiges Gepräge.
 An Stelle der Sparren und oberen Dachbalken gibt man auf die Hochkante gestellte sehr starke Eichen-, Föhren-, oder Lärchenpfosten [(oder Bohlen), zirka 20 bis 35 Cm. dick, und 50 bis 60 Cm. breit (hoch)] ziemlich nahe aneinander gelegt (zirka ⅓ bis ⅔ Meter); diese durch einen Firstbalken etc, horizontal verbundenen Pfosten oder wie man schon sagen muss Balken haben den Zweck, die auffallenden Schneemassen zu zerstäuben; diese Balken ruhen dann auf den senkrechten, unter sich durch Kreuzverstrebungen verbundenen Tragbalken, welche durch schief angesetzte Stützbalken verstärkt werden; die Tragbalken (Pfeiler) erhalten oft eine Stärke von ⅓ bis 1 ½ Meter und sind in Entfernungen von 1 bis 3 Meter in der Flucht, 2'5 bis 5 Meter im Querabstande je nach Zweck und Art der Strasse (oder der Bahn) postirt. In ganz besonderen Fällen erübrigt jedoch nichts, als gemauerte Schutzgalerien von bombenfester Stärke zu errichten.
Bei Gebirgsstrassen hat man es schon in früheren Zeiten und, wie bereits erwähnt, neuerdings für nothwendig erachtet, an steileren Stellen episodal kurze Strecken in der reinen Horizontale gehen zu lassen, um das zu starke Abrollen der Fuhrwerke zu mässigen; diese Horizontalstrecken erhalten nach Lokalverhältnissen verschiedene Längen, jedoch womöglich immer wenigstens zirka 5 bis 10 Meter *).


Ill. Eisenbahnbau

In der Geschichte der Eisenbahnen ist das Jahr 1825 besonders wichtig, weil zu dieser Zeit in England, das zwar früher schon kleine Lastgutbahnen besass, von einer Gesellschaft die Stockton-Darlington-Eisenbahn vollendet wurde, und auch in Nordamerika die erste Bahn von Quirey nach Boston erbaut worden ist. In beiden Ländern folgten dann bald die umfangreichsten Unternehmungen dieser Art nach allen Richtungen; bald folgte Frankreich mit der acht Meilen langen Bahn von Lyon nach St. Etienne und mehreren Bahnen von Paris aus; dann kam Belgien an die Reihe mit den Bahnen von Brüssel nach Antwerpen und Mecheln; sogar Russland liess sich nicht spotten und man baute eine Bahn von St. Petersburg nach Zarskojeselo (1836). In Oesterreich ging es mit der Anlage von Eisenbahnen nur langsam vorwärts, da der Kaiser Franz kein Freund dieser Neuerung war; der Dampf und die Eisenbahnen waren ihm als die Zeichen einer neuen Zeit ebenso unsympathisch wie seinen Räthen; dennoch kam in den Jahren 1825 bis 1832 die 17 Meilen lange Eisenbahn von Linz nach Budweis zu Stande **), sie war jedoch nur für Pferdebetrieb eingerichtet und nach ihrer ganzen Art mehr eine Tramway als eine Railroad. lm sächsischen Erzgebirge baute man eine kleine Bahn bei Freiberg und 1836 eine Bahn von Dürenstein (Herzogthum Sachsen) zum Kohlentransport. Das waren so einige der höchst bescheidenen Anfänge.
Die Ur-Idee der Bahnen als fixirten Geleiswegen ist eigentlich auch schon sehr alt, aber die Ausführung, Kompletirung und Anwendung ist völlig neu.
Schon lange benützte man in den englischen Bergwerken Holzbahnen, deren Laufbalken man später mit Eisen montirte zum leichteren Transport von Kohle und anderen Materialien; auf diesen kleinen Bahnen hatte man ganz kleine Handschiebewagen, die bekannten »Hunde«; schon im Jahre 1775 fing man an, sich vom Holz ganz zu emanzipiren und gusseiserne Schienen anzuwenden, welche den Tramwayschienen einiger Systeme (Nutschienen) ähnlich waren; man wagte damals keine grösseren Steigungen als 10 Meter per Meile (10 Meter:8000 Meter = 1:800); später, nachdem man schon bedeutende Verbesserungen im Eisenbahnwesen eingeführt, wagte man 95 Fuss [(zirka 31'5 Meter) also zirka 1:240]; als man in Oesterreich anfing, Bahnen zu bauen (1835 bis 1840 und später) hatte man schon Steigungen von 1:100 als ganz etwas Gewöhnliches; ja am Semmering und Brenner und bei neueren Gebirgsbahnen ohne besonderes System ging man dann bereits bis 1:30 ! Bei den älteren Bahnen und dem damaligen Betriebsmaterial mied man auch soviel als möglich Krümmungen in der Trace (Kurven) und man war bestrebt, die Trace so gerade als möglich zu halten; auch über diesen Angstpunkt ist man gegenwärtig sehr hinaus und es kommen sehr starke Kurven besonders auf Vizinalbahnen vor.
So lange man die Eisenbahnen mehr im oberen Terrain baute, waren die Fortschritte sowohl im Bau als im Betriebe (Maschinen, Signale etc.) nur sehr spärlich; so konnte es jedoch nicht bleiben, man sah die Nothwendigkeit ein, endlich über die Möglichkeit der Gebirgsbahnen ernstlich nachzudenken und als

*) Ebenso wie man Bahndämme vor Ueberschwemmungen zu schützen hat, so müssen auch Strassen vor Ueberschwemmungen gesichert sein; dies geschieht einmal durch eine dem höchsten Wasserstande entsprechende Hochlage und ferner durch gut gemauerte Uferböschungen, eventuell auch durch besondere Dämme. (Niederland, Italien, Ungarn etc.)
**) Die Kaiser Ferdinands-Nordbahn war in ihren ersten Anfängen nach Unterbau, Oberbau und Hochbau sowohl, wie nach dem Fahrpark äusserst primitiv; erst allmälig verbesserte man die Uebelstände, welche 1850 schon vielfach behoben waren.

endlich der Entschluss gefasst war, ging es in allen Branchen des gesammten Eisenbahnwesens mit Riesenschritten vorwärts.
Im Jahre 1826 wurde in England die Lokomotivbahn von Liverpool nach Manchester konzessionirt und bis 1850 waren bereits in Europa 21.250 englische Meilen Eisenbahnen erbaut.
Allein die Möglichkeit, grössere Steigungen zu überwinden, war in Europa umso länger problematisch, als die Aufmerksamkeit der Techniker sowie des Publikums mehrere Jahre lang durch Blegg's vielversprechende Erfindung der atmosphärischen Eisenbahnen, die sich schliesslich nicht bewährte (s. später), vom eigentlichen Ziele abgelenkt wurde. In Amerika waren indessen schon Steigungen von 1:60 und mehr mit grösseren Maschinen überwunden; seitdem wurden in Belgien, Württemberg, Sachsen, Bayern Lasten bis zu 2000 Zentner über anhaltend schiefe Ebenen mit den Verhältnissen 1:45, ja selbst 1:40 und bei bedeutenden Kurven anstandslos befördert ! Dies Alles musste sich langsam entwickeln, bevor an eine so kolossale Alpenübersteigung gedacht werden konnte, wie es der Semmeringbahnbau ist; allein kaum erfasst, trat der Gedanke auch schon in's Leben, und bald erhielt der Regierungsrath Karl Ritter v. Ghega den Auftrag, die Tracirung der Bahn vorzunehmen; der Plan war 1844 vollendet und nachträglich noch stets verbessert, wobei amerikanische Bahnbauten im Allgemeinen vielfach massgebend waren. Der Semmeringbahnbau ist noch immer einer der kühnsten und grossartigsten Bahnbauten; bald machte die Herstellung des bau- ingenieurmässigen Theiles die geringsten Sorgen, es handelte sich zunächst um die Beschaffung der passenden Betriebsmaschinen (Lokomotiven) und auch diese schwierige Aufgabe wurde bestens gelöst; jetzt stand der Ausführung kein Hinderniss mehr entgegen.
Bei der Semmeringbahn musste selbstverständlich auf das bedeutende Gewicht der Berglokomotiven, die nach ganz neuen Prinzipien gebaut waren, Rücksicht genommen werden; deshalb erhielt der Oberbau eine 9 Zoll (27 Cm.) starke feste Steinunterlage, die wieder mit einer 9-zölligen Schichte geschlögelten Schotters überdeckt wurde; die Querschwellen (Slippers) sind nicht, wie bei anderen Bahnen, in diese versenkt, sondern im Abstande von 3 Fuss (1 Meter) auf Längenschwellen befestigt, und dadurch ist der Druck auf einen kompakten Holzrost vertheilt. Damals schon achtete man darauf, dass die äusseren Schienen bei Kurven um 3 bis 9 Cm. höher zu liegen kommen, um erstens im Falle des Entgleisens dies auf die ungefährliche Seite zu leiten, zweitens der beim Durchfahren von Kurven im Verhältniss der Kürze des Halbmessers sich steigernden Zentrifugalkraft entgegen zu wirken. Sämmtliche Objekte des tracenmässigen Hochbaues, sowie desjenigen der Stations- und Wächterhäuser tragen im Allgemeinen den festen Charakter der Gebirgslandschaft, doch haben hin und wieder die arkadirten Galerieen fast etwas Klassisches, Antikes.
Seitdem aber hat man im Eisenbahnbau wieder bedeutende Fortschritte gemacht; nachdem wir später (speziell in Oesterreich) bei mehreren Bahnbauten (z. B. Brennerbahn, Lupkowerbahn, Lemberg-Czernowitzer Bahn etc. etc.) nicht ebenso sehr Ruhm erworben haben, haben wir schliesslich wieder ein Meisterwerk geliefert mit dem Arlbergbahnbau.
Inzwischen vollendeten französische und italienische, respektive schweizerische Ingenieure die berühmten Bahnbauten am Mont Cenis und Gotthard u. s. w.
Anmerkung. Dass die fatale Affaire eines Bergsturzes an der Arlbergbahn eintraf, das kann man kaum den Ingenieuren in die Schuhe schieben, dies ist ein schlimmer Zufall, und da spielen allerlei böse Umstände mit. Allerdings hätte man vielleicht Manches voraussehen können, aber nun, nicht Jedermann ist hellschend. Man kann daher schwerlich irgend eine Persönlichkeit für die Sache verantwortlich machen.
Immerhin aber ist es möglich, dass sich mit der Zeit doch trotz aller Vorkehrungen gegen neue Abrutschungen die Nothwendigkeit einer theilweisen Geleiseversetzung als nothwendig herausstellen wird. lm Uebrigen ist die Herstellung dieser Bahn in den meisten Beziehungen als sehr gelungen und zufriedenstellend zu bezeichnen und solchermassen auch vielfach von auswärtigen technischen Notabilitäten anerkannt. Wenn es zur Umlegung der Trace kommt, so wird man wahrscheinlich selbe mit einem neuen Tunnel mitten durch den entstandenen Schuttkegel führen in einer ungefähren Länge von 400 bis 500 Meter; die Umlegung der Trace dürfte etwa ein bis Jahre erfordern mit einem Geldaufwand von ½ bis 1 Million Gulden; das Provisorium hat sich bis jetzt ganz gut bewährt *).
Die stets zunehmenden Anforderungen des Verkehres machten immer neue Anordnungen nöthig; man kann sich auf sehr frequenten Bahnen nicht mehr an den Hauptstationen mit einem Bahnhofe begnügen, sondern es werden in neueren Zeiten allenthalben Reservebahnhöfe nöthig für die Maschinenhallen, Drehscheiben, Frachten-Magazine **).
Gegenwärtig geht das Bestreben der Bahn-Ingenieure dahin, die Vortheile der verschiedenen Einrichtungen, Systeme und Baunormen nicht mit Pedanterie und Prinzipienreiterei anzuwenden, sondern nach der einzelnen, lokalen oder relativen und massgebenden Sachlage, so dass bei einer und derselben Bahn die einzelnen Systeme, der Anlage etc. wechseln können, je nach Bedürfniss und Umständen, ohne gerade einer gewissen Einheitlichkeit, die in gewissen Grenzen immer bestehen muss, zu schaden; man sucht bei Tracirungen ebenso grosse Umwege zu vermeiden, als sich durch eine Unzahl Tunnels, Einschnitte, Viadukte etc. in grosse Unkosten zu stürzen, aber wo das eine oder andere davon unausweichlich ist, da kann man eben nicht helfen. Auch Eines ist noch zu bemerken; manche Eisenbahn-Ingenieure belieben nach einer gewissen Schule die Tracen an See'n oder Flüssen so niedrig zu halten, dass die betreffenden Bahnen (trotz aller Warnungen der Anwohner nach bewährten alten Erfahrungen) stets Ueberschwemmungen ausgesetzt sind; hierbei geht also der Eisenbahn-Ingenieur der Neuzeit oft hinter den alten Strassenbau- Ingenieur zurück; denn es ist ein altes Strassenbaugesetz, die Strasse stets über Niveau der höchsten Wasserstände zu halten, damit die Benützung derselben niemals illusorisch wird; gegen dieses alte Gesetz versündigen sich viele moderne Bahn-Ingenieure !
Auch in Bezug auf die Bodenbeschaffenheit hat sich der Bahn-Ingenieur zu informiren (s. später über Tunnels), damit nicht eines schönen Tages etwa ein ganzer Bahnzug in die Tiefe versinkt ! ***)
Die alten ersten Bahn-Ingenieure (selbst die englischen und französischen nicht ganz ausgenommen) waren viel bedächtiger als die neueren, welche oft mit dem Kopfe durch die Wand rennen wollen und wohl dabei zu Schaden kommen; mit einer grösseren Bedächtigkeit und Gründlichkeit hätten wir uns viel Blamage, Geld und — Fiasko ersparen können. [Wie z. B. am Brenner; dort wohnende Laien waren über die geologischen Verhältnisse des Gebirgsstockes, durch welchen der eine verunglückte Tunnel geht, besser unterrichtet, als die Ingenieure, wurden aber wegen ihrer Warnungen von letzteren natürlich ausgelacht oder vornehm ignorirt; als man endlich gezwungen war, den Berg zu terrassiren und abzutragen, sowie den betreffenden Tunnel zu rekonstruiren, wird wohl Mancher an jene Warnungen gedacht haben ! (s. später).]
Es erübriget uns in Betreff des eigentlichen Eisenbahnbaues nur noch Weniges; so hat man z. B. in Oesterreich ein obligatorisches Normalprofil für Stahlschienen angestrebt, aber es wurde nur theilweise verwirklicht; in Oesterreich ist noch immer das Oberbausystem mit HoIz-Querschwellen (Eichen, Lärchen, Fichten, seltener Buchen oder Erlen u. dgl. Holz), mit Theer tüchtig eingelassen, en vogue; wenn nicht besondere Fälle vorliegen, so genügt dieses System vollkommen und kommt in einem holzreichen Lande am billigsten; für solide Bahnen empfielt es sich immer, die Schwellen in einer ⅓ bis ½ Meter hohen Kiesunterlage zu betten, weil hierbei das Regenwasser abläuft und nicht

*) Ist bereits durchgeführt, aber nur im Bereiche des Bergsturzes. A.d.R.
**) Das Problem, den Betrieb und die Verkehrs-Detailmanipulationen so zu vereinfachen, dass man endlich dadurch vermeidet, den Bahnhofanlagen eine endlose Ausdehnung geben zu müssen, ist noch immer nicht gelöst!
***) Bei Leesdorf nächst Baden bei Wien versank im Mittelalter ein Nonnenkloster nächtlings binnen einer Stunde spurlos und an der betreffenden Stelle war nur mehr ein Sumpf zu sehen; noch vor 25 Jahren stand eine Gedenktafel dort; diese Stelle ist nur zirka 300 Schritte von der Trace der Südbahn entfernt. Bei Molle (Linz-Budweiser Bahn) sind die sogenannten Grundlosen; trotz der vielen Warnungen wurde die Bahn hineingebaut und verzehrte Millionen. Bei Neustadt und Floridsdorf bewirkt das Rollen eines Bahnzuges eine eigenthümliche Resonanz von unten her, welche auf Höhlungen schliessen lässt; solcher Beispiele gibt es in Unzahl überall.

stehen bleibt; bei den amerikanischen Bahnen werden die Schwellen meist nur ohne viele Umstände in die planirte Erde versenkt (mit ⅛ bis 1/10 Meter der Höhe) **).
Für die Eisenbahnhallen hat man jetzt fast allgemein Dachstühle in Eisenkonstruktion nach Varianten des Polonceau'-schen Systemes und neuestens in Bogen von unten auf.

Besondere Bahnsysteme
Besondere Umstände, lokale Verhältnisse, eigenthümliche Schwierigkeiten oder der Trieb überhaupt, etwas Neues zu erfinden, schufen neue exklusive Systeme zu Tage.
So war es z. B. mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, bedeutende Höhen mit der Lokomotive, ohne besondere Zeit- und Kostenaufwand (der dem Zwecke nicht entsprechen würde), zu überwinden; dies führte nach vielen Fehlversuchen zur Einführung des Zahnradsystems; man kam hierbei auf eine alte Idee aus den Kinderjahren des Eisenbahnwesens zurück und mit passender Verbesserung und Akkommodation an die modernen Anforderungen bewährte sich dies schon in vielen Fällen (s. später); um die Kosten für den Betrieb auf der kurzen Strecke einer kleinen Vizinalbahn auf ein Minimum zu reduziren, kam man auf die Idee die Luft als Motor in der Weise zu benützen, dass man sie auf einen Stempel wirken lässt, der sich in einem ausgepumpten Zylinder fortschiebt; da die Herstellung des Gleichgewichtes sehr rasch stattfindet, und der Druck der Atmosphäre ein enormer ist, so muss man die Idee immerhin eine glückliche nennen; aber die erste Ausführung versprach kein langes Dasein; es ist dies nämlich die sogenannte atmosphärische Eisenbahn, welche man als so ziemlich abgethan betrachten kann; viel besser geht es mit ihrer Rivalin und Nachfolgerin, der pneumatischen Eisenbahn (s. später), welche zwar auf dem gleichen physikalischen, aber nicht auf demselben technischen Prinzipe beruht; denn bei dem pneumatischen Bahnsysteme ist der betreffende Waggon selbst zugleich Luft- und Treibstempel; bei der atmosphärischen Bahn war aber letzterer fast nur ein Appendix des Waggons.
Zu den eigenthümlichen Bahnsystemen gehören auch die Seilbahnen; auch ihre Tage scheinen bald gezählt, nachdem jetzt das Zahnradsystem auf dem Pilatus Steigungen von 1:10 und mehr glücklich überwunden hat.
Der stets wachsende Güter- und Personenverkehr in den grossen Städten brachte zuerst in London und amerikanischen Städten auf die Idee der Städtebahnen; die ersten Städtebahnen sind Pferdebahnen (Tramways), also eigentlich nichts Neues; aber verschiedene lokale Umstände und Verhältnisse machten bald allerlei Neuerungen und technische Verbesserungen nöthig; bald reichen auch die Tramways nicht mehr aus, man schreitet zur Anlage von Dampf-Tramways und Omnibusbahnen mit elektrischem Betrieb. (Hochleitung, Schienenleitung, Tiefleitung etc.)
Alle diese Systeme von Städtebahnen sind nicht für alle Fälle, besonders wenn auch der Frachtenverkehr einbezogen werden soll; dann erfordert der gesteigerte Verkehr vollständige Dampfbahnen, als: Untergrund-, Niveau- und Tiefbahn, Hochbahn (s. später).
Gehen wir nun die einzelnen Sondersysteme und, weil Wien auch ein ausgebreitetes Stadtbahnnetz erhalten soll, auch die Städtebahnsysteme genauer durch.
a)Das Zahnrad- und Zahnschienenbahnsystem
Als man einmal so weit war, Gebirgsbahnen zu bauen (1840 bis 1845), so suchte man alsbald nach einem bestimmten Prinzipe; die Einen fanden es in der Umgehung der Schwierigkeiten, die Anderen wollten den »gordischen Knoten« sozusagen durchhauen; daher bauten die Einen die Bahnen an den Berglehnen wie dahinschleichend, wodurch selbe oft drei- bis viermal länger werden,

*) Neuerdings wird sehr viel zu Gunsten des Stuhlschienensystems gesprochen (vergl. »Theorie und Praxis des Eisenbahngleises«, von A. Stane, General-Directionsrath. Wien und Leipzig 1892. A. C. PoIlack`s Verlag), welches angeblich auf den meisten französischen und englischen Bahnen eingeführt ist; überhaupt treten Einige für das englische Oberbausystem mit Elan in die Schranken, wobei jedoch zu bemerken ist, dass es in Bezug auf Dauerhaftigkeit sehr gut sein mag, aber nirgends kommen so viele Entgleisungen vor, als in England.

als die eigentliche Entfernung beträgt und also auch drei- bis viermal mehr an manueller Arbeit, Unterbau, Oberbau, Erdbewegung etc., respektive auch mehr Betriebskosten verursachen; zu dem hat man fortwährend Scherereien mit Abstürzen von Felsstücken, Erde, Abwaschungen durch den Regen und Gebirgswässer, Gerölle etc.; die Bahn bewegt sich fort und fort in Kurven, wodurch auch die Sicherheit erheblich gefährdet wird; endlich braucht der Passagier die drei- bis viermal so lange Zeit, um solche Labyrinthe zu durchfahren; lauter Uebelstände !
Die Anderen bohren und brechen, als ob sie stets mit dem Kopfe durch alle Wände wollten, Tunnel um Tunnel, kein Berg ist vor ihnen mehr sicher; natürlich, es geht ja nicht aus ihrer Tasche; bei Weltverkehrslinien dürfen, den grossen Zweck und die kolossalen Anforderungen im Auge, womöglich keine Kosten gescheut werden, aber wie steht es bei kleineren Vizinal- und Touristenbahnen ? Kann man da auch so mir nichts dir nichts in den Säckel greifen ? Entsteht da nicht die vollberechtigte Frage, wird sich all' dies auch rentiren ?! Es rentirt sich nicht ! Rechnet man dazu, dass der Tunnelbau sehr unverlässlich ist, und dass es in dieser Richtung sehr viel Malheur seit dem Bestehen der Eisenbahnen gab (z. B. Hauenstein, Lupkow, Brenner etc.), wobei die Rekonstruktionskosten in's Aschgraue gingen, so kann man bei gewöhnlichen, einfachen Gebirgsbahnen unmöglich für viele und theuere Tunnels schwärmen.
Inzwischen hat man allerdings einerseits Riesentunnels gebaut, und es sind deren noch manche ausständig (z. B. Monte Rosa, Splügen (etc.*), andererseits wollte man die Touristen bequem bis in die höchsten Alpen hinauf bringen, da dies aber ohne fast unübersteigliche Hindernisse mit dem gewöhnlichen Adhäsions-Systeme unserer normalen Bahnen nicht geht, so ging man zum Ursprung des Eisenbahnwesens, das ist zum Zahnrad­System zurück.
Hatte man einst über das Adhäsionssystem Stephenson's die Achseln gezuckt, so zuckte man jetzt wieder die Achseln über das Zahnradsystem ! Aber es bewährt sich doch in seiner Weise und in passender Verwendung, das ist also hauptsächlich zur Ueberwindung starker Steigungen auf Vizinal- und Touristenbahnen.
Die erste Zahnradbahn in Europa ist meines Wissens die von Ingenieur Riggenbach auf dem Rigi erbaute; bald folgten ihr mehrere **).
Mit dem Zahnradsystem kann man bequem Steigungen von 1:15 ausführen, ohne erhebliche Gefahr, nur müssen Unterbau, Oberbau, Betriebsmaterial etc. gut sein; doch muss man sich auch dessen bewusst werden, dass das Zahnradsystem sich nicht für alle Betriebe eignet, obwohl es in neueren Zeiten auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gebracht wurde; so ist es jetzt möglich, den Zahnmechanismus erst auf der ansteigenden Strecke einwirken zu lassen, bis dahin geht derselbe leer oder steht ganz still; es läuft die Maschine nur als gewöhnliche Adhäsionslokomotive; auf diese Weise können Tunnels oft umgangen werden, aber nur auf Sekundärbahnen; auf primären Vollbahnen geht die Sache aus mancherlei Gründen doch nicht; nichtsdestoweniger ist die Anwendung des Zahnradsystems eine grosse und vielfältige.
Der Gegensatz der Meinungen, welcher in Fachkreisen über den Werth des Zahnradsystems wiederholt zum Ausdruck kam, musste die grosse Anzahl der Indifferenten naturgemäss abhalten, einem Bahnsystem näher zu treten, dessen Werth durch überschwängliche Anpreisung seitens der Freunde ebenso wie durch die bedingungslose Verdammung der Feinde derselben prekär wurde; die ersten Versuche, schon zu Stephenson's Zeit gemacht (vom Ingenieur Blenkinshop), fielen allerdings sehr kläglich aus, ebenso die Versuche im Jahre 1850 von anderen englischen

*) Simplon, Grossglockner, Radstädter Tauern.
**) Die erste Zahnradbahn vor jener auf dem Rigi überhaupt soll die auf Mount Washington bei Boston gebaute sein, mit 30 bis 33 Perzent Steigung; die Rigibahn hat dagegen Steigungen von nur 7 bis 25 Perzent, mehr ist im Allgemeinen in Oesterreich nicht gestattet; die Kurven haben 180 Cm. Durchmesser; die Pilatusbahn dagegen hat bereits Steigungen, wogegen jene vom Rigi als Kinderei erscheinen; auch dies hat seine Grenzen; sie stehen bei 40 Perzent zirka. Ueber diese Steigungen hinaus hört jede Sicherheit auf, wenn man nicht besondere Maschinen baut, die aber den Betrieb noch mehr verlangsamen und erschweren würden.

