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Autor: Langhans, Carl Ferdinand
In: bisher unveröffentlichtes Dokument des Kgl. Preußischen Oberbaurats Carl Ferdinand Langhans im Zusammenhang mit dem Leipziger Theaterbau aus den Ratsakten der Stadt Leipzig
 
Stellungnahme zur Änderung seiner Theaterpläne von den begutachtenden Architekten Constantin Lipsius und Bauinspektor C. Kanitz
 
Das hochgeehrte Schreiben eures Wohllöblichen Rates der Stadt Leipzig, vom 17.d. mit welchem ich zugleich die Zeichnungen meines Projektes für des Leipziger neue Theater zurück erhalten habe, beehre ich mich hierdurch gehorsamst zu beantworten.

Die Hauptpunkte welche das geehrte Schreiben enthielt, sind:
1. mich über die gewünschte Bühnenverengung und zwar um etwa 4 Fuß hinsichtlich der Wirkung welche das auf Zuschauerzahl haben würde auszusprechen.
2. Meine Ansichten über die Meinungsäußerungen der Herren Stadtverordneten und die Zeichnungen, welche darauf Bezug haben, meine Ansichten mitzuteilen. Dabei aber zu erörtern, ob diese Weite ohne Kostenerhöhung erfüllt werden könnten.

Was den 1. Punkt betrifft, so muss ich vorausschicken, dass ich einen großen Wert darauf setze, dass die Brüstungen der Proszeniumslogen nicht hinter dem Proszeniumspfeiler zurück liegen, sondern so weit vor demselben hervorspringen, dass die Gesichtslinien der in der vorderen Reihe des 1. Ranges und sogar die der 2. Reihe auch freie Einsicht in die Bühne behalten. Wollte man durch irgend einen Vorrichtung diesen Proszeniumspfeiler nach Belieben vorrücken können, um die Bühne zeitweise zu verengen, so würde unbedingt mein oben bezeichnetes System der Gesichtslinien, zunächst des Proszeniumspfeilers auf das Empfindlichste gestört. Wenn meine Proszeniumsweite 43 Fuß Pr. angenommen wird, so gilt dies für die Weite zwischen den beiden Pilastern, welche die Bühnenweite einschließen. Weiter unten, wo die beiden Postamente für die Statuen sich befinden, verengt sich die Bühnenöffnung. Schon um circa 3 Fuß Pr. endlich wird die eigentliche Bühnenöffnung durch den Manteau d’arlequin, die feststehende Draperie unmittelbar hinter dem Proszeniumspfeiler auf 40 Fuß Pr. eingeschränkt. Durch diese Stellung leiden die Gesichtslinien vor den Proszeniumslogen nicht, und meine Proszeniumsweite stellt sich also nur auf 40 Fuß und nicht 43 Fuß Pr.

Ist nun noch ferner eine bedeutendere Verengung der Bühnenöffnung von Nöten, oder erwünscht, so kann diese auf folgende Weise bewerkstelligt werden: Hinter dem beschriebenen Manteau d’arlequin, folgen tiefer in die Bühne hinein, von diesem etwa 5 Fuß entfernt, 2 Kanäle für Kulissen, welche über die ganze Bühne querüber geschoben werden können. Auf dem 1. dieser Kanäle werden gemalte Draperien gestellt, welche sich mit einer darüber hängenden Decke (Soffitte) verbinden und sich so weit in die Bühnenöffnung hinein schieben lassen, wie man wünscht. Hiermit kann also nun jede beliebige Verengung der Bühne gemacht werden und zwar so, dass dadurch die Gesichtslinien nicht so leiden, als durch ein Verrücken des Proszeniumspfeilers. Schiebt man diese Draperie etwa auf jeder Seite um 3 Fuß weiter von dem Manteau d’arlequin nach der Mitte der Bühne zu. So wird dadurch die Bühnenöffnung auf 34 Fuß Pr. beschränkt; wobei noch immer die Gesichtslinien des Proszeniums bis auf die Mitte des Hintergrundes der Bühne frei bleiben. Auf den 2. Kanal hinter der Draperie können dann nach Belieben andere Dekorationsstücke gestellt werden, wenn sie dort nötig werden. Das Verfahren hat zum Beispiel der Maschinist des Viktoria Theaters nicht erkannt, die Bühne zum Nachteil der Logen durch Verrücken des Proszeniumspfeilers verengt und so auf immer den Gesichtslinien der nächsten Logen großen Schaden getan. Die Gardine streift da dicht an dem Manteau d’arlequin und hindert da die höchst nötige Beleuchtung anzubringen.