Ingenieuren; Anfangs der Sechziger-Jahre ergriffen Ingenieur Marsh in Amerika und Maschinenmeister Riggenbach in Aarau gleichzeitig die Idee der Zahnstangenbahn und Letzterer baute endlich nach zehnjährigen Bemühungen die Rigibahn von Viznau aus, welche 1871 eröffnet wurde; die volle Strecke wurde erst 1873 in Betrieb gesetzt; das Zahnradsystem, wie es gegenwärtig besteht, gewährt eine sehr weitgehende Sicherheit gegen Entgleisung und die Zähne des Zahnrades können nicht leicht ausser Eingriff kommen, darin liegt ein ganz besonderer Vorzug des Systems; die Zugkraft der Zahnradmaschine wird nicht vom Maschinengewichte beeinflusst und man hat also nicht nöthig, solche Maschinenkolosse zu verwenden, wie sie sonst auf Gebirgsbahnen mit Adhäsionssystem gang und gäbe, ja erforderlich sind; die Maschinen sind bei weitem kompendiöser gebaut und erlauben im Vereine mit manchen anderen Einrichtungen die Anwendung von schärferen Kurven für die Trace.
Es ist allerdings wahr, das Zahnradsystem gestattet besonders bei einem Steigungsverhältniss von 1:10 keine grössere Fahrgeschwindigkeit als zirka 15 Kilom. per Stunde, während wir doch schon an das fünffache bei anderen Systemen (Amerika, England) gewöhnt wurden *); aber man muss dagegen bedenken, dass die durch die stärkere Steigung erzielte Wegverkürzung auch eine geringere Fahrgeschwindigkeit gestattet und dennoch die Gesammtfahrzeit verhältnissmässig kurz ist.
Auch sonstige Vortheile birgt dieses System.
Die geringere Geschwindigkeit vermindert die starke Abnützung des Oberbaues und die Anlage macht manche kostspielige Bau- und Betriebseinrichtung entbehrlich.
Die neue Einrichtung der 5 bis 7 Cm. betragenden Erhöhung der Zahnschiene gestattet, dass auch das Zahnrad an der Maschine höher angebracht werden kann und dadurch kann die Zahnrad-Lokomotive auf jedem gewöhnlichen gleichweiten Geleise fahren. (Es gibt bekanntlich überhaupt mehrere Systeme von Zahnradbahnen; das Hauptprinzip bleibt sich im Ganzen gleich.)
Nach einem Grundsatze des Eisenbahntechnikers M. M. v. Weber soll man bei der Ueberschienung eines Gebirgsrückens stets trachten, die Trace lange im Thale zu halten und die Steigungen, auf welchen ein Gebirgsbetrieb stattfinden muss, möglichst zu Iokalisiren; dabei soll man dann natürlich bezüglich des Grades der Steigung so weit gehen, als es aus bautechnischen wie maschinellen Rücksichten möglich und räthlich ist; diese Grenze wird nun durch das Zahnradsystem bedeutend weiter gerückt.
Die Zahnradbahnsysteme machen die Anlage von Tunnels oft ganz entbehrlich oder verringern wenigstens ihre Anzahl und Ausdehnung, dadurch aber die Bahnkosten. (Baukosten.)
Wie andere Bahnen gegen Schneelawinen und Schneeverwehungen möglichst zu schützen sind, so müssen auch Zahnradbahnen dadurch Schutzdächer, Galerieen etc. geschützt werden; wenn der Ansturm der Elemente eine gewisse Grenze überschreitet, so ist weder auf der Zahnradbahn noch auf den gewöhnlichen Bahnen überhaupt ein Verkehr möglich; das Gerede über die Verschneiung der Zahnschiene daher ganz belanglos; ebenso sind Ausweichgeleise für Zahnradbahnen de facto schon eingeführt, deren Vervollkommnung aber nicht ausgeschlossen.
Es muss jedem Laien einleuchten, dass selbst eine zweigeleisige, in Galerieen geführte Zahnschienenbahn noch immer billiger kommt, als eine Tunnellirung, die viel Zeit und Geld kostet, ganz abgesehen von der lnterkalarzinsenquote und anderen Schattenseiten.
Alles in Allem genommen hat also das Zahnradbahnsystem noch eine bedeutende Zukunft, besonders aber für Vizinal-, Sekundär- und Touristenbahnen, für Weltbahnen aber passt es nicht!

*) Das neue System elektrischer Bahnen würde es ermöglichen, bei uns z. B. auf der Strecke Wien - Baden angewendet, dieselbe in zehn Minuten zu durchfliegen, während der Personenzug eine Stunde, der Schnellzug eine halbe Stunde hiezu benöthigen; Ingenieure haben sich erbötig gemacht, auf einer zu erbauenden elektrischen Bahn Wien - Pest, diese Strecke in zirka drei Stunden zu durchfahren.
Allgemeine Bauzeitung 1894.

Wir wenden uns nur in Kurzem den auf Luftdruck gegründeten Bahnbetrieben zu; hier ist in der Gegenwart nur das pneumatische Bahnsystem zu nennen*).
Das pneumatische Bahnsystem eignet sich vornehmlich zur Verbindung von zwei Orten, die nicht weit von einander entfernt sind (z. B. ½ bis 1 ½ Stunden zirka **), und zwischen welchen etwa bedeutende Terrainschwierigkeiten sich befinden, z. B. Berge, Kanäle, kleine Ortschaften, die nicht durchschnitten werden sollen etc.; die Idee der pneumatischen Bahnen ist an und für sich sehr gut, aber sie vertragen weder bedeutende Längen, noch auch zu starke Steigungen oder Belastungen; es müssten dieserhalb erst bis jetzt noch unbekannte Erfindungen gemacht werden, diese Schwierigkeiten zu beheben; daher sind auch alle bisherigen pneumatischen Bahnen nur auf kuren Strecken im Bestande; meistens finden sie Anwendung in England und Amerika als Untergrundbahnen und für die Post- und Personenbeförderung; jedesfalls bedürfen sie besonderer Anlagen (gebohrte oder künstliche Tunnels, Röhrentunnels aus Eisen etc.) unterliegen sehr vielen Reparaturen und sind unter gewissen Umständen für Personenbeförderung nicht ganz ohne Gefahr; man hat bis jetzt noch zu wenig Anhaltspunkte und Erfahrungen, um bestimmt sagen zu können, wie etwas und was, in welchem Grade etwas geschehen könnte; ich glaube aber, wenn es einmal dazu kommt, dürfte es kein Kinderspiel sein, da die Schnelligkeit der Bewegung des zugleich als Stempel wirkenden Waggons im Zylinder eine enorme ist.
Nichtsdestoweniger traten einige schweizerische und französische Ingenieure für die Anwendung des pneumatischen Bahnsystems auf Alpen mit allem Ernste ein und meinten, man hätte besser gethan, statt der bestehenden Gotthardbahn-Anlage ein kombinirtes System pneumatischer Bahnen anzulegen, welche 10 bis 15 Prozent Steigung vertragen, nach neueren Untersuchungen und Proben auch Krümmungen zulassen, und eine Menge Unfälle als: Entgleisungen, Zusammenstösse, Abreissen von Kuppelungen etc. ausschliessen, endlich aber von Elementareinflüssen, als da sind: Stürme, Lawinen, Schneeverwehungen befreit bleiben, was sonst aber von Vorzügen aller Art gefaselt wird, ist wohl nicht zutreffend; und in der That haben sich auch die meisten zeitgenössischen Ingenieure gegen eine solche Anwendung ausgesprochen oder sind wenigstens gelegentlich (Jungfrau- und Monte Rosa-, Montblanc-Bahn etc.) nicht dafür eingetreten (selbst nicht für kürzere Touristenbahnen); die pneumatischen Bahnen sind naturgemäss immer Tunnelbahnen und jeder Tunnel­Ingenieur weiss was Tunnels kosten und wie unverlässlich selbst Felsen sind; ausserdem ist die Materialabnützung bei stärkerem Betriebe eine ausserordentliche.
Eine der neueren Anwendungen des pneumatischen Bahnsystems ist, nachdem London hierin vorangegangen, die von den Ingenieuren Beach & Lyon unter dem Broadway in New-York gebaute Bahn; der betreffende Tunnel wurde mittelst einer neuen Bohrmaschine ***), eine Erfindung derselben Ingenieure, erschlossen; dieselbe enthält eine eigenthümliche Stahlschneid-
 
*) Das System der sogenannten atmosphärischen Eisenbahn kann man als ad acta gelegt betrachten. Die Hoffnungen, welche man einst auf die atmosphärische Eisenbahn gesetzt, haben sich nicht erfüllt; die erste Form, welche sie hatte (unter Vignoles Pim & Bergin; Kingstown-Dalkey ist die Strecke, wo sie zur Anwendung kam) war gar nicht geeignet en gros ausgeführt und verbreitet zu werden; das ganze System zeigte sich dem grossen Verkehre nicht gewachsen, obwohl man damit grosse Steigungen überwinden konnte (1:50); auch die Nachfolger und gleichzeitig auftretenden Konkurrenten (Medhurst, Vallana, Pinkus etc.) konnten der Sache nicht aufhelfen, obwohl sie wichtige Verbesserungen erfanden (vide atmosphärische Eisenbahn bei St. Germain !); ebenso ging es den Engländern CIegg und Samuda (1840) u. m. A. Die atmosphärischen Bahnen würden nur dort praktisch anwendbar erscheinen, wo es gilt, viele Züge auf kurze Distanzen in grosser Schnelligkeit zu befördern; dies kann aber auch mit pneumatischen und elektrischen Bahnen geleistet werden, besser, einfacher, billiger und sicherer!
**) Nach Einigen sogar 15 bis 20 Kilom., respektive 4 bis 5 Stunden ! Das dürfte wohl zu hoch gegriffen sein und einer solchen Betriebslänge stehen doch erhebliche technische Bedenken entgegen!
***) Bohrmaschinen dieser Art eignen sich am besten für kompakte Erdmassen, weiche Kalk- oder Gypslager, erweichtes Schiefergestein und dergleichen, Mergelmassen etc.; für harten Fels muss man schon sich solcher ausgezeichneter Maschinen bedienen, wie selbe beim Mont Cenis, Arlberg und St. Gotthard etc. in Anwendung kamen.

schraube und Schrämmvorrichtungen und wird auf hydraulischem Wege in Thätigkeit gesetzt.
Wir haben erwähnt, dass die pneumatischen Bahnen vornehmlich in den Dienst des Städteverkehrs gestellt werden; allerdings, aber in Folge der ganz aparten Besonderheiten des Systems, auch das nur für gewisse Strecken und in gewissen Fällen; für die Uebernahme des Gesammtbetriebes städtischer Bahnen eignen sie sich nicht; man hat daher schon vor dem Inslebentreten der atmosphärischen Bahnen den Stadtverkehrsdienst durch Pferdebahnen besorgt und sie spielen noch immer in unserem städtischen Verkehrswesen eine bedeutende Rolle; doch ich glaube, dass auch ihre Tage gezählt sind, um anderen Systemen Platz zu machen.
Es gibt, wie schon früher angedeutet, verschiedene Tramwaysysteme; für Wien hatte man ursprünglich das System Dreyhausen mit Laubat-Fugenschienen in Anwendung hierfür gebracht; doch als man sah, dass das ganze System nicht homogen, korrekt und konstant ist (es gab ein ewiges Heben und Senken der Waggons, Erschütterung der Kanalgewölbe, viel Reparaturen etc.) — griff man abwechselnd zu verschiedenen Systemen und Verbesserungen; im Allgemeinen wird gegenwärtig allenthalben das franko - amerikanische System *) der versenkten Hochschienen auf eisernem oder hölzernem Ankerrost mit Verkeilungen und grösseren oder geringen Varianten angewendet; seitdem haben die odiösen Schwankungen und Schaukelungen beim Fahren aufgehört. Die Krümmungen (Kurven) für die Tramways in Wien z. B. gehen bis zirka 10 Meter Radius als Minimum, Neigung 1:20 als Maximum.
So weit wäre Alles gut; was jedoch die allgemeine Anlage der Pferdebahnen, besonders in Wien, betrifft, so ist man mit Recht verblüfft darüber, dass hierbei Momente übersehen werden konnten, die, sollte man glauben, ein kleines Kind einsehen kann; es muss doch im Interesse einer solchen Verkehrsgesellschaft liegen, alles Mögliche anzuwenden, dass das die Bahn benützende Publikum von derselben jederzeit, ohne irgendwelche Hindernisse, ungefährdet und bequem Gebrauch machen kann; das ist nun gar selten der Fall; man hat vielfach die Trace so gewählt, dass das Publikum nicht vom Trottoir aus unmittelbar, ohne von gleichzeitig vorbeifahrendem anderweitigem Fuhrwerk über den Haufen gerannt zu werden, oder ohne vom Regen durchnässt, von der Sonne gebraten, vom Sturme zerzaust zu werden in die Waggons steigen kann; denn erstlich geht die Trace meist in einer Entfernung von 1'5 bis 2'5 (Meter) vom Trottoir — zweitens sind die eventuellen Wartehütten nicht immer dort, wo der Tramwaywaggon hält, respektive nicht auf beiden Seiten der Doppeltrace !
Dies sind Uebelstände, die sich sehr fühlbar machen, aber nichtsdestoweniger von einer Bahnverwaltung, die guten Willen und Kapazität vereinigt, vorausgesetzt, dass sie von den Lokalbehörden einsichtsvoll unterstützt würde, leicht beseitigt werden könnten; werden sie aber nicht beseitigt, so ist damit ein Präzedenz für weiteren Unsinn geschaffen.
Gewöhnliche Tramways haben Pferdebetrieb; im Zentrum einer volkreichen Stadt und bei engeren Strassen hat dies seine unbestrittenen Vorzüge **), aber gegen die weniger belebten Vorstädte und Vororte zu, erscheint es aus mannigfachen Gründen passender, sich des Dampfes oder der Elektrizität als Motoren zu bedienen; dem elektrischen Betriebe dürfte wohl unbedingt die Zukunft der Tramways gehören; man hat die verschiedenen Systeme, oberläufige und unterläufige, je nachdem die Leitung der Elektrizität ober- oder unterhalb des Geleises oder in diesem selbst stattfindet.
Die kleine Bahn mit elektrischem Betriebe Mödlinger Bahnhof-Hinterbrühl ist oberläufig; die Fahrten auf dieser Bahn sind sehr rasch und sicher; aber die Waggons schwanken, schwenken und stossen, was die Passagiere unangenehm empfinden; die

*) Das englische alte System mit einfachen Langschwellen, welche von 3 zu 3 Meter durch Querbalken verbunden werden, ist das billigste, aber auch bei starkem Verkehre unzulänglichste.
**) Auch bei Pferdebetrieb sollen die Waggons Schutz- und Sicherheitsvorkehrungen an beiden Enden (eventuell auch zur Seite) haben, die das Ueberfahren von Personen, wenn nicht unmöglich machen, so doch wesentlich mildern.

Drahtleitstangen tragen zudem zur Verschönerung der Gegend nichts bei, sondern stören; da für die Untergrund-Zentralbahn in Wien — [(Stephansplatz-Ringstrasse etc.) — leider erst für unsere Kindeskinder in Aussicht genommen] — elektrischer Betrieb in Verwendung kommen soll, so wäre es wohl gerathen, bei dieser Gelegenheit einmal ein anderes System in Anwendung zu bringen !
Gehen wir nun zur Anlage der Städtebahnen als solche, abgesehen vom Betriebssystem über; es wäre über diesen Gegenstand sehr viel zu sagen, aber ich muss mich hier des knappen Journalraumes wegen auf das Nöthigste beschränken.
Die Anlagen für Stadtbahnen überhaupt sind mit der Anlage der Städte (Ortsanlagen) auf das engste verknüpft und es lassen sich daher nur sehr wenige ganz allgemeine Regeln geben; wir mussten daher genau genommen früher die Prinzipien der Ortsanlagen besprechen, kommen aber dadurch wieder in anderer Hinsicht aus dem Kontakt; ich lasse daher die Besprechung der Ortsanlagen später folgen.
Wir haben ausgezeichnete Bahn-Ingenieure in Oesterreich, insoferne es das Reintechnisch-Bauliche betrifft; was aber die Tracirungen, die Wahl der Führung, Stationen, Entfernung von Hauptpunkten, Berücksichtigung von Lokalumständen, respektive die Eisenbahnpolitik, sozusagen, anbelangt, so hat man dabei üble Erfahrungen gemacht; es mögen immerhin dabei nicht immer die Ingenieure Schuld tragen, aber angesichts einer Reihe von verschiedenen betrübenden Thatsachen wird Einem bange zu Muthe, wenn man weiss, dass demnächst in Wien eine das Verkehrsleben und die Entwickelung der Stadt tiefberührende Bahnanlage geschaffen werden soll, dabei aber zu fürchten ist, dass dabei wieder eine erkleckliche Anzahl von »Böcken« geschossen werden »soll« oder mindestens »könnte« !
Die Hauptarbeiten für die Wiener Stadtbahn werden diesmal in offizieller Regie erfolgen und in der That wäre es zu wundern, wenn nach der berühmten Affaire Fogerthy noch Jemand unter den Privatunternehmern den Muth finden sollte, sich bei einer solchen Geschichte die Finger zu verbrennen ! (Die Kaution von 1.000.000 Gulden ist caduc erklärt. Einige glauben, Fogerthy wird auf dem Wege der englischen Gesandtschaft prozessiren, Recht hätte er vollkommen dazu !)
Die Anlage der Wiener Stadtbahn soll eine gemischte sein; theils als Hochbahn, theils als Tiefbahn, theils auch als Untergrundbahn; es findet dieses gemischte System allerdings seine Begründung in den eigenthümlichen Niveauverhältnissen Wiens, dessen Boden sehr ungleich ist, respektive ungünstig; wir haben Hügel, Terrassen, Steilränder, Wildbäche, ein ausgedehntes Kanalnetz etc.; das will Alles berücksichtigt sein; und, da Niveaubahnen für den übrigen Verkehr sehr störend, Hochbahnen unschön sind *), so wäre es wünschenswerth gewesen, wenn man der Tiefbahn- und Untergrundbahn mehr Terrain zugewendet hätte, als dies nach dem bisher Verlauteten der Fall sein wird.
Schon vor einigen Jahren war es in Wien eine brennende Frage, ob Hochbahn (Fogerthy), oder Tiefbahn, oder Untergrundbahn-, New-York hat eine Hochbahn auf sehr prekären Kandelabersäulen, die aber zum Theile schon durch Doppelsäulenpaare ausgewechselt worden sein sollen, wie ich vernommen habe; auch Berlin hat eine Hochbahn auf gemauerten Bogen, aber sie ist so angelegt, dass sie die Stadt und ihre Points de vues (Veduten, Prospekte etc.) nicht entstellt, uns aber hat man damals haarsträubende Dinge zugemuthet; eine Folge davon war, dass sich der grösste Theil der Wiener Künstlergenossenschaft dagegen sträubte und auflehnte und neuerdings droht derlei, wieder will man den schönsten Punkt Wiens, den Platz vor der Karlskirche mit ihrer schönen malerischen Silhouette verunstalten. Wenn man die Wien regulirt und den Bahnhof (respektive die Bahnhöfe) am Naschmarkt oder im Reservegarten nächst dem Schwarzenbergplatze, natürlich ohne Beeinträchtigung des Hochstrahlbrunnens, anlegt, so ist die Sache zur Zufriedenheit der Meisten gelöst.
Eine Stadtbahn muss den Lokalinteressen und Lokalumständen entsprechen; die Lokalinteressen erheischen, dass der Verkehr in bequemster Weise von einem Punkte zum Anderen