Das Schriftstück verlangt eine Verengung der Bühnenöffnung bis auf 21½ Ellen. Meine vorgeschlagene Verengung aber geht, sogar mit Leichtigkeit auf 19 Ellen zu bewerkstelligen. Ich glaube nicht, dass nun noch nötig wäre den Zuschauerraum zu beschränken. Jeder Theaterunternehmer welcher sich überzeugt, dass er nach Belieben auf eine Bühnenweite von 19 Ellen einschränken kann und dabei doch die Einnahmen von 1800 Zuschauern erreichen kann, wird gewiss gegen jede Einschränkung des Letzteren stimmen. Aber diejenigen welche glauben durch die Verengung der Bühnenöffnung einen Vorteil für Zuschauer zu gewinnen, befinden sich in einer ganz falschen Ansicht. Verengt man das Proszenium, um den Zuschauer näher der Schauspieler zu bringen, so bedenkt man nicht, dass doch der Zuschauer im Fond der Logenhäuser drei mal so weit von ihm entfernt sein muss! Es ist also damit nur dem kleinsten Teil des Publikums gedient. Je  breiter das Proszenium und je kürzer der Zuschauerraum sein kann, umso viel besser ist das Theater. Den 2. Punkt über die gewünschten Veränderungen welche das Schriftstück und die beiliegenden Pläne enthalten, mit dem Schlusssatz: „ob auf diese Wünsche ohne Kostenerhöhung einzugehen sein möchte“ würde ich versuchen auf folgende Weise zu beantworten.

Die Kostenberechnung des Baues ist (meines Wissens) auf 480.500 Tl veranschlagt. Trennt man nun von dieser Summe 20.000 Tl für Dekorationsdotation, so verbleiben als wirkliche Baukosten 460.500 Tl. Mein Projekt enthält 45.961 E² Lzg. (Ich werde mich von jetzt ab nur des Leipziger Maßes bedienen) 460.500 Tl auf 45.961 E² verteilt geben pro E² 10 Tl 7 dz.

Das erste der neuen Projekte, in zwei Grundrissen und einer Fassade bestehend, enthält in seiner Grundfläche 49.574 E², a 10 Tl 7 dz gerechnet gibt 496.703 Tl
übersteigt also den Anschlag von 460.500 Tl
um 36.203 Tl

Das 2. Projekt (ein Grundriss ohne Fassade) enthält in seiner Grundfläche 54.952 E² gerechnet a E² 10 Tl 7 dz geben 550.588 Tl
Anschlag 460.500 Tl
übersteigt also den Anschlag um 90.088 Tl

Aus dem verehrten Schreiben Eures Wohllöblichen Stadtrates vom 17. d. geht ferner hervor, dass ich meine Ansichten über die mir mitgeteilten Wünsche der Herren Stadtverordneten, welche durch die neuen Pläne bezeichnet sind, mitteilen möge. Ich erlaube mir daher auf die Beleuchtung der in dem Schriftstück enthaltenen 7 Punkte hiermit näher einzugehen.

Ad 1. Der Raum im 4. Rang meines Planes geht bereits teilweise auf die Decke des darunter liegenden Foyers so viel hinüber, als nötig war um die erforderlichen Zuschauerplätze zu gewinnen. Sollten dort noch mehr Plätze geschaffen werden, so ist zu bedenken, dass für jede Reihe mehr eine Steigung 20 bis 22“ nötig wird, dass aber, wenn das Gebäude überhaupt nicht noch erhöht werden soll, die Zuschauer zu nahe mit dem Kopf an die Decke kommen. Wird aber die Decke des Zuschauerraumes deswegen gehoben, so wird die innere Höhe des Logenhauses höher wie die des Dresdner Theaters! Der 4. Rang meines Projektes fasst 460 Personen, der 4. Rang im Berliner Opernhaus nur 400. Berlin hat 500.000 Einwohner, Leipzig noch nicht 100.000. Das Verhältnis für das Letztere, wird also auch wohl (für die sog. „Kleinen Herren“) ausreichen!