*) Ja sogar für gefährlich gelten in einem Theile des Publikums!

ermöglicht wird nach allen Richtungen; dies geschieht durch die Herstellung von Radiallinien und Ringlinien, Transversallinien, Diagonalen etc. Die Localumstände betreffen unter Anderem besonders die Formation des Terrains; für flaches Terrain passt meistens das System der Tief- oder Hochbahnen, bei hügeligem Terrain aber muss man sich theilweise zu Untergrund- (Tunnel-) bahnen bequemen.
Die Anlage der Untergrundbahn in London war sehr schwierig, aber die Wiener Untergrundbahn, sowie überhaupt die ganze Stadtbahnanlage wird bei uns durch Hinzutreten einer Menge ganz aparter Faktoren theilweise noch viel schwieriger sich gestalten.
(Die Londoner Untergrundbahn hat kein einheitliches Konstruktionssystem, sondern es ist nach Lokalumständen und Opportunität gewählt; manche Partieen sind von cyklopischer Festigkeit und gleich folgen andere Partieen, die man nicht tadellos nennen könnte.)
Die Pariser Kommunal-Vertretung hat seinerzeit entschieden für eine Untergrundbahn Partei genommen und sprach sich aus verschiedenen technischen, Verkehrs- und ästhetischen Gründen sehr bestimmt gegen eine Hochbahn, besonders gegen eine solche auf gemauerten Viadukten aus; einzelne Strecken würden als vertiefte Anlage zur Ausführung gelangen; seitdem ist es darüber still geworden; dagegen trat wieder anno Fogerthy in Wien der österreichische Eisenbahn - KIub für gemauerte Viadukte statt der eisernen Säulen und Träger ein; nichtsdestoweniger spalteten sich die Meinungen in der betreffenden Schlusssitzung derart, dass ein Theil der Klub - Mitglieder sich für das eiserne Hochbahn-System aussprach*).
Das Fazit der damaligen Experten-Verhandlungen war schliesslich zu Gunsten der Tief- und Untergrundbahnen **), wobei die durch Hochbahnen gefährdete Sicherheit des allgemeinen Verkehres kein unwesentliches Moment abgab; ein anderes wichtiges, die allgemeine Anlage der gesammten Wiener Stadtbahn betreffendes Moment ist und war stets die rationellste Verbindung der Wiener Bahnhöfe unter sich und mit dem Zentrum der Stadt.
Nachdem wir nunmehr die wichtigsten Momente des Eisenbahnbaues im Allgemeinen und nach Zweck und Anlage durchgenommen, wenden wir uns in natürlicher Folge zu zwei Objekten, welche mit dem Bahnbau in einem engen Konnex stehen; es sind dies Tunnels und Brücken respektive Viadukte.
Ueber erstere werde ich mich möglichst kurz fassen; die Brücken werde ich in einem besonderen Abschnitte vornehmen.
Der moderne Tunnelbau weist in der neuesten Zeit Leistungen auf, auf welche die Ingenieure mit vollstem Rechte sehr stolz sein können; obwohl die Tunnels nichts Neues sind, so gelangten sie doch erst durch die Eisenbahn-Anlagen zu einer nie geahnten Vollkommenheit. Die Zeit der Anfänge des Tunnelbaues geht weit vor Christi Geburt zurück, z. B. der Stollen zu Nimaud ;aus der assyrischen Zeit, der unter dem Euphrat hinziehende gewölbte Weg, von Nebukadnezar gegründet, der Stollen Eupalinos (Nanstrophos von Megara's Sohn) zu Samos, der Ableitungstunnel des Albaner-See's, jener des Fusiner-See's (deren Eröffnung das Leben CIaudius' bedrohte), der Ableitungsstollen des Avernus-See's, der von Cocceius erbaute Pausilippo - Stollen, welcher noch heute erhalten ist, die Tunnels der Virgo, Claudia und des Anio Novus etc., dies das AIterthum; später fanden sich Tunnels als Verbindung von Ritterburgen untereinander ***), auch von Klöstern etc., selbst unter Gewässern hin; aus dem 15. Jahrhunderte ist zu erwähnen die unvollendet gebliebene Galerie durch den Col di Tenda (Zeit 1450, unter

*) Das Gutachter der Wiener Künstler nennt das Ueberführen der Bahn über die statuengeschmückte Elisabethbrücke (respektive Schwarzenbergbrücke) u. s. w. eine hochgradige ästhetische Verirrung und eine Barbarei!
**) Die Gegner der Untergrundbahn stützen sich weniger auf die technischen Schwierigkeiten, als auf die grossen Kosten des Baues, geringe Rentabilität, Gasauströmungen, Wassereinbrüche etc.; die italienischen Ingenieure in Wien sprachen sich für Dampftramways au niveau aus.
***) So sollen z.B. Rauhenegg, Rauenstein und Scharfeneck bei Baden einst durch unterirdische Gänge (längst verfallen) verbunden gewesen sein; ja man fabelt von Tunnel-Verbindungen zwischen dem auf alten Ruinen angeblich erbaute Breitenfurther Schloss (bei Liesing nächst Wien) und dem Kloster Heiligenkreuz etc.

Anna v. Lusignan); später ist zu bemerken der von Colbert und Riquot 1665 für den Kanal von Languedoc gebaute Tunnel.
Bis dahin baute man Tunnels ohne besonders feststehendes System, mehr empirisch, experimental; erst 1803 begann die Tunnelbaukunst in ihrer heutigen Form und als Wissenschaft aufzutreten; zu dieser Zeit wurde auch der Kanal-Tunnel von St. Quentin von Tronquoi erbaut.
Die Eisenbahn - Ingenieure griffen rasch zu den Tunnels, als Ausgleichsmittel für die terrestrischen Unebenheiten und Niveau-Herstellung; als der erste Eisenbahn-Tunnel der Welt gilt jener von Terre noir in Frankreich (1826) und seit jener Zeit machte man im Fache des Tunnelbaues vornehmlich für Bahnzwecke rapide Fortschritte; die Uebung macht den Meister ! Wenn heutzutage noch Fehler in dieser Branche vorkommen, so liegen sie weniger in der Unvollkommenheit der Entwickelung der Tunnelbau-Wissenschaft, als in böser Verkettung lokaler ungünstiger Umstände, Mangel an individueller Erfahrung, ganz unvorhergesehenen ungeahnten geologischen Verhältnissen etc.
Die wesentlichen Momente des Tunnelbaues sind nunmehr folgende:
a) Die Gesamt-Disposition, dies ist gewöhnlich eine Sache, die weniger aus Büchern gelehrt werden kann, sondern wie der junge Arzt, am Krankenbette die besten Studien macht, so muss der angehende Tunnelbau-Ingenieur praktische Erfahrungen hierin sammeln und sie seinerzeit passenden Ortes zu verwerthen suchen.
b) Hierbei wird es ihm sehr gute Dienste leisten, wenn er sich mit der Geologie, insbesondere mit jener des Ortes, wo der Tunnel gebaut werden soll, innigst bekannt macht; hierin sind selbst von gewiegten Tunnelbauern grobe Fehler gemacht worden. (Brenner, Lupkow etc.)
c) Sehr wichtig ist die Wahl des sogenannten Profil-Angriffes; dieser ist aber eben abhängig von der geologischen Beschaffenheit des betreffenden Gestein-Komplexes, von der Art der provisorischen Raumausnützung etc.; schliesslich muss der Ingenieur aus den jeweiligen lokalen Umständen und Verhältnissen den passendsten Vorgang und die richtigste Reihenfolge der Arbeiten und ihre Methodik wählen; auch hierbei muss wieder die Erfahrung ein gewichtiges Wort mitsprechen.
d) Die Förderung des ausgelösten Gebirgsmaterials und die Einbringung des Baumaterials muss sich so rasch als möglich vollziehen, da dies von den einschneidendsten Konsequenzen in technischer wie ökonomischer Beziehung begleitet ist; man hat hierfür maschinelle Hülfsmittel (kleine schmalspurige Montan ­ Förderbahnen, z. B. mit Petroleum-Motoren, feuerlosen Lokomotiven etc., ferner Dampf-Seilförderung etc.); sehr wichtig und vortheilhaft erweisen sich in vieler Beziehung die Anlage von transversalen und vertikalen Haupt- und Nebenstollen und Schächten (Probestollen, Förderschachte, später als Ventilationsschachte verwendbar).
Anmerkung. Der Gotthard-Tunnel ist in der Weise erbohrt worden, dass man zunächst einen First- und Richtstollen herstellte und diesen streckenweise erweiterte; die älteren akademischen Tunnel ­ Ingenieure sind für Sohlenstollen mit der Louis Favre war für das GegentheiI; er meinte, bei einem langen schachtlosen Tunnel würde die Ventilation in einem Sohlenstollen unmöglich sein, oder mindestens auf das Aeusserste erschwert; seit Favre aber hat man schon wieder Verschiedenes gelernt und selbst damals fehlte es nicht an gewichtigen Einwendungen.
e) Schon beim Baue des Tunnels, nicht allein später beim Dampfbetriebe der durchzuführenden Bahn ist es hochwichtig, für eine ausgiebige, gleichmässige und allseitige kräftige Ventilation zu sorgen, wofür man gegenwärtig sehr gute Maschinen besitzt, welche im Stande sind, 95 bis 100 Kub.-M. Luftquantum per Sekunde zu liefern. Auch sonst sind die neuesten Errungenschaften der Montan-Technik und der Physik und Chemie, z. B. elektrische tragbare Lampen und Laternen, französische Luft-Regeneratoren, welche die verdorbene Luft aufnehmen und chemisch erzeugte gute Luft abgeben etc., wohl zu verwenden. (Für die fertigen Tunnels besorgen dies womöglich eine Anzahl von Ventilationsschachten und Seitenstollen, sowie die Bewegung der verkehrenden Züge, Temperaturs -Unterschiede etc.)
f) Hochwichtig ist die den lokalen Umständen richtig angemessene Bohrmethode; man bohrt gegenwärtig nur mit Maschinen; doch richtet sich die Natur derselben nach der zu durchstechenden Gesteinsart; bei sehr weichen Gesteinsarten *) wendet man gegenwärtig meistens nur die englisch-amerikanischen Bohr- und Schneidemaschinen an, welche das mürbe Gestein sozusagen mit ihren Stahlschrauben und Messern herausschneiden; die Bewegung ist stossweise und rotirend, der Bohrgrussrest wird mit Wasser herausgeschafft, Sprengung mit Pulver ist selten nöthig. Anders aber ist es bei festem Gestein, z. B. Granit, Syenit, Gneis, Porphyr, Quarz etc. Hier hat man, kaum dass er erfunden war, auch zuerst vom Dynamit als Sprengmittel Anwendung gemacht, dessen Leistungen drei- bis viermal so gross sind, als vom Sprengpulver; ja durch geschickte Anwendung hat man sogar in neuesten Zeiten sechs- bis siebenmal grössere Leistungen erzielt. Im Vereine mit dem Dynamit und seinen elementaren Wirkungen kommen die modernen rotirenden Diamant – Bohr-

*) Halbeversteinerter Thon, Tegel, Muschelkalk, mürber Schiefer, Gyps, Kreide etc.

maschinen in Anwendung, welches Verfahren von französischen Ingenieuren zu besonderer Vervollkommnung gebracht wurde (Beaumont, Favre u. A.) *).
g) Von den übrigen wichtigen Dingen bei Herstellung eines Tunnels vor dessen Ausbau sind zu nennen: Wasserbeförderung der Sicker- und inneren Quellwasser nach aussen, Schaffung eines tüchtigen, verlässlichen und geschulten Arbeiterkorps, Her- und Beistellung der besten und nothwendigsten Werkzeuge in richtiger Quantität und Qualität.
Weitere Fragen sind die der Art der Ausmauerung und Oberbaulegung. Die Frage des Längenprofils ob steigend oder fallend, oder beides, ob Kehrtunnel (mit horizontaler Kurve, Wendetunnel) etc. hängen grossentheils mit der Gesammttrace zusammen.

*) Erst mit solchen ausgezeichneten Maschinen war es möglich, die modernen Resultate in verhältnissmässig kurzer Zeit zu erzielen. Gotthard- Tunnel z. B. 14.800 Meter Länge, Mont Cenis 12.850 etc. Die Motoren hierbei sind verschieden; Dampf ist meist nicht zulässig; häufig hydraulische Kräfte in Anwendung, am besten elektrische Kraftübertragung.

(Fortsetzung folgt.)


ÜBER MODERNE BAUPROBLEME II.
INGENIEURISTISCHES BAUWESEN *).
von L. Tržeschtik, (Fortsetzung)

So ruhmreich nun auch die Geschichte des Tunnelbaues ist, so hat sie doch in ihren Annalen auch einige mit Trauerrand markirte Blätter; verhängnissvoIle Irrthümer obwalteten hierbei.
Die Gneis-, Granit- und Porphyr - Zentralmassen und ähnliche Urgesteine weichen nicht so leicht; ist einmal der Tunnel gebohrt, so bildet er oft, ja meistens ohne Unterbau und Ausfütterung, Ringe u. dgl. vage Stützen, ein festes Gewölbe, gegen welches der »boshafte Erdgeist « nicht so leicht etwas ausrichtet, und worauf man sich verlassen kann; dies ist jedoch bei Geschiebe, Nagelfluh, Schiefer, besonders von Quellen durchzogen Schieferschichten, Kalksteinmassen etc. etc. nicht der Fall; hier drängt die obere und seitliche Masse mit Titanenkräften auf den Tunnel und die bisherige Arbeit ist oft ganz verloren; mächtige Füllwände von 2 bis 3 Meter Stärke, aus Ziegeln mit Zement verlegt oder aus festen Werksteinen werden geknickt und gebogen; so am Brenner und beim Lupkower Tunnel; dieser enorme Druck zeigte sich am prägnantesten während der Rekonstruktions-Arbeiten, als die inneren Pölz- und Arbeitsgerüste aus ½ bis 1 Meter starken Baumstämmen wie Zündhölzchen geknickt wurden; der eine Tunnel am Brenner wurde so deformirt, dass die Lokomotive fast am Scheitel anstiess *).
Auch beim Lupkower Tunnel trug die höchst ungünstige geologische Beschaffenheit des Gebirgsstockes viel zu den vorgekommenen Kalamitäten bei; die Hauptmasse desselben besteht nämlich aus sogenannter Amphysiten - Formation, mit bituminösem, verwittertem, blauschwarzem Thonschiefer.
Die Karpathen - Sandsteinquadern, welche zur Ausfütterung des Tunnels verwendet wurden, zeigten sich bald aufgeweicht, zerreiblich, zerdrückt; man musste zu fernher geholtem Granit seine Zuflucht nehmen, um den Tunnel, welcher bei einer Länge von 240 Meter (zirka) gegen ungefähr drei Millionen Gulden

*) Einige Techniker gaben die Schuld des Brenner – Tunnel - Malheurs dem Umstande dass man die Trace zu sehr nach aussen verlegte, gegen die Berglehne; es lag aber auch an dem brüchigen, mürben Gesteine. Es hätte auch so kommen können, wenn die Tunneltrace wäre tiefer genommen worden, man half sich dann durch Entlastung des Tunnels mittelst Abtragung riesiger Erd- und Steinmassen.
Doch mag noch Einiges über diese fatale Sache hier bemerkt werden:
Die Trace der Brennerbahn von Innsbruck stammt von einem der tüchtigsten Ingenieure, Karl v. EtzeI, der sich aber dabei hartnäckig in eine fixe Idee verrannte. Umsonst waren die Einsprache und Verwahrung der Ingenieure Pressel, Thommen und HeIlwag, welche die Verwitterungen des Sillthaler Gesteins, besonders an der Berglehne, besser kannten und daher für eine andere Trace mit Benützung des Mittelgebirges plaidirten und nun, da Alles dem subjektiven Eigensinne gegenüber nichts nützte, ihre liebe Noth hatten, des Rutschterrains, so gut es gehen wollte, Herr zu werden. Die Katastrophe stand aber vor der Thüre und man konnte von Glück sagen, dass sie nicht von A bis Z eintraf; der Einsturz des Tunnels war kein vollständiger, dank den Riesenanstrengungen der Bauleitung !
Nichtsdestoweniger aber liess die damalige Betriebsleitung die Züge ungehindert passiren, als ob nichts vorläge, obgleich bereits die Schornsteine der Lokomotiven an den gequetschten Scheitel des Tunnelgewölbe streiften, welches von dem nassen, breiigen Schiefer der Rutschmassen von einem wahren Grabesgeruch erfüllt war ! Ich war gerade damals auf meiner Hochzeitsreise begriffen. Man kann sich vorstellen, mit welchen gemischten Gefühlen ich im Waggon sass, als mir die Bescheerung klar wurde ! Wir standen ein paar Mal für Minuten still, ein bekannter Ingenieur der Leitung tröstete mich und flösste mir Muth ein ! Die meisten übrigen Passagiere (Laien) hatten natürlich keine blasse Ahnung von der Gefahr, in der wir Alle schwebten.
Allgemeine Bauzeitung. 1894.

kostet, zu retten und fertig zu bringen; das ältere englische Tunnelbau-System, welches hierbei angeblich zum Theile zur Anwendung kam, ist unverlässlich, und nimmt auf prekäre geologische Verhältnisse keine Rücksicht; mag hat in neueren Zeiten vielfach versucht, die Steinausfütterung, wenn solche überhaupt nöthig erscheint, durch eine Ausfütterung mit hohlen Gussstahlquadern, Gussstahlbögen und Ringen etc. zu substituiren; die Akten hierüber sind zwar noch nicht geschlossen, aber die voreilige optimistische Stimmung hierüber scheint sich bereits wieder gelegt zu habe; zumeist wird dieses System nur als Provisorium benützt, ebenso wären die oft schon vorgeschlagenen eisernen Röhrentunnels für stark drückende Gebirgsmassen nicht am Platze.
Letztere Idee (der eisernen Tunnels) stammt vermuthlich von jenen Ingenieuren, welche für pneumatische Gebirgsbahnen schwärmen.
Das österreichische Tunnelbau-System gilt noch immer als eines der besten und hier hat Meister Ržiha viel Rühmliches geleistet; von ihm stammt ebenfalls ein Tunnelbau-System in Eisen (als Provisorium), ja er hat vielleicht eigentlich den ersten Impuls dazu gegeben; das Eisen ist dem Holze als Pölz- und Unterstützungs- Material jedenfalls vorzuziehen.
Seit dem Aufschwunge der Elektrotechnik benützt man beim Tunnelbaue, besonders bei den Bohrarbeiten, elektrische Kraftübertragung und elektrische Zündung; den Angriff von den beiden Enden machte man schon beim Mont-Cenis, und sucht vor Allem einen Richt- oder Directions - Stollen herzustellen.
Ueber submarine Tunnels habe ich mich schon in einem früheren Aufsatze in diesem Journale ausgesprochen *).


IV. Der Brückenbau

Seit dem Aufschwunge des Eisenbahnbauwesens, besonders in Gebirgsländern, musste man auch dem Brückenbau alle mögliche Aufmerksamkeit zuwenden, doch galt es auch oft, bedeutende Flüsse zu überbrücken, ohne dem Schifffahrtsverkehr Hindernisse zu bereiten, und da stand man bald vor gewichtigen Aufgaben und nur diese wollen wir hier nach einem kurzen Ueberblicke über die Geschichte des Brückenbaues im Allgemeinen in's Auge fassen.
In der »Encyklopädie Britannia« finden sich folgende Daten hierüber:
Wir finden bereits bei den Assyrern grossartige Brücken, so hatte z. B. die Stadt Babylon eine grossartige Brücke über den Euphrat, welcher sie vom Norden nach Süden durchfloss, in der Länge von 1100 Ellen bei 5 Klafter Breite, ausserdem bestand unterhalb noch ein Tunnel ! Die Chinesen hatten und haben bedeutende Brücken; die Brücke von Fü-tschen in Fo-kien ist 100 Ruthen lang und besteht aus 100 Bögen; eine andere Brücke in derselben chinesischen Provinz ist 360 Ruthen lang, 1½ Ruthen breit, sie besteht, aus 300 Steinpfeilern; eine andere in Su-Yu-Tschan (Tokien) ist über einen Meeresarm gebaut, hat eine Länge von 2500 Fuss, 20 Fuss Breite und ruht auf 300 Pfeilern aus Steinblöcken!

*) Inzwischen wurden die Tunnelarbeiten am La Manche-Kanal gänzlich sistirt; die Bornirtheit hat richtig gesiegt!

Die Indier und, sonderbar genug auch die sonst im Bauwesen so hochstehenden Griechen, haben für den Brückenbau sehr wenig gethan und zeigten kein Verständniss dafür; ja Perikles scheint ein wahrer Brückenfeind gewesen zu sein. Dagegen thaten sich die Römer in dieser Richtung sehr hervor, aber die Spannung ihrer Bögen überstieg selten 70 bis 80 Fuss, die Höhe betrug meistens die Hälfte dieser Sehne und sie waren gewöhnlich kreisförmig; sie zeichneten sich überhaupt bei ihrem Brückenbau weniger durch Grossartigkeit als durch ausgezeichnete Mauerung und Dauerhaftigkeit aus und sind in dieser Richtung des Studiums werth.
Eine der prächtigsten römischen Brücken war jene bei Narni, welche unter Augustus gebaut wurde; sie hatte vier Bögen mit Spannungen von 75 Fuss, 115 Fuss, 135 Fuss und 145 Fuss bei einer Höhe von 100 Fuss; die Brücke über den Tajo bei Aleantara hat sechs Bögen und eine Länge von 670 Fuss bei 205 Fuss Höhe, in späteren Zeiten trifft man oft bedeutende Spannungen; so hatte die Brücke von Allier in Frankreich nach Perronet Bögen von 183 ½ Fuss Spannung; die Rialto -Brücke in Venedig wurde nach den Plänen von Michael Angelo ausgeführt, mit einem Bogen von 98 ½ Fuss Spannung; die Brücke über die Loire bei Orleans hat neun Bögen mit einer Spannung von je 80 bis 95 Fuss.
Die Waterloo-Brücke, 1811 begonnen, 1817 vollendet, ist 1242 Fuss lang, aus Ziegeln gebaut, mit einer Spannweite der Bögen von 120 Fuss und einer Höhe von 50 Fuss, die sogenannte »neue« Londoner Brücke, 1825 begonnen, 1831 vollendet, hat fünf Bögen mit einer Spannweite von 130 bis 152 Fuss, ist aus Granit gebaut und kostete 20 Millionen Gulden.
Die Spannweiten der gemauerten Brücken, respektive auch deren sogenannte Konstruktionshöhen haben gewisse Grenzen, welche man nicht gerne überschreitet und darum war es nöthig, besonders als man Eisenbahnen baute, zu anderen Brückensystemen zu greifen; man glaubte die Aufgabe nun am besten durch Hängebrücken zu lösen; sie hatten allerdings den Vorzug, dass sie gewöhnlich mit verhältnissmässig geringeren Kosten hergestellt werden können; aber allmälig zeigten sich so bedeutende Uebelstände, dass man das System grösstentheils wieder verliess. Man hat Drahtseil- und Ketten-Hängebrücken; letztere wieder in zwei Hauptvarianten, natürliche und versteifte *).
Eine der berühmtesten älteren Kettenbrücken ist jene über den Menay-Kanal, welche die Nordküste von Wales mit der Insel Anglesea verbindet; sie wurde 1826 vollendet, ist 580 Fuss (nach anderen Quellen 560 Fuss) lang, 28 Fuss breit und 126 Fuss (nach Anderen153 Fuss) über dem Meere; eine der kühnsten Brücken ist ferner jene über den Niagara, sowie jene, welche New-York und Brooklyn verbindet, beide sind von dem deutsch­ amerikanischen Ingenieur Röbling erbaut; die erstere, auch Clifton-Brücke genannt, hat eine Spannweite von 385`5 Meter, die letztere hat eine mittlere Spannweite von 1700 Fuss englisch und zwei Seitenöffnungen von je 950 Fuss. Das Röbling'sche System besteht aus einer Kombination von Drahtseilgehänge und Gitterkonstruktion.
Bei dieser Gelegenheit sei auch einer Bauspezialität Erwähnung gethan, welche in dem Grundgedanken nicht neu, doch erst in neueren Zeiten besonders von Franzosen und Engländern auf den Brückenbau übertragen wurde; schon lange nämlich fand man sich mit der alten Fundirungsmethode des Wasserbaues mit den gewöhnlichen Piloten, Fangdämmen etc. nicht mehr zurecht; um von der Wasserhöhe, Fluth, Strömung etc. sich ganz zu emanzipiren, griff man zum System der Caissons und eröffnete damit eine ganz neue Aera des Wasserbaues; zuerst wendete man meistens nur hölzerne Caissons an, welche mit dem Pfeilermauerwerke beschwert auf die Pilotage abgelassen wurden, jetzt aber eiserne, welche in den Grund eindringen, indem dieser innerhalb des Caissons unter freiem Himmel mittelst Baggerung oder unter Glocke in komprimirter Luft losgegraben wird.

*) In Amerika ist man noch sehr für Kettenbrücken eingenommen; europäische Ingenieure sind mit Recht dagegen, denn die übergrosse Elastizität und Antikonstanz sind fatale Momente, die auch durch Versteifung nie ganz behoben, ja oft noch verschlimmert werden.

Die Fundirung der kolossalen Thürme der New-York­Brooklyner Brücke mittelst Caissons war denn auch eine in jeder Beziehung hervorragende ingenieuristische Leistung; ihre Länge betrug 168 Fuss, die Breite 102 Fuss, die Höhe 9 ½ Fuss; sie waren aus sehr starken Werkhölzern konstruirt und die Gesammtdicke der Wände war enorm stark, 5 bis 9 Fuss; die Hölzer wurden mit heissem Pech getränkt, kalfatert in den Fugen, und die Wände mit Zinntafeln bedeckt; die Innenseite mit Firniss überzogen, die Caissons bestanden aus kommunizirenden Kammern mit Luft- und Förderschächten.
Kehren wir nun wieder zu den eigentlichen Brückensystemen zurück (die Caisson- und Fundirungsarbeiten werden später nochmals Erwähnung finden am geeigneten Orte).
Die Kettenbrücken in ihrer ursprünglichen Form zeigten sich alsbald einem grossen Verkehre, Stürmen und anderen Erschütterungen, ungleichen Belastungen etc. nicht gut gewachsen; kamen dann noch Materialfehler dazu, so war eine Katastrophe unvermeidlich. Es lockerten sich Ketten und andere Bautheile; dies erforderte Abhülfe, man glaubte sie in den Systemen von Köpke, Cadiat, Ondry, Schnirch - Fillunger u. A. gefunden zu haben. Diese Systeme basiren nämlich auf Versteifung der Ketten; das System Schnirch und FiIIunger wurde sogar auch für Eisenbahnbrücken adoptirt. Schnirch verwendet doppelte Ketten mit einem Gelenkgittersystem verbunden; trotz der Versteifung zeigen die meisten dieser Brücken noch Schwankungen, besonders vertikale. Von einem Fiasko des Schnirch'schen Systems ist indess nichts bekannt.
Man griff nun zu den Gitterbrücken, man hat hier ebenfalls verschiedene Systeme und deren Varianten nach Form und Konstruktion. (Eine Zeit lang machte das Neville`sche System und seine Varianten viel von sich reden, bewährte sich indess nicht, sowenig wie System Schiffkorn. Beide übrigens mehr nur wegen noch mangelnder Klarheit übel die theoretischen Anforderungen.
Von geraden Gitterbrücken der neueren Zeit ist eine der bemerkenswerthesten unter Anderen die Rheinbrücke zwischen Kehl und Strassburg (französische Ostbahn und badische Westbahn); man wendete bei dieser Brücke für die Pfeilerfundirung eiserne Caissons an mit komprimirter Luft; ein eigenthümliches System ist ferner bei der Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Mainz vertreten, nämlich das sogenannte »Fischbauchsystem«; die Kritik hat sich im Allgemeinen dagegen ablehnend verhalten, weil man eigentlich nicht weiss, was man dazu sagen soll, und es erscheint das Ganze als eine Sache persönlichen Geschmackes; dennoch sind noch mehrere Brücken nach diesem Systeme gebaut (hessische Ludwigsbahn, Hamburg-Harburg etc.). Das Prinzip stellt eine Vereinigung des Bogengitter- mit dem Gitterhänge- und Bogensysteme dar; eines soll das andere unterstützen, und kommt schliesslich auf einen Balkenträger hinaus. Da man über die meisten ursprünglichen Gitterbrücken bei Stürmen bedenkliche Erfahrungen machte, so versicht man gegenwärtig wo immer möglich die Wände — (Tragwände) — mit Querverstrebungen oben und unten.
Eine sehr gelungene Brücke nach dem Bogengittersystem ist die Brücke über das Holländerdiep von den Ingenieuren Stanz und Vańdenberg; die Brücken mit ihren Vorarbeiten, Annexen, Fundirungen etc. zählen zu den hydrotechnischen Meisterwerken Hollands !
In neuester Zeit wendet man häufig statt Eisen den widerstandsfähigen und Material sparenden weichen Stahl an beim Brückenbau, eine der ersten Stahlbrücken ist die vom Ingenieur Joret in Paris gebaute, welche zum Champs de Mars führt; sie hat 82 Fuss Spannweite und 62 Fuss Breite zwischen dem Geländer; sie ist aus Bessemer Stahl konstruirt in den Haupttheilen.
Ueber die Donau bei Wien führen mehrere Brücken nach dem Gittersysteme.
Da ist zunächst die Nordwestbahnbrücke.
Sie hat vier Durchlassöffnungen mit je 252 Fuss Weite, abgesehen von den Inundations -Durchlässen, 14 an der Zahl, mit je 104 Fuss Weite; die Pfeiler sind aus Stein, 19 an der Zahl, wovon fünf im Strome zu stehen kamen, die Fundirung derselben bot bedeutende Schwierigkeiten und geschah nach der gegenwärtig allenthalben üblichen sogenannten pneumatischen Methode mit eisernen Caissons, aus welchen das Wasser durch Luftdruck verdrängt wird; diese Pfeiler respektive deren Fundamente sind auf der namhaften Tiefe von zirka 45 Fuss unter die Flusssohle versenkt worden; auf diesen Pfeilern ruht die Eisenkonstruktion, welche die aus Holzschwellen und Schienen gebildete Fahrbahn trägt; sie hat eine Höhe von 8 Meter und ein Gewicht von 18.600 Zentner für die Partie des Hauptgerinnes; die ganze Brücke wurde in 17 Monaten, während der Gesammtperiode 1870 bis 1872 hergestellt.
Anmerkung. Wenn Brücken aus einer Reihe von Pfeilern bestehen, oder aus übereinander gesetzten Galerieen (Arkaden), eine gewisse Höhe haben, und namentlich wenn sie trockene tiefere Thäler überspannen, nennt man sie mit Vorliebe Viadukte; solche Viadukte zeigt unter Anderem besonders die Semmeringbahn als eine der ersten derartigen Anlage, dann ist der Eisack -Viadukt, 240 Fuss hoch, der HöItzschthal -Viadukt der sächsisch-bayerischen Staatsbahn, stellenweise mit vier Arkaden übereinander zu erwähnen, abgesehen von vielen anderen.
Noch grossartiger sind Bau, Fundirung und Fertigstellung der grossen Donaubrücke der österreichischen Staats-Eisenbahn­Gesellschaft; die Eisenkonstruktion derselben, von kolossalen Dimensionen, wurden auf dem Lande zusammengeführt und dann auf Walzen über die Pfeiler hingeschoben, mittelst eisernen Trommeln, über welche Ketten laufen und mit Räderwerk, die ganze ungeheuere Last wurde durch nur 10 Personen bewegt; der erste Versuch dieser Art fand in Freiburg in der Schweiz statt einer kleinen Brücke.
Diese Brücke ist eine der grössten der Welt, denn sie durchschneidet auch das Inundationsgebiet, und ihre Gesammtlänge beträgt 760 Meter; die Entfernung eines Pfeilers von dem andern ist 80 Meter; die Brücke ist eine sogenannte einfache Gitterbrücke.
Das einfache Gittersystem, dann die Bogengitterbrücken haben sich am meisten bewährt und die meiste Anwendung gefunden; aber in diesen Systemen allein liegt doch nicht das Wesen einer soliden Anlage; ein trauriges Beispiel hiefür ist in der seinerzeit eingestürzten und vom Sturme umgeworfenen Taybrücke gegeben; im Wasser sind mangelhaft durchgeführte Konstruktionen notabene bei so immensen Längen umso gefährlicher *). Dazu kam, dass man hiebei sehr schlanke Ziegelpfeiler etwas über Normalhöhe des Wassers reichend postirte und darauf dann in bedauerlicher Weise Eisenpfeiler setzte; dieser Material-Verschiedenheit gibt man in den meisten ingenieuristischen Kreisen die Hauptschuld an der Katastrophe, welcher die Taybrücke zum Opfer fiel; so kommt es oft, wenn man den einen ungünstigen Eventualitäten ausweichen will, so geräth man dafür in umso schlimmere; man fahndete lange nach der passendsten Fundirung und hat dadurch eine Quelle bösester Konsequenzen geschaffen, man gelangte vom Regen in die Traufe; der Orkan fand ein (in jeder Beziehung) ausgezeichnetes Angriffsobjekt vor, welches so elementaren Mächten nicht gewachsen war; der Ingenieur Barlow, welcher mit dem Neubau der Taybrücke beauftragt wurde, hat sich für einheitlichen Steinbau, was die Pfeiler trifft, entschieden und man hofft, dass es jetzt gut sein wird; wenn nicht in der langen Fragezeichenkurve der Brücke, welche wie gemacht dazu scheint, dass sich die Stürme darin fangen müssen und sie dann vernichtend erschüttern, noch ein böses Moment liegt.
Solche Viadukte, welche über grössere Thäler und Flüsse führen, hat man in Oesterreich selten ganz in Ziegeln und mit Bögen ausgeführt, meistens mit Eisenkonstruktionen (Gittersystem); zu den bemerkenswertheren ganz in Ziegeln ausgeführten Viadukten zählt z. B. unter Anderem der Lesca-Viadukt der Staatseisenbahn bei Znaim u. m. a.
Zu den selten gewordenen Konstruktionen gehören in Europa neuester Zeit die Holzbrücken, Holzviadukte und die schiefen Ziegel- und Quaderbrücken; erstere sind zwar sehr billig, aber weder wetter- noch feuerbeständig und erfordern zu-

*) Aehnlich ist die Brücke über den Forth (Firth of forth), eine der berühmtesten modernen Brücken mit 500 Meter weiten Oeffnungen und bedeutender Höhe. Wenn die Länge einer Eisenkonstruktion (welche immer !) über eine gewisse Grenze hinausgeht, so tritt der bedeutsame Faktor der Eigenlast in besonders berücksichtigungswerther Weise in den Vordergrund; was oft übersehen wurde.

häufige Reparaturen, in Amerika sind sie noch sehr beliebt *); die schiefen Brücken, sozusagen fast eine österreichische Spezialität, in der wir es schon fast zur Virtuosität gebracht haben, sind längst wieder aufgegeben aus verschiedenen technischen und ökonomischen Gründen; die Ingenieure der »lateinischen Länder« fanden sich nie damit ganz zurecht.
Fast ein Unikum dürfte die Brücke von Sunderland (Durham) sein, mit aus Eisenkästen konstruirten Bögen, bei 85 Meter Spannung und 30 Meter Scheitelhöhe über Wasser- Niveau. Ebenso vereinzelt stehen die Röhrentunnel-Brücken aus Eisen **).
Um steinerne oder hölzerne Brückenpfeiler gegen das Unterspülen bei heftigem Wellenanprall und gegen Eismassen zu schützen, wendet man neuestens gusseiserne > geformte Panzer an, welche unten pflugscharartig auslaufen, über ihre Nützlichkeit liegen noch wenig Daten vor.
Wir wenden uns nunmehr dem Kanalbau zu.


V. Kanalbau

Der Natur des Stoffes gemäss möge das Schifffahrts-Kanal­bauwesen und die Kanalisirung der Städte getrennt behandelt werden.
Die Schifffahrtskanäle haben sich nicht nur trotz der Eisenbahnen bis auf die neueste Zeit erhalten, sondern man denkt neuerdings daran, diese Gattung von Verkehrswegen wieder zu kultiviren. Kanäle dienen vorzüglich zur billigen Verfrachtung von gewissen ordinären Massenartikeln und Produkten, das heisst vorzüglich Land- und Bergwerksprodukte, respektive zur Verbindung von Flüssen und See'n, zur Bewässerung wasserarmer Gebiete, zur Benützung von Wasserkraft für Maschinen und endlich überall da, wo man aus wirklichen triftigen — oder eingebildeten — Gründen nicht gerne Wege, Strassen und Eisenbahnen anlegen will.
Für die Verbindung von Meeren, grossen Flüssen und See'n sind Kanäle unter gewissen Umständen zu Gunsten der Schifffahrt immerhin noch zeitgemäss, aber sie können nimmer für ein Ersatzmittel statt der Eisenbahnen genommen werden.
Das nöthige Wasser für kleinere Landkanäle wird häufig von mehreren Bächen und Flüsschen zugeführt und reicht oft nicht aus, die schwerbeladenen Kanalschiffe zu tragen; zu dem Ende benützt man dann Stauschleusen; ein Beispiel eines solchen kleinen Landkanales war der jetzt fast ganz in Verfall gerathene Wiener-Neustädter Schifffahrtskanal.
Beispiele anderer bedeutender und grösserer Kanäle sind unter Anderen z. B. der berühmte Languedoe- Kanal in Frankreich; derselbe vereinigt sich bei Toulouse mit der Garonne und endet am mittelländischen Meere bei Cette, er ist 22 Meilen lang, 60 Fuss breit; seine Fallhöhe von 600 Fuss ist auf 62 Schleusen vertheilt; er geht über 55 Flüsse hinweg und durch einen Berg mit einem 500 Fuss langen Tunnel; zur Wasserversorgung desselben hat man bei St. Ferôl ein Bassin gebaut (Reservoir) durch Aufführung eines 200 Fuss dicken, 100 Fuss hohen, aus massiven Steinblöcken erbauten Dammes. Dieses Reservoirbecken ist 7000 Fuss lang und 1800 Fuss breit; es ist bestimmt, die Quellen der Umbebung aufzunehmen, das Reservoir fasst eine Million Kubikfuss Wasser. Dieses Werk wurde unter Ludwig XIV. nach 16 jähriger Arbeit für drei Millionen Thaler 1681 vollendet.
Der Franzens- Kanal ist der grösste Kanal Ungarns und verbindet die Donau mit der Theiss; er wurde 1793 begonnen, 1801 vollendet und kostete drei Millionen Gulden Konventions- Münze; er ist 14 ½ deutsche Meilen lang, 8 bis 100 Klafter breit, das Gefälle beträgt 27 Fuss und ist auf fünf Schleusen vertheilt, er lässt sich mit Schiffen von 8000 bis 9000 Zentner Ladung befahren.
Sehr bemerkenswerth ist unter Anderem auch der Kanal von Edinburgh nach Glasgow; er verbindet den CIyde mit dem Forth (d. h. respective das irische Meer mit der Nordsee, quer durch Schottland), ist sieben Meilen lang und hat 369 Schleusen, 43 Schwibbögen, 38 Brücken, 2 Traversionen (über die Flüsse Luggin und Kelwin) und ist endlich oben 50 Fuss, unten 28 Fuss

*) **) Der Dale Creeck- Viadukt (Zentral- Pacific- Bahn) ist übrigens ein Meisterwerk in seiner Art, dennoch finden wir ins in Oesterreich nicht veranlasst, derlei nachzumachen; ebensowenig als wir Röhrentunnel-Brücken nachgemacht haben; man muss nicht von Allem haben!

breit ! Nimmt man diesen Bau in der Gegenwart an, mit ihren hohen Löhnen, und berücksichtigt die viele manuelle Arbeit und sonstige ungünstige Momente, die sich hierbei sehr zahlreich zeigen, so bekäme man dafür eine Sekundärbahn von mindestens doppelter Länge, stets ebenes Terrain mit unbedeutenden Unterbrechungen vorausgesetzt !
In Frankreich und Norddeutschland und neuesten auch in Oesterreich (man wurde durch Press-Propaganda sehr stark influirt !) ist man sehr für Kanäle eingenommen; es lagen bereits Pläne vor, aus Paris und Berlin — Seestädte zu machen ! Auch in Rom spuckten solche Idee'n ! Ich werde mich später noch ausführlicher über den Werth und Unwerth dieses Kanal- Schwindels, der eine Zeit lang das Publikum wie Fachkreise epidemisch ergriff, aussprechen. »Alles hat eben seine Zeit und — seinen Ort.« (Variante des Salomon'schen Spruches).
Inzwischen wollen wir uns mit einigen epochalen Unternehmungen dieser Art, wahrhaft monumentalen Werken, die auch wirklich von Nutzen und Werth sind, befassen; es sind dies vor Allem:
Der Suez-Kanal, der Panama-Kanal, der Kanal von Korinth. Alle drei sind in ihren Hauptpunkten der Phantasie und dem Thatendrange des Franzosen Lesseps entsprungen, respektive aus dem Schutte alter Zeiten wieder aufgenommen und zu neuem Leben gebracht worden; der Suez-Kanal und der von Korinth völlig, letzterer durch anderweitige Bemühungen; der dritte begonnen blieb unvollendet stehen *).
Das technisch-kommerzielle Fachjahrbuch »Hermes« (es erschien nur in einigen Nummern in sehr geringer Auflage) schrieb seinerzeit über den Suez-Kanal unter Anderem Folgendes:
»Die Anlage eines schiffbaren maritimen Kanales quer durch die Landenge von Suez, um das Mittelländische Meer durch das Rothe Meer mit dem arabischen Meerbusen zu verbinden, ist eine der riesenhaftesten Unternehmungen der Neuzeit; doch ist der Gedanke dieses Durchstiches nicht neu; aber der Thatkraft des Franzosen Lesseps war es vorbehalten, ihn zu realisiren. Im Anfange waren die Ansichten über die Möglichkeit der Ausführung sehr getheilt; besonders der sonst so geniale Ingenieur Stephenson sprach sich entschieden dagegen aus; auch die pekuniären Schwierigkeiten waren ungeheuere und ohne die rege Beihülfe des damaligen Vizekönigs von Aegypten, Khedive IsmaiI Pascha, wäre die Sache kaum zu Stande gekommen. Es bildete sich dann alsbald eine internationale Kommission von Ingenieuren; nachdem durch die letztere der Plan fixirt war und sich kein Niveau-Unterschied von beiden Meeren herausstellte, schritt man zur Bildung der Gesellschaft und 1859 wurde mit dem Baue begonnen. Bald sah man, dass es mit der Handarbeit nicht mehr ging, trotzdem der Vizekönig für die Stellung von 20.0000 Fellahs (Leibeigene) sorgte; im Jahre 1960

*) Durch missliche Verhältnisse aller Art; persönliche und politische Ranküren und Intriguen sonder Zahl, nachdem man den Mann anfangs bewunderte, suchten ihn seine Feinde später als Schwindler hinzustellen!

schon und noch mehr 1865 war man gezwungen, alle Hülfsmittel der modernen Technik in Anwendung zu bringen.«
»Der Kanal von Suez beginnt bekanntlich vom MittelIändischen Meere her in der Debeh- Bucht, bei dem eigens hiezu gegründeten, mit prachtvollen Molos und Hafenbauten versehenen Port- Said, führt dann über eine schmale Landzunge und zwischen gewaltigen Aufdämmungen durch den See Mensaleh nach El Kantarah, durchschneidet den inselreichen südlichen Theil dieses Sees und die Ebene bis zum Timsah- See, an welchem die Kanal­ Kompagie die Stadt Ismailia angelegt hat.«
»Hier befinden sich die Verwaltungsgebäude, Lagerhäuser und die Wohnungen der höheren Beamten; der Kanal führt ferner vom Timsah- See aus durch das Thal von Ghesen an dem ehemaligen Serapeum vorüber und durch Sanddünen hindurch nach den Bittersee'n; von deren Südende aber durch die Felshügel von Chaluf zur Bucht von Suez, welche bis dahin durch Korallenriffe und Sandbänke vielfach unfahrbar war.«
»Die Länge des Kanales beträgt von Port- Said bis Suez 160 Kilom. (130 Seemeilen); die Breite ist etwa 100 Meter, die Tiefe 8 Meter, so dass selbst etwas grössere Kriegsfahrzeuge durchfahren können; der sogenannte »maritime« Kanal war am 18. März 1869 fertig; zur Regulirung und zum Ablauf einzelner See'n etc. hat man einen Hülfskanal gegraben mit einem Wehr von 150 Meter Breite.« (Die Vollinstallirung dauerte noch einige Zeit; auch viel später kam es noch zu einigen mehrweniger wesentlichen Rekonstruktionen.)
Anmerkung. Die Landenge von Suez war nicht immer da. Es wird jetzt fast allgemein als erwiesen angesehen, dass einst das Rothe Meer mit dem Mittelländischen ein Ganzes gebildet habe; es zeichnet sich in der That noch heutzutage die alte Verbindung der beiden Meere an der Erdformation der Landenge ab, durch Anschwemmungen, Versandung und Verschlammung ist jene Verbindung versperrt worden, jene Zeit aber, wo beide Meere kommunizirten, fällt ausserhalb der Geschichte; wäre die Verbindung offen geblieben, hätte sich Vieles anders gestaltet, die ganzen europäischen Verhältnisse hätten sich geändert *).