Ad 2. Die kleineren Korridore hinter den Logen sind in meinem Plan 3½ Ellen i. e. 7’ breit angenommen, welche für diese Korridore genügt, indem sie für eine nur geringe Zahl von Logen bestimmt sind, welche zusammen nur resp. 39 und 37 Personen fassen, welche sich also in diesen Räumen bequem bewegen können, weil sie nicht von dem übrigen Publikum gedrängt werden.

Ad 3. Die Anlage einer massiven Logenraums betreffend, so ist wohl hier irrtümlich eine Holzwand vermutet worden, das trifft aber nicht zu. Diese Wand ist in meinem Projekt als ein starker Eisenbau angenommen, welcher hinsichtlich der Feuergefahr solider als eine Mauer ist. Außerdem gewährt dieser Eisenbau mehr Raum und ist bis unter die Decke des Zuschauerraums hinaufgeführt, wo er noch Träger des Dachverbandes ist. Es könnte also auch auf diese

Ad 4. Weise eine Überwölbung des Foyers auf eisernen Trägern stattfinden (wenn die Baugelder hinreichen)?!

Ad 5. Findet dieselbe Bedingung statt.

Ad 6. Die „organisch künstlerisch geschlossene Seiten-Fassade welche auf dem Gebäudekörper“ des Logenhauses passen soll, halte ich für unnötig, weil sie einen Mehraufwand von 90.000 Tl herbeiführt! Das Papier ist sehr willig und man kann darauf sehr viele Linien ziehen, aber unter gewissen Umständen kann eine einzige Linie mehr, mehrere Tausende kosten! Ich glaube, dass man sowohl den Zweck als die Mittel im Auge behalten muss. Aber gesetzt auch die Mittel seien vorhanden, so muss dann doch nicht etwas ganz Unzweckmäßiges hingestellt werden. Ob nun mit dem neuen Projekt etwas Schönes und zugleich Zweckmäßiges erreicht würde, will ich etwas genauer in Betracht ziehen.

Die Herren Zeichner der neuen Projekte sind von dem Gesichtspunkt ausgegangen, es müsse aus dem Logenhause ein neuer „Gebäudekörper“ geschaffen werden, damit die Pavillons auf die Mitte dieses Gebäudekörpers gerückt werden können. Ich dagegen habe den Teil des Theatergebäudes für den „Gebäudekörper“ erklärt auf dessen Mitte die nötige Erhöhung für den Schnürboden, als Gloriet symmetrisch gestellt ist den Halbkreis des Logenhauses sehe ich nebst den Pavillons und Verbindungsgalerien als Anbau an das Hauptgebäude (Gebäudekörper)? an. Um aber mit Gewalt einen neuen Gebäudekörper zu schaffen, hat man ein zu meinem Hauptgebäude gehörigen Eckrisalit hervorspringen lassen und also von demselben getrennt, wodurch nunmehr das Gloriet nicht mehr auf der Mitte meines Hauptgebäudes sondern mit seiner Vorderwand auf dem neuen Gebäudekörper ruht, (man könnte sagen hukt).

Ich bin der Meinung, dass bei der gegebenen Situation des ganzen Gebäudes die Seiten-Ansichten nicht von so großer Wichtigkeit sind, um da eine abstrakte Symmetrie im Äußeren zu erzwingen, welche die ganze innere Einteilung unbrauchbar macht. Die Seiten-Fassaden werden von den umgebenden Parkanlagen und hohen Bäumen größtenteils gedeckt, so wie sich schon auf der Morgenseite die Promenade vorüber zieht. Sollte das letzte größere Projekt zur Ausführung beliebt werden, welches über 400 Fuß Breite erfordert, so würde freilich die linke Baumreihe von der Promenade auf der Ostseite eingehen müssen und auf der Westseite würde kaum Platz übrig bleiben um die Straße (wie beabsichtigt wurde) verbreitern zu können.

Ohne mich noch weiter über diese Meinung verschiedener Seiten auszulassen, will ich nun noch das Fernere der einzelnen Teile der Pläne in Betracht ziehen.

Ad 7. Die Herrn Architekten sagen:
Man müsste die Konditorei und Wirtschaftslokale in große Säle umwandeln, damit man Proben, Musikaufführungen und Ballettübungen etc. darin halten könne, das wäre bei dem sonstigen Mangel an solchen Sälen geboten!