*) Die Annalen der Berliner Akademie der schönen Künste und Wissenschaften des 18. Jahrhunderts enthalten über diesen Kanal folgende Notizen: »Die wunderbarsten Bauten der Hindus sowie der Perser sind Dämme und künstliche Kanäle, welche das tropische Klima zur Bewässerung nöthig macht; ungeheuere Reste findet man noch davon in Ceylon und in Persien, aber auch die Aegypter haben viel in dieser Richtung geleistet. Die Natur selbst zwang die Aegypter zu Raffinement und industriellen Unternehmungen; ohne höhere Agrikultur blieb es ebenso wie ohne die technischen Künste eine Wüste, ein Sumpf; die Lebensader des Landes war der Nil, ein variabler Strom, den man durch technische Kenntnisse zum Nutzen ausbeuten musste; das leitete die Einwohner schon vielfach zu hydrodynamischen und hydraulischen Künsten und Erfahrungen; so darf es nicht Wunder nehmen, wenn auch die Aegypter die ersten waren im Alterthume, welche die Idee des Suez Kanal erfassten, zuerst benützte man einen Arm des Nil und führte den Kanal in einem Bogen über die Bittersee`n bis Bubastis (Ramses II, 14. Jahrh. v. Chr.); seine Nachfolger Neko u. A. setzten das Werk fort, sie vollendeten es aber nicht; aber die Arbeiten kosteten 120.000 Sklaven das Leben. Der Perserkönig Darius vollendete den Kanal, welchen Herodot fertig sah ! Der Kanal war nach Plinus 100 Fuss, nach Strabo 150 Fuss breit. Zur Zeit der arabischen Herrschaft und der Khalifen verfiel er mehr und mehr.
(Fortsetzung folgt.)


ÜBER MODERNE BAUPROBLEME II.
INGENIEURISTISCHES BAUWESEN *).
von L. Tržeschtik, (Fortsetzung)

Die Idee des Suez- Kanales ist also wie gesagt nicht neu, aber in unseren Zeiten war es erst Napoleon I., der sie wieder fasste; jedoch seine kriegerischen Pläne liessen ihm nicht Zeit zu diesem Friedenswerke; Napoleon III. war klüger und glücklicher als sein Oheim; der Kanal ist ein Triumph der Politik, Diplomatie und der Technik; treten nicht welterschütternde Katastrophen ein, so wird er nicht mehr vernachlässigt werden.
Was anderweitige Schifffahrtskanal-Anlagen betrifft, so nehmen die schwedischen, z. B. der Götha- Elf-Kanal u.a., darunter einen hohen Rang ein; ausserdem sind die Projekte bemerkenswerth, mit welchen man sich in der Gegenwart trägt; der bald vollendete Nordostsee-Kanal, Donau-Oder-Kanal etc. Ich würde den Rahmen dieses Journales weit überschreiten, wenn ich über diese Bauten und Bauprojekte mich näher auslassen wollte; es ist nur zu konstatiren, dass man auch in dieser Hinsicht bedeutende technische Fortschritte gemacht hat und dass die Reihe der Unternehmungen und Idee'n oder Projekte in dieser Richtung noch lange nicht abgeschlossen erscheint.
Nichtsdestoweniger ist dafür gesorgt, dass die Bäume, nicht in den Himmel wachsen; der Optimismus eines schon in die Blüthe geschossenen Kanalbauschwindels schädigte Eisenbahnbau-Unternehmungen und Projekte sehr; und ich kann es mir nicht versagen, hier so kurz als möglich den Werth und Minderwerth der Kanäle gegen die Bahnen ganz objektiv abzuwägen; wobei wir grosse internationale Kanäle ganz aus dem Spiele lassen (vergl. früher). Lokalkanäle aber sind nur da zu befürworten, wo zu ihrer Herstellung, keine erheblichen Kunstbauten nöthig sind und sie ein entsprechend grosses Produktions- und ein Konsumtionsgebiet mit einander verbinden; sonst baut man lieber wenigstens Vizinalbahnen; auch sind Kanäle nützlich, wenn sie nach Lokalumständen und Verhältnissen dazu können, gewisse Industrieen, welche billige Wasserkraft verwenden, zu begünstigen *).
Andere Bonitäten habe ich schon früher erwähnt; wir halten uns jetzt an die der Kanalanlage ungünstigen Umständen; würde die Trace z. B. durch felsiges Terrain führen und viele namhafte Tiefsprengungen erfordern, so zahlt sich dies für einen Binnen-Kanal nicht aus; ebenso ist die Führung von Kanälen durch kostspielige Tunnels heutzutage nicht mehr opportun.
Kanäle bedingen eine konstantere Geradführung und ein gewisses Gefälle, welche Momente die Anlage oft viel schwieriger machen als eine Bahnanlage **); ferner bedarf man für Kanäle, selbst für die kleinsten, doch stets eines genügend breiten, tiefen, möglichst wasserdichten Bettes, welches durch Erdaushebung,

*) Dies sind unter Anderem z. B. Mühlen. Die Mühlen-Industrie gedeiht aber dort am besten, wo zugleich in der Nähe viel Getreide produzirt wird; die Kanalanlage (vide Neustädter Kanal) begünstigt aber bei sekundärer Anlage sehr das Ueberhandnehmen von Ratten und Mäusen etc., welche den Feldern viel Schaden verursachen; also auf der einen Seite günstige, auf der anderen Seite ungünstige Momente.
**) Nichtsdestoweniger sind einige Theoretiker dafür, dass man einen Kanal nicht länger als 1000 Fuss (zirka 365 Meter) ganz gerade führen soll wegen des heftigen Wellenschlages bei Stürmen; wird ein Kanal in einen Fluss geleitet, so soll dies unter sehr spitzem Winkel geschehen und natürlich in der Stromrichtung; diese Maxime ist bekanntlich und sachgemäss auch bei FIussregulirungen (z. B. bei Einmündungen eines kleinen Flusses in einen grösseren) zu beobachten, und den Wasserbau-Ingenieuren wohlbekannt.
Allgemeine Bauzeitung 1894

Sprengung oder Dämme oder mit bedeutenden Mauern und Spundwänden hergestellt werden muss; dies erfordert viel Handarbeit, Bétonirungen etc., welche Umstände durch die hohen Kosten die Sache nicht so plausibel erscheinen lassen, als sie von den KanaIenthusiasten en tous cas dargestellt wird. Dadurch geht aber der Hauptvortheil, den die Kanalanlage bieten soll, die Billigkeit meistens, mindestens zum gössten Theile verloren; die Trace einer modernen Bahn kann sich viel leichter dem Terrain anschmiegen als eine Wasserstrasse; Eisenbahnen können zwar im Winter viel mit Schneekalamitäten zu thun haben, aber dies ist meistens nur streckenweise der Fall, die Eisbildung aber ergreift den ganzen Kanal, so dass der Schifffahrtsverkehr durch Monate hindurch sistirt werden muss; welch ein Schaden für die Produzenten, Konsumenten, für die Unternehmung selbst und deren Interessenten ! Zudem eignet sich der Kanal nur für solche Frachtgüter, deren Beförderung keine Eile hat, während selbst die miserabeIsten Sekundärbahnen schneller befördern als ein Kanal, ausgenommen etwa ein ganz grosser, der mit Dampfschiffen befahren wird: der Dampfschiffbetrieb hat aber verschiedene technischen Konsequenzen, welche wieder Kosten verursachen, z. B. Verschlammung, Versandung etc., daher dann Baggerungen, Uferschutzbauten etc. erforderlich werden.
Kanäle, besonders kleinerer Art, erlauben meistens nur eintourige Fahrt und sind auf Stationshäfen angelegt; so ist das Ausweichen schon aus hydrostatisch-dynamischen Gründen schwer durchführbar, ja meistens unmöglich *).
Nimmt man vergleichsweise einen Kanalbau und einen Bahnbau in flachem Lande an, so lässt sich letzterer bei billiger amerikanischer Art ohne viel Aufwand von Erdarbeiten und Kunstbauten fast nur durch Hinlegen von Schwellen und Schienen bewerkstelligen; anders der einfachste Kanal. Er muss erst gegraben werden, eventuell bétonirt und etwa alle 100 Meter sind Schleusenbauten anzubringen etc. Wie nun erst im Gebirgsterrain ! Wir spielen uns jetzt mit Gebirgsbahnen, mit Binnen-Kanälen durch ganze Gebirgszüge würden wir uns nicht spielen ! Solche Spässe fallen uns doch nicht im Traume ein !
Damit wollen wir die Sache gut sein lassen und wenden uns dem zweiten Theile dieses Abschnittes, den Kanalisations-Anlagen der Städte, zu, welchen dann die Ortsanlagen und die Flussregulirungen, welche ebenfalls, wenn sie Flüsse betreffen, welche knapp an Städten vorbeifliessen, auf deren Entwickelung in jeder Beziehung wesentlichen Einfluss üben; daran schliessen sich endlich, weil ebenfalls zum Wasserbau gehörend, die Wasserleitungs- Anlagen, der Bau der Häfen und Leuchtthürme; dies bildet dann zugleich den Gesammtschluss dieses Aufsatzes.
Die Kanalisirung der Städte und Ortschaften überhaupt liegt wider Vermuthen in unserer hygienesüchtigen und auch bedürftigen Zeit noch vielfach im Argen, obwohl die aus sanitären, ästhetischen und wirthschaftlichen Rücksichten für die Interessen namentlich einer grossen Stadt so hochwichtige Frage der Kanalisirung besonders in neuester Zeit vielfach in Fachkreisen sowie

*) Das hätte sich eklatant gezeigt, als unter Kaiser Franz I, ein Kanal von Wien nach Triest projektirt war. Kaiser Franz war nämlich ein Schwärmer für Kanäle und ein Feind der Eisenbahnen.

in Fachblättern zum Gegenstande ausführlicher und wichtiger Diskussionen gemacht wurde.
Von den verschiedenen Gesichtspunkten, welche die Lösung der Frage dringend erscheinen lassen, nimmt der sanitäre unstreitig den ersten Rang ein; die Desinfektion und Ex- Fäkalisation ist für grössere Städte geradezu eine Lebensfrage da in den aufgehäuften Fäkalmassen Miasmenherde gegeben sind; die sanitäre Seite der Sache kann aber nicht durch den Arzt oder durch staatsärztliche a priori-Ukase, sondern nur durch den Techniker gelöst werden; gehen wir daher weiter. Das System der Spülung durch die Kanäle, sowie die Tonnenabfuhr sind die bisher einzigen Mittel zur Entfernung der Abfälle; das Spülsystem, bei welchem stets eine genügende Wassermenge, ein gewisses Gefälle für die Flüssigkeiten und ein als: Fluss, Bach, See, Meer etc. als conditio sine qua non vorausgesetzt werden müssen, besorgt zwar die schnelle und gründliche Beseitigung der mit Wasser verdünnten Exkremente, lässt dieselben jedoch für die Landwirthschaft und Industrie *) verloren gehen; zudem werden die Flüsse, die vielen Anrainern das Trinkwasser liefern müssen, verdorben, die Fische verlieren an Qualität oder sterben ab **); man ist daher bestrebt, den Kanalinhalt nicht in Flüsse, sondern auf eigene, sonst unfruchtbare Rieselfelder zu leiten, die selten wo fehlen, und durch die Berieselung Humus erhalten; fast die meisten Städte haben solche einst unfruchtbar gewesene Wüsten in der Nähe; wie z. B. Steinfeld bei Wiener-Neustadt, Welserhaide, Lüneburgerhaide, Berlin, London etc.
Wo die Bedingungen der Bespülung und Ausnützung fehlen, ist nun das Spülsystem nicht ganz oder gar nicht am Platze.
Dann wendet man das System der Abfuhr in geschlossenen (eisernen) Tonnen, welche auf eigenen Wägen nächtlings von Haus zu Haus geführt werden, mit besserem Erfolge an.
Die Vortheile dieses Systems bestehen in der billigeren Herstellung der Anlagen, wobei jedoch wieder Reinlichkeit und Schnelligkeit der Entfernung der Fäkalien vorausgesetzt werden müssen; die Insassen der Wohnhäuser dürfen durch die Manipulationen der Abfuhrsbediensteten nicht behelligt werden und es ist auch darauf zu sehen, dass die armen Geruchsorgane nicht in Mitleidenschaft gezogen werden; daher ist auch für passende Desinfektion und Ventilation, beziehungsweise Absperrung, der betreffenden Sammellokale und Apparate zu sorgen; das ältere Tonnensystem nahm die Fäkalmassen in Bausch und Bogen durcheinander auf; jetzt hat man bessere Apparate, welche mit der Bestimmung konstruirt sind, die aufgenommenen Stoffe nach festen und flüssigen zu trennen; dies ist praktisch, industriell und auch sanitär wichtiger; da die zur Sammlung aus den Abortschläuchen benützten Lokale, sowie auch die sogenannten »Senkgruben« des alten Sammelsystems gewöhnlich in Kellern oder im Kellersohlen-Niveau liegen, so benützt man meistens eigene Pumpen, mittelst welcher die Fäkalmassen herauf- und in die festverschlossenen Wagentonnen gepumpt ***) werden; dies verursacht wenig Geruch; jedoch ist noch immer Desinfektion nöthig.
Bei dem Schwemmsysteme sollte überhaupt auf eine kontinuirliche Spülung der Aborte in jedem Stockwerke durch das Ueberfallwasser der Wasserleitungs-Reservoire stattfinden; in Wien wurden die Leitungen aber oft selbst für Trinkwasser zeitweilig gedrosselt, es erübrigt für die Spülung der Aborte gar nichts; in Hamburg, Paris ****) und London ist dies, wenigstens theilweise viel besser;

*) In London erzeugt man aus den Fäkalmassen auf chemischem Wege Zucker, Butter, Haaröle, Seifen etc. Das ist allerdings nicht appetitlich und Geschmacksache; aber man erzeugt auch Schmieröle, Schmierfette, Salmiak, Natron, Kali, Salpeter, Briquets für Heizzwecke, Farbstoffe etc. aus denselben.
**) z. B. Wiener Donau-Karpfen!
***) ****) Alle diese geschlossenen, geruchlos sein sollenden Pumpvorrichtungen gehören zum sogenannten pneunatischen System; hieher gehört auch das des russischen Kapitäns Liernur; hie und da werden die Tonnenwagen mit Lokomobilen in Verbindung gebracht, welche die Extrahirung noch besser und leichter besorgen; in Paris besteht unter Anderem eine Verbindung des Schwemm- mit dem Abfuhrsysteme. Was die Spülung der Aborte und deren Geruchlosigkeit und Reinhaltung betrifft, die zur Salubrität höchst wichtig sind, so hat man jetzt wieder ein neues System von Klosetvorrichtungen ganz in Email- oder Porzellanmasse mit polirter oder gefirnisster Holzüberlage und einer Spülvorrichtung, deren Wasser vom einem hochangebrachten Reservoir herabkommt, ähnlich wie bei einigen Douche- Apparaten; zieht man an einer Kette oder Schnur, so stürzt ein starker Strom Wassers in das Becken, und spült mit Spiralbewegung und grosser Vehemenz die Fäkalien in ein bis zwei Sekunden spurlos weg; nur ist mitunter der Strahl so stark, das der Sitzende eine unfreiwillige Douche von unten erhält, wie es schon öfters vorgekommen sein soll ! (Badener Kurhaus, Kasernbauten in Wien und Pest etc.) (Liernur`s System ist bekanntlich ein Doppelsystem: Kanalisirung sekundär zur Beseitigung des atmosphärischen Spülwassers einerseits und andererseits pneumatische Entfernung der Fäkalmassen durch grossartige subterrane Pumpwerke; die Fäkalmassen sollen der Landwirthschaft und Chemie dienen etc.; statt der englischen Water- Closets verwendet er pneumatische, das heisst Luft- Closets und er hält die pneumatische, mehr trockene als flüssige Abfuhr für hygienisch-sanitär besser und weniger Epidemien begünstigend, was zu entscheiden mehr Sache der Chemiker und Bakteriologen ist. Ich halte nicht viel davon. Das Liernur'sche System ist für Metropolen à la London, Berlin, Wien, Paris etc. sehr schwer durchführbar.

Hauptbedingungen für die beiden Systeme sind also bei dem einen viel Wasser ! (daran fehlt es aber leider vielfach, besonders bis dato in Wien !) und bei dem anderen häufige Extrahirung und Desinfektion!
Am besten ist jedesfalls das Schwemmsystem; dazu sind aber sehr gute Kanalisirungsbauten erforderlich, die viel Geld verschlingen; ein guter Kanal muss aus gut gebrannten Ziegeln (unter gewissen Umständen, z. B. bei starkem Druck von oben oder seitlich etc.) oder auch aus Klinkern mit Zementmörtel, Asphalt etc. hergestellt werden, denn er soll nicht durchlässig sein; was nun die Form der Kanäle betrifft, so hat man bekanntlich für kleinere Kanäle in der Regel die gestellte Eiform für den Querschnitt gewählt; für die grösseren Kanäle ist es in jedem Falle besser, die oblonge liegende Form mit gedrücktem Gewölbe zu wählen ; man muss auch hier für ein passendes Gefälle sorgen, damit die Gewässer gut abfliessen können; die Einmündung eines Seitenkanales in einen Haupt- und Sammelkanal soll nie senkrecht zur Achse des letzteren erfolgen, sondern schief in der Richtung der Strömung; wenn an einem Orte von verschiedenem Niveau jedes Terrain sein eigenes Spülsystem hat, so soll man, bevor die Flüssigkeiten des höheren Niveau's das niedere erreichen, die beiden Niveaux einander früher zu nähern suchen, da sonst bei Regengüssen leicht Katastrophen entstehen.
In Terrains, die keinem besonderen Drucke ausgesetzt sind, kann man die Unrathskanäle ganz in Béton *) herstellen, was bedeutend billiger kommt; alle kleineren Kanäle sollen reinigungs­ und reparaturshalber mindestens schliefbar, grosse Sammelkanäle aber gangbar sein **); wie in Paris und London, theilweise auch in Wien; die geringste Höhe ist daher mit 1 ⅓ Meter, die geringste Breite mit ⅔ Meter für erstere zu bemessen; für letztere aber 2 ⅓ Meter Höhe und mehr mit einem Gange zur Seite von ⅔ bis 1 Meter Breite; man hat auch für kleinere Abfuhrkanäle kleine Tunnelröhren aus Gusseisen oder Steinzeugmasse vorgeschlagen, doch wurde davon noch wenig Anwendung gemacht.
Wir kommen jetzt zu:


Vl. Ortsrespektive Städteanlagen

Im klassischen AIterthume hatte man sehr viel Sinn für schöne Stadtanlagen, derselbe ging zum Theile im Mittelalter wieder verloren; in geschlossenen Städten wurde bald der Raum zu klein, man gestattete Plätze zu verbauen, machte enge Strässchen und Gässchen, krumm und winkelig, wie es gerade kam, denn man ging planlos vor; in neueren Zeiten kamen Neugründungen von Städten häufiger vor, namentlich in Amerika, Australien, Russland, Südafrika etc. ***); in Amerika ging man nach bestimmten Schablonen vor, die gewisse Vorzüge haben mögen, aber meistens eine öde Monotonie des Gepräges erzielen, besonders das quadratische Blocksystem; weniger ungünstig ist das Radialsystem mit den Ring- und Gürtelstrassen; es kommt bei alledem sehr viel auf Lokalverhältnisse und spezielle Umstände an, ob man ferner mehr die Konzentrirung oder Dezentralisirung begünstigen will; für Geschäftsstädte wird man mehr erstere berücksichtigen, für Kurstädte u. dgl. m. die letztere; bei dem konzentrirenden Systeme herrschen die geschlossenen Häuserblock vor und man hat wenig freie Plätze; beim dezentralisirenden Systeme zieht man das Kottagesystem mit freien Plätzen

*) Wie dies auch häufig, besonders in kleineren Städtchen, vorkommt.
**) Daher bedürfen sie von Strecke zu Strecke Licht- und Luftschachte.
***) Da ist noch überall Platz genug für neue Städte!