Dies war nun wohl eigentlich in dem Programm für das Theater nicht gesagt. Allein wir wollen diese großen Säle näher betrachten.

An den beiden miteinander übereinstimmenden Grundrissen sind solche Säle in der unteren und der oberen Etage angegeben. Sie sind 73 Fuß lang und 44 Fuß breit. Betrachten wir zuvörderst die unteren als Konditorei und Restauration, so überfällt uns ein gewisser Schauer. Wir fragen: Wie viele Gäste haben darin wohl Platz? Gewiss 150 bis 200. In Berlin bei 500.000 Einwohnern sind diese Orte abwechselnd mit kaum 20 – 30 Personen besucht. Frequenter wird es auch wohl in Leipzig bei 100.000 Einwohnern nicht sein. Wie werden diese 20 – 30 Personen sich wohl in den großen Sälen befinden. Wie sollen solche Säle im Winter behaglich erwärmt sein und wie viel wird die Beleuchtung kosten? Wie wird die Bedienung geschehen? Nebenlokale sind nicht vorhanden. Da steht neben dem 1. Grundriss geschrieben: Wirtschaftsräume liegen im Souterrain. Ob diese Räume wohl etwas Tageslicht erhalten können? Das ist noch sehr problematisch und muss von den Herrn Architekten näher angegeben werden. ------ Also wo sind die Eingänge in diese Wirtschaftsräume? Der Saal hat von 4 Seiten große Glasöffnungen. Da ist kein Abgang in das Souterrain zu denken. Also wie kommt man aus dem Saal ins Souterrain – oder umgekehrt, wie soll man den Saal vom Souterrain aus bedienen? Vielleicht wäre es möglich bei C unter den kleinen Nischen einen Kellerhals anzulegen, dann könnten vielleicht die Speisen und Getränke durch die Glastür D in den Saal gebracht werden. Ein mühseliges Geschäft. Die warmen Speisen würden kalt und das Gefrorene vielleicht geschmolzen in den Saal gelangen!

Ich weiß nicht, ob ich noch nötig habe mehr zur Illustration dieses Lokales zu sagen. Aber ich habe die Überzeugung, dass kein Ökonom da bestehen kann. Heizung, Beleuchtung und Bedienung stehen nicht im Einklang mit dem geringen Besuche, der sich in dem weiten Lokale verliert.

Ich mache mich nun zu der Unterfahrt A. Diese Unterfahrt ist ganz frei und durchsichtig gedacht. Man soll in dem mittleren Bogen einfahren und von da eine Freitreppe, 11 Stufen, hinauf und durch eine Glastüre? in das Vestibül des Parketts gelangen. Die ärgste Unannehmlichkeit von dieser Anlage ist, dass man bei jeder Witterung und bei jedem Zugwinde welche in dieser offenen Halle hausen können, vom Wagen aus die 11 Stufen im Freien hinaufsteigen muss. Wie viel unangenehmer dies beim Herausgehen aus dem Theater sein wird ist sehr leicht zu erachten. Die zweite Unannehmlichkeit ist, dass man im Vestibül mit dem Publikum des Parketts zusammen trifft, welches aber beim Hinausgehen nach Ende der Vorstellung noch viel lästiger wird. Die Logentreppen sollten, nach meinem Plan, ungestört zum 1. Rang führen, was unter gewissen Umständen sogar notwendig wird. Die Salons, welche hinter den Proszeniumslogen lagen und auch zu Leseproben dienen sollten, sind verschwunden! und an deren Stelle die Logentreppen gelegt, welche nun anstatt der doppelarmigen, einfache Treppen geworden sind. Die geräumigen Garderoben, welche hinter Parkett-Proszeniumslogen lagen, sind durch die Treppe verdrängt und ein kleiner Garderobenraum unter dem Treppenarm ist dafür bestimmt!