und Gartenanlagen vor (Squares etc.); da Wien doch keine ausschliessliche Geschäftsstadt ist (die fabelhafte Donaustadt soll es einst werden), so hätte man erwarten dürfen, dass bei der Stadterweiterung auf das ästhetische Moment mehr und gebührende Rücksicht genommen werde; das geschah nicht; »zuerst das Geschäft«, hiess es, »und dann das Vergnügen !« Um wieviel schöner könnte Wien jetzt a stehen, wenn man an den tonangebenden Stellen mehr Einsicht gehabt hätte.
Die Strassen und Gassen einer ordentlich angelegten Stadt (oder Ortschaft) müssen genügend breit angelegt werden, doch darf die Breite an sich und mit Rücksicht auf die durchschnittliche Höhe der Gebäude ein gewisses Maass nicht überschreiten; die Griechen und Römer trafen darin immer das Richtige und wir hätten von ihnen viel lernen können !
Die Breite von grossen Hauptstrassen betrage im Allgemeinen nicht mehr als zirka 15 bis 20 Meter, aber auch nicht viel weniger; Gassenbreite ist zirka 8 Meter; im hohen Norden und im tiefen Süden kann man aus klimatischen Gründen davon abweichen; aber dennoch soll die Breite nie unter 10 bis 11 Meter für Hauptstrassen oder für Gässchen nie unter 4`5 bis 5'5 Meter gehen, Parallelstrassen bekommen eine Entfernung von zirka 50 bis 100 Meter von einander; die Trottoirs (in Norddeutschland sagt man »Bürgersteige«) erhalten eine Breite von zirka (mindestens) 1 ⅓ Meter, besser immer 2 Meter. Man vermeide es, Strassen genau von Nord nach Süd oder von Osten nach Westen zu führen; man verschiebe die Strassenachsen um einige Grade nach rechts oder links und schütze so die Gebäude, Strassen, und Insassen, respektive Passanten vor Sonne, Hitze, Stürmen etc. Man vermeide überhaupt zu lange Strassen; sie wirken ästhetisch zu monoton *) (Berlin z. B.) und sind auch aus anderen Gründen (z. B. bei Revolutionen) verwerflich; man lasse immer auf die eine Strasse zwei folgen , durch eine Quergasse unterbrochen **). (Man muss stets darauf Rücksicht nehmen, den Verkehr zu erleichtern und in bequeme Bahnen zu leiten; dies geschieht durch passende Vertheilung und Ablenkung.
Bei Dörfern und Marktflecken kommt die Kirche, gewöhnlich das hervorragendste Gebäude, in die Mitte des Ortes auf den Hauptplatz; aber auch in Städten umgibt man gerne Monumentalgebäude, z. B. Kirchen, Theater, Museen, Akademieen, Schlösser etc. mit einem grossen, womöglich mit Squares und Bosquets geschmückten Platz; überhaupt aber markirt man besonders bei der Erweiterung und Verschönerung alter Städte, aber auch bei der völligen Neuanlage von Städten, eine sogenannte »City«, oder das schönste Viertel, die innere Prunkstadt, den Sitz der Wissenschaft, der Kunst, des feineren Lebens, des Luxus; dieselbe mögen, zum Theil wenigstens, Gärten und Kottageanlagen, Vergnügungsbauten etc. umschliessen, dann kommen erst die Vorstädte; häufig umzieht die City an Stelle ehemaliger Ummauerung ein breiter Ring schöner Häuser, mit Bäumen bepflanzt, mit Plätzen, welche Springbrunnen und Monumente zieren, als sogenannte Boulevards ***); Strassen und Bahnen müssen so angelegt werden, dass ein rascher Verkehr in beiden Richtungen ermöglicht wird ****).
Anmerkung. Auch in Europa, ja wenn wir nur ein Reich in'n Auge fassen, selbst in Oesterreich gibt es trotz gegentheiliger Anschauungen einiger Kollegen eine Menge Distrikte (vide Kärnten, Tyrol, Ungarn, Dalmatien etc.), wo man stundenlang keine Ortschaft sieht, sondern oft nur Wüsten, Haide, Moor, Sümpfe etc. Aus sozialpolitischen Motiven allein schon sollten hier Ortschaften neu gegründet werden, aber leider fehlt die staatskluge Initiative dafür; vielleicht sind viele von diesen öden Distrikten Aerarialgüter oder andere Noli me tangere ! Dann wäre freilich Manches klar !
Es entstanden in neueren Zeiten und in manchen Städten, besonders in Paris, London, Berlin, Wien etc. sehr schöne Plätze, aber die Neuzeit hat doch wenig geleistet, was sich mit dem

*) Aehnlich monoton sind noch: Mannheim (berühmt fad!), Cadix, Triest zum Theil, New-York, Boston zum Theil, Philadelphia zum Theil.
**) Zu breite Strassen sind im Sommer enorm heiss, im Winter sehr kalt.
***) Aus dem deutschen Worte Bollwerk entstanden.
****) In Wien vermochte man sich massgebenden Ortes den Ausbau der City (Altstadt und Zubau) nicht anders zu denken, als indem man monströse Zinspaläste und Miethkasernen schuf, die nachträglich meist adaptirt werden mussten, weil das Gros der Bevölkerung Wiens die theueren Miethen für die Wohnungen nicht bezahlen kann und auch eine grössere Wohnung als Basis einer drückenden Besteuerung fürchtet!...

vergleichen liesse, was Griechenland und Rom zur Blütezeit in dieser Richtung geschaffen haben; selbst aus den Ausgrabungen in Herkulanum, Pompeji und von den trojanischen Städten (vergl. Dr. Schliemann's Ausgrabungen) geht mit Evidenz hervor, dass hier nicht ein fiskalischer, wohldienerischer Mandarin an der Spitze einer Schaar willfähriger, streberhafter Unternehmer (und was dahinter steckt !) sich der Sache bemächtigte und nach persönlichem Interesse und Gutdünken wirthschaftete, sondern dass ein gesunder Sinn für das Schöne, für das Malerische oft mit einfachen Mitteln ohne allen Prunk, im Vereine mit echtem Volks- und Bürgersinn gewirkt und geschaffen haben *); zum Glück gab es damals noch keine Börsenbarone und Eisenbahnschwindler etc., die man zu protektioniren gehabt hätte!
Doch wir verschwenden überflüssig Worte ! Die Zeit geht unaufhaltsam ihren eisernen Gang und lässt sich nichts vormachen; das Alpha und Omega bei allen Stadt- und Anlagefragen ist immer vor Allem: der Verkehr, bequeme Kommunikation, und was dem Praktischen entspricht; in allerletzter Linie werden nur so nebenher (noblesse oblige) die Aesthetik, die Kunst um ihren Rath gefragt, meist um nicht befolgt zu werden !
Man hat ja schon in Amerika vielfach daran gedacht, Doppelstrassen und Doppelstädte, das heisst übereinander zu bauen **); alte Häuser müssten dazu adaptirt werden; die unteren Strassen und die Unter-Stadt (um nicht gar Unterwelt zu sagen !) gehören dem Geschäfte, den Lastwagen, Magazinen, den Lastträgern, Kisten, Ballen; die obere Stadt bildet den fashionablen Theil für die Spaziergänger, die feinen Equipagen, für feine elegante Kaufläden etc. An den oberen Häuserfronten laufen Arkaden, welche von Strecke zu Strecke mit Glasdächern mit den gegenüber befindlichen Arkaden verbunden sind, um auch im Platzregen trocken und ohne eines Schirmes zu bedürfen gehen zu können.
In Bezug auf die allgemeine Anlage von Ortschaften und Städten sei noch Folgendes erwähnt: vor Allem hat man bei einer völligen Neuanlage die physikalisch-geographische Lage, die klimatisch-meteorologischen Eigenthümlichkeiten der gewählten Anlage-Lokalität zu berücksichtigen. Hierbei kommen auch Bequemlichkeit, Gesundheit, Zugänglichkeit etc. zu berücksichtigen; zu grosse Höhe ist unbequem und zieht viele fatale Konsequenzen nach sich, z. B. Wassermangel, Wind- und Wetteranfall etc. Zu tiefe Lage ist ebenfalls ungesund, durch Ueberschwemmungen gefährdet; die Beschaffung von Trink- und Nutzwasser muss leicht sein; die Nähe von Flüssen, See'n, Landstrassen, Bahnen etc. ist volkswirthschaftlich sehr werthvoll; hygienisch ist es sehr wichtig, erstens den Leichenhof möglichst weit entfernt vom Orte (von der Stadt) anzulegen, und zweitens alle Fäkal- und anderen Abfallstoffe schnell aus dem Bereiche der Stadt zu schaffen durch passende Systeme von Kanälen etc., oder sie chemisch unschädlich zu machen; für die Anlage sogenannter klimatischer Kurorte sind zwei Dinge vor Allem nöthig, abgesehen von erhöhter Lage: Wasser und Wald, womöglich mit Conifèrenbestand, und endlich eine solche Lage, welche gegen Ost- und Nordwinde geschützt ist.
Der Plan der Ortsanlage soll besonders bei kleineren Kommunitäten nicht nach steifen Normalien und Schablonen gemacht werden, sondern mehr den lokalen Umständen angemessen; das Terrain soll nicht verbaut und nicht zerrissen sein, nicht verknotet und zu zentralisirt, noch in die Länge gezogen u. dgl. m Wüste Beispiele von Ortsanlagen sind z. B. nächst Wien: Inzersdorf am Wienerberg, Mauer bei Atzgersdorf u. m. A.
Anmerkung. In Europa hat man seit Peter d. Gr. keine Gelegenheit mehr gehabt, eine vollständig neue Stadt entstehen zu sehen, im Gegensatze zur neuen Welt, wo die neuen Städte wie Pilze aus der Erde wachsen. Die bedeutenderen Städte Europa's stammen zum TheiIe aus einer Zeit her, in welcher die transatlantischen Länder noch nicht entdeckt waren und einzelne wie Wien (Vindobona), Augsburg (Augusta Vindelicorum) etc. datiren bis auf die Römerzeiten und noch weiter zurück; dementsprechend tragen auch die Städte der alten Welt (namentlich jene ganz alten und uralten Städte) einen ganz anderen Charakter von besonderer Prägnanz und Eigenthümlichkeit nach Anlage und Einzelobjekten.

*) Z. B. das Forum romanum; Athen mit seinen Plätzen und Avenuen etc.
**) Das übertrifft noch J. Swift´s »Gulliver`s Reisen« und Jules Verne`s Romane.

Die langnachwirkenden Verhältnisse des Mittelalters und die unsicheren Zeiten des Ritterthums, des Pfaffenregimes mit den streitbaren Bischöfen, der Religionskriege etc. erheischten die möglichste Konzentrirung, um die Vertheidigungsgrenzen auf das Möglichste beschränken zu können; daher stammen die krummen, engen, sehr alter Städte; später wurden allerdings Adaptirungen, Erweiterungen etc. vorgenommen, aber der Gesammtcharakter blieb; am meisten ist für Stadterweiterung und Verschönerung in Berlin und Paris geschehen; aber auch in Wien etc. Die ersten Ansätze der sogenannten »Donaustadt« sind so primitiv ausgefallen, dass sie einer sein sollenden Weltstadt ganz unwürdig erscheinen; die Elbe- Quais in Dresden, oder die Donau- Ouais in Buda-Pest etc. etc. nehmen sich viel grossartiger aus *).
Ein grossartiger sozialer Uebelstand ist das übermässige Anwachsen einiger Metropolen, als: London (5 Mill. Einwohner), Paris (2 ½ Mill.), Berlin (1 ½ Mill.), Wien (1 ¼ Mill.) etc., doch ist dies ein Thema, dessen Besprechung ausserhalb des Rahmens dieser Zeitschrift fällt.
Nichtsdestoweniger kann hier doch konstatirt werden, dass die Zunahme und Ausdehnung einer Metropole, bei gewissen Grenzen angelangt, sehr fatale hygienisch-technische Konsequenzen nach sich zieht, wovon die Wasserversorgung und Kanalisirung etc. nicht die geringsten sind.
 Bei der Neuanlage, sowie der Erweiterung und Renovirung bestehender Städte und Ortschaften hat man schliesslich noch folgende Punkte zu berücksichtigen.
a) Verwendung und Beachtung des Vorhandenen an Strassen, Brücken, Terrassen, Niveaux **), Gebäuden, Monumenten, Kanalanlagen, Flüssen, Bächen, Quellen, Gärten etc.
b) Sanitäts-Rücksichten aller Art; z. B. Beseitigung von Sümpfen, Moorgründen, luft- und lichtarmen Gässchen, ganz alter, baufälliger und verkommener Gebäude ohne historisch- künstlerischen Werth, Feuer- und Wassersicherheit etc.***). (Alte hygienisch stark vernachlässigte Gebäude sind oft wahre Kulturstätten von ansteckenden Krankheiten aller Art; es ist Staatspflicht, damit tabula rasa zu machen.)
c) Aesthetische Rücksichten, als z. B. schöne Strassenführung, Erzielung von schönen Prospekten, Points de vue etc.
d) Verkehrsrücksichten.
e) Rücksichten auf die geographisch- geologisch- klimatologische Situation ob Erdbeben in der Gegend oft vorkommen, oder Orkane, Vulkane, Hochwässer etc.
Nach allen diesen Rücksichten — allerdings viele — welche möglichst in Einklang zu bringen sind, kann man erst an die ernstliche Inangriffnahme der Neuanlage oder Umgestaltung gehen.
Damit möge aber auch die Diskussion über die Ortsanlagen geschlossen sein.


VII. Flussregulirungen

AIle Flüsse und Bäche, auch wenn sie nicht mit Gebirgswässern gespeist werden, führen ausser Erdschlamm u. dgl. stets  Gerölle entweder von Gebirgsbächen, oder von abgelösten Ufern  mit und lagern dasselbe an bestimmten Stellen ab; dies bildet  Sandbänke, Inseln, Schuttverdämmungen, welche dann dem Laufe  des Flusses allmälig eine andere Direktion geben und wenn sie  endlich überhand nehmen und die Bette seichter machen, zu  Ueberschwemmungen führen; daher muss von Zeit zu Zeit für  solche Flüsse etwas geschehen; man baggert die Bette bis  zur Normalsohle, befestigt die Ufer durch Dämme, Faschinen,  Spundwände etc., nimmt eventuell sogar Sprengungen vor, um das Bett zu vertiefen; wenn solche Hülfsbauten unterbleiben, so treten mit der Zeit unbedingt Katastrophen ein, siehe Spanien

*) Auch in der inneren Stadt Wien wäre noch Vieles demolirungsbedürftig, z. B. auf der Fischerstiege, am Rabenplatz, Laurenzerberg, in der Adlergasse, am Alten Fleischmarkt etc.
**) Niveaudifferenzen bedeutender Art erschweren alle ingenieuristischen Bauanlagen und das Stadtbauamt in Wien weiss davon Manches zu erzählen; wo sie jedoch ganz fehlen, entstehen ebenfalls Schwierigkeiten, besonders bei den Kanalisationsanlagen, welche des Gefälles nicht entbehren können.
***) Manche Schwierigkeiten bieten oft die Ableitungen mephitischer kleiner Flüsse und Bäche, die nur zu gewissen Zeiten Wasser haben, bei Regenwetter aber als wilde Ströme dahinbrausen. (Z. B. in Wien das schon erwähnte Wienflüsschen.)

z. B., in welchem armen Lande sich das Volk lieber in vage Parteien zersplittert und die betreffenden Behörden fünf gerade sein lassen, statt sich zusammenzuthun, um für das allgemeine und spezielle Volkswohl zu sorgen *).
Der Zweck der FIussregulirungen ist daher in erster Linie stets die Herstellung eines normalen Gerinnes (Bett), dann durch Baggerung, Ausgrabung, Dämme etc. in weiterer Folge die Verhinderung von Ueberschwemmungen mit all' ihren Konsequenzen, endlich als dritte Hautsache, die Befreiung der Schifffahrt von allen Hindernissen (ungleicher Wasserstand, ungleiche Wassertiefe überhaupt, seichte Stellen, welche von Schiffen mit grossem Tiefgange nicht passirt werden können, Stromschnellen, Klippen, Sandbänke, Kurven in grosser Anzahl, Abbau von Nebenarmen etc.), endlich eventuell auch (wie bei Bahntracen) ist darauf zu sehen, dass man die Flüsse eher in die Nähe der Orte bringt, als davon entfernt, es ist dies aus Verkehrs- und Handelsrücksichten geboten; diesen genannten Zielen muss man nun bei jeder Flussregulirung zusteuern.
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass nicht trotz aller Aufmerksamkeit, welche man diesen Sachen zuwendet, doch manches Verhängniss eintreten kann; irren ist menschlich ! Aber man muss wenigstens bestrebt sein, das Möglichste zu thun; durch Schaden wird man klug.
Weil man nun eingesehen hat, dass alle die unzähligen kleinen Palliativmittelchen, die man bei Flussregulirungen oft angewendet hat, doch nichts genützt haben, so schritt man zu radikaleren Mitteln; man beschränkte sich nicht mehr auf unorganische (d. h. unzusammenhängende, nicht einheitliche) Detail­ rekonstruktionen, sondern nahm ganze Strecken vor und bestimmte ein neues Gerinne mit Hülfe von Ausbaggerung, Anlage starker Dämme, starker Uferböschungen etc.
So ging man schliesslich bei der Wiener Donau- Regulirung vor, einem seltenen und monumentalen Werke **).
Zur Genesis der Donau- Regulirung bei Wien mag dienen, dass die ganze Gegend vom Kahlen- und Bisamberge bis Hainburg und Theben in Ungarn seit Jahrhunderten von starken Ueberschwemmungen heimgesucht wurde; der Strom veränderte dadurch häufig sein Bett und seine Richtung, die nach Sagen überhaupt einst hinter dem Bisamberge stattgefunden haben soll; obwohl die Ueberschwemmungen oft meilenweite Flächen, wie das Marchfeld und die betreffenden Ortschaften daselbst verwüsteten, und das Hauptbett versandeten, so konzentrirte sich doch stets die Hauptsorgfalt fast immer nur auf Erhaltung der lokalen Schifffahrt und man hatte nur stets vage HülfsmitteI in Gebrauch gezogen; im Laufe der Jahre gingen aber dennoch auf diese kleinlichen Mittel Unsummen auf, ohne dass irgend etwas Besonderes damit wäre erzielt worden.
Einmal brachte man »Sporne« an, welche das Wasser der grossen Donau in den Donaukanal bei Wien drängten, wodurch natürlich wieder die niedrig gelegenen Vorstädte Wiens in Ueberschwemmungsgefahr kamen ***).
Damit der Donaukanal schiffbar erhalten bleibe, sollten die Anrainer jährlich einer Ueberschwemmung preisgegeben werden; man versuchte entgegengesetzte Mittel: Neuer Jammer in der Brigittenau, im Prater, Marchfeld etc. in infinitum !
Die erste Anregung, diesen Zuständen ein Ende zu machen, und den Strom auf eine bedeutende Strecke hin nutzbar zu reguliren und stabile Brücken zu bauen, kam im Jahre 1810 beim Franzosenkriege; doch es blieb (wie gewöhnlich) beim Alten; im Jahre 1850 fasste der geniale Handelsminister Bruck den Entschluss, eine Kommission zur Prüfung über diesbezügliche Projekte einzuberufen; trotz energischer und kompetenter Interventionen blieben die von der Kommission gefassten Beschlüsse doch ohne Resultat ! Da kam die Ueberschwemmung von 1862

*) Spanien hat auch die schlechtesten Bahnen und die schlechteste bautechnisch- ingenieuristische Verwaltung von allen Ländern der Erde ! Wir im Norden können eben eine solche bodenlose Schlamperei nicht begreifen, wie sie dort in solchen Dingen herrscht (Dieses Urtheil ist nicht vereinzelt, sondern allgemein, nach privaten und Zeitungsmittheilungen.)
**) Bis jetzt hat sich dieses Werk dauernd bewährt; andere ältere und neuere Regulirungsarbeiten sind nicht so glücklich gewesen, z. B. die Regulirung der Theiss bei Szegedin etc. Eine andere grossartige Leistung dieser Art ist die Regulirung der Themse bei London (s.sp.m.d.).
***) Siehe Ueberschwemmung im Jahre 1830. Eine der ärgsten.

und diese war die Ursache, dass man endlich die Sache energisch in die Hand nahm. Es wurde ein neues Comité konstituirt aus Vertretern aller technischen, politischen und anderen Korporationen; demselben lagen bald eine grosse Anzahl von Plänen und Projekten vor; ich erwähne nur einige der hervorragendsten Namen: Pasetti, Baumgarten, Kink, Michalek.
Das Projekt des Hofrathes Pasetti spitzte sich in der Belassung der Donau entfernt von Wien und in der Verbindung mit umfassenden Festungswerken zu; die Hauptstimmen vereinigten sich jedoch dahin, die Donau Wien näher zu rücken, und Wien zu einer Handels- und Schifffahrtsstadt zu machen; diese Tendenz siegte; man stipulirte folgende Punkte:
a) Regulirung der Donau von Nussdorf bis Fischamend.
b) Herstellung eines ganz neuen Normalbettes mit genügender Tiefe.
c) Abbau der Nebenarme.
d) Herstellung genügender Quais, Docks, Häfen etc.
e) Schonung des Praters.
f) Beibehaltung des Wiener Donaukanales und dessen Regulirung *).
Die Detail-Gutachten über die eingelangten Projekte gingen sehr weit auseinander; es wurden daher auch einige fremde Experten geladen, an den diesbezüglichen Berathungen in Wien theilzunehmen, u. A. James Abernethy aus London, H. Hagen aus Berlin, G. Sexauer aus Baden und Tostain aus Paris. Endlich drangen, wie schon gesagt, die Wien als Handelsemporium günstigenden Gutachten mit Abernethy und Sexauer an der Spitze durch; im Jahre 1859 wurde den endgültig gefassten Beschlüssen die kaiserliche Sanktion ertheilt ; die Gesammtkosten waren auf 75 Millionen Gulden veranschlagt, und auf Land, Stadt und Staat zu je ein Drittel repartirt; der Oberleiter des Unternehmens war Hofrath Wex.
Die Regulirungs- Arbeiten stellten sich nun wie folgt dar:
Das früher überverzweigte Bett des Flusses erhielt eine fast geradlinige (gestreckte) Kurve mit einem Normalgerinne von zirka 5 Meter Tiefe und 285 Meter Breite. Mit dem Inundationsbett Breite in toto 760 Meter. Die Quaimauern wurden zum Theile, wo es nöthig schien, auf längere oder kürzere Strecken

*) Kassirung wäre empfehlenswerther gewesen ! Die Regulirung ist mit einer Menge Kosten und kostspieliger Konsequenzen precärer Art verbunden, die übrigens jetzt neuestens gezogen und durchgeführt werden.

sehr solid ausgeführt, zwischen doppelter Pilotage hat man auf eine gewisse Höhe einen Bétondamm aufgeführt, darauf gründet die obere Böschungsmauer, daran schliesst sich nach dem Wasser zu die untere Böschung, Schotter- und Brockenwurf mit Béton vergossen; hinter dieser Masse inklusive dem eigentlichen Béton und der zweiten Pfählung ist gestampfte Erde und Schuttmasse etc. Die Gesammthöhe dieser Böschung von der Sohle des Flusses bis zum Trottoir hinauf beträgt zirka 8`5 bis 8`9 Meter; die Stärke des Hauptbétondammes zwischen der Pilotage beträgt zirka 3 ¼ Meter.
Die Ueberschwemmung von 1876 hat einige Störungen in den Regulirungs- Arbeiten zur Folge gehabt, doch wurden die Hauptprogrammpunkte mit einigen unwesentlichen Modifikationen ganz erfüllt.
Es fehlen noch: der Donauhafen, die Docks- und Separathäfen, der grossgeplante Zentral-Donaubahnhof, die »Donau-Stadt« und der entsprechende Handel und die Industrie, z. B. à Ia Liverpool, Manchester, Newyork etc., eine Kleinigkeit ! Einige »Gschnas- und G'frett«-Arrangements wurden allerdings inzwischen getroffen, aber noch lange wird das Wasser durch das neue Bett fliessen, bis sich die hochfliegenden Pläne der Zentralisten und Optimisten erfüllt haben. Eher wird vielleicht Pest zu einem zweiten London, als Wien nur zu einem zweiten Berlin, bei den förderalistischen Bestrebungen unserer nationalen Heisssporne kann dies nicht Wunder nehmen. Die Regulirung des Donaukanales mit dem Sperrschiff war ein NothbeheIf und hat sich ab und zu ziemlich bewährt, doch bleibt da ebenfalls noch viel zu wünschen übrig; als Schifffahrtskanal hat er oft zu wenig Wasser, als Unrathskanal zu viel ! Eine ähnliche Kalamität besteht mit dem launenhaften Wienflüsschen, welches Einige mit Donauwasser, von Tulln hergeleitet, zu einem Schifffahrtskanal machen, Andere wieder einwölben und den gewonnenen Raum verbauen wollten. Eines ist so gewagt als das andere von beiden Projekten, und beide kosten Unsummen *).
 