Die großen Säle in den Pavillons des 1. Ranges (anstatt der Konditorei und Restauration) haben kein Nebengelass. Sie haben dieselbe Größe wie die anderen. Sie sollen zu Konzerten, Proben und Ballettübungen etc. dienen. Zu all diesem Gebrauch ist es unerlässlich Nebengelasse zu haben. Zu den Konzerten sind Nebenzimmer nötig um Instrumentpulte und Noten aufzubewahren. Es sind Notenzimmer für Sänger und Musiker nötig und endlich muss ein bedeutender Raum in der Nähe sein um Sessel und das ganze aufzustellende Orchesterpodium zu beherbergen. Auch die Beleuchtungsanstalt bedarf eines Lokals. Bei den Tanzübungen sind Nebengemächer zum Umkleiden unentbehrlich, welche heizbar sein müssen. Zu den Tanzproben ist der Saal doppelt so groß als wie er nötig ist und doch muss er erwärmt werden können. Was nun den öffentlichen Gebrauch dieser Säle anlangt, so zeigen sich dabei wunderbare Kollisionen. Eine Konzertaufführung am Abend lässt sich kaum denken, weil diese Säle keinen anderen Zugang haben als die Logentreppen. Welche Verwirrung würde es geben, wenn das Konzertpublikum sich mit dem Theaterpublikum trifft. Wie wäre da eine Kontrolle möglich? Selbst bei Morgen- oder Mittag-Konzerten, würden die Theaterproben gestört werden und alles was in die Säle an Meubles und dergleichen gebraucht werden sollte, müsste über die Logentreppen transportiert werden, weil kein anderer Zugang zu den Sälen ist. Sollte man nun gar, des Ertrags wegen, Diners und Soupers in den Sälen sich vorstellen, so würde die Mischung der Dinierenden mit dem Theaterpublikum zu wunderbaren Sinnen führen können!

Die Herren Architekten haben nun zwar auch einen etwas veränderten Grundriss beigefügt in welchem der Versuch gemacht ist, kleine Wendeltreppen an den Ecken der großen Säle anzubringen auf denen etwa das dienende Personal auf und ab und bis zum Souterrain gelangen könnte, um Speisen u. d. zu transportieren, allein für einen besonderen Aufgang in die Säle für Gäste ist noch lange nicht gedacht. Auch ist in diesem Plan einer Retirade gedacht worden, welche man dem Treppenraum zu den Logen geraubt und dadurch die Treppen selbst verengt hat. Allein die Türe liegt dicht an der Logentreppe, wo das elegante Publikum auf und ab geht. Diese Verbesserungen haben aber die Ausdehnung des Projektes bis auf 90.000 Tl Mehrkosten gebracht.

Die Stufen, welche auf diesem Plan in der Verbindungsgalerie gezeichnet sind, gehören nicht dahin sondern in den Grundriss des Parterres, wo sie vielleicht andeuten könnten, dass dort ein Abgang in das Souterrain stattfinden soll. Aber es fehlt dabei der Aufgang in den unteren Saal von der Durchfahrt aus. ---- Sollte aber dafür Abgang in das Souterrain da vorgeführt werden, so würde zur Zeit der Vorfahrt beim Theater eine wunderbare Kollision mit den Wagen und den Servierenden eintreten!!

Bei diesem letzten Plan muss ich noch bemerken, dass das große kreisförmige Foyer gegen schön fortlaufende Kreislinien verloren hat und in ein wunderbares Polygon sich verwandelt hat, welches dem Fußboden und den Dache desselben eine wahrhaft abenteuerliche Form gibt, mit der ich mich nicht befreunden kann. Zudem verengt er sich auf eine ganz unnatürliche Weise gerade da, wo sich das meiste Publikum beim Herausgehen hinzieht. Die Logentreppen und Vorplätze sind ganz eingeschrumpft und zu eng für die Menschenmasse, welche sich da zusammenzieht. Alle diese Monstrositäten sind nur darauf entstanden, weil in den früheren Zeichnungen leichtsinnigerweise – die Abtritte und Pissoirs vergessen waren. – Sollte ich mich zu so etwas bekennen oder gar schön finden? Das ist mir nicht möglich!

Die 4 großen Säle, welche die Herrn Architekten vorschlagen, müssen noch außer den oben berührten Unmöglichkeiten für die Bedienung und den Gebrauch derselben, großes Bedenken in ökonomischer Hinsicht erregen. Ich habe schon wegen der Erwärmung derselben für den Winter die Kostspieligkeit erwähnt; allein die Beleuchtung (des Saals bei Abendveranstaltungen) wird in solchen Räumen kaum zu erschwingen sein und würde sowohl der Verwaltung als den etwaigen Pächtern so drückend werden, dass man in kurzer Zeit die schönen Räume dunkel und endlich verschlossen sehen würde.