*) Gänzliche Ableitung der Wien nach anderen Punkten, z. B. in die Liesing bei Wien, und Benützung des Wienthales für Lokalbahnzwecke wäre, glaube ich, günstiger und billiger. (Im Punkte der Parallele Wien-Pest stehen die Dinge bekanntlich so: für Pest sorgt ganz Ungarn mit Stolz, von Wien wollen alle übrigen Nationen und Natiönchen Oesterreichs nichts wissen, es muss für sich allein sorgen!)
Das jüngst vom österreichischen Parlamente, dem niederösterreichische Landtage und der Kommune Wien beschlossene Gesetz über die Lokalbahnen in Wien, die Regulirung des Wienflusses und des Donaukanales wird diese Fragen zur hoffentlich befriedigenden endgültigen Regelung bringen. A.d.R.
(Fortsetzung folgt.)


ÜBER MODERNE BAUPROBLEME II.
INGENIEURISTISCHES BAUWESEN *).
von L. Tržeschtik, (Fortsetzung und Schluss)

Ein anderes grosses Werk ist die schon erwähnte Regulirung der Themse bei London gewesen.
Man kann sich vorstellen, wenn schon im Schlamme der der Themse zulaufenden Kanäle jährlich Gegenstände im Werthe von einer halben Million Gulden gefunden werden, welche Schlammmassen durch die Kanäle dieser Riesenstadt der Themse allein zugeführt werden, wenn man ferner die durch die Nähe des Meeres, der Ebbe und Fluth bedingten Versandungen, Uferbeschädigungen etc. bedenkt, so kann man sich vorstellen, dass auch die Themse, nachdem lange nichts Bedeutendes zu ihren Gunsten geschah, endlich eine Physiognomie bekam, welche auf Abhilfe drang; diese blieb auch nicht aus und wurde im englischen Charakter, das heisst energisch, praktisch und solid durchgeführt, die Ufer wurden zum grössten Theile neu hergestellt und versichert, es war nöthig, der gewaltig fluthenden Themse ein 7000 Fuss langes und 500 Fuss breites Terrain abzuringen und dasselbe gegen Ebbe und Fluth zu stützen, man schuf daher ein hohes, starkes Bollwerk (coffer dams Caissons) entweder mit eingerammten Pfählen, deren Zwischenräume mit Béton ausgefüllt wurden, oder mit Caissons aus Eisen und Zement. Dieses Bollwerk bildet aber nur das Vorwerk, das eigentliche Bollwerk baut sich dahinter auf und besteht aus schottischen Granitblöcken à 40 Zentner. 7 Fuss hoch über die höchste Fluthhöhe aufgebaut; innerhalb des gewonnenen Terrains placirte man die grosse Hauptkloake; die sonstig gewonnene grosse neue Oberfläche wird zu Fahr- und Fusswegen, Parks, Landungsplätzen und für neue Häuserblöcke benützt. Die Vorarbeiten allein erforderten zirka 500.000 bis 700.000 Kubikfuss Holz, 100.000 bis 150.000 Kubikfuss Granit, 30 Millionen Mauersteine; 300.000 Yards Erde und Schlamm wurden ausgegraben u. s. w.
Hauptsache bei jeder Flussregulirung ist immer:
a) Möglichste Heranziehung an die Ortschaften.
b) Schiffbarmachung.
c) Möglichste Geradführung durch sehr schwache Kurven unterbrochen.
d) Vertiefung des Bettes.
e) Erhöhung der Ufer und der Uferanlagswerke als Bauten etc.

Anmerkung. Zur Flussregulirung gehört naturgemäss auch die Flussversicherung und in weiterer Folge die Seeversicherung, das heisst deutlicher gesprochen: Die Versicherung der See- und Flussufer gegen Einbruch der Hochwässer, Abrutschung und jedwede Deformirung überhaupt. Die Herstellung dieser Stabilität, über welche die technischen Behörden, Staats- und Kommunal-Ingenieure zu wachen haben, ist wichtig für die Benützung der Ufer zu Bauten aller Art, welche vor Schicksalen à la Zug, Zürich etc. bewahrt bleiben sollen, wo bekanntlich ganz neue Stadttheile und Anlagen in den See gestürzt sind. Die Methode, welche hierbei zu befolgen ist, und welche sich auf vollständige geologische Lokalkenntniss nothwendig stützen muss, ist jener, welche bei Leuchtthürnen und Hafenbauten befolgt wird, sehr verwandt. Das Detail hängt von den jeweiligen Umständen ab, und lässt sich a priori nicht spezialisiren und nicht generalisiren. Verwandt mit dieser Branche ist die die Staats- und Landes-Ingenieure in erster Linie angehende Anlage von Ortschaften in der Nähe von gefährlichen Wildbächen, um sie vor Murgängen, Lawinenabsturz etc. zu retten. Bauverbote und mächtige sehr kostspielige Schutzbauten (Dämme, Thalsperren etc.) sind hier die betreffenden Mittel.
Allgemeine Bauzeitung 1894.

 
VIII. Wasserleitungen

Viele der ältesten Städte des Alterthums hatten nur Zisternen, oder waren nur auf einzelne Quellen angewiesen, jene versumpften und waren der beliebte Wohnsitz von Kröten, Schlangen und anderem Gethiere, oder die Brutstätte von Miasmen, viele enthielten nur das aufgefangene Regenwasser *) (vergl. z. B. auch die Atrien der alten Baukunst), mitunter gab es Schöpfwerke, welche Wasser aus den benachbarten Flüssen lieferten. Nutz- und Trinkwasser war von gleicher Qualität, im Sommer bot es keine Labung. Die Aegypter schöpften zur Nachtzeit Wasser und umwanden die Gefässe mit nassen Tüchern oder sie gaben es in unglasirte Töpfe und stellten diese in glasirte etc. Sobald die Städte und mit ihnen die Bevölkerung wuchsen konnte diese urprimitive Wasserversorgung nicht mehr genügen, und so treffen wir denn auch schon im Alterthume auf Wasserleitungen im grossen Style, um die Städte mit gutem Wasser zu versehen. Man brachte mehrere Quellen zusammen, leitete sie in ein sogenanntes »Wasserschloss«, das ist ein Theil- Reservoir oder Sammelbecken. Von mehreren solchen Wasserschlössern wird dann das Wasser in den Hauptkanal geleitet; am Orte der Bestimmung hat man wieder grosse Haupt-Reservoirs, welche jedoch möglichst hoch gelegen sein müssen.
Die ausgezeichnetsten Leistungen in Wasserleitungsbauten zeigen wie in so vielen Dingen die Römer. Eine grossartige und sehr schwierige Wasserleitung war jene der Aqua Claudia, von Claudius vollendet; sie begann zirka 8 ½ Meilen von Rom, bildete einen unterirdischen Strom von zirka 7 ¾ Meilen Länge und lief zirka 2 Meilen an der Oberfläche des Bodens; sie war ⅔ Meilen weit eingewölbt und wurde auf Bögen 1 ¾ Meilen weit in ein so hohes Niveau gebracht, dass alle Hügel Roms mit Wasser versehen werden konnten; sie besteht noch zum Theile und heisst jetzt Aqua felice.
Unter den übrigen altrömischen Wasserleitungen sind besonders zu nennen die von Nismes und Segovia; die erste ist ganz Ruine, lieferte aber einst grosse Wassermassen von der Mosel **), welche in Steinkanälen zur Stadt geleitet wurden. Man führte die Trace auch durch Tunnels und mittelst langer und hoher Viadukte über die weitesten Thäler; unter dem kaiserlichen Inspektor der Wasserleitungen Frontinus (Nerva's Regierung), gab es neue Wasserleitungen, welche Rom mit Wasser versorgten, später erhöhte man die Zahl auf zwanzig. Die Aqua Martia, von Quintus Martius erbaut, begann bei einer 7 Meilen von Rom entfernten Quelle, machte einen Umweg von 3/5 Meilen, bildete

*) Vor Kurzem barst in einer der Städte des Westens ein sogenannter »Wasserthurm«, das heisst ein Reservoir in Thurmform von immenser Höhe; trotzdem er aus starkem Eisenblech gebaut gewesen, so musste doch früher oder später aus hydrostatischen und hydraulischen Gründen eine solche Katastrophe kommen; man wollte durch die große Höhe ohne Zuhilfenahme von Maschinen die leichtere Zuleitung in höher gelegene Stadttheile und Etagen ermöglichen.
**) Die Wasserleitung von Nismes wurde unter Kaiser Augustus aufgeführt und ist einer der edelsten Reste römischer Baukunst in Gallien; sie bestand aus drei Reihen von Arkaden übereinander, die unteren hatten Spannweiten von 60 bis 75 Fuss, die oberen nur von 12 bis 15 Fuss, die Totalhöhe des Baues war 160 Fuss, die Länge 300 Ellen; 1740 war sie noch in einem solchen Zustande, dass man eine Landstrasse darüber hinführte, indem man sie etwas adaptirte.

einen Bogen von 16 Fuss Durchmesser und lief in einer Reihe von Bögen in der Höhe von 70 Fuss, im Ganzen über 7 Meilen weit auf 7000 Bögen. Diese Wasserleitung bildete aber nur das unterste Stockwerk eines dreietagigen Bauwerkes, zunächst darüber liefen wieder Arkaden, welche die Aqua Tepula und über dieser in der dritten niederen Arkadirung, welche die Aqua Julia in sich fasst ! Nach den Resten dieses grossartigen Werkes zu urtheilen, muss dasselbe einen prächtigen Anblick gewährt haben.
Die Kunst der Wasserleitungen hörte keineswegs mit der Römerherrschaft auf. Erwähnenswerth sind: Wasserleitungen von Spoleto, 471von Theodorich, König der Ostgothen erbaut, sie soll jetzt noch erhalten sein, sie zeigt eine Bogenreihe von 800 Fuss, 44 Fuss breit, 420 Fuss hoch, ferner die Wasserleitung von Caserta, 1753 von Karl III. von Neapel erbaut; es ist dies ein Riesenbau mit stellenweise drei Arkaden übereinander, von 190 Fuss Höhe, 1724 Fuss Länge, endlich die Wasserleitung von Lissabon, 1738 vollendet, ist ein drei Meilen langer Prachtbau, und zum Theil durch Tunnels geführt. In der Nähe der Stadt wird sie über ein tiefes Thal geleitet in der Länge von 2400 Fuss über kühnen Bögen und Arkaden mit Spannweiten von 115 bis 250 Fuss !
Von neueren Wasserleitungen ist unter Anderem jene von Bonlidon-St. Clement bei Montpellier als die merkwürdigste zu nennen, sie wurde von Pitôt erbaut und die Arbeiten dauerten 13 Jahre. An einer Stelle sind die Bogengänge 90 Fuss hoch übereinander errichtet, die untere Arkadenreihe enthält 90, die obere 210 Bögen; ferner die Croton- Wasserleitung, welche der Stadt Newyork nach 9 Meilen langem Laufe das nöthige Wasser zuführt, sie wurde 1842 vollendet; sie lieferte 60 Millionen Gallonen in 24 Stunden, die Baukosten betrugen 30 Millionen Gulden. Sie hat eine 15-bogige Arkadirung, davon haben 7 Bogen 50 Fuss und 8 Bogen 80 Fuss Spannung.
Eine der grossartigsten Wasserleitungen der Neuzeit ist jedoch die Wiener Hochquellen-Wasserleitung; sie wird gespeist von der Quelle »Kaiserbrunn« im Höllenthale am Schneeberg und aus den Quellen von Stixenstein und es sind zur Erweiterung noch mehrere Quellen in Aussicht genommen. An beiden Quellen wurden sogenannte »Wasserschlösser« erbaut (reservoirartige Kammern mit Einleitungs- und Ueberlaufröhren); sie haben ein einfaches portalartig und sonst architektonisch geschmücktes Exterieur.
Vom Kaiserbrunnen durchzieht die Leitung, nachdem sie mittelst 2940 Fuss langen Stollen das Höllenthal durchlief und nach der Vereinigung mit der Stixensteiner Quelle, deren Wasser den Schlossberg durch einen 300 Meter langen Stollen passirt, mittelst zwei Aquädukten von zirka 665 Meter Länge, 17 bis 23 Meter Höhe, und drei Aquädukten von 180, 190 und 285 Meter Läge, 9 bis 17 Meter Höhe nebst einigen Stollen, wovon einer 300 Meter lang ist, die Gebirgslehnen und Thäler bis gegen Wien; in Wien's Nähe am sogenannten Rosenhügel, auf der Schmelz, am Wiener- und Laaerberg sind grosse Reservoirs errichtet; von diesen Reservoirs läuft dann ein komplizirtes Röhrensystem in und durch die Stadt. Die Konstruktion der Leitung im Allgemeinen ist mit wenig wesentlichen Unterschieden fast dieselbe wie bei den altrömischen. Der Bau ist grösstentheils ein mit vollendetster Präzision ausgeführter übersolider Rohziegelbau (stark und breit, genug für eine schmalspurige Bahn) mit theilweiser Anwendung, des Hausteines (Badener, Mödlinger und Mauer-Viadukt etc.). Der Wasserkanal ist gedeckt, er läuft theilweise wie in einer Art Tunnel; einige der Stollen sind ausgemauert oder bétonirt; im Wienerterrain geht die Leitung auf das eiserne Röhrennetz über. Die Reservoirs sind berechnet auf zirka 3 bis 4 Meter Wasserstand, resp. 11.000 bis 12.000 Kub.- Meter Fassungsraum; es sind hier Ueberfallrohre von zirka 40 Cm. Weite angebracht. Die eigentlichen Leitungsrohre haben Dimensionen von 8`5 Cm. bis 9'5 Cm. und die Verbindung ist mit Muffen, geölter Hanfdichtung und Bleiverguss bewerkstelligt. Zugleich ist die Einrichtung getroffen, dass die Röhren einen Biegungsradius von 13 Meter gestatten; letztere Rohre sind je zirka 2 Meter lang (1'9 Meter) *).

*) In letzteren Zeiten, nochmehr anfänglich, sind häufig Berstungen von grossen Rohren vorgekommen, was starken Wasseraustritt zur Folge hatte und wodurch die Wasserversorgung ganzer Vierteln empfindlich gestört wurden; seitdem man stärkere Röhren angewendet hat, scheint jetzt dem Uebel besser abgeholfen zu sein.

Für die Absperrschieber wurde die Konstruktion des Ober-Ingenieurs Mihatsch gewählt; dieselbe weicht von den gewöhnlichen Absperrschiebern mit vertikaler Spindel durch Anwendung horizontaler Spindeln ab.
Bei allen Wasserleitungen hat man darauf zu sehen, dass die Leitung als solche nicht zu lang wird, weil sich sonst das Wasser leicht verändert, bis es an den Ort der Bestimmung gelangt. Die Temperatur des Wassers erhöht sich ebenfalls; es ist daher im Falle einer unausweichlich langen Leitung stets besser, dass man dieselbe mit Reservoirs, die vor Sonnenwärme möglichst schützen (selbstverständlich auch vor böswilligen Eindringlingen, Wetter, fremder unpassender Quellen etc.) versieht; man halte die Röhrenleitung nicht zu seicht an der Bodenfläche weil sonst auch hiedurch die Temperatur des Wassers erhöht wird.
Eine neuere ganz interessante Wasserleitung ist jene von München; das Stadtrohrnetz ist 153.081 Meter lang und soll 150 Liter per Kopf und Tag zu liefern im Stande sein. Die Stadtrohrleitung *) ist jedoch nur der dritte Theil des Ganzen; ein anderer Theil von wesentlicher Bedeutung ist die 18 Kilom. lange eiserne Druckleitung (zur Zeit aus zwei parallelen Strängen von Eisenrohren mit 700 Mm. Durchmesser bestehend); der dritte und externste Theil der Leitung ist jene Anlage, welche dazu bestimmt ist, die einzelnen Quellen (hauptsächlich aus dem Gebiete des Mangfallthales) zu sammeln und einem Reservoir zuzuführen. (Haupt-Reservoir bei Deisenhofen), die Schächte und Stollen sind theils aus Ziegel mit Zement, theils in Béton hergestellt und stehen auch mit einem Syphon von 800 Mm. Lichtweite, 396 Meter Länge aus Eisen in Verbindung, sowie mit einem zweiten Syphon von 800 Meter Länge und 800 Mm. Durchmesser, und endlich mit einem dritten von 2689 Meter Länge und 750 Mm. Durchmesser (bei Oberhaching).
Das Hoch-Reservoir besteht aus 2 Kammern, welche durch eine 1`25 Meter starke Mauer getrennt sind; jede derselben ist 82`86 Meter lang, und 82`96 Meter breit, und fasst bei 3 Meter Wasserstand 37.500 Kub.-M. Das Reservoir ist ebenfalls in Ziegeln und Béton resp. Zement ausgeführt und das grösste der Hochdruck-Reservoirs zur Zeit in Deutschland. Die Mischungsverhältnisse für Mörtel und Béton sind: für ersteren 1 Theil Portland-Zement zu 2 bis 4 Theilen Sand je nach Verwendung; für letzteren 1 Theil Portland, 1 Theil Sand, 5 Theile Kies. Der Sand ist reiner scharfkörniger Quarz.
Ueber Betriebsstörungen, Rohrplatzungen und andere Berstungen ist bis jetzt nichts bekannt geworden, doch dürfen sie mit der Zeit nicht ausbleiben, was hier besonders in der Natur der Anlage läge.
Wir wollen nun noch zum Schlusse uns einige Bemerkungen nicht versagen. Der Zweck einer grossen Wasserleitung für eine industriereiche Stadt ist nicht allein, sie mit Trink-, sondern auch mit Nutzwasser zu versehen. Wenn nun das erstere in quanto für letzteren Zweck nicht ausreicht, so bleibt nichts übrig, wenn eine bedeutende Erweiterung von gleicher Qualität nicht möglich ist, als eine spezielle Nutzwasserleitung zu installiren, und da hie und da hiergegen praktische und hygienische Bedenken vorliegen (z. B. Filterwasser aus der Donau bei Wien etc.), Wasser von zwar noch guter, aber minderwerthiger Qualität dem guten beizumischen, indem man Quellen anderer Art, die zugleich sehr ergiebig sind, beizieht. (Neustädter Tiefquellenleitung z. B **)
Die Meinungen hierüber sind leider zum Schaden der Stadt Wien noch immer nicht geklärt.

*) Man verwendet für die Wasserleitungen allenthalben Muffenrohre statt Flanschenröhren; doch haben auch letztere ihre Anhänger; mir erscheinen erstere jedenfalls besser.
**) Wien hätte ausser der Neustädter Tiefquellenleitung, welche proponirt wurde, auch artesische Brunnen, wozu sich die Gegenden von Atzgersdorf, Liesing, Laa etc. ganz gut eignen; doch sind derlei Anlagen theuer und das Resultat unbestimmt. Nach dem schönen Werke von Prof. Suess: »Der Boden der Stadt Wien und Umgebung«, sowie nach »Brunnengrabungen in Soos bei Baden« etc. ist es unzweifelhaft, dass unter der ganzen Ebene von Neukirchen bis zum Laaerberg etc. ein oder mehrere unterirdische See 'n sich befinden. Diese Wassermassen wären für eine Erweiterung der Hochquellen insoferne ganz gut, da sie nach einzelnen Brunnenproben ganz gutes Wasser liefern, bei Soos kommt man stellenweise zuerst auf hartem, wasserlosen massiven Tegel, unter demselben ist stellenweise eine Sandsteinbank von 2 bis 4 Meter Stärke und weiter unter derselben ist Wasser; ein unterirdischer Höhlensee!