Es wird, glaube ich, hier am Orte sein, daran zu erinnern, was in ähnlichen Räumen in Berlin zur Beleuchtung erforderlich ist.
Im Berliner Operntheater brennen
Auf der Lampe 80 sog. 16 Loch Gasbrenner
Auf dem Kronleuchter 300 Licht oder 2 Lochbrenner
In der gr. Königl. Loge 30  „                        „
Hinter jeder der 6 Kulissen 10 16 Lochbrenner
Zusammen 120  „          „

Bei Konzertbeleuchtung im großen Saale,
auf 3 Kronen a 36 =  108 16 Lochbrenner
                         
Im Schauspielhause brennen
Auf der Lampe 60 16 Lochbrenner
Auf der Krone 36  „          „
Hinter den Kulissen ca. 100  „          „

Im Konzertsaal des Schauspielhauses auf 4 Kronen und 10 Branchen zusammen 170 16 Lochbrenner.
So wie die großen Säle in dem letzten Projekt der Herrn Architekten angegeben sind würden sie nur um 1/5 kleiner sein als der Konzertsaal im Berliner Opernhaus, dieser bedarf 108 Gasflammen, also würden jene (jeder) etwa 86 Flammen bedürfen die Galerien in den Zwischenbauten halten etwa jede 2500 Quadratfuß würden also jeder mindestens 40 Flammen bekommen müssen. Das große unförmige Foyer enthält ungefähr 5000 Quadratfuß würde also das Doppelte der Galerien d. i. 80 Flammen erfordern.

Endlich muss ich noch bemerken, dass die Zugänge zu den Proszeniumslogen über die Maßen schlecht liegen, weil sie da sind, wo beim Herausgehen aus dem Theater der ganze Strom der Zuschauer sich drängt. (In meinem Theater wo keine besondere Hofloge gebildet ist, muss es wenigstens möglich gemacht werden können, Hohen fremden Gästen einen ungestörten Ein- und Ausgang zu gewähren.) Das wird hier geradezu unmöglich und der Weg bei den Abtritttüren vorbei kann auch nicht ignoriert werden.

Den Stil der Fassade betreffend, so muss ich gestehen, dass die Randbemerkung auf dem Schriftstück: „Die Fassaden der Flügel müssen einer untergeordneten Kraft überlassen gewesen sein“ mich mindestens, mein architektonisches Gefühl über die neue Fassade unverhohlen auszusprechen, berechtigt.

In diesen Fassaden erblicke ich eine Zusammenstellung von Triumphbögen und Konditorei oder Restauration auf die ich allerdings nicht verfallen wäre. Ich glaube nicht, dass dies aus einer richtigen architektonischen Ansicht entstanden sei. Die 4 Vorder- und Hinterfassaden der Pavillons bestehen in einer Anordnung, welche die Römer den Triumphbögen ihrer Heroen geben, indem sie neben oder zwischen die Bögen Säulen auf Postamenten von der Wand abstehend stellen, das Entablement derselben um die Säule herum verkröpften, so dass dies von der Fassadenlinie hervorstand. Dies hatte den Zweck, Bildsäulen von Heroen darauf zu stellen, welche dadurch illustriert wurden. Diese Anordnung bestand aber lediglich aus Postament und einer Säulenhöhe. So sehen wir sie an den Triumphbögen von Konstantin und Septimio Severo in Rom, welche 3 Bogenöffnungen haben. Der Triumphbogen des Titus dagegen hat nur einen Bogen und ganz bescheidene Halbsäulen daneben.

Wer soll denn aber nun hier auf diese Weise illustriert werden? Einen Perigor oder Russov? können wir doch da nicht hinauf stellen und übrigens gibt es auch zu wenig solche Zelebritäten in Deutschland. Also es müssen wieder alle möglichen allegorischen Figuren heran; um nur Puppen aufstellen zu können. Warum sollen aber diese alle so illustriert werden und zwar doppelt illustriert werden, denn sie sollen ja auf zwei Säulen übereinander stehen! Hier stoßen wir nun aber auf einen groben architektonischen Fehler, denn zwei Säulen übereinander mit ihren verkröpften Entablements und die obere auch mit Postament versehen, das hat noch keiner gemacht, der sich Architekt nennen will. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies nicht gemacht werden darf, ohne das Auge zu beleidigen und zwar aus folgenden Gründen:

Die untere Säule wird hier nach dem Verhältnis ihrer Höhe etwa 2 Fuß stark im Raum. Dieser verjüngt sich nach oben um 1/6 also bleibt die obere Stärke 20“, folglich auch das verkröpfte Entablement. Die obere Säule von 151/2 Fuß Höhe bekommt eine untere Stärke von 201/3“, ihr Schaftgesims muss einen Vorsprung auf jeder Seite von etwa 31/3“ bekommen also im Ganzen einen Vorsprung von 62/3“, welches zusammen 27“ beträgt. Da nun das Entablement (Gebälk) der unteren Säule nur 20“ stark ist, so wird das obere Postament also 7“ dicker sein als der Entablement darüber. Das ist ein unzulässiger Übelstand und widerstrebt jedem richtigen Gefühle, denn die schwachen Säulen übereinander mit dem delikaten Postament dazwischen machen eine geschwulstartige Erscheinung, welche dazu mit dem Gefühl der Zerbrechlichkeit sich paart.

Man hat an meinem Projekt den Berliner Baustil getadelt. Darauf muss ich bemerken, dass es ganz meiner Natur zuwider ist, dem Berliner Baustil zu huldigen. Meine architektonische Schule datiert nicht von den Berliner Architekten, Bauführern oder Maurermeistern, welche jetzt Berlin mit Fassaden überschwämmen. Meine Vorbilder waren nächst den Griechen und Römern Michelangelo, Palladio, Serlio usw. Der Berliner Baustil, wie er jetzt herrscht, ist mir großenteils ein Gräuel. Täglich widern mich die Berliner Fassaden mit ihren Überladungen, abwechselnden Bogen und vierachsigen Fenstern, mit den vielen kleinen Vorsprüngen, kleinen Verdachungen, mit den zweibeinigen kleinen aber vorspringenden Peristyls mit 2 hier 3 Säulen übereinander, welche einzuknicken drohen und endlich den vielen, vielen Puppen (wie ein reisender Baumeister sich äußerte).

Aber gerade die nämliche Empfindung habe ich bei Ansicht der mir vorgelegten Fassade. Da sind die kleinen 2-beinigen Peristyls mit kleinen Verdachungen, da sind die vielen, vielen Vorsprünge, da sind die verkröpften Entablements in der Hauptfassade und in den Pavillons. Da ist die Winkelei – von ganz unmotivierten Vorsprüngen, welche nur zu Verunreinigung Anlass geben, wenn sie nicht Tag und Nacht bewacht werden. In diese Winkel also will man vielleicht dramatische oder musikalische Heroen hinein drücken, welche jetzt ganz vom dem mittleren starken aber eigentlich ganz unmotivierten Risalit versteckt werden. Ein großer Fronton ist da eine bloße Maske (um nicht Lüge zu sagen) weil er durch kein dahinter liegendes inneres Gebäude motiviert ist und das darüber folgende Dach des Gebäudes eine ganz andere Form bekommen wird. Man will die obere Etage mit einem weiteren Gesims zieren, allein der Zeichner hat das nicht so recht verstanden, da die Medaillons in diesem Sims stehen, noch einmal so weit auseinander als wie sie stehen sollen; das macht sich sehr ärmlich!

Nun endlich die Zwischenbaue, welche Galerien genannt werden. Warum tritt bei diesen leichten Galerie-Verbindungen gerade eine so schwerfällige Architektur mit verkröpften Halbpilastern ein? Die Schreiber des „Schriftstückes“ wollen dies mit der Verbindungs-Galerie den beiden Museen in Berlin vergleichen? (Eine Abbildung liegt hierbei.) Wie kommt der Vergleich hier her? Die Berliner Galerie ist durch eine Kolonnade von 8 korinthischen Säulen und 2 Pilastern gebildet, welche 9 Zwischenräume von 5’ geben. Der Vergleich also hinkt etwas zu stark!