IX. Der Bau der Häfen

Von den vielen grossartigen Bauwerken, welche menschliche Kraft und Genie hervorgebracht haben, sind ohne Zweifel  die Bauten an den Küsten von grossen See'n oder Meeren, grossen Flüssen, theils zum Schutze der Schiffe gegen Stürme, theils auch, wenn befestigt, gegen räuberische und andere feindliche Ueberfälle. Solche Bauten sind aber eigentlich ein kühnes Wagniss, denn es gilt dabei den elementaren Gewalten Neptuns zu trotzen, es heisst der gigantenhaften Kraft des Wogenanpralles ebenfalls gigantenhaften Widerstand entgegenzusetzen; wenn die Natur die Anlage eines Hafens aber nicht begünstigt, so ist es schwer, ja unter gewissen Umständen geradezu unmöglich, einen Hafen anzulegen; eine solche Begünstigung ist entweder eine gewisse Formation der Ufer, nicht zu seicht, nicht zu tief, oder die natürliche Formation von Buchten oder Baien. Eine Bucht oder eine Bai ist aber noch kein Hafen im technischen Sinne, sie müssen erst dazu gestaltet werden. Die Schiffe verlangen eine gewisse Wassertiefe, wo sie fehlt, muss dies durch Baggern oder Sprengen nachgeholt werden; die den eigentlichen Hafen bildenden Bauten sind die Hafendämme oder Molos, die nicht selten nicht nur für Ausladeplätze dienen, sondern auch, mit Allee 'n bepflanzt, zu städtischen Promenaden.
Oft ist die Herstellung solcher Molos sehr einfach, aber wenn der Hafen zu den stürmischen zählt, die See stets bewegt ist und das Wasser bald sehr tief wird, so gehören fast übermenschliche Anstrengungen dazu, feste Dämme zu schaffen; erst allmählich und langsam bereitete sich die Kunst des Hafenbau­Ingenieurs vor und entwickelte sich zu gegenwärtiger imposanter Höhe.
Die vorhandenen Aufgaben zu lösen wie sie jetzt gelöst werden, dazu gehörte der Scharfsinn und die Thatkraft vieler Nationen in Jahrtausenden ! Durch die fortwährenden Uebungen in den verschiedenen Zeiten haben sich gewisse Normen stereo- typisirt und schliesslich bildeten sich verschiedene feste Systeme des Hafenbaues aus.
Man unterscheidet hauptsächlich drei Hafenbau-Systeme (nach der Konstruktion an und für sich):

a) Das alte engIische System. Dasselbe spitzt sich in der provisorischen Anlage von Dämmen aus Holz, Eisen oder Erde, mit Zuhilfenahme von Pilotirung zu. Das zwischen diesen Dämmen *) eingeschlossene Meerwasser wird mit grossen Pumpmaschinen ausgepumpt, der Meeresgrund somit trocken gelegt und darauf wird das Fundament aus kolossalen Steinblöcken, mit Kitt-, Eisen- und Schnittverband gesetzt; ist das Fundament fertig, wird bekanntlich der provisorische Damm durch Absägen der Piloten, Demontirung etc. entfernt und man geht in gleicher Weise an das nächste Fundament.
Dieses System galt einst als das solideste, ist aber langwierig kostspielig, und erscheint von neueren Systemen bereits völlig überholt; man warf die Frage auf: Welche grössere Garantie könnte es geben, als wenn die Fundamente im Meeresgrunde selbst vertieft sind ? Und doch wurden mehrfach einige technische Bedenken dagegen geltend gemacht und es bildete sich alsbald ein System der Fundirung aus, welches quasi der Gegensatz von ersterem ist, nämlich

b) Das französische System; dasselbe besteht in der Anwendung riesiger Caissons, die nach älterer Art zuerst in Holz konstruirt wurden, in neueren Zeiten jedoch, besonders nach amerikanischer und deutscher Variante, in Eisen hergestellt werden; in und von diesen nach pneumatischen Gesetzen eingerichteten Caissons werden, während sie schwimmen (und respektive langsam versenkt werden), die Fundamentbauten vorgenommen. Je grösser das Mauerwerk im Inneren der Caissons auf dem Boden anwächst, desto mehr senkt sich der Caisson an den ihn haltenden Ankern sammt den Arbeitern langsam in's Meer. Letzteren ist hiebei natürlich durch besondere, wie bei den Taucherglocken ähnliche Vorrichtungen die Existenz unter Wasser, sowie das Zurückkommen auf die Oberfläche ermöglicht. Auf diese Art wurden auch die Fundamentirungs- Arbeiten der meisten bedeutenderen neueren Brücken vorgenommen. Dieses System hat sich in neuester Zeit ausserordentlich verbessert,

*) Man nähert sich jetzt auch in England mehr dem Caissonsystem (s.d.)

auch allenthalben bestens bewährt, bedarf jedoch eines Korps sehr tüchtiger, robuster, gut geschulter Arbeiter und einer ingeniösen, äusserst umsichtigen Leitung. Das System hat zahlreiche Varianten, die sich, weniger wesentlich verschieden, hauptsächlich nach Lokalumständen bilden.

c) Das ältere deutsche System schlägt einen Mittelweg ein, man fundirt zuerst durch Steinwürfe, grösstentheils mit Ketten und Stangen *) verbundene Blöcke. Diese Steinwürfe, oft, ja meistens verbunden (österreichische Variante) mit unten sich lösenden Zementsäcken, werden solange fortgesetzt, bis sie eine gewisse Höhe unter Wasser erreicht haben, zirka 2 bis 5 Meter; man lässt diese Steinblockwürfe nun 1 bis 2 Jahre ruhen, und gründet dann darauf das weitere Fundament. Auf diesen Blockwurf kommt alsdann, nach dem bezeichneten Zeitraume Béton und hierauf das solide Mauerwerk; für letztere Arbeiten werden ebenfalls Caissons benützt, je nach Umständen. Dieses System vereinigt entsprechende Wohlfeilheit mit Solidität, doch ist es für Brückenjochpfeiler nicht zu empfehlen, weil das klippenartige Postament zur Zeit von heftigen Eisgängen von sehr unangenehmen Konsequenzen begleitet wäre, wie dies jedem verständnissvollen Ingenieur natürlich ganz einleuchtend ist.
Die Dimensionen der Hafendämme und Mauern sind nach dem grossen Anforderungen, um widerstandskräftig gegen den heftigen Wogenanprall zu sein, sehr stark, und je nach den lokalen Umständen (z. B. sogenannte Scheeren, Rheden **), Docks, Leuchtthurm- Verbindungs-Dämme, Molos etc.) auch sehr verschieden.
Eine der bedeutendsten modernen Hafenbauten war jene von Triest; sie waren durch lokale Umstände äusserst erschwert, denn man stiess bei den vorgenommenen Versuchsbohrungen vielfach bis zu einer Tiefe von 16 Meter auf lauter Schlamm oder Sand, Thonmergel, von plastisch-kompakterem bis zu einem völlig breiartigen Zustande. Es gehörte viel dazu, hier nicht allen Muth zu verlieren; moderne Ingenieure kennen aber keine Furcht oder Zaghaftigkeit; so wurde man denn auch dieser Misslichkeiten Herr.
Man half sich so gut es ging, zunächst durch Baggerungen, und beobachtete dabei das Verfahren, dass man in einer noch durch Bagger erreichbaren Tiefe ***) ein Bett für die Steinwürfe, des sogenannten Cyklopenbaues, einschnitt. Dieser Cyklopenbau besteht aus zwei Theilen.
Die erste Lage der Steinwürfe ist mit rohen Karstblöcken bewerkstelligt, im Gewichte von 5 bis 100 Zentner; hierauf kommt nach Herstellung des Nivellements der zweite Wurf mit grossen Hausteinblöcken oder Bétonblöcken von zirka 300 bis 500 Zentner Gewicht, welche ohne Mörtel nach gewissen Regeln der Steinversetzkunst mit Fugen, Graten, Winkelschnitt etc. versenkt werden; dies bildete die Basis. Hierauf kommt, in gleicher Technik gehalten, die Aufführung der Profilmauern, schliesslich wird der Raum hinter und zwischen den Quaimauern mit Erde und Steinabfällen eventuell auch mit Bétonguss ausgefüllt; an einzelnen Stellen modifizirte man überhaupt das ganze System ****).
Hervorragende Hafenbauten älterer und neuerer Zeiten sind: Der Hafen von Genua, mit Gabel- und Scheerenform; ferner die Häfen von Plymouth, Devonport, Cherbourg, Fiume, Sulina, Bregenz, am Suez-Kanal etc. etc. Bei vielen Häfen ist durch Molos eine Art von Kanal markirt zum Einlaufen der Schiffe, doch dies hängt ebenfalls von lokalen Erfordernissen und Umständen ab.
Wir kommen nun zum Schlusse der gesammten Abhandlung
 
*) Die Ketten und Stangen werden besonders im Meerwasser getheert. Die Steinwürfe werden gewöhnlich erst vorgenommen, nachdem durch Baggerung oder Sprengung ein möglichst horizontales Lagerungsbett zu Stande gebracht ist.
**) Die Rheden sind kleinere uneigentliche Hafenanlagen, die oft nur aus einer kräftigen Pilotage bestehen, eine Rhede ist gewissermassen die Skizze eines Hafens. Die Systeme der Form des Hafen, als: Scheeren, Zangen, Kurven und Kanalform etc. sind sehr mannigfaltig, aber mehr nautisch als technisch richtig.
***) Wo dies nicht mehr geht, muss man die Bauer'sche Taucherglocke zu Hülfe nehmen.
****) Der sogenannte »Cyklopenbau« wurde auch beim Bau des Hafens von Marseille angewendet, doch sah man sich in Triest bemüssigt, einigermassen von dem dort beobachteten Verfahren abzuweichen.


X. Der Bau der Leuchtthürme *)

Auch der Bau der Leuchtthürme ist nichts ganz Neues, auch hier hat schon das Alterthum vorgearbeitet.
Der älteste und berühmteste Bau dieser Art war der Leuchtthurm auf Pharos, von Ptolomäus Lagi begonnen, von seinem Sohne PtoIomäus PhiIadelphus zu Ende geführt. Pharos ist eine kleine Insel der Bai von Alexandrien. Der Leuchtthurm stand auf einem Felsen weissen Marmors, war von viereckiger Form und 450 Fuss hoch, er hatte mehrere Stockwerke und Galerieen und eine »Laterne« auf dem Gipfel, welche man mehrere Meilen weit sah **).
Der Koloss von Rhodus ist ein anderes Werk dieser Art; es war dies eine erzene Kolossalstatue mit weit ausgestreckten Beinen, die die Durchseglung grosser Schiffe gestatteten. Die Statue war Apollo geweiht; eine Treppe war innen enthalten, welche nach den oberen Theilen führte. Die ausgestreckte rechte Hand hielt ein Becken zur Aufnahme eines Leuchtfeuers. Die Höhe der Figur betrug 105 Fuss. Die Herstellung der Statue dauerte 12 Jahre, und sie stand 56 Jahre, wurde aber dann durch ein starkes Erdbeben umgeworfen. Man hat weiter keine Nachrichten von diesem Unikum als von PIinius und einem französischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts, Namens Blaise de Vigenère, die Beschreibungen der Beiden wurden stets ohne weitere Untersuchung als richtig angenommen.
Der berühmte Leuchtthurm von Corduan ***) in Frankreich wurde 1584 begonnen und 1610 vollendet; er steht auf einem niedrigen Felsen zirka 3 Meilen vom Lande, an der Mündung der Garonne. Der untere Theil besteht aus einer gemauerten Plattform, über welcher sich die Stockwerke aufbauen. Der Umfang verringert sich gegen oben, die Höhe des Thurmes beträgt 15 Meter und derselbe ist noch im vollen Gebrauche; in der »Laterne« sind Reflektorlampen angebracht.
In England ist der berühmteste Leuchttturm jener von Eddystone, einem niedrigen Rifffelsen südwestlich von Plymouth, zirka 3 geographische Meilen von hier, 2 ½ geographische Meilen vom Kap Ramhead entfernt. Das Riff erstreckt sich durch den Kanal auf zirka 200 Ellen und erhält allmählich nach Süden zu ¼ Meile lang eine schräg abfallende Richtung, so dass die Wellen gleichsam wie auf einer schiefen Ebene bis auf wenige Faden Thurmesabstand vom ausgesetzten Felsrande hinanlaufen, sich dann plötzlich an einem Vorsprunge brechen, und eine 40 bis 50 Fuss hohe Brandung bilden, dies ist die schwache Seite der Situation. Die Nothwendigkeit eines Leuchtthurmes daselbst wurde schon Jahrhunderte hindurch erkannt, aber es fand sich Niemand, der es gewagt hätte, an dieser bösen Stelle ein solches Werk aufzuführen. Da fand sich mit Ende des 17., respective Anfangs des 18. Jahrhunderts, ein Mann, der den Muth und das Können besass, ein solches Unternehmen zu riskiren; sein Name war Winstarley, er erhielt die Konzession zum Bau, welchen er in Holz auszuführen gedachte. Der Bau dauerte vier Jahre und WinstarIey war von der Festigkeit seines Baues so überzeugt, dass er erklärte, er wolle selbst bei dem heftigsten Orkane dort verweilen. Im Jahre 1703 sollte ihm der Wunsch erfüllt werden, er blieb zu Nacht mit einigen Arbeitern und Schiffern im Thurme und der Bau verschwand in derselben Nacht in den Wellen; er war aus den besten und festesten Hölzern der Welt ****) mit eisernen Bolzen und Klammern hergestellt und man dachte, das elastische Material sei besser als ein hartes unbiegsames, er hatte die Grundform eines Baumes. 1709 baute ein Mr. Rudyard einen zweiten Leuchtthurm wieder aus Holz, welcher nach 46 jährigem Bestande abbrannte (1755). Nun frug man den berühmten Ingenieur Smeaton um Rath; er sprach sich sofort für einen Bau in festen Steinen aus, mit gefügten, verzahnten und verklammerten Steinen, die Form eines Eichenbaumes behielt er ebenfalls bei †).
Man begann den Bau 1757 und vollendete ihn 1759. In den Fels, welcher nach Südwest schräg sich neigt, sind horizontale

*) Einiges über Leuchtthürme wurde auch in einem früheren Aufsatze dieses Journalen (»Ueber den Bau der Thürme«) besprochen; ich konnte mich daher etwas kürzer fassen.
**) Jetzt befindet sich dort das Fort Favillon.
***) Erbaut von dem französischen Ingenieur und Architekten Louis de Foix, begonnen nach anderen Quellen unter Heinrich II. von Frankreich 1547 bis 1559.
****) Eiche, Teakholz, Eisenholz, Bambus etc.
†) Auch der Leuchtthurm von Bellrock; hat diese Form.

Rinnen und Stufen gehauen, in welche man feste Sandsteinblöcke und Granitwerkstücke mit sogenannten »Schwalbenschwänzen« eingefügt hatte und sie ausserdem mit starkem Mörtel verband. Das Ganze ist bis zu einer Höhe von 35 Fuss von der Basis (Fundament) aus eine feste Masse von Steinen, die durch verschiedene Mittel zusammengehalten werden *). Der Bau hat vier Stockwerke und auf der Spitze die sogenannte »Laterne« mit Galerie. Die Gesammthöhe ist zirka 25 Meter, er ist seit seiner Kompletirung und Verbesserung ganz intakt und hat jeder Wuth der Elemente Widerstand geleistet.
Gleich bemerkenswerth ist der Leuchtthurm von Bellrock, einem Riff unter dem Wasser, 2 ½ Meilen vom Vorgebirge Red Head (schottische Grafschaft Forfare) nächst der Einfahrt zum Firth of Forth and Thay. Der Rücken dieses Riffes ist 850 Ellen lang und 115 Ellen breit, bei Ebbe ragen einige Klippen daraus hervor, zirka 4 bis 8 Fuss über das Meer. Das Werk wurde dem schottischen Ingenieur Stevenson übertragen, 1808 begonnen, 1810 vollendet. Der Bau hatte grosse Schwierigkeiten; der Leuchtthurm hat 42 Fuss Durchmesser an der Grundlage, 13 Fuss Durchmesser oben. Die Höhe des Thurmes inklusive Laterne ist 115 Fuss, die Aufsteigung vom Fels bis zu 30 Fuss geschieht mittelst einer Art Fallschubleiter; von hier geht dann eine Wendeltreppe bis zur Laternengalerie und hier sind dann eiserne Leitertreppen angebracht; einzelne Zimmer sind mit einer hölzernen Treppe unter einander verbunden. Die Fenster sind sämmtlich doppelte Schiebefenster mit doppelstarkem Spiegelglas, aussen durch einen hölzernen Fensterladen noch obendrein geschützt, denn die wilden Wogen schlagen nicht selten bis an das Glas der Laterne ! Diese hat eine eiserne Galerie.
Andere nennenswerthe Leuchtthürme sind z. B. noch der Leuchtthurm von Plymouth aus Granit. erbaut, 5 Stockwerke hoch, mit 12 Fuss über der Brandung gelegenen, doppelten Erzthüren, bronzenen Fensterrahmen, in welchem dreifach dickes Spiegelglas verfalzt ist. Die Höhe des Thurmes ist 120 Fuss vom Boden der See an; 1843 vollendet, konsumirte der Bau desselben 4 Millionen Tonnen Bruchsteine und 80.000 behauene Granitblöcke. Ferner der Leuchtthurm von Brüsterort an der Ostsee (1845 erbaut, achteckig, aus Ziegeln, 95 Fuss hoch über Erde, 108 Fuss über Meer, innen mit Wendeltreppe von 120 Stufen, welche sich um einen hohlen Mauerkern (als Spindel) dreht; bemerkenswerth ist der Beleuchtungsapparat, welcher, rotirend, die Fresnel'schen Linsen in Bewegung setzt, welche ein grelles Licht geben. Diese Linsen sind mit parabolischen Spiegeln in Verbindung u. m. A. (vergl. sp.).
Ich will nur noch in Kurzem die Haupttheile eines Leuchtthurmes besprechen und daran einige entsprechende Bemerkungen knüpfen. — Die Leuchtthürme bestehen bekanntlich im Allgemeinen aus folgenden Partieen:
1. Aus dem Hauptfundamente; 2. aus dem eigentlichen Unterbau (1.Abtheilung); 3. aus dem Unterbau (II. Abtheilung); 4. aus dem eventuellen Unterbau (III. Abtheilung) (über Fluth); 5. aus den Etagen des Oberbaues oder Thurmschaftes [zuweilen hat schon die oberste Unterbauetage oder die erste Etage des Oberbaues eine Terrasse (oder Galerie)]; 6. aus dem Thurmhalse als der vorletzten Etage; 7. aus dem Thurmkopfe mit Galerie; 8. aus dem Laternenbau, gewöhnlich in Eisenkonstruktion **).
Für das Fundament muss ein besonderer Mörtel oder vielmehr Kitt (Zement verträgt das Meerwasser meistens nicht, das heisst die gewöhnliche Sorte) angewendet werden, man wendet den Portlandzement und die meisten Zemente mehr im Innern des Mauerwerkes, nicht an den Fugen an. Von der Steinverzahnung, Bleiverguss, Eisenzapfen, glühenden Spannketten, Ankern und Schliessen haben wir schon Erwähnung gethan. Die Eisenkonstruktion für die sogenannte Laterne muss solid in Schmiede- und in Walzeisen ausgeführt und für die starke Ausdehnung durch hitzendes Beleuchtungsmaterial (Petroleum, Oelgas, Holzgas) berechnet sein.

*) Solche Mittel sind: Bleivergossene eiserne Klammern, Anker, Schliessen und endlich auch Ketten, welche glühend um die Thurmmauer aussen in gewisser Höhe herumgelegt werden und sich dann entglüht, stark zusammenziehen, wodurch die Mauertheile mit immenser Kraft zusammengehalten werden.
**) Diese Anordnungen erfahren mitunter und nach Umständen manche Abänderungen, so sind z. B. Abtheilung 2, 3 und 4 vereinigt, ebenso 7 und 8, selbst mitunter auch 6 u.s.w.

In neuester Zeit hat man ausser Gasglühlicht *), auch Magnesiafackeln versucht, was sich nicht praktisch bewährte; viel empfehlenswerther ist das Hydrooxygen-Zirkon- Licht, das prachtvollste, was die Neuzeit erfand, sodann das elektrische. Mag jedoch was immer für eine Beleuchtung gewählt sein, so wendet man doch noch immer Reflektoren an.
Man hat auch verschiedene Eisenkonstruktionen für Leuchtthürme totaliter vorgeschlagen, doch bin ich gar nicht dafür. Was die Elastizität im Gefolge hat, zeigte der Leuchtthurm von Eddystone, der Wiener Stephansthurm, der Eiffelthurm und mehrere andere Bauwerke. Ein Leuchtthurm muss wie ein Diktator unbeugsam sein, diese starre Unbeugsamkeit kann nur ein kolossaler Steinbau leisten **), gibt es doch Fälle, wo selbst sehr massiv gebaute starke Fabriksschornsteine sich in Stürmen wie die antiken Fidelbögen krümmten !
Angesehene Ingenieure haben sich in der Gegenwart mit dem Bau von Leuchtthürmen befasst und es sind dabei manche schöne Erfahrungen gemacht worden (so z. B. bei dem Leuchtthurme von Bogskär in Finnland), jedoch hat man im Wesentlichen nichts Anderes und nichts Neueres gebracht, als was vom Verfasser dieser Abhandlung schon vor mehreren Jahren in der Romberg'schen Zeitschrift und auch in diesem Journale besprochen respektive proponirt worden wäre.
Man kann nun für moderne Leuchtthurmbauten ungefähr drei Kategorieen annehmen:

a) Der ganze Bau wird aus guten Quadern ausgeführt, welche schon durch den Steinschnitt so beschaffen sind, dass sie ***) sich gegenseitig ganz gut und sicher verbinden,

*) Das Gas kann in luftdicht verschlossenen schmiedeeisernen Flaschen oder kupfernen Ballons zu Schiffe, oder wenn der Leuchtthurm auf einem Molo steht, zu Wagen hingeschafft, eventuell aber auch hingeleitet werden.
**) Fundamente: 2 bis 5 Meter dicke Mauern; obere Etagen: 1 ½ bis 3 Meter; Hals und Kopf 1 ½ Meter; Fenster nicht höher als 1 Meter, nicht breiter als ⅔ Meter; Glastafelstärke 3`5 bin 7'5 Mm. stark.
***) Die Klammern und SchIiessen oder Anker haben im Durchschnitte die bekannte Form: die eisernen Balken dienen zugleich zur Befestigung. Diese erste Kategorie ist nach meinem Dafürhalten und nach den Erfahrungen vieler, besonders älterer Ingenieure, die beste und sicherste.

wobei noch durch Klammern, Schliessen, Umfassungsketten oder Ringe aus Eisen etc. nachgeholfen wird, abgesehen von Zementmörtel, Steinkitt, Bleivergiessung u. s. w. oder

b) der Unterbau wird in der vorbeschriebenen Weise aus Quadern konstruirt, der Oberbau jedoch, vom Abschluss des 1. Stockwerkes nach oben zu gerechnet, wird aus doppelwandigem Eisen hergestellt, oder endlich

c) der ganze Bau ist mit Ausnahme der untersten Fundamente ganz aus durchgehends doppelt verankertem, doppelwandigem Eisen (Walz- oder Schmiedeeisen) hergestellt.
Die Form der Leuchtthürme ist immer und seit langer Zeit her ziemlich unverändert die eines Kegels, oder eines geschweiften Baumstammes. Man hat gewöhnlich bis zur Beleuchtungskuppel (Laterne) 5 bis 8 Stockwerke. Die Gesammthöhe von der Sohle bis zur Spitze beträgt im Allgemeinen selten weniger als 20 bis 25 Meter, selten mehr als 40 bis 60 Meter.
Man sucht womöglich immer die Fundamente, das Erdgeschoss und die ersteren Geschosse bis zur Höhe von 25 bis 30 Meter sehr massiv herzustellen und alle Oeffnungen unter Fluth auf das nöthigste zu beschränken. Die Thüren macht man aus dickem Eichenholz mit verkupfertem starken Eisenblech beschlagen *), die Fensterrahmen aus verkupfertem Eisen oder Bronze.
Einige Ingenieure haben .sowohl für Stein-, als auch für Eisenbau vorgeschlagen, eine gebündelte starke Eisensäule durch den ganzen Thurm vom Fundament bis zur Spitze gehen zu lassen, welche jedoch ein kleines Virement von Beweglichkeit haben sollte. Andere, und darunter bedeutende Physiker und Mathematiker, sind aber wieder dagegen und bezeichnen eine solche Kernsäule als ungünstig, besonders bei Steinbau. Manche eigenthümliche Erfahrungen, welche man bei Kirchenthürmen (z. B. St. Stephan in Wien) gemacht, scheinen auch fast die ausgesprochenen Befürchtungen zu bestätigen, doch sind noch immer die Meinungen hierüber sehr getheilt, weil das Erfahrungsmaterial eine bestimmte Anschauung in keiner Beziehung noch zulässt.

*) Besondere Falzvorrichtungen mit Kautschuk etc. verhindern beim starken Wellenanschlag das Eindringen von Wasser.