Nun aber ergötzen sich die Herren Architekten mit der schönen Symmetrie, dass man sowohl durch die obere Galerie als die untere Bogenöffnungen, den schönen blauen Himmel oder in die Parkanlagen erblicken wird. Also sie setzen wirklich voraus, dass diese Durchsichten ganz frei und offen bleiben sollen, so wie sie hier in der geometrischen Zeichnung erscheinen. Da muss man aber doch erst die Sache besser prüfen. Die obere Galerie ist die Verbindung des Logenhauses mit den großen Sälen. Nun wird man aber doch wohl nicht voraussetzen können, dass wenn nun auf den Logentreppen das Publikum bis zum Foyer gelangt ist, von da wieder (bei Wind und Wetter) über das Freie gehen soll? Hier komme wir nun eigentlich auf die Chimäre welche mit diesen Durchsichten, welche die Herrn Architekten aus Plänen machen wollen, getrieben wird.

Es lässt sich dieser Verbindungsbau nicht anders denken, als dass alles verglast und wohl geschlossen wird; sowohl oben als auch in der unteren Durchfahrt. Oben: damit es möglich wird, bei jeder Witterung durchgehen zu können und damit eine ruhige Beleuchtung am Abend hergestellt werden kann. Unten: damit die aus den Wagen steigenden nicht der Zugluft ausgesetzt werden und endlich, dass die unteren Räume über Nacht geschlossen werden können, um jedem Unfug und der Verunreinigung entgegen zu treten.

Die oberen Räume [müssen] außen auf der Sonnenseite Rouleaux oder Gardinen erhalten, damit im Innern durch die Sonnenstrahlen nicht alles leidet und endlich ganz verdorben wird. Da ist es also mit der schönen Durchsicht nichts mehr!

Die Konditorei- und Restaurationssäle in der unteren Etage für Gäste nach dem Park zu benutzen zu wollen ist ebenfalls nur ein frommer Wunsch. An den Seiteneingängen zur Bühne ist ein sehr starker Verkehr, welcher in An- und Abfahren der Theater-Mitglieder in dem Eintreten des Chorpersonals, vielleicht auch Militär und Pferden gesteht, so wie in dem täglichen Verkehr der Theaterarbeiter, welche mit dem Transport der Dekorationsstücke beschäftigt sind. Alles dies lässt sich nicht wie ein Aufenthalt in einem Park denken, sondern bietet manche Unannehmlichkeiten. Unterdes ist es fast unerlässlich, dass auf dieser Seite der Konditoreien und Restaurationen ein kleiner Hofraum, wenn auch nur mit einer Hecke abgeteilt, geschaffen wird, damit die Ökonomen dieser Anstalten Gelegenheit haben, irgend etwas in freier Luft zu halten oder abdampfen zu können.

An den anderen Seiten dieser Anstalten ist es fast unausbleiblich, dass Zelte oder Markisen errichtet werden, und dann sind alle vorspringenden Säulen u. der. sehr hinderlich und platzraubend.

Zu dem letzten vergrößerten Grundriss ist keine Fassade zugegeben, obgleich in den Pavillons und den Verbindungs-Galerien sehr bedeutende Abweichungen von den andern Grundrissen angegeben sind. Es wird also noch eine dazu gehörige Fassade zu entwerfen sein.

Sehr dunkel bleibt überhaupt die Gestaltung der großen Säle, indem die Herrn Architekten die Etagenhöhe meines Projekts beibehalten haben, ohne zu bedenken, dass so große Säle auch andere Höhen bedingen. Ein Saal 74 Fuß lang und 43 Fuß breit, aber nur 19 oder 20 Fuß hoch ist außer allem Verhältnis! Die Konstruktion der Balkenlage zwischen dem unteren und oberen Saal hat, bei 43 Fuß Spannung, ihre Schwierigkeiten, zumal wenn der obere Fußboden zu Tanzproben dienen soll. – Nun kann man sich allenfalls eine künstliche eiserne Armierung denken, die aber doch noch eine Elle an der Höhe des unteren Saales rauben kann. Es bleiben dafür nur noch 17 Fuß Höhe übrig, bei 45 Fuß Breite?!!

Der obere Saal kann vielleicht 20 Fuß Höhe erhalten. Genügt dies für große Musikaufführungen?? Der Konzertsaal im Berliner Opernhause hat 40 Fuß Höhe.

Berlin den 29. Mai 1864, Langhans